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BGH Urteil vom 27.07.2020 - VI ZR 405/18 - Zu den Voraussetzungen eines Auslistungsanspruchs gegen den Verantwortlichen eines Internet-Suchdienstes nach Art. 17 DS-GVO.

BGH v. 27.07.2020: Zum Rechtr auf Vergessenwerden


Der BGH (Urteil vom 27.07.2020 - VI ZR 405/18) hat entschieden:

   Zu den Voraussetzungen eines Auslistungsanspruchs gegen den Verantwortlichen eines Internet-Suchdienstes nach Art. 17 DS-GVO - Recht auf Vergessenwerden

Siehe auch
Das Recht auf Vergessenwerden, insbesondere gegenüber Suchmaschinen
und
Stichwörter zum Thema Datenschutz


Tatbestand:


Der Kläger verlangt von der Beklagten, es als verantwortliche Stelle für die Verarbeitung von Daten in dem Index des Internet-Suchdienstes "Google" zu unterlassen, bei einer Suche nach seinem Namen bestimmte Ergebnislinks anzuzeigen, die auf ihn identifizierende Presseveröffentlichungen hinführen.

Der Kläger war bis April 2012 Geschäftsführer des Regionalverbands des Arbeiter-Samariter-Bundes in Mittelhessen (ASB-Mittelhessen). Der ASB-Mittelhessen hat über 500 Beschäftigte und mehr als 35.000 Mitglieder, er organisiert und finanziert Bauprojekte, Einrichtungen und Pflegedienste. Im Jahr 2011 wies der ASB-Mittelhessen ein finanzielles Defizit von knapp einer Million Euro auf. Der Kläger meldete sich kurz zuvor auf Grund gesundheitlicher Probleme krank. Die regionale Presse berichtete wiederholt über die finanzielle Schieflage des ASB-Mittelhessen.

So berichtete die Frankfurter Neue Presse am 11. März 2012 (URL Nr. 1):

   Finanzkrise beim ASB: Geschäftsführer weiter krank Für den Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) in Mittelhessen schlägt heute die Stunde der Wahrheit: Der Landesausschuss des Wohlfahrtsverbandes soll heute über das Sanierungskonzept des finanziell angeschlagenen Regionalverbandes entscheiden. (...)

Im November 2011 hatte sich beim Regionalverband (...) eine Finanzlücke von einer Million Euro aufgetan. Der Verband unter Führung von H. W. [voller Name des Klägers] hatte sich finanziell überhoben. Der Landesverband musste mit einer Geldspritze aushelfen. (...) Erschwert wird das Vorgehen, weil Geschäftsführer W. [Familienname Kläger] seit kurz vor dem Zeitpunkt, als die Finanzlücke bemerkt wurde, krank gemeldet ist. "Er ist nach wie vor erkrankt", berichtet G. [Landesgeschäftsführer]. Derzeit befinde sich W. [Familienname Kläger] in einer Reha-Maßnahme, die auch aktuell bis zunächst Anfang April verlängert worden sei. Der ASB habe auch nur schriftlichen Kontakt mit dem Geschäftsführer. "Wir hätten uns gewünscht, auch ein persönliches Gespräch mit ihm führen zu können", sagt der Landesgeschäftsführer. Natürlich sei es besser, wenn man alle Beteiligten an einem Tisch habe. "Es fehlt nun jemand, der uns Auskunft geben kann." Deshalb plane der ASB "an der Stelle nicht mit Herrn W. [Familienname Kläger] und wolle die Sanierung auch ohne sein Zutun einleiten. Wann er wieder im Dienst sei, "ist derzeit nicht absehbar", erklärt G. (...)


Am 8. Januar 2013 berichtete die Frankfurter Neue Presse (URL Nr. 2):

   Verband will sich von Ex-Chef trennen Millionenverluste beim Arbeiter-Samariter-Bund Mittelhessen (ASB): Sie liefen zu Zeiten auf, als Geschäftsführer H.W. [voller Name Kläger] den Regionalverband führte.

W. [Familienname Kläger] hatte sich in der Phase, als 2011 der Millionenverlust bekannt wurde, krank gemeldet. Von W. [Familienname Kläger] wolle sich der ASB trennen, sagt Landesgeschäftsführer G. Gegen die Trennung stemmt sich W. [Familienname Kläger] gerichtlich. (...)


Am 30. November 2011 schrieb die Frankfurter Rundschau in ihrer Online-Ausgabe (URL Nr. 3):

   ASB schreibt tiefrote Zahlen (...) Mittelhessen-Geschäftsführer H.W. [voller Name Kläger] befinde sich aus gesundheitlichen Gründen nicht im Dienst, sagte G. [Landesgeschäftsführer]. W. [Familienname Kläger] unterziehe sich einer seit langer Zeit terminierten medizinischen Behandlung. Der Landesverband erteile Diskussionen und Gerüchten um W. [Familienname Kläger] eine Absage. Nach Angaben von G. ist das Finanzloch nicht plötzlich entdeckt worden. "Der Regionalverband ist seit Ende 2010 unter enger Begleitung". (...)

Ein grober Schnitt mit der Sense solle nicht gemacht werden, saget G. "Es gibt viele kleine Stellschrauben, an denen wir drehen können." Man werde eine "differenzierte Lösung" anstreben, bei der möglichst alle Jobs erhalten blieben. Vorstellbar sei auch eine Konsolidierungsphase (...) Mit dem Expansionskurs werde es jedoch vorbei sein (...)




Am 1. Mai 2012 berichtete die Offenbach-Post in ihrer Online-Ausgabe (URL Nr. 4):

   Sanierungskonzept für die Helfer Mit einer neuen Spitze und einem ehrgeizigen Sanierungsplan will der Arbeiter-Samariter-Bund Mittelhessen (...) gegen die bedrohliche finanzielle Schieflage kämpfen. Erklärtes Ziel: Einsparungen von einer Million Euro pro Jahr (...)

Sch. [kommissarischer Vorsitzender] räumte ein, das alte Management habe Fehler gemacht. Als neuer Geschäftsführer wurde (...) vorgestellt. Er löst den erkrankten H.W. [voller Name Kläger] in Offenbach ab. (...)


Am 13. Dezember 2012 schrieb die Wetterauer Zeitung (URL Nr. 5):

   ASB kann Defizit um 750.000 Euro verringern Der Arbeiter-Samariter-Bund Mittelhessen (...) befindet sich auf dem Weg aus der finanziellen Krise. "Unser Defizit beträgt nur noch rund 300.000 Euro, wir konnten innerhalb eines Jahres rund 750.000 Euro einsparen (...)

Vor rund einem Jahr war bekannt geworden, dass der ASB ein Millionendefizit eingefahren hatte. Daraufhin wurde eine Kostenrevision durchgeführt. Zu dem früheren Geschäftsführer H.W. [voller Name Kläger] wollte M. [neuer Geschäftsführer] keine Angaben machen. Der ASB Mittelhessen war im Laufe des vergangenen Jahres in eine "finanzielle Schieflage" geraten, so die offizielle Lesart. 1. Vereinsvorsitzender R.P. [Name] war ohne Angaben von Gründen zurückgetreten, und Geschäftsführer W. [Familienname Kläger] war laut damaliger Aussage der Landesgeschäftsführung aus gesundheitlichen Gründen nicht im Dienst. Der heutige Geschäftsführer M. [Name] sagte, die Geschäftsführung trage für die Ergebnisse die Verantwortung. Aber zu W. [Familienname Kläger] wolle er sich nicht äußern: "Da haben wir ein laufendes Verfahren." (...)

Die Landesgeschäftsführung hatte Ende vergangenen Jahres (...) gemeinsam einen Sanierungsbeirat installiert. Dieser durchforstete alle Ausgabenpositionen. Wie (...) sagte, habe es "Personalanpassungen in einzelnen Bereichen" gegeben. Entlassen worden seien aber nur sehr wenige Mitarbeiter. Vielmehr habe man beispielsweise auf eine bessere Auslastung der vom ASB betreuten Kitas geachtet. "Da sind wir nun deutlich wirtschaftlicher aufgestellt als zuvor." Früher habe man 15 Kinder in einer Gruppe gehabt, nun seien es 25. (...)


Am 17. Mai 2015 forderte der Kläger die Beklagte auf, verschiedene Ergebnislinks aus ihren Suchergebnislisten zu entfernen, die bei Eingabe seines Vor- und Familiennamens - sowohl isoliert als auch in Verbindung mit bestimmten Ortsangaben - in die Suchmaschine angezeigt würden. Dieser Aufforderung kam die Beklagte teilweise nach, nicht aber in Bezug auf die noch im Streit befindlichen Ergebnislinks zu den o.g. Veröffentlichungen (URL Nr. 1-5).

Das Landgericht hat die auf die Auslistung auch dieser fünf Suchergebnisse gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb vor dem Oberlandesgericht ohne Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Auslistungsbegehren weiter.




Entscheidungsgründe:


A.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Entscheidung unter anderem in AfP 2019, 446 veröffentlicht ist, ergibt sich der vom Kläger geltend gemachte Anspruch nicht aus Art. 17 DS-GVO. Zwar sei der Anwendungsbereich der DS-GVO eröffnet und werde das Rechtsschutzbegehren des Klägers grundsätzlich von Art. 17 DS-GVO erfasst. Doch lägen die Voraussetzungen des Art. 17 DS-GVO nicht vor. Zwar sei zu berücksichtigen, dass die verlinkten Artikel insoweit Gesundheitsdaten des Klägers i.S.d. Art. 9 Abs. 1 DS-GVO enthielten, als darüber berichtet werde, dass sich der Kläger krank gemeldet habe, er sich in einer Reha-Maßnahme bzw. einer seit langer Zeit terminierten medizinischen Behandlung befunden habe und aus gesundheitlichen Gründen nicht im Dienst gewesen sei. Doch sei die Verarbeitung der Daten zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information erforderlich (Art. 17 Abs. 3 Buchst. a DS-GVO). Die insoweit notwendige Abwägung des Rechts des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung auf der einen Seite und des Rechts der Beklagten und der Nutzer ihrer Suchmaschine auf Kommunikationsfreiheit auf der anderen Seite führe im Ergebnis dazu, dass die Datenverarbeitung insgesamt rechtmäßig sei.

Insoweit sei zunächst zu berücksichtigen, dass den Betreiber einer Suchmaschine nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteil vom 27. Februar 2018 - VI ZR 489/16, BGHZ 217, 350) erst dann spezifische Verhaltenspflichten träfen, wenn er durch einen konkreten Hinweis Kenntnis von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen durch den Inhalt einer in der Ergebnisliste der Suchmaschine nachgewiesenen Internetseite erlangt habe.

Lege man diesen Maßstab an, gehe die Abwägung zu Lasten des Klägers, da es zumindest an einer für die Beklagte offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung fehle.

Im Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung sei die Berichterstattung rechtmäßig gewesen. Sie habe wahre Tatsachenbehauptungen enthalten. Die berichteten Umstände entstammten der Sozialsphäre des Klägers und seien zu unkonkret, um ein genaues Ausmaß der gesundheitlichen Auswirkungen des Klägers zu offenbaren. Zudem habe die Berichterstattung zur Begründung gedient, warum der Kläger in der aktuellen Schieflage des ASB-Mittelhessen nicht zur Mitarbeit zur Verfügung gestanden habe.

Hinsichtlich der Verlinkung durch die Beklagte sei zu berücksichtigen, dass das Internet ohne Suchmaschinen nicht mehr sinnvoll nutzbar wäre. Zu beachten sei zudem das Interesse der Autoren der verlinkten Presseartikel aus Art. 5 Abs. 1 GG. Schließlich habe die Beklagte auch nicht ein dem Kläger zustehendes Recht auf Vergessenwerden missachtet. Der im Streitfall vorliegende Zeitablauf von sechs bis sieben Jahren seit Veröffentlichung der Artikel lasse nicht eindeutig auf die Erledigung jeglichen Informationsinteresses schließen, auch wenn sich die finanzielle Situation des ASB-Mittelhessen mittlerweile gebessert habe und der - offenbar gesunde - Kläger dort auch nicht mehr tätig sei. Vielmehr sei zu berücksichtigen, dass die Vorkommnisse, um die es gehe und die aufgrund von Stellenstreichungen, Streichungen bei Leistungen etc. auf viele Menschen Auswirkungen gehabt hätten, erst wenige Jahre zurücklägen, die Rechtsprechung das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit nicht nur an der Information über das aktuelle Zeitgeschehen, sondern auch an der Möglichkeit anerkenne, vergangene zeitgeschichtliche Ergebnisse zu recherchieren, und die Vorkommnisse letztlich auch zu dem beruflichen Werdegang des Klägers gehörten, die nicht ohne Weiteres aus seinem Leben gestrichen werden könnten.

B.

Diese Erwägungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand. Der Kläger hat derzeit keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Auslistung der streitgegenständlichen Ergebnislinks.

I.

Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich nicht aus Art. 17 Abs. 1 DS-GVO.

1. Allerdings ist die Datenschutz-Grundverordnung zeitlich (a), sachlich (b) und räumlich (c) anwendbar.

a) Die Datenschutz-Grundverordnung gilt seit dem 25. Mai 2018 (Art. 99 Abs. 2 DS-GVO) unmittelbar in jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union.

b) Die Tätigkeit einer Suchmaschine, die darin besteht, von Dritten ins Internet gestellte und dort veröffentlichte Informationen zu finden, automatisch zu indexieren, vorübergehend zu speichern und schließlich den Internetnutzern in einer bestimmten Rangfolge zur Verfügung zu stellen, fällt, sofern die Informationen - wie hier - personenbezogene Daten enthalten, in den sachlichen Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung (Art. 2 Abs. 1 DS-GVO). Sie ist als automatisierte "Verarbeitung personenbezogener Daten" im Sinne von Art. 4 Nr. 1 und 2 DS-GVO einzustufen. Als verantwortliche Stelle für die Verarbeitung von Daten in dem Index des Internet-Suchdienstes ist die Beklagte "Verantwortlicher" im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DS-GVO (vgl. EuGH, Urteile vom 24. September 2019 - Rs. C-136/17, NJW 2019, 3503, 3504 Rn. 35 i.V.m. 33; vom 13. Mai 2014 - Rs. C-131/12, NJW 2014, 2257, 2259 Rn. 41).

Die streitgegenständliche Tätigkeit der Beklagten unterfällt auch nicht der Öffnungsklausel nach Art. 85 DS-GVO i.V.m. der Bereichsausnahme des § 57 Abs. 1 Satz 4 RStV. Die automatisierte bloße Auflistung von redaktionellen Beiträgen stellt keine eigene journalistischredaktionelle Gestaltung dar (vgl. BVerfG, NJW 2020, 314, 316 ff. Rn. 36, 41, 105, 138 - Recht auf Vergessen II; Buchner/Tinnefeld in Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 2. Aufl., Art. 85 DS-GVO Rn. 12, 26; zu den Vorgängervorschriften vgl. EuGH, Urteil vom 13. Mai 2014 - Rs. C-131/12, NJW 2014, 2257, 2263 Rn. 85; Senatsurteil vom 27. Februar 2018 - VI ZR 489/16, BGHZ 217, 350, 368 Rn. 44; zur umstrittenen Bedeutung von Art. 85 Abs. 1 DS-GVO in diesem Zusammenhang weitergehend etwa Lauber-Rönsberg, AfP 2019, 373, 377 mwN). Dies nimmt die Beklagte auch nicht für sich in Anspruch.

c) Der räumliche Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung auf die in den Vereinigten Staaten von Amerika ansässige Beklagte folgt bereits aus Art. 3 Abs. 1 DS-GVO. Nach den tatrichterlichen Feststellungen betreibt die Beklagte eine deutsche Niederlassung und bietet in deutscher Sprache Nutzern in Deutschland die Möglichkeit an, über ihren Suchdienst gezielt nach im Internet vorhandenen Informationen zu suchen und auf sie zuzugreifen, wobei die Nutzer letztlich als "Bezahlung" ihre Daten zur Verfügung stellen, um das Leistungsangebot nutzen zu können. Daher kann der Umstand, dass die Suchmaschine von einem Unternehmen eines Drittstaates betrieben wird, nicht dazu führen, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten, die zum Betrieb der Suchmaschine im Rahmen der gewerblichen und Werbetätigkeit einer Niederlassung des für die Verarbeitung Verantwortlichen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates ausgeführt wird, den in der Datenschutz-Grundverordnung vorgesehenen Garantien und Verpflichtungen entzogen wird (EuGH, Urteil vom 24. September 2019 - Rs. C-507/17, NJW 2019, 3499, 3500 Rn. 48 ff. i.V.m. 41; vgl. bereits EuGH, Urteil vom 13. Mai 2014 - Rs. C-131/12, NJW 2014, 2257, 2260 Rn. 45 ff.). Auf das zusätzliche Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 DS-GVO kommt es danach nicht mehr an.

2. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte folgt insoweit aus Art. 79 Abs. 2 DS-GVO. Die Beklagte hat in Deutschland eine Niederlassung (Art. 79 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Erwägungsgrund 22 DS-GVO); zudem hat der Kläger als betroffene Person seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland (Art. 79 Abs. 2 Satz 2 DS-GVO; vgl. jeweils im Überblick Bergt in Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 2. Aufl., Art. 79 DS-GVO Rn. 15 ff.; Boehm in Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann, Datenschutzrecht, 2019, Art. 79 DS-GVO Rn. 17 ff.).



3. Das auf dauerhafte Auslistung der von ihm beanstandeten Suchergebnisse gerichtete Rechtsschutzbegehren des Klägers ist grundsätzlich von Art. 17 Abs. 1 DS-GVO erfasst. Dies gilt unbeschadet des Umstandes, dass die technische Umsetzung dieses Begehrens sich nicht in dem einmaligen Löschen von Daten durch die Beklagte erschöpfte, sondern weitere Maßnahmen, etwa die Aufnahme der beanstandeten Information in eine Datenbank erforderte, um die erneute Indexierung dieser Information unter dem fraglichen Suchbegriff zu verhindern (vgl. Veil in Gierschmann/Schlender/Stentzel/Veil, DSGVO, 2018, Art. 17 Rn. 89; Spindler in Spindler/Schmitz, TMG, 2. Aufl., Vorb. vor § 7 Rn. 83). Der Begriff der Löschung i.S.d. Art. 17 DS-GVO ist autonom auszulegen. Das in Art. 17 Abs. 1 DS-GVO niedergelegte "Recht auf Löschung" ist insoweit schon aufgrund der für den Betroffenen letztlich unwägbaren und zudem stetem Entwicklungsfortschritt unterworfenen technischen Voraussetzungen der beanstandeten Datenverarbeitung nicht auf das schlichte Löschen von Daten zu verengen, sondern - entsprechend der zielorientierten weiteren Artikelüberschrift - als "Recht auf Vergessenwerden" normativ zu verstehen, so dass ihm unabhängig von der technischen Umsetzung auch das Auslistungsrecht der von einer Suchmaschine betroffenen Person unterfällt (vgl. EuGH, Urteile vom 24. September 2019 - Rs. C-507/17, NJW 2019, 3499, 3500 Rn. 45 f.; Rs. C-136/17, NJW 2019, 3503, 3506 Rn. 53 ff.).

4. Der Kläger muss sich auch nicht darauf verweisen lassen, vorrangig die für die von der Beklagten verlinkten Artikel verantwortlichen Presseorgane in Anspruch zu nehmen. Die Haftung des Suchmaschinenbetreibers bzw. Verantwortlichen eines Internet-Suchdienstes ist nicht subsidiär, da ein wirksamer und umfassender Schutz der betroffenen Person nicht erreicht werden kann, wenn diese grundsätzlich vorher oder parallel bei den Inhalteanbietern die Löschung der sie betreffenden Informationen erwirken müsste. Die Tätigkeit eines Suchmaschinenbetreibers ist ein für sich stehender Akt der Datenverarbeitung, der folglich auch hinsichtlich der damit einhergehenden Grundrechtsbeschränkungen eigenständig zu beurteilen ist. Daher kann die Abwägung im Rahmen des Anspruches aus Art. 17 Abs. 1 DS-GVO gegen den Suchmaschinenbetreiber zu einem anderen Ergebnis führen als im Rahmen des Anspruchs gegen den Betreiber der verlinkten Webseite, da sowohl die berechtigten Interessen, die die Datenverarbeitung rechtfertigen, unterschiedlich sein können als auch die Folgen, die die Verarbeitungen für die betroffene Person, insbesondere für ihr Privatleben, haben (vgl. EuGH, Urteile vom 24. September 2019 - Rs. C-507/17, NJW 2019, 3499, 3500 Rn. 44 i.V.m. 41; Rs. C-136/17, NJW 2019, 3503, 3506 Rn. 52 i.V.m. 33; vom 13. Mai 2014 - Rs. C-131/12, NJW 2014, 2257, 2263 Rn. 82 ff.; BVerfG, NJW 2020, 314, 324 Rn. 112 - Recht auf Vergessen II; Senatsurteil vom 27. Februar 2018 - VI ZR 489/16, BGHZ 217, 350, 368 f. Rn. 45).

5. Schließlich hat der Kläger die - ohne vorherige Beanstandung durch einen Betroffenen zu einer proaktiven, also von ihr aus vorzunehmenden Prüfung des Inhalts der von ihrer Suchmaschine generierten Nachweise nicht verpflichtete (vgl. Senatsurteil vom 27. Februar 2018 - VI ZR 489/16, BGHZ 217, 350, 361 f. Rn. 34; BVerfG, NJW 2020, 314, 324 Rn. 113 - Recht auf Vergessen II) - Beklagte bereits vor Klageerhebung durch Benennung der konkret beanstandeten Ergebnislinks und eine im Zusammenhang erfolgte Darstellung des zugrunde liegenden Sachverhalts und seiner rechtlichen Erwägungen in formeller Hinsicht hinreichend deutlich auf die aus seiner Sicht vorliegende Rechtswidrigkeit der Datenverarbeitung hingewiesen und die Beklagte insoweit zur Auslistung aufgefordert (vgl. zum Antragserfordernis auch EuGH, Urteile vom 24. September 2019 - Rs. C-136/17, NJW 2019, 3503, 3504 ff. Rn. 48, 66, 68, 77 i.V.m. 33; vom 13. Mai 2014 - Rs. C-131/12, NJW 2014, 2257, 2264 Rn. 94 ff.).

6. Indes liegen die materiellen Voraussetzungen für das klägerische Auslistungsbegehren nicht vor. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Auslistung der streitgegenständlichen Ergebnislinks aus Art. 17 Abs. 1 DS-GVO, weil die von der Beklagten vorgenommene Datenverarbeitung auf der Grundlage aller relevanten Umstände des Streitfalls zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information erforderlich ist (Art. 17 Abs. 3 Buchst. a i.V.m. Art. 6 Abs. 1 Buchst. f, Art. 9 Abs. 2 Buchst. g, Art. 21 Abs. 1 Satz 2 DS-GVO).

a) Einschlägige Grundlage des klägerischen Auslistungsbegehrens ist Art. 17 Abs. 1 DS-GVO. Danach steht - soweit im Streitfall relevant - der betroffenen Person der Anspruch zu, wenn die personenbezogenen Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind (Art. 17 Abs. 1 Buchst. a DS-GVO) oder die betroffene Person Widerspruch gegen die Verarbeitung ihrer Daten eingelegt hat und keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vorliegen (Art. 17 Abs. 1 Buchst. c DS-GVO) oder die personenbezogenen Daten unrechtmäßig verarbeitet wurden (Art. 17 Abs. 1 Buchst. d DS-GVO).

Der Kläger nimmt der Sache nach das Vorliegen der Voraussetzungen für alle drei genannten Varianten für sich in Anspruch. Die erste Variante betrifft den Zeitablauf zwischen dem erstmaligen Erscheinen der in der Ergebnisliste der Beklagten nachgewiesenen Artikel in den Jahren 2011 bis 2013 und dem Schluss der letzten Tatsachenverhandlung im August 2018. Die zweite Variante beruht auf dem schon im Auslistungsbegehren selbst liegenden Widerspruch des Klägers gegen die Datenverarbeitung durch die Beklagte. Mit der dritten Variante nimmt der Kläger die besondere Sensibilität seiner in den verlinkten Artikeln enthaltenen, von der Beklagten vorübergehend gespeicherten und über den Nachweis in ihren Ergebnislisten zugänglich gemachten Gesundheitsdaten in den Blick, deren Verarbeitung nach Art. 9 Abs. 1 DS-GVO grundsätzlich untersagt ist.

b) Eine binnendifferenzierte Prüfung der genannten Anspruchsvarianten ist hier gleichwohl nicht geboten. Art. 17 Abs. 1 DS-GVO gilt insgesamt nicht, soweit die Datenverarbeitung zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information erforderlich ist (Art. 17 Abs. 3 Buchst. a DS-GVO). Dieser Umstand ist Ausdruck der Tatsache, dass das Recht auf Schutz personenbezogener Daten kein uneingeschränktes Recht ist, sondern, wie im vierten Erwägungsgrund der Datenschutz-Grundverordnung ausgeführt, im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion gesehen und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abgewogen werden muss (EuGH, Urteil vom 24. September 2019 - Rs. C-136/17, NJW 2019, 3503, 3506 Rn. 57). Diese Grundrechtsabwägung ist auf der Grundlage aller relevanten Umstände des Einzelfalles und unter Berücksichtigung der Schwere des Eingriffs in die Grundrechte der betroffenen Person einerseits, der Grundrechte der Beklagten, der Interessen ihrer Nutzer und der Öffentlichkeit sowie der Grundrechte der Anbieter der in den beanstandeten Ergebnislinks nachgewiesenen Inhalte andererseits umfassend vorzunehmen (vgl. EuGH, Urteile vom 24. September 2019 - Rs. C-136/17, NJW 2019, 3503, 3506 ff. Rn. 59, 68 f., 77; vom 29. Juli 2019 - Rs. C-516/17, AfP 2019, 424, 430 ff. Rn. 57 f., 72, 81; vom 14. Februar 2019 - Rs. C-345/17, NJW 2019, 2451, 2455 Rn. 65 f.; EGMR, NJW 2020, 295, 296 f. Rn. 89 ff., NJW 2017, 2091, 2093 Rn. 56 f.; BVerfG, NJW 2020, 314, 322 Rn. 96 ff., 120 - Recht auf Vergessen II).

Im Hinblick auf diese in rechtlicher wie tatsächlicher Hinsicht gebotene umfassende Prüfung muss die Abwägung jeweils zu demselben Ergebnis führen unabhängig davon, ob der Abwägungsvorgang seinen Ausgangspunkt in der Frage nimmt, ob die Verarbeitung der Daten allgemein zur Wahrung der berechtigten Interessen der Beklagten oder eines Dritten erforderlich war (Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO), ob die Verarbeitung speziell der Gesundheitsdaten des Klägers aus Gründen eines erheblichen öffentlichen Interesses erforderlich war (Art. 9 Abs. 2 Buchst. g DS-GVO), oder ob die Beklagte zwingende schutzwürdige Gründe für die Verarbeitung nachweisen kann, die die Interessen, Rechte und Freiheiten des Klägers als der betroffenen Person überwiegen (Art. 21 Abs. 1 Satz 2 DS-GVO). Geboten ist daher eine einheitliche Gesamtabwägung der widerstreitenden Grundrechte, die alle nach den Umständen des Streitfalles aufgeworfenen Einzelaspekte berücksichtigt (vgl. EuGH, Urteile vom 24. September 2019 - Rs. C-136/17, NJW 2019, 3503, 3506 f. Rn. 59, 66; vom 13. Mai 2014 - Rs. C-131/12, NJW 2014, 2257, 2262 Rn. 76).

c) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind in dem Bereich der unionsrechtlich vollständig vereinheitlichten Regelungen nicht die Grundrechte des Grundgesetzes, sondern allein die Unionsgrundrechte maßgeblich. Der streitgegenständliche Auslistungsanspruch ist nach dem unionsweit abschließend vereinheitlichten Datenschutzrecht zu beurteilen (BVerfG, NJW 2020, 314, 316 Rn. 34 - Recht auf Vergessen II; im Unterschied dazu für Regelungsbereiche, in denen die Datenschutz-Grundverordnung den Mitgliedstaaten einen Beurteilungsspielraum einräumt: BVerfG, NJW 2020, 300, 302 ff. Rn. 51, 74 - Recht auf Vergessen I). Maßstab der konkretisierenden Anwendung von Art. 17 Abs. 3 Buchst. a DS-GVO durch den Senat ist daher die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (vgl. BVerfG, NJW 2020, 314, 316 Rn. 42, 46 - Recht auf Vergessen II). Wie die Grundrechte des Grundgesetzes gewährleisten auch die Grundrechte der Charta Schutz nicht nur im Staat-Bürger-Verhältnis, sondern auch in privatrechtlichen Streitigkeiten. Eine Lehre der "mittelbaren Drittwirkung", wie sie das deutsche Recht kennt, wird der Auslegung des Unionsrechts dabei zwar nicht zugrunde gelegt. Im Ergebnis kommt den Unionsgrundrechten für das Verhältnis zwischen Privaten jedoch eine ähnliche Wirkung zu. Die Grundrechte der Charta können einzelfallbezogen in das Privatrecht hineinwirken (BVerfG, NJW 2020, 314, 322 Rn. 96 f. - Recht auf Vergessen II).

d) Auf Seiten des Klägers sind die Grundrechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens aus Art. 7 GRCh und auf Schutz personenbezogener Daten aus Art. 8 GRCh einzustellen.

Art. 7 GRCh begründet das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, der Wohnung sowie der Kommunikation, Art. 8 GRCh das Recht auf Schutz personenbezogener Daten. Eine Entsprechung haben diese Garantien in Art. 8 EMRK, der seinerseits das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, der Wohnung und der Korrespondenz - und dabei insbesondere auch vor der Verarbeitung personenbezogener Daten - schützt (vgl. Art. 52 Abs. 3 GRCh). Die Gewährleistungen der Art. 7 und Art. 8 GRCh sind dabei eng aufeinander bezogen. Jedenfalls soweit es um die Verarbeitung personenbezogener Daten geht, bilden diese beiden Grundrechte eine einheitliche Schutzverbürgung. Das gilt insbesondere für den Schutz Betroffener vor Nachweisen einer Suchmaschine (BVerfG, aaO, Rn. 98 f. mwN).

Art. 7, Art. 8 GRCh schützen vor der Verarbeitung personenbezogener Daten und verlangen die "Achtung des Privatlebens". Unter personenbezogenen Daten werden dabei alle Informationen verstanden, die eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person betreffen. Demnach ist das Recht auf Achtung des Privatlebens nicht eng zu verstehen und beschränkt sich insbesondere nicht auf höchstpersönliche oder besonders sensible Sachverhalte. Insbesondere wird die geschäftliche und berufliche Tätigkeit hiervon nicht ausgeschlossen (BVerfG, aaO, Rn. 100 mwN).

e) Auf Seiten der beklagten Suchmaschinenverantwortlichen ist ihr Recht auf unternehmerische Freiheit aus Art. 16 GRCh einzustellen (aa). Demgegenüber kann sie sich für die Verbreitung von Suchnachweisen nicht auf Art. 11 GRCh berufen (bb). Einzustellen sind jedoch die von einem solchen Rechtsstreit möglicherweise unmittelbar betroffenen Grundrechte Dritter und damit vorliegend die Meinungsfreiheit der Inhalteanbieter (cc). Zu berücksichtigen sind darüber hinaus die Informationsinteressen der Nutzer (dd) (BVerfG, aaO, Rn. 102).

aa) Die unternehmerische Freiheit gewährleistet die Verfolgung wirtschaftlicher Interessen durch das Angebot von Waren und Dienstleistungen. Der durch Art. 16 GRCh gewährte Schutz umfasst die Freiheit, eine Wirtschafts- oder Geschäftstätigkeit auszuüben, die Vertragsfreiheit und den freien Wettbewerb. Hierzu gehört auch das Angebot von Suchdiensten. Die beklagte Suchmaschinenverantwortliche fällt auch in den persönlichen Schutzbereich des Art. 16 GRCh. Die Unionsgrundrechte schützen grundsätzlich nicht nur natürliche, sondern auch juristische Personen. Für die unternehmerische Freiheit folgt das bereits aus dem Wortlaut, der auf "Unternehmen" abstellt, die typischerweise als juristische Personen organisiert sind. Dem Schutz des Art. 16 GRCh steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte eine juristische Person mit Sitz außerhalb der Europäischen Union ist. Die Grundrechte der Grundrechtecharta gelten grundsätzlich für Inländer und Ausländer gleichermaßen und machen insoweit auch für juristische Personen keinen Unterschied (BVerfG, aaO, Rn. 103 f. mwN).

bb) Hingegen kann sich die beklagte Suchmaschinenverantwortliche für ihre Tätigkeit nicht auf die Freiheit der Meinungsäußerung aus Art. 11 GRCh berufen. Zwar sind die von ihr angebotenen Suchdienste und die von ihr hierfür verwendeten Mittel zur Aufbereitung der Suchergebnisse nicht inhaltsneutral, sondern können auf die Meinungsbildung der Nutzer erheblichen Einfluss ausüben. Jedoch bezwecken diese Dienste nicht die Verbreitung bestimmter Meinungen (BVerfG, aaO, Rn. 105). Darauf beruft sich auch die Beklagte selbst nicht.

cc) In die Abwägung zwischen Betroffenen und Suchmaschinenverantwortlichen sind allerdings auch die Grundrechte der Inhalteanbieter einzustellen, um deren Veröffentlichung es geht.

(1) Soweit in einem Rechtsstreit zwischen einem Betroffenen und dem Suchmaschinenverantwortlichen über eine Auslistung notwendig zugleich über eine in der Auslistung liegende Einschränkung von Grundrechten Dritter mitentschieden wird, sind auch diese in die Prüfung einzubeziehen. Die Rechtmäßigkeit der Entscheidung gegenüber Dritten gehört dann zu den objektiven Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen von Einschränkungen der Unternehmensfreiheit, die unter Berufung auf das eigene Grundrecht des Art. 16 GRCh geltend gemacht werden können. Hierin liegt nicht eine Geltendmachung unmittelbar der Grundrechte Dritter. Einem Suchmaschinenverantwortlichen darf danach nichts aufgegeben werden, was die Grundrechte Dritter verletzt (BVerfG, aaO, Rn. 107).

(2) In dem Rechtsstreit, ob einem Suchmaschinenverantwortlichen die Bereitstellung bestimmter Suchnachweise zu untersagen ist, wird die Frage einer möglichen Grundrechtsverletzung des Art. 11 GRCh gegenüber dem Inhalteanbieter als Äußerndem oftmals mit berührt. Dabei kommt es nicht auf die hier nicht zu entscheidende Frage an, ob oder wieweit ein Inhalteanbieter gegenüber einem Suchmaschinenbetreiber Anspruch auf Verbreitung seiner Inhalte haben kann. Denn es geht in dieser Konstellation nicht darum, ob der Suchmaschinenverantwortliche zu einem Nachweis verpflichtet werden kann, sondern ob ihm gegen seinen Willen verboten werden kann, die von einem Inhalteanbieter bereitgestellten Beiträge zu verbreiten. In einem solchen Verbot kann zugleich eine eigenständige Einschränkung der Freiheit des Inhalteanbieters als Äußerndem aus Art. 11 GRCh liegen. Denn diesem wird dadurch ein bereitstehender Dienstleister genommen und so in Teilen zugleich ein wichtiges Medium für die Verbreitung seiner Berichte (BVerfG, aaO, Rn. 108).

Soweit über das Verbot gegenüber dem Suchmaschinenverantwortlichen in Ansehung des von dem Inhalteanbieter verantworteten konkreten Inhalts der streitigen Seiten zu entscheiden ist, ist die Einwirkung auf diesen auch nicht etwa ein bloßer Reflex einer Anordnung gegenüber dem Suchmaschinenverantwortlichen. Vielmehr knüpft die Entscheidung unmittelbar an die Äußerung und an den Gebrauch der Meinungsfreiheit an. Es geht in der Entscheidung gezielt darum, die Verbreitung des Beitrags wegen seines Inhalts zu beschränken. In dieser Konstellation kann über den Antrag eines Betroffenen auf Unterlassung des Bereitstellens von Suchnachweisen gegenüber einem Suchmaschinenverantwortlichen nicht ohne Berücksichtigung der Frage entschieden werden, ob und wieweit der Inhalteanbieter gegenüber den Betroffenen nach Art. 11 GRCh zur Verbreitung der Information berechtigt ist (BVerfG, aaO, Rn. 109 mwN).

dd) In die Abwägung sind ebenfalls die Zugangsinteressen der Internetnutzer einzustellen. Zu berücksichtigen ist das Interesse einer breiten Öffentlichkeit am Zugang zu Information als Ausdruck des in Art. 11 GRCh verbürgten Rechts auf freie Information. Rechnung zu tragen ist dabei auch der Rolle, die der Presse in einer demokratischen Gesellschaft hierbei zukommt. Insoweit stehen allerdings nicht individuelle Rechte der Nutzerinnen und Nutzer aus Art. 11 GRCh auf Informationszugang zu der konkret betroffenen Internetseite in Frage, sondern die Informationsfreiheit als im Wege der Abwägung zu berücksichtigendes Prinzip, dem bei der Einschränkung des Art. 16 GRCh Rechnung zu tragen ist (vgl. EuGH, Urteile vom 24. September 2019 - Rs. C-136/17, NJW 2019, 3503, 3506 ff. Rn. 59, 68 f., 77; vom 29. Juli 2019 - Rs. C-516/17, AfP 2019, 424, 430 ff. Rn. 57 f., 72, 81; EGMR, NJW 2020, 295, 296 f. Rn. 89 ff., NJW 2017, 2091, 2093 Rn. 56; BVerfG, aaO, Rn. 110 mwN).

f) Grundlage der Abwägung ist die Würdigung des Vorgehens des Suchdienstes der Beklagten als für sich stehender Akt der Datenverarbeitung, der folglich auch hinsichtlich der damit verbundenen Grundrechtseinschränkungen eigenständig zu beurteilen ist. Insbesondere geht die Frage seiner Rechtmäßigkeit nicht in der Frage der Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung des Beitrags seitens der Inhalteanbieter auf. Da die betroffenen Rechte, Interessen und Belastungen bei einem Vorgehen des Betroffenen gegen den Suchmaschinenverantwortlichen andere sein können als bei einem Vorgehen gegenüber dem Inhalteanbieter (vgl. oben B I 4), bedarf es einer eigenen Abwägung (BVerfG, aaO, Rn. 112).

Die für die Grundrechtsabwägung erforderliche Unterscheidung zwischen den verschiedenen Datenverarbeitern stellt indes nicht in Frage, dass es hierbei Wechselwirkungen geben kann und für ein Unterlassungsbegehren gegenüber einem Suchmaschinenverantwortlichen unter Umständen auch die Situation des Betroffenen gegenüber dem Inhalteanbieter mit in den Blick genommen werden muss (BVerfG, aaO, Rn. 114). Soweit daher wie in der Regel im deutschen Recht (§§ 823, 1004 BGB analog) bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verbreitung eines Berichts seitens des dem Medienprivileg unterfallenden Inhalteanbieters dessen Wirkung für den Betroffenen im Internet in der Abwägung mitzuberücksichtigen ist (vgl. Senatsurteil vom 18. Dezember 2018 - VI ZR 439/17, NJW 2019, 1881, 1883 f. Rn. 16 f., 20; BVerfG, NJW 2020, 300, 310 Rn. 101 ff., 114 ff. - Recht auf Vergessen I), muss regelmäßig die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit solcher Verbreitung auch die Entscheidung gegenüber den Suchmaschinenverantwortlichen anleiten. Soweit ein Inhalteanbieter sowohl unter Berücksichtigung der Verbreitungsbedingungen im Internet (und damit zugleich der namensbezogenen Auffindbarkeit durch Suchmaschinen) als auch unter Berücksichtigung des Zeitfaktors im Verhältnis zu den Betroffenen zur Verbreitung eines Berichts berechtigt ist, kann für den Nachweis einer solchen Seite durch einen Suchmaschinenverantwortlichen diesbezüglich nichts anderes gelten (BVerfG, NJW 2020, 314, 325 Rn. 118 - Recht auf Vergessen II).

Unberührt bleibt hiervon, dass die Abwägung zwischen Betroffenen und Suchmaschinenverantwortlichen stets im Spannungsfeld der Zumutbarkeit möglicher Schutzmaßnahmen seitens des Suchmaschinenverantwortlichen und der Zumutbarkeit anderweitig zu erlangender Schutzmöglichkeiten seitens der jeweils Betroffenen steht und auch unter diesem Gesichtspunkt der Ausgang der Abwägung gegenüber verschiedenen Datenverarbeitern unterschiedlich ausfallen kann und gegebenenfalls muss. Dabei können auch Unterschiede zu beachten sein, die sich etwa aus der verschieden leichten Erreichbarkeit von Schutz ergeben oder die die Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen betreffen (BVerfG, aaO, Rn. 119).

g) Im Rahmen der Abwägung ist zu berücksichtigen, dass das Internet ohne die Hilfestellung einer Suchmaschine aufgrund der nicht mehr überschaubaren Flut von Daten für den Einzelnen nicht sinnvoll nutzbar wäre. Letztlich ist damit die Nutzung des Internets insgesamt auf die Existenz und Verfügbarkeit von Suchmaschinen angewiesen, deren Geschäftsmodell daher von der Rechtsordnung gebilligt worden und gesellschaftlich erwünscht ist (vgl. Senatsurteil vom 27. Februar 2018 - VI ZR 489/16, BGHZ 217, 350, 361 f. Rn. 34). Auf der Kehrseite hat die Tätigkeit von Suchmaschinen maßgeblichen Anteil an der weltweiten Verbreitung personenbezogener Daten, da sie diese jedem Internetnutzer zugänglich macht, der eine Suche anhand des Namens der betroffenen Person durchführt, und zwar auch denjenigen, die die Webseite, auf der diese Daten veröffentlicht sind, sonst nicht gefunden hätten. Dies kann dazu führen, dass die Nutzer der Suchmaschine mit der Ergebnisliste einen strukturierten Überblick über die zur betreffenden Person im Internet zu findenden Informationen erhalten, anhand dessen sie ein mehr oder weniger detailliertes Profil der Person erstellen können (EuGH, Urteil vom 24. September 2019 - Rs. C-136/17, NJW 2019, 3503, 3504 Rn. 36). Vor diesem Hintergrund ist das Gewicht allein der wirtschaftlichen Interessen des Suchmaschinenverantwortlichen grundsätzlich nicht hinreichend schwer, um den Schutzanspruch Betroffener zu beschränken. Demgegenüber haben das Informationsinteresse der Öffentlichkeit sowie vor allem die hier einzubeziehenden Grundrechte Dritter größeres Gewicht (BVerfG, aaO, Rn. 120).

Vorliegend ist die Meinungsfreiheit der durch die Entscheidung belasteten Inhalteanbieter als unmittelbar mitbetroffenes Grundrecht - und nicht nur als zu berücksichtigendes Interesse - in die Abwägung einzubeziehen. Daher gilt hier keine Vermutung eines Vorrangs des Schutzes des Persönlichkeitsrechts, sondern sind die sich gegenüberstehenden Grundrechte gleichberechtigt miteinander abzuwägen. Ebenso wenig wie Einzelne gegenüber den Medien einseitig darüber bestimmen können, welche Informationen im Rahmen der öffentlichen Kommunikation über sie verbreitet werden, haben sie eine solche Bestimmungsmacht gegenüber den Suchmaschinenbetreibern (BVerfG, aaO, Rn. 121). Auf der anderen Seite folgt aus dem Gebot einer gleichberechtigten Abwägung der sich gegenüberstehenden Grundrechte aber auch, dass der Verantwortliche einer Suchmaschine nicht erst dann tätig werden muss, wenn er von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung des Betroffenen Kenntnis erlangt. An seiner noch zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung entwickelten gegenteiligen Rechtsprechung (Senatsurteil vom 27. Februar 2018 - VI ZR 489/16, BGHZ 217, 350, 363 Rn. 36 i.V.m. 370 f. Rn. 52) hält der Senat insoweit nicht fest.

Wenn sich Betroffene - wie hier - nicht schon gegen die Ermöglichung namensbezogener Suchabfragen überhaupt, sondern gegen deren Wirkung hinsichtlich einzelner sie nachteilig betreffender Beiträge wenden, kommt es für die Gewichtung ihrer Grundrechtseinschränkung maßgeblich auf die Wirkung ihrer Verbreitung an. Bezugspunkte sind dabei die Wirkungen der Verbreitung des streitbefangenen Beitrags für die Persönlichkeitsentfaltung, wie sie sich spezifisch aus den Suchnachweisen ergeben, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit namensbezogener Suchabfragen. Hierfür reicht nicht eine Würdigung der Berichterstattung in ihrem ursprünglichen Kontext, sondern ist auch die leichte und fortdauernde Zugänglichkeit der Informationen durch die Suchmaschine in Rechnung zu stellen. Insbesondere ist auch der Bedeutung der Zeit zwischen der ursprünglichen Veröffentlichung und deren späterem Nachweis Rechnung zu tragen (BVerfG, aaO, Rn. 122 mwN).

h) Nach diesen Grundsätzen haben die Grundrechte des Klägers hinter den Grundrechten der Beklagten und den in deren Waagschale zu legenden Interessen ihrer Nutzer, der Öffentlichkeit und der für die verlinkten Zeitungsartikel verantwortlichen Presseorgane zurückzutreten.

aa) Die Revision stellt die Wahrheitsgemäßheit der in den verlinkten Presseartikeln geschilderten Tatsachen sowie die ursprüngliche Rechtmäßigkeit dieser Berichterstattung insgesamt nicht in Frage. Anhaltspunkte für deren Rechtswidrigkeit sind auch im Übrigen nicht ersichtlich. Es bedarf daher im Streitfall keiner Entscheidung, wie einer etwaigen Unaufklärbarkeit oder zumindest Ungewissheit über den Wahrheitsgehalt von Drittäußerungen, die in der Suchergebnisliste ausgewiesen werden, im Rahmen der Abwägung Rechnung zu tragen wäre (vgl. hierzu den Vorlagebeschluss des Senats nach Art. 267 AEUV vom 27. Juli 2020 - VI ZR 476/18).

(1) Bei den von der Beklagten nachgewiesenen Presseartikeln handelt es sich um journalistisch gestaltete Berichte der Tagespresse über die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des bundesweit zweitgrößten Regionalverbandes des Arbeiter-Samariter-Bundes. Der Arbeiter-Samariter-Bund ist eine der größten und bekanntesten Hilfs- und Wohlfahrtsorganisationen in Deutschland, er finanziert und betreibt Dienste und Einrichtungen insbesondere der Altenpflege, der Kinderbetreuung, der Notfallrettung sowie des Krankentransports. Allein der betroffene Regionalverband beschäftigt über 500 Mitarbeiter und hat über 35.000 Vereinsmitglieder. Die in den Artikeln berichteten erheblichen finanziellen Schwierigkeiten des Regionalverbandes waren mit ihren möglichen Auswirkungen auf die Beschäftigten, aber vor allem auch auf die Kunden und Nutznießer der angebotenen Pflege-, Betreuungs- und Krankendienste von erheblichem öffentlichen Interesse; die Berechtigung des Berichterstattungsinteresses der Tagespresse steht daher im Ausgangspunkt außer Frage.

(2) Das berechtigte Berichterstattungsinteresse erstreckte sich unter den Umständen des Streitfalls ohne weiteres auch auf die Nennung der verantwortlichen Mitglieder der Geschäftsführung des Regionalverbandes und damit auch auf die namentliche Nennung des Klägers. Der Kläger war als damaliger Geschäftsführer des Regionalverbandes in herausgehobener Funktion für den Regionalverband tätig und in dieser zumindest auch für die finanzielle Lage dieses Verbandes (gesamt-)verantwortlich. Gegenstand der Berichterstattung war daher die berufliche Sphäre des Klägers, wobei der Senat nicht verkennt, dass die Kommunikationsbedingungen im Internet, insbesondere die Auffindbarkeit und Zusammenführung von Informationen mittels namensbezogener Suchabfragen, dazu führen, dass für deren Auswirkungen zwischen Privat- und Sozialsphäre kaum mehr zu unterscheiden ist (vgl. BVerfG, NJW 2020, 314, 326 Rn. 128 - Recht auf Vergessen II).

An der Berechtigung des Berichterstattungsinteresses ändert sich im Ausgangspunkt auch nichts durch den Umstand, dass über die Krankmeldung des Klägers sowie seine laufende Reha-Maßnahme und krankheitsbedingte Unerreichbarkeit berichtet wurde. Die Abwesenheit des Geschäftsführers eines regional bedeutenden Arbeitgebers und Anbieters von Pflege- und Krankendiensten in einer Krise und deren Gründe sind von hohem öffentlichen Interesse, die berichteten bloßen Umstände der - nicht näher ausgeführten - Krankschreibung und laufenden Reha-Maßnahme des Klägers dagegen von geringem Gewicht (vgl. zur Abwägungszugänglichkeit einer Presseberichterstattung über die gesundheitliche Situation einer im Fokus des öffentlichen Interesses stehenden Person Senatsurteil vom 29. November 2016 - VI ZR 382/15, NJW 2017, 1550, 1552 Rn. 20 ff.). Im Ergebnis ist die Berichterstattung als solche daher vom Kläger hinzunehmen. Dies gilt zumal die Mitteilung der Umstände auch entlastende Wirkung haben kann, weil sie Spekulationen entgegentritt, die Abwesenheit des Geschäftsführers sei auf arbeitsrechtliche Konsequenzen wegen eines etwaigen Fehlverhaltens zurückzuführen (vgl. insbesondere Presseartikel URL Nr. 3).

bb) Die von der Beklagten nachgewiesenen Presseartikel dürfen von den hierfür verantwortlichen Presseorganen auch unter Berücksichtigung des Zeitfaktors noch im Internet zum Abruf bereitgestellt - und damit zugleich durch namensbezogene Abfragen über Suchmaschinen auffindbar gehalten - werden.

(1) Der Zeitablauf kann sowohl das Gewicht des öffentlichen Interesses als auch das der Grundrechtsbeeinträchtigung modifizieren. Welche Bedeutung dem Verstreichen von Zeit für die spätere Geltendmachung eines Schutzanspruchs gegenüber einer ursprünglich rechtmäßigen Veröffentlichung zukommt, lässt sich nur unter Erfassung des konkreten Schutzbedarfs des Betroffenen in Abwägung mit den entgegenstehenden Grundrechten und dabei zugleich der öffentlichen Bedeutung der fraglichen Informationen beurteilen (BVerfG, NJW 2020, 300, 311 Rn. 120 - Recht auf Vergessen I).

(a) Ein maßgeblicher Gesichtspunkt liegt hierfür zunächst in Wirkung und Gegenstand der Berichterstattung. Je stärker die Verbreitung zurückliegender Berichte das Privatleben und die Entfaltungsmöglichkeiten der Person als ganze beeinträchtigen, desto größeres Gewicht kann einem Schutzanspruch zukommen. Dies steht zugleich in einer Wechselwirkung mit Gegenstand und Anlass der Berichterstattung: Soweit Berichte sich mit dem Verhalten einer Person in der Sozialsphäre befassen, kann ihrer Zugänglichkeit auch langfristig eher Gewicht zukommen, als wenn sie allein von privatem, bewusst nicht vor anderen gezeigtem Verhalten oder Fehlverhalten handeln. Maßgeblich ist insoweit nicht zuletzt auch das öffentliche Interesse an der fortdauernden Erreichbarkeit der Informationen (BVerfG, aaO, Rn. 121).




(b) Bedeutung kommt auch der Frage zu, wieweit die berichteten Ereignisse in einer Folge weiterer hiermit einen Zusammenhang bildender Vorkommnisse stehen. Zurückliegende Ereignisse können eher fortdauernde Bedeutung behalten, wenn sie eingebunden sind in eine Abfolge etwa gesellschaftspolitischer oder kommerzieller Aktivitäten oder durch nachfolgende Begebenheiten neue Relevanz erhalten, als wenn sie für sich allein stehen.

Entsprechend kann zu berücksichtigen sein, ob und wieweit Betroffene in der Zwischenzeit dazu beigetragen haben, das Interesse an den Ereignissen oder ihrer Person wachzuhalten. Hat eine Person die Öffentlichkeit gesucht und ohne Not Aufmerksamkeit erzeugt, die das Interesse an den ursprünglichen Berichten reaktualisiert, kann ihr Interesse, von einer Konfrontation mit der Ausgangsberichterstattung verschont zu bleiben, entsprechend geringer zu gewichten sein. Insoweit gehört zu der Chance auf ein Vergessen auch ein Verhalten, das von einem "Vergessenwerdenwollen" getragen ist (BVerfG, aaO, Rn. 122 f.).

(c) Dagegen ist das Kriterium der "Zweckerreichung" in Bezug auf die Verbreitung von Beiträgen, die der öffentlichen Meinungsbildung dienen, in der Regel kein geeignetes Kriterium, um die Dauer ihrer rechtmäßigen Verbreitung zu bestimmen. Denn bei solchen Beiträgen stützt sich die Verbreitung nicht auf eine spezifische Erlaubnis für einen bestimmten Zweck, sondern wurzelt in den Kommunikationsfreiheiten und dem sich hieraus ergebenden Recht, Zwecke der Kommunikation selbst setzen, ändern oder in Bezug auf das weitere Kommunikationsgeschehen auch offenlassen zu können (BVerfG, NJW 2020, 314, 327 Rn. 132 - Recht auf Vergessen II).

(d) Für das Gewicht der Beeinträchtigung kommt es auch darauf an, in welcher Einbindung die Informationen unter den konkreten Umständen im Netz kommuniziert werden. So macht es einen Unterschied, ob über ein lang zurückliegendes Ereignis etwa in Form eines auf Skandalisierung hin angelegten personenbezogenen Blogs berichtet wird oder im Rahmen eines Bewertungsportals, bei dem sich die Aussagekraft älterer Informationen durch neuere Eintragungen relativiert und damit unter Umständen auch lange zurückliegende Informationen noch vorgehalten werden dürfen. Es kommt insoweit auf die tatsächliche Belastung für die Betroffenen an.

Die Belastung der Betroffenen bestimmt sich dabei nicht abstrakt aus der Tatsache, dass eine Information im Netz irgendwie zugänglich ist, sondern hängt auch daran, wieweit sie hierdurch tatsächlich breitenwirksam gestreut wird. Von Bedeutung kann dabei auch sein, wieweit sie von Suchmaschinen prioritär kommuniziert wird. Da Kommunikation und Kommunikationsbedingungen des Internets freilich individuell verschieden und volatil sind, gibt es insoweit kein objektives Maß. Jedoch stellt sich auch im Netz die Bedeutung von Informationen erst aus Kommunikationszusammenhängen her und erhalten diese unterschiedliche Verbreitung und Sichtbarkeit. Maßgeblich ist insoweit eine Beurteilung der gesamten Belastungswirkung aus Sicht des Betroffenen zum Zeitpunkt der Entscheidung über sein Schutzbegehren - die dann in die Abwägung mit den Kommunikationsfreiheiten einzustellen ist (BVerfG, NJW 2020, 300, 311 Rn. 124 f. - Recht auf Vergessen I).

(2) Nach diesen Grundsätzen überwiegt auch unter Berücksichtigung der Kommunikationsbedingungen des Internets jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt das fortdauernde öffentliche Interesse an der Berichterstattung das Persönlichkeitsrecht des Klägers noch.

(a) Bei den geschilderten wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Regionalverbandes des Arbeiter-Samariter-Bundes handelte es sich nicht um ein singuläres, für sich allein stehendes Ereignis, sondern um eine Fehlentwicklung, die mehrjährige Sanierungsbemühungen nach sich zog und langfristige Einsparungen bis hin zu Entlassungen einzelner Mitarbeiter und der deutlichen Erhöhung des Betreuungsschlüssels in den Kindertagesstätten erforderlich machte. Entsprechend ist auch die Rolle der insoweit Verantwortlichen wie dem Kläger als damaligem Geschäftsführer nicht nur von vorübergehendem Interesse, sondern zeitgeschichtlich bedeutsam und fortwirkend relevant. Die seit den berichteten Ereignissen vergangene Zeitspanne von zuletzt gut sieben Jahren ist demgegenüber noch nicht derart groß, als dass sie das Interesse an der niedrigschwelligen Erreichbarkeit der Informationen - auch über die namensbezogene Suche mittels einer Suchmaschine - in den Hintergrund treten ließe. Die der Berichterstattung inmitten stehenden Ereignisse haben das Potential der fortwirkenden Relevanz; darüber hinaus besteht ein zeitgeschichtlich anerkennenswertes Interesse an ihrer Recherche. Im Übrigen ist zu beachten, dass der Kläger keinen Anspruch darauf hat, öffentlich so wahrgenommen zu werden, wie es den eigenen Wünschen entspricht (vgl. BVerfG, aaO, Rn. 107; BVerfG [Kammer], NJW 2020, 1793, 1794 Rn. 9).

(b) Dies gilt auch angesichts des Umstands der über den Kläger berichteten krankheitsbedingten Abwesenheit. Die unspezifische Information, der Kläger sei krank und unterziehe sich derzeit einer Reha-Maßnahme, diente in erster Linie der Erläuterung, warum der Kläger als Geschäftsführer für seinen Arbeitgeber in der Krise nicht greifbar war. Sie erlaubt keinerlei Rückschlüsse auf die Art der Krankheit des Klägers und entfaltet daher auch unter Berücksichtigung des Zeitfaktors keine entscheidende Mehrbelastung für den Kläger, sondern kann im Gegenteil als krankheitsbedingte Entschuldigung für seine Abwesenheit zur Unzeit sogar auch entlastend verstanden werden.

cc) Die Grundrechtsbeeinträchtigung des Klägers erhält auch im Streitverhältnis zur Beklagten kein entscheidend anderes Gewicht.

(1) Die Beklagte weist die fraglichen Presseartikel auf eine entsprechende Suchanfrage unkommentiert in ihren Ergebnislisten nach (vgl. BVerfG, NJW 2020, 300, 311 Rn. 124 - Recht auf Vergessen I). Die streitgegenständlichen Nachweise sind ausweislich der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Suchanfragen nicht auf die isolierte Namenssuche, sondern jeweils auf eine mit einer Ortsangabe kombinierte Namenssuche erfolgt, die die Kenntnis der bestehenden Name-Ort-Verbindung durch den Nutzer bereits voraussetzt. Schließlich werden die angegriffenen Ergebnislinks durch den Nachweis zahlreicher weiterer, teilweise vorrangig platzierter, im Netz befindlicher Informationen relativiert (vgl. BVerfG, aaO, Rn. 125; BVerfG [Kammer], NJW 2020, 1793, 1795 Rn. 16).

(2) Entgegen der Auffassung der Revision führen weder der Umstand, dass es sich bei den von der Beklagten verarbeiteten personenbezogenen Daten des Klägers teilweise um Gesundheitsdaten (Art. 9 Abs. 1, Art. 4 Nr. 15 DS-GVO) handelt, noch der Zeitablauf seit dem erstmaligen Erscheinen der verlinkten Presseartikel zu einem grundsätzlichen Vorrang der Auslistungsinteressen des Klägers im Sinne eines Regel-Ausnahme-Mechanismus. Beiden Aspekten kommt zwar im Rahmen der Gesamtabwägung der widerstreitenden Rechte und Interessen auf Seiten des Klägers Bedeutung zu. Ein schematisches Vorrang- oder Regel-Ausnahme-Verhältnis des Persönlichkeitsrechts des Klägers im Verhältnis zu den Rechten der Beklagten und den auf deren Seite zu berücksichtigenden Rechten und Interessen der Inhalteanbieter, der Öffentlichkeit und der Nutzer der Suchmaschinen lässt sich aus ihnen jedoch nicht ableiten, zumal die enthaltenen Gesundheitsdaten völlig unspezifischer Natur sind. Aufgrund der entscheidungsanleitenden Bedeutung der wie oben ausgeführt nach den Umständen des Streitfalles im Verhältnis zu den Inhalteanbietern vorliegenden Rechtmäßigkeit der Berichterstattung und ihres Vorhaltens kann auch im Verhältnis zur Beklagten als verantwortlicher Stelle für die Verarbeitung von Daten in dem Index des Internetsuchdienstes kein grundsätzliches Vorrangverhältnis angenommen werden; die widerstreitenden Grundrechte stehen sich vielmehr auch insoweit im Ausgangspunkt gleichberechtigt gegenüber (s. oben B I 6 f und g; BVerfG, NJW 2020, 314, 325 f. Rn. 118, 121 - Recht auf Vergessen II).



Im Hinblick auf das Kriterium des Zeitablaufs ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass sich auch dieses selbst einer schematischen Betrachtung verschließt (vgl. BVerfG, NJW 2020, 300, 311 Rn. 126 - Recht auf Vergessen I), also schon nicht klar wäre, zu welchem konkreten Zeitpunkt eine zunächst offen vorzunehmende Gesamtabwägung in ein Vorrangverhältnis mit Regel-Ausnahme-Mechanismus umschlagen sollte.

7. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (Art. 267 Abs. 3 AEUV) wegen der Auslegung des Art. 17 DS-GVO ist entgegen der Ansicht der Revision nicht veranlasst. Ein Vorabentscheidungsersuchen ist erforderlich, wenn sich eine entscheidungserhebliche und der einheitlichen Auslegung bedürftige Frage des Unionsrechts stellt. Dies ist hier nicht der Fall. Die Rechtslage ist durch die zwischenzeitliche Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteile vom 24. September 2019 - Rs. C-136/17, NJW 2019, 3503, 3504 ff. Rn. 68, 77 i.V.m. 33; Rs. C-507/17, NJW 2019, 3499, 3500 ff. Rn. 44 ff., 67 i.V.m. 41) hinreichend geklärt (vgl. BVerfG, NJW 2020, 314, 327 f. Rn. 137 ff. - Recht auf Vergessen II).

II.

Im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des vorliegend unionsweit abschließend vereinheitlichten Datenschutzrechts (vgl. BVerfG, aaO, Rn. 34, 41) und die bei Prüfung eines Auslistungsbegehrens nach Art. 17 DS-GVO vorzunehmende umfassende Grundrechtsabwägung kann der Kläger seinen Anspruch auch nicht auf Vorschriften des nationalen deutschen Rechts stützen (vgl. Nolte/Werkmeister in Gola, DS-GVO, 2. Aufl., Art. 17 Rn. 73; Herbst in Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 2. Aufl., Art. 17 Rn. 89; Kamann/Braun in Ehmann/Selmayr, DS-GVO, 2. Aufl., Art. 17 Rn. 75).

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