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Landesarbeitsgericht Stuttgart Urteil vom 20.12.2018 - 17 Sa 11/18 - DSGVO-Auskunftsanspruch im Arbeitsverhältnis

LAG Stuttgart v. 20.12.2018: DSGVO-Auskunftsanspruch gegen Arbeitgeber


Das Landesarbeitsgericht Stuttgart (Urteil vom 20.12.2018 - 17 Sa 11/18) hat entschieden:

   Der Anspruch eines Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber auf Auskunftserteilung gem. Art. 15 Abs. 1 DSGVO auf personenbezogene Leistungs- und Verhaltensdaten kann im Einzelfall durch überwiegende berechtigte Interessen Dritter an einer Geheimhaltung beschränkt sein. Ob diese Interessen einer Auskunftserteilung entgegenstehen, ist durch eine Interessenabwägung im konkreten Einzelfall zu klären.

Siehe auch
Datenschutzrechtlicher Auskunftsanspruch des Betroffenen
und
Stichwörter zum Thema Datenschutz


Tatbestand:


Zwischen den Parteien besteht Streit über die Wirksamkeit einer Kündigung vom 23. Oktober 2017 zum 30. April 2018, über einen darauf bezogenen Auflösungsantrag der Beklagten, über den Anspruch auf Entfernung von zwei Abmahnungen vom 31. März 2017 und 24. Mai 2017, über das Recht auf Einsichtnahme in die BPO-Akte sowie im Wege der Anschlussberufung über einen Auskunftsanspruch des Klägers nach Art. 15 der Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO).

Der am ... geborene Kläger, ein Volljurist, ist bei der Beklagten, einem weltweit tätigen Fahrzeughersteller, seit 1. November 2007 angestellt und in der Rechtsabteilung auf verschiedenen Positionen eingesetzt worden. Er ist verheiratet und fünf Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtet. Das Jahresbruttogehalt des Klägers belief sich zuletzt auf 155.316,00 EUR zuzüglich einem variablen Vergütungsbestandteil, der bei 100-prozentiger Zielerfüllung 77.658,00 EUR brutto pro Jahr beträgt.

Von Beginn des Arbeitsverhältnisses bis zum 31. März 2013 wurde der Kläger als Leiter des Bereichs „Legal Mergers & Acquisitions“ am Standort in M. beschäftigt. In dieser Funktion war der Kläger als Mitarbeiter der Führungsebene E2 zugeordnet gewesen. Auf den Inhalt des Arbeitsvertrages vom 12. September 2017 (Anlage K1, Abl. 10ff. der erstinstanzlichen Akte) wird Bezug genommen.

Zum 1. April 2013 wurde dem Kläger die Leitung der Funktion „Legal EADS & Projekte“, welche ebenfalls der Führungsebene E2 zugeordnet war, übertragen (vgl. Schreiben K2 Abl. 15 der erstinstanzlichen Akte). Ebenfalls mit Wirkung zum 1. April 2013 wurde dem Kläger vorübergehend im Rahmen einer Abordnung an den Standort N.U. im Bereich „Legal Buses“ die Funktion eines „Assistant General Counsel Legal Buses“ übertragen. Mit Schreiben vom 11. Dezember 2013 wurde die Abordnung mit Wirkung zum 31. Dezember 2013 von der Beklagten beendet und der Kläger wieder dem Bereich „Legal EADS & Projekte“ zugeordnet.

Am 16. Juni 2014 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos und vorsorglich ordentlich und bot dem Kläger gleichzeitig an, auf der Führungsebene E3 weiterbeschäftigt zu werden. Der Kläger nahm das Angebot unter Vorbehalt an. Unter Bezugnahme auf die Änderungskündigung und die Annahme unter Vorbehalt wies die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 7. August 2014 die Funktion auf der Führungsebene E3 „Brand Protection Operations / Brand Abuse“ (im Folgenden: „Brand Protection“) zu (vgl. Anlage K6, Abl. 20 der erstinstanzlichen Akte), unter Herrn H. als Vorgesetztem. Mit der Zuweisung der neuen Stelle wurde der Kläger vom Standort M. an den Standort B. (Werk S.) versetzt. Der Kläger erhob gegen beide Änderungskündigungen Kündigungsschutzklage. Mit Urteil vom 18. März 2015 hat das Arbeitsgericht Stuttgart der Klage stattgegeben (Aktenzeichen 11 Ca 4403/14). Sowohl in der Berufung als auch in der Revision war die Beklagte nicht erfolgreich. Nachdem durch Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 17. März 2016 die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zurückgewiesen worden war, forderte der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 11. April 2016 und 20. Juni 2016 auf, ihn vertragsgemäß zu beschäftigen. Zunächst verwies die Beklagte im Hinblick auf die künftige Weiterbeschäftigung auf intern laufendende Gespräche (vgl. Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 24. Juni 2016, Anlage K7, Abl. 21 der erstinstanzlichen Akte). Am 4. August 2016 fand ein Gespräch zwischen dem Kläger und dem Leiter der Rechtsabteilung, Dr. L., in Anwesenheit eines weiteren Mitarbeiters über die zukünftigen Aufgaben des Klägers in der Rechtsabteilung der Beklagten statt. Im Zusammenhang mit einem „Project Green“ wurde über Aufgaben im Bereich von aktuellen, rechtlichen und faktischen Entwicklungen im Zusammenhang mit dem PKW-Zulassungsprozess und der Zertifizierung gesprochen. Strittig blieb zwischen den Parteien, ob dem Kläger bereits in diesem Gespräch ein konkreter Gutachtenauftrag zum Thema „Auswirkungen der aktuellen Entwicklungen auf Emissionsvorschriften und Zertifizierungsvorgaben in Deutschland und Europa und in einem zweiten Schritt weltweit“ (im Folgenden: „Emissionsvorschriften und Zertifizierungsvorgaben“) erteilt und ihm bereits die Funktion „Legal Projekt: Trends und faktische Entwicklungen“ (im Folgenden „L/TE“) zugewiesen wurde.

Der Kläger, der auch nach dem Gespräch im August 2016 weiterhin im Werk S. arbeitete, stellte am 12. September 2016 fest, dass in der unternehmenseigenen Datenbank „Who ist Who“ für seine Person die Funktion „Legal Projekt: Trends und faktische Entwicklungen“ (L/TE) und Herr Dr. L. als Vorgesetzter hinterlegt war (vgl. Ausdruck vom 12. September 2016, Anlage K8 der erstinstanzlichen Akte).

In einer E-Mail vom 16. September 2016 (Anlage K 17, Abl. 108 der erstinstanzlichen Akte) zeigte sich der Kläger verwundert über die ihm in der Organisationsdatenbank zugewiesene Stellenbezeichnung und verwies darauf, dass ihm bislang noch keine Stellenbeschreibung als E2 Leiter des Bereichs L/TE bekannt gegeben worden sei. Außerdem habe er „großen Klärungsbedarf“ betreffend der ihm zugewiesenen Aufgabe im neuen Bereich L/TE. Herr Dr. L. verwies in einer Antwort darauf, dass mit dem Kläger vor dessen Urlaub im Sommer 2016 der erste Auftrag besprochen worden sei und er eigentlich schon ein erstes Konzept zur Abarbeitung erwartet hätte (vgl. E-Mail vom 19. September 2016, K18, Abl. 109 der erstinstanzlichen Akte). Eine Stellenbeschreibung für die neue Stelle L/TE werde er nach einem weiteren Termin mit ihm besprechen.

In einer weiteren E-Mail vom 21. September 2016 wies der Kläger darauf hin, dass für ihn der Projektauftrag aufgrund nur sehr rudimentärer Informationen über Zweck, Ziele und Inhalt des Projektes nicht klar sei und daher der Auftrag nicht sinnvoll erstellt werden könne und er diesbezüglich um eine Klärung bitte. Darüber hinaus sei ihm nicht klar, wie sich das Team der Abteilung L/TE zusammensetzen solle (vgl. E-Mail vom 21. September 2016, K19, Abl. 110/111 der erstinstanzlichen Akte). In Beantwortung der aufgeworfenen Fragen stellte Herr Dr. L. in einer weiteren E-Mail vom 27. September 2016 fest, dass aus seiner Sicht der Arbeitsauftrag klar sei und er vom Kläger ein Konzept bzw. eine Gliederung zur Abarbeitung erwarte, um das weitere Vorgehen besprechen zu können.

Auf Initiative der Beklagten fand zwischen den Parteien ein Mediationsverfahren statt, in welchem über die weitere Zusammenarbeit verhandelt werden sollte. Nach einer ergebnislosen Sitzung am 28. Oktober 2016, unterbreitete der Mediator am 18. November 2016 einen Einigungsvorschlag, der drei Varianten vorsah (Anlage K10, Abl. 31ff. der erstinstanzlichen Akte): Zuweisung einer vollwertigen E2 Leitungsposition (Variante eins), befristete Freistellung für zwei Jahre zur Suche nach einem neuen Arbeitsplatz (Variante zwei) sowie Abschluss eines Aufhebungsvertrages und Zahlung einer Sozialabfindung (Variante drei). Der Kläger ließ mitteilen, dass er ausschließlich an einer vertragsgerechten Beschäftigung interessiert sei. Die Beklagte teilte dem Kläger mit E-Mail vom 10. Januar 2017 mit, die vorgeschlagene Variante 2 zu favorisieren und falls dies vom Kläger abgelehnt werde, die „übertragene Projektstelle die Anforderungen der Alternative 1 erfüllen würde“ (E-Mail vom 10. Januar 2017, K11, Abl. 34 der erstinstanzlichen Akte). Sofern der Kläger sich nicht bis zum Ende (jener) Woche melden würde, würde der Mediationsversuch von der Beklagten für beendet erklärt werden. Eine Rückmeldung des Klägers erfolgte nicht mehr.

Am 20. Februar 2017 erhielt der Kläger eine Stellenbeschreibung vom 13. Februar 2017 zu der Stelle „Legal Projekt: Trends und faktische Entwicklungen“ (Anlage K 12, Abl. 35ff. der erstinstanzlichen Akte), verbunden mit der Bitte, sich um einen Umzug in den Betrieb nach S.-U. zu kümmern.

Im Nachgang zu einem Gespräch zwischen dem Kläger und Herrn Dr. L. am 7. März 2017 bemängelte dieser in einer E-Mail am 14. März 2017 (Anlage B2, Abl. 77 der erstinstanzlichen Akte), dass der Kläger in jenem Gespräch nach wie vor keine Arbeitsergebnisse vorgelegt habe und forderte ihn letztmalig auf, bis zum 24. März 2017 den im August 2016 erteilten Arbeitsauftrag schriftlich in Gutachtenform, verbunden mit einer PowerPoint Präsentation, vorzulegen.

Am 21. März 2017 fand ein Personalgespräch mit dem Kläger statt. Danach forderte die Beklagte den Kläger mit einem als „letztmalige Arbeitsaufforderung“ betitelten Schreiben vom 31. März 2017 (Anlage K 14, Abl. 40 der erstinstanzlichen Akte) auf, den am 4. August 2016 von seinem Vorgesetzten im Rahmen der Funktion „Trends und faktische Entwicklungen“ erteilten Gutachtenauftrag bis spätestens 13. April 2017 unaufgefordert schriftlich vorzulegen.

Unter dem gleichen Datum erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung mit dem Vorwurf, der Kläger habe entgegen dem am 4. August 2016 erteilten Gutachtenauftrag weder ein vorläufiges, noch ein finales Ergebnis präsentiert (Abmahnung vom 31. März 2017, Anlage K 13, Abl. 39 der erstinstanzlichen Akte).

Am 13. April 2017 legte der Kläger ein Gutachten zum Thema „Emissionsvorschriften und Zertifizierungsvorgaben“ vor (Anlage K 30, Abl. 175ff. der erstinstanzlichen Akte).

Der Kläger erhielt mit Schreiben vom 24.Mai 2017 eine weitere Abmahnung (Anlage K 15, Abl. 41 ff. der erstinstanzlichen Akte) mit dem Vorwurf, das abgelieferte Gutachten stelle eine erhebliche Minderleistung dar.

Am 20. Juni 2017 entzog Herr Dr. L. dem Kläger den Gutachtenauftrag zum Thema „Emissionsvorschriften und Zertifizierungsvorgaben“. Gleichzeitig erteilte er dem Kläger einen neuen Arbeitsauftrag zur Erstellung eines Grobkonzeptes und Gliederungsentwurfes zu dem Thema „Cybersecurity – Erörterungen der aktuellen rechtlichen Entwicklungen und Erarbeitung von Handlungsempfehlungen auf Basis rechtlicher Vorgaben im internationalen Kontext für ein globales Unternehmen“ (im Folgenden: „Cybersecurity“; vgl. E-Mail vom 20. Juni 2017, Anlage B6, Abl. 380 der erstinstanzlichen Akte). Zum neuen Auftrag heißt es: „Ich bitte um Übermittlung 1. des Grobkonzepts in Power-Point nebst einer Zeitschiene und Ausblick/Plan der Abarbeitung sowie 2. eine(n) ersten Gliederungsentwurf eines Gutachtens jeweils mit einer ersten Ausarbeitung.“ Dem Kläger wurde eine Frist bis zum 30. Juni 2017 gesetzt (vgl. E-Mail vom 20. Juni 2017, Anlage B6, Abl. 380 der erstinstanzlichen Akte).

Vom 18. Juni – 25. Juni 2017 war der Kläger betriebsabwesend wegen Besuch eines einwöchigen „Gesundheitstrainings“. Am 30. Juni 2017 übermittelte er eine Präsentation zu dem Thema „Cybersecurity“ (Anlage B7, Abl. 381ff. der erstinstanzlichen Akte).

Mit Schreiben vom 10. Oktober 2017 erfolgte eine Anhörung des Sprecherausschusses (Anlage B8, Abl. 395ff. der erstinstanzlichen Akte) sowie eine vorsorgliche Anhörung des Betriebsrates (Anlage B10, Abl. 415ff. der Gerichtsake) zu der beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Klägers. Der Betriebsrat teilte am 16. Oktober 2017 mit, dass kein Widerspruch eingelegt werde. Der Sprecherausschuss teilte unter dem Datum des 21. Oktober 2017 mit, dass gegen die ordentliche Kündigung keine Bedenken bestehen.

Anschließend erklärte die Beklagte die streitgegenständliche Kündigung vom 23. Oktober 2017 zum 30. April 2018. Mit Schreiben vom gleichen Tage wurde der Kläger unwiderruflich freigestellt (Anlage B13, Abl. 434ff. der erstinstanzlichen Akte).

Bei der Beklagten gilt die Konzernrichtlinie zum Hinweisgebersystem „Business Practices Office“ (BPO) (Anlage K16, Abl. 43ff. der erstinstanzlichen Akte). Das BPO ist zuständig für die Aufklärung vertragswidriger Sachverhalte und deren Sanktionen. Gegen den Kläger war im Jahre 2014 ein BPO-Verfahren eingeleitet worden unter dem Aktenzeichen BPO AL 214/00008. In einer E-Mail vom 8. März 2017 des Personalleiters an den Kläger wurde diesem mitgeteilt, dass für alle (Stellen-)Besetzungen im Legal-Bereich ein Compliance-Check vorgesehen sei, bei welchem auch geprüft werde, ob sich aus einem BPO-Verfahren ein Regelverstoß ergebe, was beim Kläger der Fall sei (vgl. E-Mail-Zitat S. 8 der Klageschrift, Abl. 8 der erstinstanzlichen Akte).

Mit der bei Gericht am 23. Juni 2017 eingegangenen und durch den Kündigungsschutz- und Weiterbeschäftigungsantrag im Schriftsatz vom 26. Oktober 2017 erweiterten Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor:

Er sei von August 2016 bis März 2017 weiter in seiner Funktion für den Bereich „Brand Protection“ am Standort B./S. tätig gewesen, habe Aufträge erhalten und entsprechend ausgeführt, insbesondere habe er die Alleinverantwortung für die Betreuung der Marke „...“ übernommen. Zu den vom Kläger behaupteten Tätigkeiten wird auf seine Ausführungen (Abl. 452 ff. der erstinstanzlichen Akte) verwiesen.

Im August 2016 sei er nicht wirksam als Leiter der Funktion „Legal Projekt: Trends und faktische Entwicklungen“ (L/TE) eingesetzt worden. In dem Gespräch am 4. August 2016 sei ihm weder ein konkreter Auftrag erteilt worden, noch habe er einen solchen übernommen. Auch sei ihm keine Stelle zugewiesen worden. Herr Dr. L. habe ihm vielmehr mitgeteilt, dass für ihn eine Aufgabe gefunden werden müsse und er davon ausginge, dass der Kläger nach offizieller Zuteilung einer neu zu schaffenden E2 Stelle „Gutachten schreiben solle“. Eine endgültige Festlegung von Aufgaben sei vertagt worden, nachdem der Kläger eingewandt habe, dass eine E2 Leitungsfunktion sich nicht in der Erstellung von Gutachten erschöpfen könne.

Weiter trägt der Kläger vor, im Rahmen der Mediation sei abgesprochen worden, dass er bis zu einer endgültigen Lösung die Aufgaben wahrnehmen solle, die ihm im Rahmen seiner Funktion „Brand Protection“ als E3-Stelle übertragen worden sei. Dieser Verpflichtung sei er nachgekommen.

Der Kläger ist weiterhin der Ansicht, die Funktion L/TE sei ihm mangels Beteiligung des Betriebsrates nicht wirksam übertragen worden. Er sei kein leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG. Jedenfalls bis zum März 2017 sei er noch der Funktion „Brand Protection“ zugeordnet gewesen und somit Herrn H. unterstellt gewesen.



Das schon im August für September 2016 ins Auge gefasste Gespräch über die zukünftige Aufgabenstellung und Funktionszuweisung habe erst nach dem erfolglosen Mediationsverfahren am 21. März 2017 stattgefunden. Erst bei diesem Gespräch habe sich ein Missverständnis aufgeklärt: aus seiner Sicht (des Klägers) sei das Gutachten zum Thema „Emission“ nur im Rahmen eines „Vorgespräches“ besprochen worden und er sei der Auffassung gewesen, dass er sich parallel zur weiterhin bestehenden Aufgabe „Brand Protection“ darüber Gedanken machen solle, in welcher Weise aus dem möglichen Gutachten eine griffige Basis für eine neu zu schaffende vollwertige E2-Stelle entwickelt werden könne, während Herr Dr. L. davon ausgegangen sei, der Kläger bearbeite seit 4. August 2016 ausschließlich dieses Gutachten „Emission“ (vgl. E-Mail des Klägers über das Personalgespräch vom 21. März 2017, Anlage K25, Abl. 118 der erstinstanzlichen Akte).

Die Abmahnung vom 31. März 2017 sei unwirksam, weil ihm am 4. August 2016 kein Auftrag erteilt worden sei und er im Rahmen der ihm zugewiesenen Tätigkeit nicht verpflichtet gewesen sei, eine funktionsfremde Aufgabe wahrzunehmen. Darüber hinaus sei die Zielsetzung und der konkrete Inhalt des Gutachtenauftrages noch nicht ausreichend erörtert gewesen. Im Mediationsverfahren habe man sich ferner darauf verständigt, die Aufgabenstellung bis auf weiteres zurückzustellen. Erst im Personalgespräch vom 21. März 2017 sei ihm der Auftrag erteilt worden.

Zudem gehöre die Erstellung eines Gutachtens nicht zu den typischen Aufgaben eines Mitarbeiters der Führungsebene E2. Rechtsgutachten würden bei der Beklagten üblicherweise von juristischen Sachbearbeitern oder Mitarbeitern der Ebene E4 erstellt werden.

Die Abmahnung vom 24. Mai 2017 sei ebenfalls rechtswidrig. Der gegen ihn gerichtete Vorwurf, sein Bericht werde nicht den Anforderungen gerecht, welche die Beklagten an eine Führungskraft stelle, sei substanzlos. Die Beklagte führe nicht aus, welche Anforderungen sie an eine Führungskraft stelle. In der Stellenbeschreibung vom 13. Februar 2017 seien vom Stelleinhaber spezifische Fachkenntnisse in Zulassung und zertifizierungsrelevanten Themen gefordert. Hierüber verfüge er nicht, da er auf seinen bisherigen Positionen nicht mit Fragen der Zulassung von Fahrzeugen und der Zertifizierung befasst gewesen sei. Die Beklagte habe ihm eine Aufgabe zugewiesen, welcher er schon deshalb nicht habe gerecht werden können, weil ihm die hierfür erforderlichen Rechts- und Fachkenntnisse fehlten. Innerhalb der Kürze der ihm zur Verfügung stehenden Zeit habe er sich zunächst an die Analyse der maßgeblichen Normen gemacht (vgl. Auflistung Anlage K26, Abl. 120ff. der erstinstanzlichen Akte). Hierbei habe er ca. 150 verabschiedete europäische Richtlinien und Verordnungen identifiziert. In seiner Ausarbeitung vom 13. April 2017 (Anlage K 30, Abl. 175ff. der erstinstanzlichen Akte) habe er darauf hingewiesen, dass es weltweit ca. 8000 Zertifizierung-, Homologation-und Emissionsvorschriften gebe, welche als einschlägig für die Produkte des D.-Konzerns angesehen werden können. Die Sammlung dieser Vielzahl von teils technischen, teils juristischen Vorschriften und die anschließende vollständige und ausführliche Begutachtung sei eine Aufgabe, die nicht in einem einzigen Arbeitsgang erfolgen könne und sich nur mit hinreichender Unterstützung, Kooperation und Kapazität in einem langjährigen Zeitraum leisten lasse.

Darüber hinaus habe die Beklagte ihm gegenüber eine Art „Kontaktsperre“ verhängt, welche ihn daran hindern sollte, an die zur Aufgabenerfüllung relevanten Informationen zu gelangen. Insoweit wird auf die Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 20. September 2017, dort Seite 13 ff. (Abl. 102 ff. erstinstanzlichen Akte) verwiesen.

Die Kündigung vom 23. Oktober 2017 sei sozial nicht gerechtfertigt. Für das Gutachten zum Thema „Cybersecurity“ sei die ihm vorgegebene Zeitspanne von acht Arbeitstagen ungenügend gewesen. Darüber hinaus handele sich um eine Aufgabe, die nicht dem Tätigkeitsspektrum eines E2-Leiters entspreche. Ihm sei erneut ein Auftrag erteilt worden, für welchem ihm das praxisrelevante Fachwissen gefehlt habe. Bei dem Thema „Cybersecurity“ handele sich um eine neue, juristisch noch nicht aufgearbeitete Materie, zu der es nur wenig Fachliteratur gebe. Zudem sei ihm der Zugang zu dem bei der Beklagten schon vorhandenen Spezialwissen vorenthalten worden. Auf diese Problematik habe er in seiner E-Mail vom 30. Juni 2017 hingewiesen (Anlage K 40, Abl. 491 der erstinstanzlichen Akte). In inhaltlicher Hinsicht bleibe unklar, welche genauen Anforderungen er im Einzelnen nicht erfüllt haben solle.

Der Kläger beantragte erstinstanzlich:

  1.  Die Abmahnung der Beklagten im Schreiben vom 31. März 2017 ist unwirksam und aus der Personalakte zu entfernen.

  2.  Die Abmahnung der Beklagten im Schreiben vom 24. Mai 2017 ist unwirksam und aus der Personalakte zu entfernen.

  3.  Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Einsicht in die BPO Akte Fall AL-2014-00008 zu gewähren.

  4.  die Beklagte wird verurteilt, Auskunft zu erteilen über die zu seiner Person gespeicherten Daten und die Herkunft dieser Daten hinsichtlich der Leistung und des Verhaltens des Klägers seit 1. Januar 2013, soweit diese sich nicht aus der Personalakte des Klägers bei der Beklagten ergeben.

  5.  Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 23. Oktober 2017 zum 30. April 2018 nicht beendet wird.

  6.  Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorstehenden Klageantrages Ziffer 5 in der Funktion Leiter „Legal Projekt: Trends und faktische Entwicklungen“, hilfsweise in der Funktion Leiter „Legal EADS & Projekte“ weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragte erstinstanzlich,

   die Klage abzuweisen.

Hilfsweise stellte sie einen Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer vom Gericht festzusetzenden Abfindung.

Der Kläger beantragte,

   den Auflösungsantrag zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt im Wesentlichen wie folgt vor:

Der Kläger sei mit Schreiben vom 31. März 2017 und 24. Mai 2017 zu Recht abgemahnt worden. Die Stelle „Legal Projekt: Trends und faktische Entwicklungen“ sei für den Kläger neu eingerichtet und nach dem internen Bewertungsverfahren der Beklagten als Funktion auf der Führungsebene E2 bewertet worden. Am 4. August 2016 habe der Vorgesetzte Dr. L. mit dem Kläger die Ausgestaltung der Stelle besprochen und ihm hierbei den ersten Arbeitsauftrag „Emissionsvorschriften und Zertifizierungsvorgaben“ erteilt. Hierbei sei darauf hingewiesen worden, dass das Thema und der Auftrag im Zusammenhang mit einem der derzeit wichtigsten Themen für die gesamte Automobilindustrie stehen würden. Trotz mehrmaliger Aufforderungen habe der Kläger den Auftrag zunächst nicht bearbeitet.

Eine Betriebsratsbeteiligung für die Zuweisung der Stelle „Legal Projekt: Trends und faktische Entwicklungen“ sei nicht erforderlich gewesen, da der Kläger als leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG anzusehen sei. Für diese Beurteilung spreche insbesondere die Zuordnung seiner Position zu einer Leitungsebene der Beklagten, auf der im Wesentlichen Personen tätig seien, die als leitende Angestellte einzustufen seien. Auch seine Vergütung entspreche der eines leitenden Angestellten bei der Beklagten. Zur Position des Klägers zähle auch die Mitarbeiterführung. Seiner Funktion sei eine Sachbearbeiterstelle zugeordnet, auch wenn der Kläger diese nicht besetzt habe. Der Bereich „Legal Projekt: Trends und faktische Entwicklungen“ (L/TE) umfasse die Prüfung komplexer Rechtsfragen mit für die Beklagte weitreichender Bedeutung. Hierbei fungiere der Kläger als Schnittstelle für den Leiter der Rechtsabteilung, den General Counsel, und das Unternehmensmanagement. Aufgabe des Klägers sei, die sich aus seiner Analyse für das Unternehmen ergebenden Rechtsrisiken zu bewerten und eine Verfahrensstrategie zu bestimmen. Die Erfüllung dieser Aufgaben setze besondere Erfahrungen und Rechtskenntnisse voraus.

Durch Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 19. Dezember 2017 wurde die Unwirksamkeit der Kündigung vom 23. Oktober 2017 festgestellt. Darüber hinaus wurde die Beklagte verurteilt, die streitgegenständlichen Abmahnungen aus der Personalakte des Klägers zu entfernen, dem Kläger Einsicht in die BPO-Akte zu gewähren und den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss in der Funktion Leiter „Legal Projekt: Trends und faktische Entwicklungen“ zu beschäftigen. Der Auflösungsantrag der Beklagten wurde abgewiesen. Der Antrag des Klägers auf Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten und die Herkunft dieser Daten wurde abgewiesen.

Die Abmahnung vom 31. März 2017 sei unwirksam, weil der Kläger mangels Beteiligung des Betriebsrates nicht wirksam auf die Funktion „Legal Projekt: Trends und faktische Entwicklungen“ (L/TE) versetzt worden sei. Die Zuweisung dieser neuen Funktion stelle eine Versetzung im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne dar. Eine Beteiligung des Betriebsrates nach § 99 Abs. 1 BetrVG sei Wirksamkeitsvoraussetzung, da der Kläger kein leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG sei. Mit der behaupteten Übertragung der Funktion L/TE sei insbesondere nicht der Tatbestand von § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG erfüllt. Zwar könne die Prüfung komplexer Rechtsfragen von weitreichender Bedeutung für die Beklagte sein. Aus dem Vortrag der Beklagten ergebe sich jedoch nicht, dass die damit verbundenen Aufgaben der Unternehmensleitung nahestehen. Auch wenn bei der Prüfung und Bewertung rechtlicher Fragestellungen eine inhaltliche Freiheit, wie man einzelne Problemlagen bewerte, bestehe, sei mit der Funktion „Legal Projekt: Trends und faktische Entwicklungen“ (L/TE) keine Entscheidungsfunktion verbunden. Auch sei nicht erkennbar, dass unternehmerische Entscheidungen aufgrund von Kompetenzen und mit der Funktion verbundenen Einflussmöglichkeiten maßgeblich beeinflusst würden. Weil die Zuweisung der neuen Funktion „Legal Projekt: Trends und faktische Entwicklungen“ mit einer inhaltlichen Änderung der Arbeitsaufgabe des Klägers auf Dauer verbunden gewesen sei und zudem mit einer örtlichen Versetzung nach U. einhergehe, werde das Beteiligungsrecht des Betriebsrates nach § 99 Abs. 1 BetrVG ausgelöst. Die Erstellung des Gutachtens „Emissionsvorschriften und Zertifizierungsvorgaben“ sei nicht Bestandteil des Aufgabenbereichs des Klägers in seiner Funktion „Brand Protection“.

Mangels einer wirksamen Aufgabenübertragung auf den Kläger habe der Kläger keine Pflichten verletzt, soweit er zunächst das Gutachten nicht bearbeitet habe. Deswegen sei die Abmahnung vom 31. März 2017 aus der Personalakte zu entfernen. Der Kläger könne auch die Feststellung der Unwirksamkeit der Abmahnung verlangen.

Auch die Abmahnung vom 24. Mai 2017 sei unwirksam. Wenn die Erstellung des Gutachtens „Emissionsvorschriften und Zertifizierungsvorgaben“ nicht zum Aufgabenbereich des Klägers gehöre, könnten Schlechtleistungen im Zusammenhang mit Aufgaben, die nicht von den arbeitsvertraglichen Pflichten umfasst sind, weder arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen darstellen, noch Gegenstand einer dem Kläger erteilten Abmahnung sein.




Die Kündigung vom 23. Oktober 2017 zum 30. April 2018 sei sozial nicht gerechtfertigt und damit unwirksam. Es könne dahingestellt bleiben ob die von der Beklagten behauptete – und zu ihren Gunsten als zutreffend unterstellte – Minderleistung des Klägers bei der Erstellung des Gutachtens „Cybersecurity“ eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten darstelle. Selbst wenn die Gutachtenerstellung zu den arbeitsvertraglichen Pflichten des Klägers gehört haben sollte, hätte es vor Ausspruch einer Kündigung einer vorherigen Abmahnung bedurft. Auf die zu Unrecht ausgesprochenen Abmahnungen vom 31. März 2017 und 24. Mai 2017 könne sich die Beklagte nicht berufen, weil sich der Kläger nicht arbeitsvertragswidrig verhalten habe. Auch die im Vorprozess streitgegenständliche Änderungskündigung vom 16. Juni 2014 tauge nicht als Abmahnung. Es sei von der Beklagten schon nicht dargelegt worden, welches Verhalten dem Kläger zur Begründung der Änderungskündigung im Einzelnen damals vorgeworfen worden sei. Unter Berücksichtigung des Bestandes des Arbeitsverhältnisses seit dem Jahr 2007 und dem zeitlichen Abstand von mehr als drei Jahren zwischen der Änderungskündigung und der Kündigung vom 23. Oktober 2017 sei jedenfalls eine weitere Abmahnung erforderlich gewesen.

Für den durch die Beklagte gestellten Auflösungsantrag fehle es an Gründen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten ließen. Soweit sich die Beklagte auf eine „systematischen Nichtleistung des Klägers“ berufe, werde darauf verwiesen, dass der Kläger keine Arbeitsverweigerung begangen habe. Soweit die Beklagte dem Klägervertreter vorhalte, dieser habe der Beklagten eine „mangelnde Rechtstreue“ vorgeworfen, fehle es an einem konkreten Vortrag.

Der Kläger habe Anspruch auf Einsicht in die BPO-Akte zu Fall AL-2014-00008 nach § 83 Abs.1 Satz 1 BetrVG. Ausgehend von einem materiell-rechtlichen Personalaktenbegriff seien auch Dokumente einzusehen, die mit dem Arbeitsverhältnis in einem inneren Zusammenhang stünden. Dies sei bei Unterlagen zu unternehmensinternen Ermittlungen zu bejahen. Der Berücksichtigung schützenswerter Interessen von dritten Personen auf Geheimhaltung könne durch eine entsprechende Anonymisierung Rechnung getragen werden.

Der vom Kläger gestellte Auskunftsantrag sei hingegen unzulässig, da er zu unbestimmt sei. Aus dem Vortrag des Klägers sei nicht ersichtlich, dass es neben der eigentlichen Personalakte noch weitere personenbezogene Daten bei der Beklagten über ihn gebe. Damit fehle eine ausreichende gegenständliche Konkretisierung.

Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 19. Dezember 2017 (17 Ca 4075/17) wurde der Beklagten am 22. Februar 2018 zugestellt. Die Beklagte legte Berufung am 8. März 2018 beim Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg ein und begründete die Berufung mit dem am 20. April 2018 per Fax vorab eingegangenen Schriftsatz.

Die Beklagte führt zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen aus: Der Kläger sei leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG, weswegen ein Beteiligungsrecht des Betriebsrates nach den §§ 99 Abs. 1, 95 Abs. 3 S. 1 BVG nicht bestanden habe. Darüber hinaus habe dem Kläger sowohl die Aufgabe des Gutachtens zum Thema „Emissionsvorschriften und Zertifizierungsvorgaben“ sowie zum Thema „Cybersecurity“ unabhängig von seinem betriebsverfassungsrechtlichen Status zugewiesen werden können. Die Zuweisung einer vertragsgemäßen Beschäftigung des Klägers und damit der Beschäftigungspflicht entsprechenden Aufgabe stelle keine Versetzung im Sinne von § 95 Abs. 3 BetrVG dar.

Ob der Kläger in seiner früheren Position „Brand Protection“ als leitender Angestellter einzuordnen gewesen sei, sei nicht erheblich. Ein Beteiligungsrecht des Betriebsrates entfalle auch dann, wenn dem Angestellten ein neuer Aufgabenbereich übertragen werde, welcher ihn zum leitenden Angestellten aufrücken lasse. Der Kläger nehme in seiner neuen Funktion als Leiter des Bereichs L/TE unternehmerisch bedeutsame „sonstige Aufgaben“ im Sinne von § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BetrVG wahr und sei damit leitender Angestellter im Sinne der Vorschrift. Die dem Kläger zugewiesene Leitung dieses Bereichs umfasse die Prüfung komplexer Rechtsfragen mit weiterreichender Bedeutung für den Bestand und die Entwicklung der Beklagten. Nach der Stellenbeschreibung gehören die rechtliche Analyse und die ausführliche Begutachtung aktueller Entwicklungen mit großer finanzieller Bedeutung für das Unternehmen bzw. den Konzern der Beklagten zu den Kernpunkten und Zielsetzungen seiner Stelle. Es gehe nicht lediglich um die Anfertigung von rechtlichen Stellungnahmen, sondern um die Positionierung der Beklagten als Reaktion auf aktuelle, für die Beklagte bedeutsamen rechtlichen Entwicklungen im Zusammenhang mit sicherheits- und emissionsrelevanten Themen. Das Thema „Zulassung von Dieselfahrzeugen“ sei derzeit das wichtigste Thema für die gesamte Automobilindustrie. Dem Leiter des Bereichs L/TE obliege es, die sich aus seiner Analyse für das Unternehmen ergebenden Rechtsrisiken zu bewerten und eine Verfahrensstrategie zu bestimmen. Dabei fungiere der Leiter des Bereichs L/TE als Schnittstelle für den „General Counsel“ (den Leiter der Rechtsabteilung, Anm. des Gerichts) und das Unternehmensmanagement. Indem der Kläger die Positionierung der Beklagten als Reaktion auf aktuelle, hochkomplexe und für sie bedeutsame rechtliche Entwicklungen im Zusammenhang mit sicherheits- und emissionsrelevanten Themen vorbereite, indem er die Sachverhalte analysiere, bewerte, darauf aufbauend Vorschläge unterbreite und eine Verfahrensstrategie bestimme, beeinflusse der Kläger maßgeblich die im Zusammenhang mit unternehmerischen Leitungsaufgaben anfallenden Entscheidungen. Darüber hinaus sei die Leitungsebene zu berücksichtigen, auf der der Angestellte die Aufgaben in Stab oder Linie wahrzunehmen habe. Als Führungskraft der Ebene E2 gehöre der Kläger der zweithöchsten Führungsebene unterhalb des Vorstands an.

Darüber hinaus habe das Arbeitsgericht zu Unrecht in seiner rechtlichen Würdigung die Entscheidungshilfe nach § 5 Abs. 4 BetrVG unberücksichtigt gelassen. Für die Aufsichtsratswahl 2018 sei der Kläger in der Wählerliste als leitender Angestellter geführt worden. Außerdem erhalte der Kläger in seiner Funktion des Leiters des Bereichs L/TE ein Jahresgrundgehalt in Höhe von 153.316,00 EUR.

Im Ergebnis habe dem Kläger die Funktion Leiter des Bereichs L/TE ohne Beteiligung des Betriebsrates wirksam zugewiesen werden können und damit einhergehend auch die Aufgaben zur Erstellung der Gutachten. Indem der Kläger den zu seinen arbeitsvertraglichen Pflichten gehörenden Auftrag „Emissionsvorschriften und Zertifizierungsvorgaben“ zunächst überhaupt nicht und später - nach ausdrücklicher weiterer Aufforderung - nur ungenügend bearbeitet habe, habe der Kläger seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt.

Der Kläger sei seit dem 1. August 2016 auf seinen Wunsch hin auf der Leitungsebene E2 als Leiter des Bereichs L/TE eingesetzt worden, nachdem der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beklagte nach Ende des Verfahrens vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 17. März 2016, 2 AZR 1052/15) aufforderte, dem Kläger eine Tätigkeit zuzuweisen, die der Ebene E2 zuzurechnen sei. Die Stelle sei für den Kläger neu eingerichtet worden. Mit dem Kläger sei am 4. August 2016 über die Ausgestaltung dieser neuen Stelle gesprochen worden und der Kläger habe nicht widersprochen. Er habe auch in Folge nur die Namensgebung der Stelle bemängelt und die noch fehlende Stellenbeschreibung. Der Kläger verlange auch schließlich mit Klageantrag Ziffer 5 die Beschäftigung auf dieser Stelle. Er könne nicht einerseits seine Beschäftigung als Führungskraft der Leitungsebene E2 einklagen, die Funktion als Leiter des Bereiches L/TE antreten und zugleich die Aufgabenstellung dieser Stelle ignorieren und Aufgaben unbearbeitet lassen.

Das Arbeitsgericht habe übersehen, dass dem Kläger mit der Erstellung eines Gutachtens zum Thema „Emissionsvorschriften und Zertifizierungsvorgaben“ zuallererst eine der Leitungsebene E2 zuzurechnende und damit der Verpflichtung der Beklagten zur vertragsgemäßen Beschäftigung des Klägers entsprechende konkrete Aufgabenstellung zugewiesen worden sei. Die Zuweisung dieser Aufgabe habe dem Kläger im Rahmen seiner vertragsgemäßen Beschäftigung vom Leiter des Bereichs „Legal“, Herrn Dr. L., unabhängig von seiner Funktion im Bereich „Legal Brand Protection Operations / Brand Abuse“ oder als Leiter „Legal Projekt: Trends und faktische Entwicklungen“ zugewiesen werden können. Darüber hinaus habe der Kläger den Gutachtenauftrag angenommen und diesen - wenn auch inhaltlich sehr unzulänglich - bearbeitet.

Die Kündigung vom 23. Oktober 2017 sei rechtmäßig. Der Kläger habe als Führungskraft der Leitungsebene E2 beharrlich seine Arbeitsleistung verweigert, obwohl ihm mit den Abmahnungen vom 31. März 2017 und 24. Mai 2017 Gelegenheit gegeben worden sei, sein vertragswidriges Verhalten zu erkennen und abzustellen. Auch die Änderungskündigung vom 16. Juni 2014 habe die Qualität einer Abmahnung, nachdem das Arbeitsgericht Stuttgart in seinem Urteil vom 18. März 2015 (Az. 11 Ca 4403/14) ausgeführt habe, dass es sich bei den seiner Zeit dem Kläger zur Last gelegten Pflichtverletzungen und Leistungsmängeln im Wesentlichen um typische Pflichtverletzungen bei der Arbeitsleistung handele, denen aus Gründen der Verhältnismäßigkeit vor dem Ausspruch einer Kündigung mit einer Abmahnung hätte begegnet werden müssen.

Die vom Kläger am 30. Juni 2017 vorgelegte Ausarbeitung des Arbeitsauftrages zum Thema „Cybersecurity“ stelle eine Schlechtleistung dar und entspreche nicht einer Arbeitsleistung „mittlerer Art und Güte“. Aufgrund der ausgesprochenen Abmahnungen sei von einer negativen Prognose auszugehen. Für den Kläger bestünden auch keine anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeiten, in welchen die entsprechenden Störungen des Arbeitsverhältnisses beseitigt werden könnten. Die wiederholten erheblichen Pflichtverletzungen des Klägers und die negative Zukunftsprognose machten für die Beklagte eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unmöglich.

Es liege auch ein Grund zur Besorgnis vor, dass die weitere Zusammenarbeit zwischen Parteien gefährdet sei. Die Beklagte versuche seit August 2016 erfolglos, den Kläger dazu zu bewegen, ihm gestellte Arbeitsaufträge auszuführen. Dieser betreibe eine Verzögerungstaktik, wenn er behaupte, mit dem Gutachtenauftrag zunächst überhaupt nicht betraut gewesen zu sein, um anschließend darauf hinzuweisen, dass die Aufgabe in der verbleibenden Zeit nicht fachgerecht erledigt werden könne. Außerdem versuche er, seine ungenügenden Arbeitsergebnisse damit zu rechtfertigen, dass andere Mitarbeiter ihm nicht zur Verfügung gestanden hätten. Entgegen der Ansicht des Klägers gebe es auch (Gutachter-)Tätigkeiten, die eine Führungskraft der Ebene E2 eigenhändig zu erledigen habe. Hierzu gehören etwa die Erstellung eines Gutachtens zum Thema „Emissionsvorschriften und Zertifizierungsvorgaben“. Die Beklagte müsse darauf vertrauen können, dass die einer Führungskraft der Ebene E2 eigenhändig übertragene Aufgabenstellungen mit weiterreichenden Bedeutung für den Bestand und Entwicklung der Beklagten erledigt werden. Die Vertrauensbasis sei durch das Verhalten des Klägers derart zerstört worden, dass die Beklagte ihm keine sensiblen Aufgabenstellungen mehr anvertrauen könne. Ohne diese Möglichkeit könne jedoch das Arbeitsverhältnis nicht durchgeführt werden. Aus den gleichen Gründen überwiegen auch die Interessen der Beklagten an einer Nichtbeschäftigung des Klägers gegenüber den Interessen des Klägers an einer Weiterbeschäftigung.

Der Kläger habe keinen Anspruch auf Einsicht in die BPO-Akte. Jedenfalls bestehe kein schranken- und grenzenloses Einsichtsrecht in diese Akte, wie vom Arbeitsgericht angenommen. Die Beklagte habe sich zum Schutz von Hinweisgebern in Bezug auf den Umgang mit Regelverstößen verpflichtet. Hiervon betroffen seien sämtliche Daten und Informationen, die die Person des Hinweisgebers offenbaren oder Rückschlüsse auf die Person zuließen. Deswegen seien diese Informationen schon nicht Teil der Personalakte. Jedenfalls habe die Beklagte die berechtigten Interessen, insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Hinweisgeber im Rahmen ihrer vertraglichen Schutz- und Rücksichtnahmepflicht zu beachten. Dem Tenor Ziffer Z. 3 des arbeitsgerichtlichen Urteils ließen sich jedoch keine Einschränkungen entnehmen.

Die Beklagte beantragte:

  1.  Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart, Az. 17 Ca 4075/17 vom 19. Dezember 2017 wird abgeändert.

  2.  Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

  3.  Hilfsweise wird beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart, Az. 17 Ca 4075/17 vom 19. Dezember 2017 zu ändern und das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aufzulösen.

Der Kläger beantragte im Wege der Anschlussberufung

  1.  Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

  2.  Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 19. Dezember 2017 Az. 17 Ca 4075/17 wird in Tenor Ziffer 6 abgeändert.

  3.  Die Beklagte wird verurteilt, Auskunft zu erteilen über die zur Person des Klägers gespeicherten Daten und die Herkunft dieser Daten, soweit sich diese nicht aus der Personalakte des Klägers bei der Beklagten ergeben.

Der Kläger trägt in der Berufungsinstanz erneut vor, er sei kein leitender Angestellter. Er erfülle insbesondere nicht das Regelbeispiel von § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG. Bei der ihm zugewiesenen Stelle als Leiter des Bereichs „L/TE“ handele es sich nicht um eine vollwertige E2-Stelle. Ihm sei diese Funktion ohne Mitarbeiter übertragen worden, während alle anderen E2-Positionen mit einer Vielzahl von Mitarbeitern der Ebenen E3 und E4 ausgestattet seien. Die Erstellung von Rechtsgutachten und die Erarbeitung von Lösungsmöglichkeiten seien typische Aufgaben eines juristischen Sachbearbeiters; die Aufgabenstellung sei keine unternehmerische. Keine in der Stellenbeschreibung beschriebenen Aufgaben seien solche, die unmittelbar mit der Unternehmensleitung der Beklagten in Zusammenhang stünden. An keiner Stelle der Stellenbeschreibung werde dargestellt, dass er den Vorstand berate und Entscheidungsvorlagen erarbeitete, die maßgeblich für die Entscheidung des Vorstandes sein sollen. Das Gutachten „Emissionsvorschriften und Zertifizierungsvorgaben“ sei keine unternehmerische Aufgabe im Sinne des Regelbeispiels Nr. 3 nach § 5 Abs. 3 BetrVG. Das Gutachten sei ihm direkt von seinem Vorgesetzten, Dr. L., übertragen worden. Die Beklagte habe ihn auch nicht erneut mit Prokura ausgestattet, wie andere E2 Positionen im Bereich „Legal“. Zudem sehe die bei der Beklagten vorgegebene Managementrichtlinie zur Gestaltung der Führungs- und Strukturorganisation (Organisationsrichtlinie) eine verbindliche Mindestführungsspanne für Leitungsfunktionen aller Führungsebenen von mindestens fünf Mitarbeitern vor (Anlage BB2, Abl. 151 ff. der Berufungsakte). Nachdem ihm weder im Jahre 2016 noch im Jahr 2017 Mitarbeiter zugeordnet worden seien, könne die ihm zugewiesene Stelle nicht eine solche der Ebene E2 sein. Eine Beteiligung des Betriebsrates sei auch deshalb nicht entbehrlich, soweit er eine Beschäftigung auf der Ebene E2 selbst einfordere. Die Beklagte schulde eine Beschäftigung des Klägers auf der Ebene E2. Soweit er nach Rechtskraft des Kündigungsschutzprozesses um die Änderungskündigung eine vertragsgemäße Beschäftigung eingefordert habe, habe er damit noch nicht sein Einverständnis mit der ihm jetzt übertragenen Aufgabe erklärt. Die Beteiligung des Betriebsrates sei schon deshalb erforderlich gewesen, weil die Beklagte ihm nicht nur eine andere Tätigkeit zugewiesen habe, sondern auch einen anderen Tätigkeitsort: Während er zuletzt seine Arbeitsleistung im Betrieb in B. zu erbringen hatte, betreffe die nun zugewiesene Tätigkeit einen Arbeitsplatz im Betrieb U.

Die unwirksame Änderungskündigung vom 16. Juni 2014 könne nicht als Abmahnung herangezogen werden. Im Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 18. September 2015 (7 Sa 30/15) sei die Änderungskündigung schon aus formalen Gründen für unwirksam erklärt worden. Deswegen sei in diesem Fall gerade nicht festgestellt worden, dass ein pflichtwidriges Verhalten vorgelegen habe. Darüber hinaus sehe die so genannte Regelverstoßrichtlinie, welche bei der Beklagten in Form einer Konzernbetriebsvereinbarung existiere, vor, dass bei pflichtwidrigem Verhalten eine vorherige Anhörung des Beschäftigten vor einer Maßnahme durch das Gremium BPC (Business Practice Committee) zu erfolgen habe. Insoweit wird auf die Ausführungen des Bevollmächtigten des Klägers Seite 12 ff. der Berufungserwiderung vom 20. Juni 2018 (Az. 139 ff. Berufungsakte) verwiesen. Gleiches gelte auch für die streitgegenständlichen Abmahnungen.

Die Kündigung vom 23. Oktober 2017 sei rechtsunwirksam. Der Beklagten sei es nicht gelungen, darzulegen, dass dem Kläger eine pflichtwidrige Schlechtleistung vorzuwerfen sei. Die Beklagte habe nicht erklärt, weshalb es dem Kläger persönlich und fachlich innerhalb der ihm begrenzt zur Verfügung stehenden Zeit und unter Berücksichtigung der ihm zur Verfügung gestellten Hilfsmittel und Ressourcen möglich gewesen sein soll, eine deutlich bessere Leistung abzuliefern, als jene, die von der Beklagten als Schlechtleistung bezeichnet werde. Für die Erfüllung des Auftrages „Cybersecurity“ hätten dem Kläger unter Berücksichtigung einer dienstlichen Abwesenheit nur fünf Arbeitstage zur Verfügung gestanden. Jedenfalls sei eine Abmahnung unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geboten gewesen. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass der Kläger die ihm während seiner Tätigkeit auf der Ebene E3 zugewiesenen Aufgaben nach den Bewertungen für das Kalenderjahr 2015 und unterjährig bis zum 31. August 2016 mit 100 % bzw. „successful“ bewertet worden seien (vgl. Anlage BB3 und BB4, Abl. 165ff. der Berufungsakte). Wenn dem Kläger auf der Ebene E3 eine 100-prozentige Zielerreichung in den Jahren 2015 und 2016 bestätigt worden sei, sei unter Verhältnismäßigkeitserwägungen bei behaupteten Pflichtwidrigkeiten eine Änderungskündigung der Beendigungskündigung vorzuziehen.

Eine Weiterbeschäftigung sei der Beklagten zumutbar, da er seit 1. Mai 2018 unbeanstandet bei der Beklagten im Rahmen des titulierten Weiterbeschäftigungsanspruches tätig sei.

Er habe einen Anspruch auf Einsicht in die BPO-Akte. Schon aufgrund der E-Mail vom 8. März 2017 sei bestätigt worden, dass die Erkenntnisse des BPO-Verfahrens von der Beklagten im Rahmen der Weiterbeschäftigung des Klägers herangezogen werden. Damit sei die BPO-Akte Bestandteil der Personalakte im materiell-rechtlichen Sinne.

Der mit der Anschlussberufung geltend gemachte Auskunftsanspruch, der sich unter anderem auf jegliche parallel zur Personalakte geführte Korrespondenz über den Kläger, die Aufnahme des Klägers in interne „Negativ-Listen“ und sonstige den Kläger betreffende interne Dokumentation beziehe, bedürfe keiner weiteren Konkretisierung. Eine weitere Konkretisierung sei ihm auch nicht möglich, weil er nicht wisse, welche Daten die Beklagte über ihn gespeichert habe. Der Auskunftsanspruch ergebe sich aus Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Art. 15 Abs. 3 Datenschutz Grundverordnung (DS-GVO).

Die Beklagte beantragte,

   die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Anschlussberufung des Klägers sei unzulässig und darüber hinaus unbegründet. Auch der nun gestellte Auskunftsantrag genüge nicht dem Bestimmtheitserfordernis von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Darüber hinaus setzte sich die Begründung der Anschlussberufung nicht ausreichend mit den Gründen des angefochtenen Urteils auseinander.

Entgegen den Behauptungen des Klägers sei dieser nicht in internen „Negativ-Listen“ aufgenommen. Es gebe auch keine sonstige den Kläger betreffende interne Dokumentation, welche parallel zur Personalakte geführt würde. Insoweit beschränke sich der Kläger auf reine Mutmaßungen.

Im Übrigen führt die Beklagte erneut zu den Themen Abmahnungen, Kündigung, Weiterbeschäftigung und Auflösungsantrag weiter aus. Insoweit wird auf den Schriftsatz vom 27. Juli 2018 (Abl. 223ff. der Berufungsakte) verwiesen.

Der Kläger kündigte mit Schriftsatz vom 2. November 2018, bei Gericht eingegangen am 13. November 2018, seinen Antrag Ziffer 3 mit folgender Formulierung und einen weiteren Antrag Ziffer 4 an:

  3.  Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über die von ihr verarbeiteten und nicht in der Personalakte des Klägers gespeicherten personenbezogenen Leistungs- und Verhaltensdaten des Klägers zu erteilen, im Hinblick auf

die Zwecke der Datenverarbeitung,

die Empfänger, gegenüber denen die Beklagten die personenbezogenen Daten des Klägers offengelegt hat oder noch offenlegen wird,

die Speicherdauer oder falls dies nicht möglich ist, Kriterien für die Festlegung der Dauer,

die Herkunft der personenbezogenen Daten des Klägers, soweit die Beklagte diese nicht bei dem Kläger selbst erhoben hat und

das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling sowie aussagekräftiger Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung.

  4.  Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine Kopie seiner personenbezogenen Leistungs- und Verhaltensdaten, die Gegenstand der von ihr vorgenommenen Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen.

Die geänderten Klageanträge stützt der Kläger nunmehr auf Art. 15 Abs. 1 und 3 DS-GVO. Der Auskunftsanspruch stehe voraussetzungslos jeder natürlichen Person zu, ohne dass er zunächst bestimmte Tatsachen darzulegen oder zu beweisen hätte. Der Auskunftsberechtigte habe lediglich die Möglichkeit, den Auskunftsanspruch zu präzisieren, insbesondere zu erklären, auf welche Informationen oder welche Verarbeitungsvorgänge sich das Auskunftsersuchen beziehen soll.

Die Beklagte beantragt,

   die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Auch nach der Änderung des Antrages bleibe der mit Ziffer 3 verfolgte Berufungsantrag zu unbestimmt und damit unzulässig.

Innerhalb der Anschlussberufungsbegründungsfrist habe sich der Kläger nicht mit der vom Kläger angefochtenen Entscheidung auseinandergesetzt. Der Kläger habe sich auf bloße Rechtsausführungen beschränkt. Der nunmehr angekündigte Antrag habe den Berufungsantrag auch nicht lediglich konkretisiert, sondern die begehrte Auskunft beziehe sich nunmehr auf personenbezogene Leistungs- und Verhaltensdaten, die Zwecke der Datenverarbeitung, Empfänger, Speicherdauer, Herkunft sowie über das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung. Die Beklagte willige in diese Klageänderung nicht ein.

Die im Antrag enthaltenen Begriffe wie „Leistung“ und „Verhalten“ seien nicht in der DS-GVO legaldefiniert und deswegen zu unbestimmt. Es bestehe die Besorgnis weiterer Auseinandersetzungen über den Inhalt der vom Kläger begehrten Auskunft. Außerdem habe der Kläger sein Auskunftsbegehren nicht selbst, sondern über seinen Prozessbevollmächtigten geltend gemacht. Ein Nachweis für dessen Bevollmächtigung im Zeitpunkt des Auskunftsverlangens habe der Kläger nicht erbracht.

Der Auskunftsanspruch sei auch nicht begründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Auskunft über „Leistungs- und Verhaltensdaten“. Der Auskunftsanspruch nach Art.15 Abs. 1 DS-GVO beziehe sich auf die „eine Person betreffenden personenbezogenen Daten“ gem. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO. Außerdem bestehe der Anspruch nicht schrankenlos. Gem. Art. 15 Abs. 4 DS-GVO dürften insbesondere Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigt werden. Es sei ungeklärt, inwieweit die Beklagte in Ansehung berechtigter und durch Grundrechte geschützte Interessen Dritter zur Auskunftserteilung verpflichtet werden könne. Jedenfalls sei der Kläger aus Treu und Glauben sowie dem Grundsatz der Prozessökonomie verpflichtet gewesen, sein Auskunftsverlangen entsprechend dem Erwägungsgrund Nr. 63 der DS-GVO zu präzisieren.

Die Anschlussberufung sei auch im Hinblick auf den Berufungsantrag Ziffer 4 (Herausgabe einer Kopie der Daten) unzulässig. Eine unzulässige Anschlussberufung führe auch zur Unzulässigkeit der mit dem vom Kläger mit dem Berufungsantrag Ziffer 4 begehrten Klageerweiterung.

Weiter führt die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 11. Dezember 2018 aus: Soweit der Kläger wie verlangt vertragsgemäß beschäftigt wurde, habe keine Versetzung im Sinne von § 95 Abs. 3 BetrVG vorgelegen. Mit der Annahme des Änderungsangebotes unter Vorbehalt und dem Erfolg seiner Änderungskündigungsschutzklage durch Urteil des BAG vom 17. März 2016 (2 AZR 1052/15) habe das ursprüngliche Arbeitsverhältnis weiter fortbestanden. Deswegen sei es nur konsequent, wenn er wieder auf der Ebene E2 eingesetzt worden sei. Es habe einen entsprechenden internen Prozess zur Schaffung der Funktion Leiter „Legal Projekt: Trends und faktische Entwicklungen“ (L/TE) gegeben.

Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien und auf die erstinstanzliche Entscheidung Bezug genommen.





Entscheidungsgründe:


A) Zulässigkeit der Berufung der Beklagten


I.

Soweit zwischen den Parteien die Wirksamkeit einer Kündigung in Streit steht, ist die Berufung statthaft gem. § 64 Abs. 2 c) ArbGG. Hinsichtlich der Klage auf Entfernung der Abmahnungen und hinsichtlich der Einsicht in die Personalakte ist die Berufung statthaft gem. § 64 Abs. 2 b) ArbGG.

II.

Die Berufung ist zulässig. Sie wurde gem. den §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz1 ArbGG, §§ 519 Abs. 1, Abs. 2, 520 Abs. 1, Abs. 3 ZPO frist- und formgerecht beim Landesarbeitsgericht eingelegt. Mit der Berufungsbegründungsschrift vom 20. April 2018 ist die erstinstanzliche Entscheidung ausreichend i.S.v. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG angegriffen worden. Die Berufungsbegründung setzt sich hinreichend mit den tragenden Gründen des arbeitsgerichtlichen Urteils auseinander.

B) Begründetheit der Berufung der Beklagten


Die Berufung der Beklagten ist zum größten Teil nicht begründet. Die streitgegenständlichen Abmahnungen vom 31. März 2017 und vom 24. Mai 2017 sind dauerhaft aus der Personalakte des Klägers zu entfernen (im Folgenden unter I. und II.). Lediglich soweit das Arbeitsgericht neben der Entfernung der streitgegenständlichen Abmahnungen auch dem Feststellungsantrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der genannten Abmahnungen stattgegeben hat, ist die Berufung begründet und insoweit das Urteil abzuändern.

Im Übrigen ist die Kündigung vom 23. Oktober 2017 rechtsunwirksam gem. § 1 Abs. 2 KSchG, weil sie sozial nicht gerechtfertigt ist (III.). Die Beklagte ist nach den Grundsätzen zur vorläufigen Weiterbeschäftigung des Klägers verpflichtet (IV.). Der Auflösungsantrag der Beklagten ist unbegründet (V.). Der Kläger hat zudem einen Anspruch auf Einsicht in die BPO Akte Fall AL-2014-00008 (VI.).

I.

In der Abmahnung vom 31. März 2017 (K13, Abl. 39) wird dem Kläger eine „Arbeitsverweigerung“ eines im August 2016 erteilten Arbeitsauftrages vorgeworfen.

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte verlangen (vgl. BAG, 14. September 1994 – 5 AZR 632/93, Rn. 17 m.w.N., juris).

2. Auch wenn die Beklagte mit Schreiben vom 10. Januar 2018 die Entfernung der Abmahnungen aus der Personalakte gegenüber dem Kläger bestätigte, besteht weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage auf Entfernung der Abmahnung.

Regelmäßig ergibt sich das Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage aus der Nichterfüllung des behaupteten materiellen Anspruchs. Im vorliegenden Fall teilte die Beklagte zwar mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 10. Januar 2018 mit, dass gemäß den Vorgaben des erstinstanzlichen Urteils des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 19. Dezember 2017 die streitgegenständlichen Abmahnungen aus der Personalakte entfernt wurden und belegte dies durch einen „Screenshot“ aus der elektronischen Personalakte (vgl. Anlage BK2, Abl. 248/249 der Berufungsakte). Dieser Umstand lässt jedoch das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers nicht entfallen, weil die Entfernung der Abmahnungen unter den gegebenen Umständen noch keine endgültige Erfüllungshandlung darstellt. Ein Schuldverhältnis erlischt grundsätzlich, wenn die geschuldete Leistung - endgültig - an den Gläubiger bewirkt wird (§ 362 Abs. 1 BGB). Eine nur zum Zwecke der Abwendung der Zwangsvollstreckung bewirkte Erfüllung führt nicht zur Erledigung der Hauptsache (BAG, 22. Januar 1975 – 4 AZR 10/74, Rn. 17, juris). Dabei braucht nicht in jedem Falle ein entsprechender Vorbehalt erklärt zu werden. Vielmehr ist es ausreichend, wenn aus anderen Gründen eindeutig erkennbar ist, dass ausschließlich zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfüllt wird. Im vorliegenden Fall mahnte der Kläger mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 20. Dezember 2017 (Anlage BK1, Abl. 246/247 der Berufungsakte) die Entfernung der Abmahnungen und die Einsicht in die BPO-Akte an und verwies darauf, dass er eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils vom 19. Dezember 2017 angefordert habe. Wird in Beantwortung dieser Aufforderung und unter Verweis auf „die Vorgaben des Urteils des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 19. Dezember 2017“ die Entfernung der Abmahnungen mitgeteilt, ist für den Kläger erkennbar gewesen, dass die Beklagte die Abmahnungen aus der Personalakte ausschließlich zur Abwendung der Zwangsvollstreckung entfernte. Damit ist ein durch die Beklagte konkludent erklärter Vorbehalt anzunehmen, dass im Falle einer rechtskräftigen Abweisung des Entfernungsantrages die Abmahnungen erneut der Personalakte des Klägers zugeführt würden.

3. Soweit der Kläger über die Leistungsklage (Entfernung der Abmahnung) hinaus noch die Unwirksamkeit der Abmahnung festgestellt wissen will, betrifft dies kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis und erfüllt damit nicht die für eine Feststellungsklage notwendigen Voraussetzungen gem. § 256 Abs. 1 ZPO. Die begehrte Feststellung, dass eine bestimmte Abmahnung unwirksam ist, ist auf die Feststellung der Unwirksamkeit einer Erklärung gerichtet und betrifft kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis (BAG, 9. September 2015 – 7 ABR 69/13, Rn. 20, juris). In der Sache würde damit die rechtliche Begutachtung einer Vorfrage für einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte betrieben werden (vgl. zu einem auf die Feststellung der Unwirksamkeit einer Abmahnung gerichteten Antrag eines Betriebsrates: BAG, 4. Dezember 2013 - 7 ABR 7/12, Rn. 18 f., juris).

4. Der an den Kläger in der Abmahnung vom 31. März 2017 gerichtete Vorwurf einer Arbeitsverweigerung ist rechtlich nicht zutreffend. Dem Kläger wurde bislang mangels notwendiger Beteiligung des Betriebsrates nach § 99 BetrVG nicht wirksam die Funktion Leiter „L/TE“ und die mit der Stelle verbundenen Arbeitsaufgaben zugewiesen. Der Gutachtenauftrag „Emissionsvorschriften und Zertifizierungsvorgaben“ bezog sich auf die dem Kläger im August 2016 neu zugewiesene Funktion als Leiter „L/TE“ (a), welche dem Kläger jedoch wegen fehlender Beteiligung des Betriebsrates nicht wirksam zugewiesen wurde. Die Zuweisung der Funktion Leiter „L/TE“ stellt eine Versetzung im Sinne von § 95 Abs. 3 BetrVG dar (b). Der Kläger ist kein leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG (c). Unstreitig wurden weder der Betriebsrat des abgebenden Betriebs in S. noch der Betriebsrat im aufnehmenden Betrieb in U. beteiligt. Entgegen der Ansicht der Beklagten lässt das von ihr behauptete Einverständnis des Klägers mit der Zuweisung der Stelle Leiter „L/TE“ das Beteiligungsrecht des Betriebsrates nicht entfallen (d).

a) Ausgehend von dem Vortrag der Beklagten wurde dem Kläger der Auftrag zur Erstellung eines Gutachtens zum Thema „Emissionsvorschriften und Zertifizierungsvorgaben“ im Rahmen seiner zum August 2016 neu übertragenen Funktion als Leiter „L/TE“ am 4. August 2016 von Herrn Dr. L., als dem Vorgesetzten dieser Stelle, übertragen. Auch die Beklagte behauptet nicht, dass dem Kläger dieser Gutachtenauftrag im Rahmen seiner Funktion „Brand Protection“ übertragen worden sei.

Die Wirksamkeit einer solchen Anweisung zur Erstellung des geforderten Gutachtens setzt neben der Beachtung der individualvertraglichen - insbesondere durch das Direktionsrecht gezogenen - Grenzen auch die Wahrung der betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsrechte des Betriebsrates voraus. Eine ohne die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats ausgesprochene Versetzung ist auch individualrechtlich unwirksam. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei einer Versetzung dient neben dem Schutz der Belegschaft dem Schutz des von der Maßnahme betroffenen Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer hat beim Fehlen der Zustimmung des Betriebsrats das Recht, die Arbeit zu den geänderten Bedingungen zu verweigern (BAG, 22. April 2010 - 2 AZR 491/09, Rn. 13, juris).

b) Bei der Übertragung der Funktion Leiter „L/TE“ handelt es sich um eine Versetzung im Sinne von § 95 Abs. 3 BetrVG, weil sich der Arbeitsbereich des Klägers ändern sollte.

aa) Eine Versetzung ist nach der für § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG maßgeblichen Definition in § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die entweder die Dauer von einem Monat voraussichtlich überschreitet oder - bei kürzerer Dauer - mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit geleistet werden muss. Der „Arbeitsbereich“ iSv. § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG wird in § 81 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 BetrVG beschrieben als die Aufgabe und Verantwortung des Arbeitnehmers sowie die Art seiner Tätigkeit und ihrer Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs (BAG, 23. Juni 2009 – 1 ABR 23/08, Rn. 28, juris). Als „Arbeitsbereich“ wird der konkrete Arbeitsplatz und seine Beziehung zur betrieblichen Umgebung in räumlicher, technischer und organisatorischer Hinsicht verstanden (BAG, 23. Juni 2009 – 1 ABR 23/08, Rn. 28, juris). Um die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs handelt es sich, wenn sich das Gesamtbild der bisherigen Tätigkeit des Arbeitnehmers so verändert hat, dass die neue Tätigkeit vom Standpunkt eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachters als eine „andere“ anzusehen ist (BAG, 11. Dezember 2007 - 1 ABR 73/06, Rn. 22 m.w.N., juris). Dies kann sich aus dem Wechsel des Inhalts der Arbeitsaufgaben und der mit ihnen verbundenen Verantwortung ergeben, kann aus einer Änderung des Arbeitsorts oder der Art der Tätigkeit, d.h. der Art und Weise folgen, wie die Arbeitsaufgabe zu erledigen ist, und kann mit einer Änderung der Stellung und des Platzes des Arbeitnehmers innerhalb der betrieblichen Organisation durch Zuordnung zu einer anderen betrieblichen Einheit verbunden sein (BAG, 17. Juni 2008 - 1 ABR 38/07, Rn. 21, juris).

bb) Bei der Funktion Leiter „L/TE“ handelt es sich um eine nach dem Vortrag der Beklagten neu genau geschaffene Position, die gemäß dem vorgelegten Organigramm direkt dem Leiter der Rechtsabteilung unterstellt ist. Mit „Kernpunkten“ und einer „Zielsetzung“ der Stelle im „Bereich der Analyse und Begutachtung aktueller Entwicklungen, wie etwa der Analyse der weltweiten rechtlichen Voraussetzungen und Entwicklungen im Zusammenhang mit dem PKW-Zulassungsprozess (Schwerpunkt Diesel) sowie bei sicherheits- und emissionsrelevanten Themen sowie technischen Normen, Vorgaben und Standards; Beratung zur Homologation und Zertifizierung von Fahrzeugen mit großer finanzieller Bedeutung für das Unternehmen“ (vgl. Stellenbeschreibung für die Stelle L/TE, K12, Abl. 35ff. der erstinstanzlichen Akte) weicht der neue Aufgabenbereich deutlich von dem Aufgabenbereich der zuvor übertragenen Funktion „Brand Protection“, in welcher markenrechtliche Aufgabenstellungen den Schwerpunkt bildeten, ab. Darüber hinaus ging mit der Übertragung der neuen Funktion ein Vorgesetztenwechsel einher: während der Kläger im Bereich „Brand Protection“ bislang hierarchisch Dr. S. unterstellt war, sollte er in seiner neuen Funktion „L/TE“ dem Leiter der Rechtsabteilung unterstellt sein. Darüber hinaus war mit der neuen Funktion eine räumliche Veränderung verbunden, als die neue Tätigkeit am Standort der Beklagten in U. wahrgenommen werden sollte.

Es sollte sich der Aufgabenbereich, der Arbeitsort, die organisatorischen Einbindung und damit das Gesamtbild der Tätigkeit des Klägers verändern, so dass vom Standpunkt eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachters die neue Tätigkeit des Klägers in der Funktion Leiter „L/TE“ als eine „andere“ anzusehen ist. Dies ergibt sich zudem aus der Zuordnung der neu übertragenen Stelle „L/TE“ zur Führungsebene E2, während die Stelle „Brand Protection“ der Ebene E3 zugeordnet war.

c) Der Kläger ist kein leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG.

aa) Mit der im Anschluss an die Änderungskündigung dem Kläger zugewiesene Funktion „Brand Protection“ wurden ihm keine Aufgaben übertragen, die den Status eines leitenden Angestellten im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG begründet hätten. Dies behauptet auch die Beklagte nicht.




bb) Weder in seiner bisherigen Funktion „Brand Protection“ noch in der neuen Funktion „L/TE“ war der Kläger zur selbständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt. Soweit die Beklagte die Einstellungs- und Entlassungsbefugnis für die Funktion „L/TE“ behauptet, steht dies im Widerspruch zu der von der Beklagten erstellten Stellenbeschreibung für die Funktion Leiter „L/TE“ (Anlage K12, Abl. 35ff. der erstinstanzlichen Akte). Unter dem Stichwort „Hauptaufgabe“ wird ausgeführt, dass der Stelleninhaber „neue Mitarbeiter in Abstimmung mit dem Vorgesetzten auswählen sowie deren Einarbeitung begleiten und sicherstellen“ soll. Auf Seite 4 ist lediglich ein Mitarbeiter als direkt dem Leiter L/TE zugeordnet aufgeführt, wobei diese Stelle unstreitig unbesetzt blieb. Die Stellenbeschreibung hat im Feld „Vollmachten/Handlungsvollmachten“ keinen Eintrag. Soweit die Beklagte erstmals im Schriftsatz vom 27. Juli 2018, dort Seite 7 (Abl. 229 der Berufungsakte) behauptet, der Kläger sei zur „selbständigen Einstellung und Entlassung berechtigt“ fehlt es – angesichts der Behauptung des Klägers über fehlende Personalkompetenz (S. 3 Schriftsatz vom 20. Juni 2018, Abl. 130 der Berufungsakte) – an einem konkreten Vortrag der Beklagten unter Beweisantritt, durch welche Handlungen dem Kläger insoweit eine entsprechende Befugnis in Bezug auf welche Mitarbeiter eingeräumt worden sein soll.

Der Kläger ist damit kein leitender Angestellter nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG.

Nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers wurde ihm die früher während der Zeit als Leiter „Legal Merger & Acquisitions“ erteilte Prokura entzogen und am 14. Januar 2015 im Handelsregister gelöscht. Damit ist der Kläger auch kein leitender Angestellter nach § 5 Abs. 3 Nr. 2 BetrVG.

cc) Entgegen der Ansicht der Beklagten nimmt der Kläger aber auch in der Funktion Leiter „L/TE“ keine für die Beklagte unternehmerisch bedeutsamen „sonstigen Aufgaben“ im Sinne von § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG wahr. Damit ist er nicht dem Kreis der leitenden Angestellten zuzuordnen.

aaa) Nach § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG ist leitender Angestellter, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst. Dies erfordert die Wahrnehmung typisch unternehmerischer (Teil-)Aufgaben, so dass grundsätzlich Tätigkeiten aus dem Bereich der wirtschaftlichen, technischen, kaufmännischen, organisatorischen, personellen und wissenschaftlichen Leitung des Unternehmens in Betracht kommen. Voraussetzung für die Wahrnehmung einer unternehmerischen (Teil-)Aufgabe ist, dass dem leitenden Angestellten rechtlich und tatsächlich ein eigener und erheblicher Entscheidungsspielraum zur Verfügung steht, d.h. er muss mit weitgehender Weisungsfreiheit und Selbstbestimmung seinen Tätigkeitsbereich wahrnehmen und kraft seiner leitenden Funktion maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmensführung ausüben (BAG, 6. Dezember 2001 - 2 AZR 733/00, Rn. 44, juris).

Der nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG erforderliche Einfluss auf die Unternehmensführung kann darin bestehen, dass der leitende Angestellte die Entscheidungen selbst trifft. Leitender Angestellter kann auch der sein, der eine unternehmerische Leitungsaufgabe wahrnimmt, die dabei anfallenden Entscheidungen aber nicht selbst trifft, sondern sie „maßgeblich beeinflusst“ (BAG, 5. Juni 2014 – 2 AZR 615/13, Rn. 51, juris). Entscheidungen werden maßgeblich beeinflusst, wenn die eigentlichen Entscheidungsträger an den durch Tatsachen und Argumente vorbereiteten Vorschlägen „nicht vorbeigehen können“ (BAG, 5. Juni 2014 – 2 AZR 615/13, Rn. 51, juris). Je tiefer die Entscheidungsstufe in der Unternehmenshierarchie liegt, auf der der Angestellte unternehmens- oder betriebsleitende Aufgabenstellungen erfüllt, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wesentliche unternehmerische Entscheidungsspielräume bereits auf den höheren Entscheidungsstufen verbraucht wurden (BAG, 25. März 2009 - 7 ABR 2/08, Rn. 31/32 m.w.N, juris). Wiederum hängt der jeweilige Entscheidungsspielraum im Einzelfall von Größe und Struktur des Unternehmens und der Organisation ab. Aufschluss kann die Delegationsstufe (Leitungsebene) geben, auf der der Arbeitnehmer Aufgaben in Stab oder Linie wahrzunehmen hat (Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, 29. Aufl. 2018, BetrVG § 5 Rn. 405).

bbb) Dass die Tätigkeit des Klägers als Leiter der Abteilung der „L/TE“ die eines leitenden Angestellten im Sinne von § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG ist, hat die Beklagte nicht dargelegt.

Der Kläger selbst trifft bei Wahrnehmung der ihm mit der Stelle „L/TE“ übertragenen Aufgaben keine Entscheidungen, die für den Bestand und die Entwicklung von Bedeutung sind. Dies wird auch von der Beklagten nicht behauptet. Die Beklagte beruft sich vielmehr darauf, dass der Kläger „aktuelle“ und „hochkomplexe“ und „für die Beklagte bedeutsame rechtliche Entwicklungen im Zusammenhang mit sicherheits- und emissionsrelevanten Themen“ vorbereite. Mit seinen Vorschlägen beeinflusse der Kläger die im Zusammenhang mit unternehmerischen Leitungsaufgaben anfallenden Entscheidungen maßgeblich. Dabei fungiere er mit der Funktion Leiter „L/TE“ als „Schnittstelle für den General Counsel und das Unternehmensmanagement“.

Mit der behaupteten Schnittstellenfunktion ist jedoch die hierarchische Einordnung des Klägers unter den Leiter der Rechtsabteilung entsprechend der Stellenbeschreibung vom 13. Februar 2017 nicht konsistent. Die Arbeitsaufträge, die der Kläger abarbeiten sollte, erhielt er unstreitig direkt durch seinen Vorgesetzten Dr. L., sog. „General Counsel“, dem Leiter der Rechtsabteilung. Die Gutachten sollten ihm gegenüber abgegeben werden, nicht gegenüber dem Vorstand bzw. dem Unternehmensmanagement. Diese Einordnung wird auch durch das vom Kläger vorgelegte und von der Beklagten stammende Organigramm der Abteilung „Integrität und Recht“ vom 12. September 2016 (Anlage K9, Abl. 25ff. der erstinstanzlichen Akte) bestätigt. Der Kläger ist hierarchisch dem Leiter der Rechtsabteilung, Dr. L., unterstellt. Damit hat der Kläger nicht - wie behauptet - eine Schnittstellenfunktion zwischen „Unternehmensmanagement“ und „General Counsel“ übertragen bekommen. Für eine derartige Schnittstellenfunktion müsste er organisatorisch direkt dem Vorstand unterstellt sein. Tatsächlich erhielt der Kläger seine Anweisungen vom Leiter der Rechtsabteilung und sollte sie nach dessen Vorgaben ausführen. Die von ihm ausgearbeiteten Gutachten und Handlungsempfehlungen werden dem Leiter der Rechtsabteilung vorgelegt und erst nach einer inhaltlichen Prüfung, wie die streitgegenständliche Abmahnung zeigt, ggf. an die Entscheiderebene weitergeleitet. Der Sache nach handelt es bei der Funktion Leiter „L/TE“ um eine Projektstelle ohne eigenen Mitarbeiterbereich mit dem Aufgabenschwerpunkt der Analyse und Gutachtenerstellung. Damit entspricht diese Stelle funktionell eher einer dem Leiter der Rechtsabteilung zugeordneten Stabsstelle, nicht aber einer direkt dem Unternehmensmanagement zugeordneten Stabsstelle.

Der Kläger ist damit nicht als leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG einzuordnen.

Auf die Zweifelsregel nach § 5 Abs. 4 BetrVG kann nicht zurückgegriffen werden. § 5 Abs. 4 BetrVG enthält weder Regelbeispiele oder eine authentische Interpretation zu § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG noch widerlegliche oder unwiderlegliche Vermutungstatbestände, sondern gibt eine Entscheidungshilfe, wenn bei der Sachverhaltswürdigung Zweifel bleiben, es sich also um einen Grenzfall handelt, bei dem sowohl eine Einordnung des Angestellten als Arbeitnehmer i.S.d. § 5 Abs. 1 BetrVG als auch eine Einordnung als leitender Angestellter i.S.d. § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG vertretbar erscheint (BAG, 22. Februar 1994 – 7 ABR 32/93, Rn. 37/38, juris). Ein derartiger Zweifelsfall liegt jedoch nicht vor.

d) Entgegen der Ansicht der Beklagten lag das von ihr behauptete Einverständnis des Klägers mit der Zuweisung der Stelle Leiter „L/TE“ nicht vor. Darüber hinaus würde auch das behauptete Einverständnis dazu führen, dass der Betriebsrat des abgebenden Betriebes nach § 99 Abs. 1 BetrVG zu unterrichten gewesen wäre (vgl. BAG, 20. September 1990 – 1 ABR 37/90, Rn. 48, juris) und der Betriebsrat des aufnehmenden Betriebes – im vorliegenden Falle der Betrieb U. – unter dem Gesichtspunkt der Einstellung nach § 99 Abs. 1 BetrVG zu beteiligen gewesen wäre. Dies ist nicht geschehen.

aa) Bei der Versetzung eines Arbeitnehmers von einem Betrieb in einen anderen Betrieb ist nicht nur der aufnehmende Betrieb unter dem Gesichtspunkt der Einstellung nach § 99 BetrVG zu beteiligen. Auch dem Betriebsrat des abgebenden Betriebes steht ein Beteiligungsrecht unter dem Gesichtspunkt der Versetzung zu, welches nur dann entfällt, wenn der Arbeitnehmer mit der Versetzung einverstanden ist (BAG, 20. September 1990 – 1 ABR 37/90, Rn. 38, juris). Ein Einverständnis des Arbeitnehmers mit der Versetzung in dem Sinne, dass es zu seinem Schutz einer Beteiligung des Betriebsrats nicht mehr bedarf, liegt nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer die Versetzung in einen anderen Betrieb des Unternehmens selbst gewünscht hat oder sie doch seinen Wünschen und seiner freien Entscheidung entspricht (BAG, 20. September 1990 – 1 ABR 37/90, Rn. 38, juris).

bb) Der Kläger erklärte weder ausdrücklich noch konkludent sein Einverständnis mit der Zuweisung der Stelle Leiter „L/TE“.

Nachdem rechtskräftig die Unwirksamkeit der von der Beklagten ausgesprochenen außerordentlichen hilfsweise ordentlichen Änderungskündigung vom 16. Juni 2014 festgestellt worden war, forderte der Kläger die Beklagte über seinen Bevollmächtigten mit Schreiben vom 11. April 2016 und 20. Juni 2016 auf, ihn vertragsgemäß zu beschäftigen mit einer Funktion, welche der Ebene E2 zugeordnet werden kann. Ein Gespräch über eine neue Stelle fand am 4. August 2016 statt. Dass die von der Beklagten übertragene Funktion als Leiter „L/TE“ nicht den Wünschen des Klägers und die Zuweisung dieser neuen Funktion nicht der freien Entscheidung des Klägers entsprach, ergibt sich für die Kammer zweifelsfrei aus der E-Mail Korrespondenz aus dem Monat September 2016 zwischen ihm und dem Leiter der Rechtsabteilung. In seiner E-Mail vom 16. September 2016 (K17, Abl. 108 der erstinstanzlichen Akte) spricht der Kläger von einer „künftigen Führungsaufgabe“, für die ihm noch keine Stellenbeschreibung vorliege. Weiter verweist er darauf, dass er den Aufgabenbereich der neuen Stelle noch nicht erkennen könne und die Größe und die Zusammensetzung des Teams nicht kenne. In einer weiteren E-Mail vom 21. September 2016 an den Leiter der Rechtsabteilung (K19, Abl. 110/111 der erstinstanzlichen Akte) führt er aus, dass er „großen Gesprächsbedarf“ habe, weil noch „prinzipielle strukturelle Fragen“ seiner vertragsgemäßen Beschäftigung unbeantwortet geblieben seien. Schließlich verständigten sich der Kläger und der Leiter der Rechtsabteilung auf eine von letzterem angeregte Mediation, um die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit aber auch der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erörtern. Dies belegt, dass gerade kein Einverständnis des Klägers mit der Übertragung der neuen Funktion bestand. Die Mediation wurde durchgeführt, ohne dass die Parteien sich auf eine Verhandlungslösung verständigen konnten.

In Anbetracht dieser Umstände kann nicht von einer einvernehmlichen Versetzung in dem Sinne, dass der Kläger dies selbst gewünscht hat oder die Versetzung doch seinen Wünschen und seiner freien Entscheidung entsprochen hat, ausgegangen werden.

Folglich bestand ein Beteiligungsrecht des Betriebsrates nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Der Betriebsrat wurde unstreitig nicht beteiligt.

5. Im Ergebnis wurde dem Kläger mangels fehlender, aber notwendiger Beteiligung des Betriebsrates die Funktion als Leiter „L/TE“ nicht wirksam übertragen. Ohne eine wirksame Aufgabenübertragung fehlt es an einer dem Kläger in der Abmahnung vom 31. März 2017 vorgeworfenen Pflichtenverletzung.

II.

In der Abmahnung vom 24. Mai 2017 (K15, Abl. 41) wird dem Kläger eine Schlechtleistung eines im August 2016 erteilten Arbeitsauftrages „Emissionsvorschriften und Zertifizierungsvorgaben“ vorgeworfen.

1. Trotz der mit Schreiben vom 10. Januar 2018 mitgeteilten Entfernung der Abmahnungen hat der Kläger für seine Klage auf Entfernung der Abmahnung noch ein Rechtsschutzbedürfnis. Insoweit wird auf die Ausführungen unter I. 2. verwiesen.

2. Soweit der Kläger über die Leistungsklage (Entfernung der Abmahnung) hinaus noch die Unwirksamkeit der Abmahnung festgestellt wissen will, fehlt es hierfür an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO. Insoweit wird auf die Ausführungen unter I. 3. verwiesen.

3. Der an den Kläger in der Abmahnung vom 24. Mai 2017 gerichtete Vorwurf einer Schlechtleistung eines im August 2016 erteilten Arbeitsauftrages „Emissionsvorschriften und Zertifizierungsvorgaben“ ist rechtlich nicht zutreffend. Dem Kläger wurde mangels notwendiger Beteiligung des Betriebsrates bislang nicht wirksam die Funktion Leiter „L/TE“ und die mit der Stelle verbundenen Arbeitsaufgaben zugewiesen und damit auch nicht der innerhalb der neuen Funktion zugewiesene Gutachtenauftrag „Emissionsvorschriften und Zertifizierungsvorgaben“. Insoweit wird auf die Ausführungen unter I. 4. verwiesen.

4. Die Abmahnung vom 24. Mai 2017 ist von der Beklagten aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.

III.

Die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 23. Oktober 2017 löste das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht mit Wirkung zum 30. April 2018 auf. Die Kündigung ist nicht sozial gerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 KSchG und damit unwirksam. Auf das seit dem Jahr 2007 bestehende Arbeitsverhältnis der Parteien findet das Kündigungsschutzgesetz unzweifelhaft Anwendung. Der Kläger hat mit der am 26. Oktober 2017 im Rahmen einer Klageerweiterung erhobenen Kündigungsschutzklage die Frist gem. den §§ 4 Satz 1, 7 KSchG gewahrt, so dass die Wirksamkeit der ihm gegenüber mit Datum vom 23. Oktober 2017 zum 30. April 2018 erklärten Kündigung nicht fingiert wird.

1. Eine Kündigung ist durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die (fristgemäße) Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers - etwa eine Abmahnung oder eine Versetzung - geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken (BAG, 27. September 2012 - 2 AZR 811/11, Rn. 16, juris; BAG, 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10, Rn. 34, juris). Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten bereits durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 i.V.m. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes demnach nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (vgl. BAG, 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11, Rn. 16, juris; BAG, 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 35, juris).

Auch sog. Schlecht- und Minderleistungen sind geeignet, eine verhaltensbedingte Kündigung sozial zu rechtfertigen, wenn der Arbeitnehmer in der Regel nach vorheriger Abmahnung seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht mit der geschuldeten Qualität oder Quantität erfüllt (BAG, 17. Januar 2008 - 2 AZR 536/06, Rn. 14, juris). Der Arbeitsvertrag verpflichtet den Arbeitnehmer, sein subjektives Leistungsvermögen auszuschöpfen, bei der Arbeit Sorgfalt und Aufmerksamkeit walten zu lassen und ein ordentliches, mindestens durchschnittliches und nach Möglichkeit fehlerfreies Arbeitsergebnis abzuliefern. Darlegungs- und beweisbelastet für das Vorliegen von Leistungsmängeln sowie für eine zuvor erfolgte Abmahnung ist nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG der Arbeitgeber. Im Rahmen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast ist es daher zunächst Sache des Arbeitsgebers darzulegen, was er wissen kann (BAG, 17. Januar 2008 - 2 AZR 536/06, Rn. 17, juris). Dabei hat er die einzelnen Leistungsmängel so konkret wie möglich zu bezeichnen, und zwar unter Aufzeigung der jeweiligen Pflichtwidrigkeiten sowie unter Darlegung der einzelnen Fehler (BAG, 3. Juni 2004 - 2 AZR 386/03, Rn. 41, juris). Durch pauschale Werturteile über die von einem Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung genügt der Arbeitgeber der ihm obliegenden Darlegungslast grundsätzlich nicht (BAG, 15. August 1984 - 7 AZR 228/82, juris). Genügt hingegen der Arbeitgeber im Prozess seiner Darlegungslast zur Schlecht- bzw. Minderleistung, so muss der Arbeitnehmer erläutern, warum er trotz unterdurchschnittlicher Leistungen seine Leistungsfähigkeit ausschöpft bzw. woran die Störung des Leistungsgleichgewichts liegen könnte und ob in Zukunft eine Besserung zu erwarten ist (BAG, 3. Juni 2004 - 2 AZR 386/03, Rn. 41, juris).

2. Die Beklagte begründet die Kündigung vom 23. Oktober 2017 damit, dass der Kläger den ihm am 20. Juni 2017 übertragenen Arbeitsauftrag „Cybersecurity“ mangelhaft erfüllt habe.

a) Es fehlt bereits an einer wirksamen Übertragung des Auftrages durch die Beklagte. Die Erstellung des Gutachtens „Cybersecurity“ gehörte nicht zu den bisherigen Aufgaben des Klägers in seiner Funktion „Brand Protection“. Die Aufgabe wurde ihm im Rahmen der Funktion „L/TE“ übertragen, auf die er mangels Beteiligung des Betriebsrates nach § 99 Abs. 1 BetrVG nicht wirksam versetzt worden ist (siehe oben unter I. 4.). Der Arbeitnehmer hat beim Fehlen der Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung das Recht, die Arbeit zu den geänderten Bedingungen zu verweigern (BAG, 22. April 2010 - 2 AZR 491/09, Rn. 13, juris). Konnte der Kläger sogar die Ausführung der mit der neuen Stelle verbundenen Aufgaben verweigern, kann dem Kläger nicht die Schlechtleistung der erbrachten Arbeitsleistung vorgeworfen werden.

b) Selbst soweit zugunsten der Beklagten unterstellt wird, ihm sei wirksam die neue Stelle als Leiter L/TE zugewiesen worden und die Erstellung des am 20. Juni 2017 angeforderten Gutachtens „Cybersecurity“ hätte zu seinem Pflichtenkreis gehört, so fehlt es an einem ausreichend gewichtigen Kündigungsgrund im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG.

Bereits der dem Kläger vorgeworfene Pflichtenverstoß bei Ausführung des Arbeitsauftrages bleibt unklar. Mit einer E-Mail an den Kläger vom 20. Juni 2017 (siehe E-Mail vom 20. Juni 2017, B6, Abl. 380 der erstinstanzlichen Akte) wurde diesem ein neuer Arbeitsauftrag erteilt mit dem Thema „Cybersecurity – Erörterungen der aktuellen rechtlichen Entwicklungen und Erarbeitung von Handlungsempfehlungen auf Basis rechtlicher Vorgaben im internationalen Kontext für ein globales Unternehmen“. Herr Dr. L. schrieb dem Kläger: „Ich bitte um Übermittlung 1. des Grobkonzepts in Power-Point nebst einer Zeitschiene und Ausblick/Plan der Abarbeitung sowie 2. eine(n) ersten Gliederungsentwurf eines Gutachtens jeweils mit einer ersten Ausarbeitung.“

Der Kläger lieferte am 30. Juni 2017 und damit innerhalb der relativ kurz bemessen Frist eine Präsentation in Form eines Folienvortrages zum Thema „Cybersecurity“ ab (Anlage B7, Abl. 381 ff.). Worin genau die vom Kläger erstellte Präsentation hinter den Erwartungen der Beklagten zurück blieb, bleibt nach dem Vortrag der Beklagten unklar. Zwar wirft die Beklagte dem Kläger eine nur „oberflächliche juristische Recherche“ vor, die „innerhalb weniger Stunden“, jedoch ohne den „gebotenen Tiefgang“ und ohne „ernsthaften Auseinandersetzung mit der Aufgabenstellung“ zusammengestellt worden sei. Außerdem stimmten Teile der Präsentation zur Begrifflichkeit von „Cybersecurity“ mit wortgleichen Definitionen aus dem Eintrag der Online-Enzyklopädie Wikipedia zum Thema „Informationssicherheit“ überein. Ferner lasse die Präsentation eine erste Auswertung der zur Thematik bestehenden Literatur und Rechtsprechung gänzlich vermissen.

Welchen genauen Umfang und Tiefgang die abzuliefernde Arbeit haben sollte, wird im Arbeitsauftrag jedoch nicht genannt. Auch der zeitliche Mindestaufwand für die Erstellung des geforderten Grobkonzept wurde nicht vorgegeben. Der Vorwurf, die „oberflächliche Recherche“ habe in wenigen Stunden erfolgen können, geht deswegen fehl. Die in der Arbeitsanweisung an den Kläger verwendeten Formulierungen wie „Grobkonzept“, „Ausblick/Plan“ sowie „Gliederungsentwurf eines Gutachtens“ mit einer „ersten Ausarbeitung“ lassen zum einen dem Bearbeiter einen erheblichen Spielraum. Zum anderen lassen die in der Arbeitsanweisung an den Kläger verwendeten Formulierungen den Schluss zu, dass zunächst ein Konzept präsentiert werden sollte, auf dessen Basis die weiteren Arbeitsschritte erst geplant werden sollten. Der Kläger lieferte einen 13 Seiten umfassenden Foliensatz ab mit der Überschrift „Grobkonzept – Cybersecurity“. Mit diesem „Grobkonzept“ lieferte der Kläger zumindest ein der geforderten Form entsprechendes Arbeitsergebnis ab. Was genau mit einer „ersten Ausarbeitung“ gemeint gewesen sein soll und welche Inhalt eine solche erste Ausarbeitung hätte habe müssen, um den Erwartungen der Beklagten gerecht zu werden, ergibt sich nicht aus dem Vortrag der Beklagten.

Damit kommt die Beklagte ihrer Darlegungslast nicht nach. Darlegungs- und beweisbelastet für das Vorliegen von Leistungsmängeln ist nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG der Arbeitgeber.

c) Darüber hinaus beurteilt sich die Frage, ob eine Arbeitsleistung als Schlechtleistung anzusehen ist, mangels vertraglicher Vereinbarungen zum Inhalt des Leistungsversprechens zum einen nach dem vom Arbeitgeber durch Ausübung des Direktionsrechts festzulegenden Arbeitsinhalt und zum anderen nach dem persönlichen, subjektiven Leistungsvermögen des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer muss tun, was er soll, und zwar so gut, wie er kann. Die Leistungspflicht ist nicht starr, sondern dynamisch und orientiert sich an der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers (BAG, 11. Dezember 2003 - 2 AZR 667/02, Rn. 90, juris). Ein objektiver Maßstab ist nicht anzusetzen.

Unstreitig hatte der Kläger während seiner beruflichen Laufbahn bis zum 20. Juni 2017 keine fachlichen Berührungspunkte oder berufliche Erfahrung zum Thema „Cybersecurity“, sondern beschäftigte sich mit anderen Rechtsgebieten, wie dem Markenrecht oder zuletzt dem (Fahrzeugs-)Emissionsrecht. Es fehlen Ausführungen der Beklagten, dass der Kläger zu der von der Beklagten erwarteten „vertieften Auseinandersetzung“ innerhalb von wenigen Arbeitstagen in der Lage gewesen wäre. Für die Kammer ist damit nicht nachvollziehbar, welches Arbeitsergebnis in Bezug auf den gestellten Arbeitsauftrag unter Berücksichtigung der kurzen Frist von weniger als 10 Arbeitstagen, hiervon fünf in dienstlicher Abwesenheit vom Büroarbeitsplatz, und bezogen auf den diesbezüglich geringen Kenntnisstand des Klägers ihren Erwartungen entsprochen hätten. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem vorgegebenen Thema „Cybersecurity“ um eine junge Rechtsmaterie handelt, bei der die von der Beklagten geforderte „vertiefte Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Literatur“ schwierig sein dürfte. Auch die Beklagte nennt keine gerichtliche Entscheidung, von der sie im Rahmen des Arbeitsauftrages „Cybersecurity“ eine Analyse oder Bewertung durch den Kläger erwartet hätte.

d) Selbst wenn zugunsten der Beklagten eine Schlechtleistung durch den Kläger bei Erstellung des Gutachtens „Cybersecurity“ unterstellt würde, wäre ohne vorherige einschlägige Abmahnung eine verhaltensbedingte Kündigung sozial nicht gerechtfertigt.

aa) Eine Ausnahme vom Abmahnungserfordernis ist nicht einschlägig. Es würde sich nicht um eine derart schwere Pflichtverletzung handeln, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen gewesen wäre.

Soweit dem Kläger bei Ausarbeitung des Gutachtenauftrages „Cybersecurity“ eine oberflächliche Bearbeitung vorgeworfen wird, wird die Kündigung auf eine Schlechtleistung und damit auf ein steuerbares Verhalten des Klägers gestützt. Die Beklagte hätte in diesem Fall den Kläger deshalb zuvor einschlägig abmahnen müssen.

Dies gilt auch für den Vorwurf, er habe auf Seite 4 der vorgelegten Präsentation unter dem Thema „Was ist Cybersecurity?“ Formulierungen aus der Enzyklopädie „Wikipedia“ übernommen. Die dem Kläger vorgeworfene fehlende Quellenkennzeichnung bezieht sich auf das vorgelegte und angeforderte „Grobkonzept zum Arbeitsauftrag in Power-Point“. Es sind keine Umstände vorgetragen worden, dass der Kläger über die Eigenständigkeit seiner Leistung vorsätzlich täuschen wollte, indem er fremde Beiträge als eigene ausgegeben hat. Bei der behaupteten fehlenden Zitatangabe kann es sich auch um eine lediglich aus Unwissenheit oder Nachlässigkeit erfolgte unsaubere Arbeitsweise handeln, bei der vor Ausspruch einer Kündigung der Kläger hätte abgemahnt werden müssen.

Es liegen auch keine besonderen Umstände im Einzelfall vor, aufgrund derer eine Abmahnung nicht als erfolgversprechend angesehen werden konnte. Besondere Umstände sind vor allem anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer eindeutig und nachhaltig nicht gewillt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten. Dies ist der Fall, wenn er seine Vertragsverletzungen hartnäckig und uneinsichtig fortsetzt, obwohl er die Vertragswidrigkeit seines Verhaltens kannte; der Arbeitgeber müsste auch hier bei Ausspruch einer Abmahnung mit weiteren erheblichen Pflichtverletzungen rechnen (BAG, 26. Januar 1995 – 2 AZR 649/94, Rn. 38, juris). Es sind keinerlei Umstände vorgetragen, aus denen geschlossen werden könnte, dass der Kläger auch in Zukunft in Kenntnis einer Vertragswidrigkeit die ihm vorgeworfenen Pflichtverletzungen fortsetzen würde.

bb) Auf die zu Unrecht erteilten Abmahnungen vom 31. März 2017 und vom 24. Mai 2017 kann sich die Beklagte zur Begründung einer negativen Prognose nicht berufen. Es wurde ein nicht arbeitsvertragswidriges Verhalten gerügt. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

cc) Die im Vorprozess (ArbG Stuttgart, Urteil vom 18. März 2015, 11 Ca 4403/14) als unwirksam festgestellte verhaltensbedingte außerordentliche, hilfsweise ordentliche Änderungskündigung vom 16. Juni 2014 kann nicht als einschlägige Abmahnung zur Begründung einer negativen Prognose der nun vorgeworfenen Schlechtleistung im Leistungsbereich herangezogen werden.

Zwar kann auch eine frühere Kündigung die Warnfunktion einer Abmahnung erfüllen, wenn der Kündigungssachverhalt feststeht und die Kündigung aus anderen Gründen, z. B. wegen fehlender Abmahnung, für sozialwidrig erachtet worden ist (BAG, 31. August 1989 - 2 AZR 13/89, Rn. 25, juris). Allerdings würde dies voraussetzen, dass es sich um einen erneuten Verstoß aus dem gleichen Pflichtenkreis handelt. Die jeweiligen Pflichtverletzungen müssen aus demselben Bereich stammen und somit müssen Abmahnung und Kündigungsgrund in einem inneren Zusammenhang stehen (BAG, 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06, Rn. 38, juris).

Nach dem Vortrag der Beklagten (vgl. S. 18 der Berufungsbegründung vom 11. Dezember 2018, Abl. 326 der Berufungsakte) wurden dem Kläger in jenem Verfahren zur Begründung der Änderungskündigung ausschließlich Vorhaltungen im Bereich „Leadership-Verhalten“, somit bezüglich seines Führungsverhaltens als Vorgesetzter, gemacht. Damit wurde der Kläger nicht zuvor wirksam wegen Pflichtverletzungen aus dem gleichen Pflichtenkreis abgemahnt. Das Führungsverhalten als Vorgesetzter und das Leistungsverhalten bzw. die Schlechtleistung bei der eigentlichen Aufgabenerledigung - ohne Mitarbeiterführung - betreffen unterschiedliche Pflichtenkreise.

3. Die Kündigung ist damit sozial nicht gerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG und deswegen unwirksam.

IV. Auflösungsantrag der Beklagten

Der Auflösungsantrag der Beklagten ist unbegründet.

1. Der Ausnahmefall von § 14 Abs. 2 Satz 2 KSchG, bei welchem der Antrag des Arbeitgebers auf gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses keiner Begründung bedarf, liegt nicht vor. Nach der Stellenbeschreibung (K12, Abl. 35ff. der erstinstanzlichen Akte) für den Kläger war dieser nicht zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt. Er durfte nach dieser Stellenbeschreibung nur in Abstimmung mit dem Vorgesetzten neue Mitarbeiter „auswählen“ sowie deren Einarbeitung „begleiten“. Damit fehlt es an dem Erfordernis der Berechtigung zur selbständigen Einstellung oder Entlassung nach § 14 Abs. 2 Satz 2 KSchG.



2. Es liegen keine Gründe im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG vor, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen.

a) Das Kündigungsschutzgesetz lässt die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bei Sozialwidrigkeit der Kündigung nur ausnahmsweise zu. Es ist nach seiner Konzeption ein Bestandsschutz- und kein Abfindungsgesetz (BAG, 24. November 2011 − 2 AZR 429/10, Rn. 41, juris). An die Auflösungsgründe sind deshalb strenge Anforderungen zu stellen. Auflösungsgründe im Sinne von § 9 I 2 KSchG können solche Umstände sein, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Entscheidend ist, ob die objektive Lage die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere gedeihliche Zusammenarbeit gefährdet ist (BAG, 24. November 2011 − 2 AZR 429/10, Rn. 42, juris). Die Begründetheit eines Auflösungsantrags ist grundsätzlich nach den Umständen zu beurteilen, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz vorlagen. Auf deren Grundlage ist zu fragen, ob in der Zukunft eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zu erwarten ist (BAG, 24. November 2011 − 2 AZR 429/10, Rn. 41, juris). Für das Vorliegen der Tatsachen, die den Auflösungsantrag des Arbeitgebers rechtfertigen sollen, trägt dieser die volle Darlegungs- und Beweislast (ErfK/Kiel, 19. Aufl. 2019, KSchG § 9 Rn. 23).

b) Die Beklagte konnte keine Umstände darlegen, die ausreichen würden, Gründe anzunehmen, die objektiv eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht mehr erwarten lassen.

Dem Kläger wurde von seinem Vorgesetzten im Aufgabengebiet „Brand Protection“ für das Jahr 2015 und für die ersten acht Monate des Jahres 2016 eine Zielerreichung von 100% mit der Bewertung „succesful“ attestiert (vgl. BB3 und BB4, Abl. 165ff. der Berufungsakte). Dies spricht dafür, dass eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit erwartet werden kann.

Die Beklagte beschränkt sich insoweit auf den Vortrag, der Kläger habe die notwendige Vertrauensbasis zwischen ihm und der Beklagten „nachhaltig zerstört“. Der Beklagten sei es unzumutbar, eine Führungskraft der Leitungsebene E2 zu beschäftigen, die beharrlich ihre Arbeitsleistung verweigere und sich eigenständig andere Aufgabengebiete im Unternehmen suche. Er lege bei übertragenen Aufgaben eine Verzögerungstaktik an den Tag und behaupte, es sei nicht seine Aufgabe, Rechtsgutachten zu erstellen. Weiter behaupte er, durch verschiedenste ihm vermeintlich in den Weg gelegte Hindernisse am Nachgehen der Arbeit gehindert worden zu sein.

Entscheidend ist aus Sicht der Berufungskammer, dass zwischen den Parteien gerade in Streit steht, ob die Beklagte dem Kläger wirksam die Funktion als Leiter „L/TE“ und die damit verbundenen Aufgaben zugewiesen hat. Von der rechtlichen Wirksamkeit dieser Aufgabenübertragung ist zum einen abhängig, ob eine Nichterfüllung dieser Aufgaben berechtigt oder unberechtigt erfolgte und zum anderen, ob der Kläger sich insoweit „eigenständig andere Aufgabengebiete im Unternehmen suchte“ oder schlicht auf der ihm zuletzt von der Beklagten zugewiesenen Funktion „Brand Protection“ weiter seine Arbeit verrichtete. Mit anderen Worten: wurde die neue Aufgabe rechtlich nicht wirksam übertragen, kann die Nichterfüllung dieser Aufgabe durch den Arbeitnehmer keinen Grund darstellen, der eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen soll.

Soweit abschließend gerichtlich geklärt wurde, ob die Aufgaben wirksam übertragen worden sind, sind für die Kammer keine Umstände ersichtlich, weshalb davon auszugehen wäre, dass der Kläger sich zukünftig erneut weigern sollte, wirksam übertragene Aufgaben auszuführen. Es ist kein Umstand erkennbar, weshalb die Beklagte den Kläger nicht – ggf. unter Ermahnung oder ggf. Abmahnung – zu einer vertragsgerechten Arbeitsleistung anhalten können soll.

V. Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers

Der Kläger kann wegen der Rechtsunwirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 23. Oktober 2017 auch verlangen, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Leiter „L/TE“ weiterbeschäftigt zu werden. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt.

Nach der Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts besteht ein Weiterbeschäftigungsanspruch, wenn ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Instanzurteil ergeht und keine besonderen Umstände vorliegen, die ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers begründen, den Arbeitnehmer nicht weiter zu beschäftigen (BAG 27. Februar 1984 - GS 1/84 - AP BGB § 611 Nr. 14 Beschäftigungspflicht). Es sind von der Beklagten auch in der Berufung weder besondere Umstände, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens entgegenstehen, geltend gemacht worden, noch sind solche Umstände sonst ersichtlich.

VI. Einsicht in die BPO–Akte

Das Arbeitsgericht hat zu Recht einen Anspruch des Klägers gem. § 83 Abs. 1 Satz 1 BetrVG auf Einsicht in die BPO-Akte bejaht.

1. Wie die Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 20. Dezember 2018 unstreitig stellten, wurde die von der Beklagte mit Schreiben vom 10. Januar 2018 angebotene Einsichtnahme bislang vom Kläger nicht wahrgenommen. Eine Erfüllung eines Einsichtsanspruches gem. § 362 Abs. 1 BGB ist damit noch nicht eingetreten.

2. Der Kläger hat trotz der Zusage der Beklagten vom 10. Januar 2018 auch noch ein Rechtsschutzbedürfnis für das klagweise geltend gemachte Einsichtsrecht, weil die Beklagte in der Sache entgegen dem arbeitsgerichtlichen Urteil vom 19. Dezember 2017 ein Einsichtsrecht des Klägers in die BPO-Akte in Abrede stellt. Die mit dem Schreiben vom 10. Januar 2018 angebotene Einsichtnahme ist für den Kläger erkennbar nur die Reaktion auf die mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 20. Dezember 2017 (Anlage BK1, Abl. 246/247 der Berufungsakte) angemahnte Einsicht in die BPO-Akte unter Verweis auf die Anforderung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils vom 19. Dezember 2017.

3. Nach § 83 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitnehmer im bestehenden Arbeitsverhältnis das Recht, in die über ihn geführten Personalakten Einsicht zu nehmen. Unter "Personalakte" wird nach herrschender Meinung jede Sammlung von Unterlagen verstanden, die mit dem Arbeitnehmer in einem inneren Zusammenhang steht, und zwar unabhängig von Form, Material, Stelle und Ort, an dem sie geführt wird (BAG, 7. Mai 1980 – 4 AZR 214/78, Rn. 11, juris). Nicht entscheidend ist, was der Arbeitgeber als Personalakte bezeichnet. Auch Sonder- oder Nebenakten, gleichgültig wo sie geführt werden, sind Bestandteile der Personalakte (Fitting/Engels/ Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, 29. Aufl. 2018, BetrVG § 83, Rn. 5).

Nach diesem materiell-rechtlich orientierten Begriff der Personalakte kommt es mithin nicht darauf an, ob der beanstandete Vorgang mit der Bezeichnung „AL-2014-00008“ in die als Personalakte bezeichnete Sammlung oder in die BPO-Akte aufgenommen wurde. Unstreitig handelt es sich bei der BPO-Akte zum Fall AL-2014-00008 um einen Vorgang, in welchem dem Kläger in Bezug auf die Einhaltung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten Vorwürfe gemacht wurden. Der innere Zusammenhang ergibt sich bereits aus der Mitteilung der Beklagten an den Kläger vom 8. März 2017 im Rahmen eines internen Stellenbesetzungsverfahrens, in welchem die Nichtberücksichtigung des Klägers erläutert wird unter Verweis auf das in der BPO-Akte enthaltene Ergebnis eines gegen ihn gerichteten BPO-Verfahrens. Die Beklagte führt in diesem Schreiben aus, dass für Stellenbesetzungen im Bereich „Legal“ ein „Compliance-Check“ vorgesehen sei, bei dem geprüft werde, ob für den Bewerber der Verdacht eines Regelverstoßes mit disziplinarischen Folgen bestehe. Der innere Bezug des Inhalts der BPO-Akte zum Arbeitsverhältnis, soweit sie das gegen den Kläger gerichtete BPO-Verfahren betrifft, ist damit gegeben.

4. Die Beklagte kann die Einsicht in die BPO-Akte nicht mit dem Hinweis auf den Schutz berechtigter Interessen Dritter verweigern.

Das Einsichtsrecht des Arbeitnehmers in seine Personalakte nach § 83 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist gesetzlich nicht eingeschränkt. Das Einsichtsrecht des Arbeitnehmers besteht bezüglich aller Aufzeichnungen, die sich mit seiner Person und dem Inhalt der Entwicklung seines Arbeitsverhältnisses befassen (Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, 29. Aufl. 2018, BetrVG § 83, Rn. 10).

Eine Gefährdung einer laufenden internen Untersuchung durch die geforderte Einsichtnahme ist nicht erkennbar. Dass die Einsicht laufende betriebsinterne Ermittlungen noch behindern könnte, wird von der Beklagten nicht behauptet. Beim dem den Kläger betreffenden BPO-Vorgang AL-2014-00008 handelt es sich um einen abgeschlossenen Vorgang einer internen Ermittlung, bei welchem eine Gefährdung eines Ermittlungserfolges ausgeschlossen ist.

Das Einsichtsrecht ist im vorliegenden Fall auch nicht zur Sicherung berechtigter Interessen Dritter, insbesondere anderer Mitarbeiter, eingeschränkt. Sichert der Arbeitgeber bei Hinweisen aus der Belegschaft über betriebliches Fehlverhalten anderer Mitarbeiter dem Hinweisgeber die Wahrung seiner Anonymität zu, ist der Arbeitgeber nicht befugt, die Daten weiterzugeben, die die Person des Hinweisgebers offenbaren oder Rückschlüsse auf die Person zulassen. Weil aber andererseits das Führen von Geheimakten im Rahmen der Personalakte unzulässig ist (ganz allgemeine Meinung: DKKW/Buschmann Rn. 3; ErfK/Kania Rn. 2; Fitting Rn. 5; GK-BetrVG/Franzen Rn. 7; Richardi BetrVG/Thüsing Rn. 9; BeckOK ArbR/Werner, 50. Ed. 1.12.2018, BetrVG § 83 Rn. 3), kann der Arbeitgeber bei Zusicherung der Anonymität des Hinweisgebers nur den Teil des Hinweises zur Personalakte im materiellen Sinne nehmen, der die Person des Hinweisgebers nicht offenbart oder Rückschlüsse auf die Person des Hinweisgebers zulässt. Deswegen sind die Teile der Mitteilungen eines Hinweisgebers, dem Anonymität zugesichert worden ist, insoweit nicht zur Personalakte und auch nicht zu einer BPO-Akte zu nehmen bzw. durch Schwärzung oder eine sonstige technische Vorkehrung unkenntlich zu machen, als dass weder die Person des Hinweisgebers erkennbar ist, noch dass Rückschlüsse auf die Person möglich sind (Klasen/Schaefer, DB 2012, 1384, 1385). Dem berechtigten Schutzinteresse von Hinweisgebern, denen Anonymität zugesichert worden ist, hat die Beklagte durch Unkenntlichmachung entsprechender Passagen in der BPO-Akte Rechnung zu tragen, die die Person des Hinweisgebers erkennen lassen oder Rückschlüsse auf diese Person zulassen. Unterlässt der Arbeitgeber diese Anonymisierung, kann der Arbeitgeber dem betroffenen Arbeitnehmer nicht unter Hinweis auf die von ihm unterlassene Anonymisierung die Einsicht in die zur Personalakte im materiellen Sinne gehörende Aktensammlung verweigern.

Darüber hinaus hat die Beklagte nicht vorgetragen, welcher Pflichtenverstoß des Klägers den Gegenstand des BPO-Vorgangs AL-2014-00008 bildet und weshalb bei Offenlegung des Vorgangs auch zwangsläufig die Hinweisgeber, denen Anonymität zugesichert worden ist, erkennbar wären. Ohne die Nennung der konkreten Umstände, weswegen das Einsichtsrecht in die BPO-Akte wegen berechtigter Interessen Dritter ausgeschlossen sein sollte, konnte auch keine entsprechende Einschränkung im Tenor berücksichtigt werden. Eine allgemeine Einschränkung im Tenor, etwa, dass die Einsicht nur soweit reiche, wie berechtigte Interessen Dritter nicht entgegenstehen, wäre nicht bestimmt genug und würde die Problematik unzulässiger Weise vom Erkenntnis- in das Vollstreckungsverfahren verlagern.


C) Zulässigkeit der Anschlussberufung

I.

Die Anschlussberufung ist zulässig. Die Anschlussberufung ist statthaft und nach §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 524 Abs. 2, 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO frist- und formgerecht mit der Berufungserwiderung innerhalb der dafür geltenden Frist eingereicht und begründet worden. Die Anschlussberufung ist gemäß §§ 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO, 64 Abs. 6 ArbGG nur zulässig bis zum Ablauf der Frist zur Berufungsbeantwortung nach § 66 Abs. 1 Satz 3 ArbGG. Diese Frist hat der Kläger eingehalten.

II.

Soweit der Kläger mit seinem Schriftsatz vom 2. November 2018 seinen Antrag betreffend den Auskunftsanspruch ändert und um die Zurverfügungstellung einer Kopie der personenbezogenen Leistungs- und Verhaltensdaten ergänzt, handelt es sich noch um eine zulässige Klageänderung nach § 533 ZPO.

Nach § 533 ZPO ist eine Klageänderung in der Berufungsinstanz nur zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält (Nr. 1) und diese auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat (Nr. 2). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Zwar widersprach die Beklagte der Klageänderung ausdrücklich. Die Klageänderung ist jedoch sachdienlich.




Maßgeblich für die nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilende Sachdienlichkeit ist der Gedanke der Prozesswirtschaftlichkeit, für den es entscheidend darauf ankommt, ob und inwieweit die Zulassung der Klageänderung zu einer sachgemäßen und endgültigen Erledigung des Streits zwischen den Parteien führt, der den Gegenstand des anhängigen Verfahrens bildet und einem andernfalls zu erwartenden weiteren Rechtsstreit vorbeugt (BAG, 14. Juni 2017 – 10 AZR 308/15, Rn. 39, juris). Dies ist vorliegend zu bejahen. Der Kläger änderte seinen Antrag im Hinblick auf die seit 25. Mai 2018 geltende Rechtslage nach der DS-GVO. Der früher in § 34 Abs. 1 S. 2 BDSG a.F. geregelte Auskunftsanspruch betroffener Personen ist seit dem 25. Mai 2018 in Art. 15 DSGVO geregelt. Der Sache nach begehrt der Kläger gegenüber seinem Arbeitgeber nach wie vor den bereits erstinstanzlich zunächst auf Basis von § 34 BDSG a.F. und später auf Grundlage von Art. 15 der DS-GVO geltend gemachten datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch. Die Klageänderung wird auch i.S.v. § 533 Nr. 2 ZPO auf Tatsachen gestützt, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hatte. Zur Begründung des Anspruches wurden vom Kläger keine neuen Tatsachen in den Prozess eingeführt. Auch die Beklagte machte in der Ablehnung der geforderten Auskunft keine Gründe geltend, die nicht bereits zu dem bisherigen Auskunftsanspruch vorgebracht wurden. Damit liegt die nach § 533 Nr. 2 ZPO erforderliche kongruente Tatsachengrundlage vor.

Der Antrag ist auch bestimmt genug im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass die Begriffe „Leistung“ und „Verhalten“ weder in Art. 15 DS-GVO genannt, noch in Art. 4 Nr. 1 DS-GVO legal definiert sind. Soweit der Kläger eine Auskunft der verarbeiteten und nicht in der Personalakte des Klägers gespeicherten personenbezogenen Leistungs- und Verhaltensdaten begehrt, ist der Antrag noch bestimmt genug. Gegenüber dem Anspruch auf Auskunft der personenbezogenen Daten handelt es sich um eine präzisierende Eingrenzung. Der Kläger kommt damit der Sollvorschrift aus der Erwägung 63 S. 7 zur DS-GVO nach und beschränkt seinen Auskunftsanspruch. Damit wird der Antrag näher spezifiziert – er beschreibt genauer, auf welche Bereiche er seine Auskunft erstreckt wissen will. Nicht in den Antrag aufgenommen werden können und müssen die eigentlichen personenbezogenen Daten, deren Auskunft begehrt wird. Es ist einem Auskunftsanspruch nach Art. 15 der DS-GVO immanent, dass der Anspruchssteller noch nicht die genauen Gegenstände seiner Auskunft kennt, die er erst einfordert. Eine weitere Konkretisierung ist dem Kläger nicht möglich, weil er nicht weiß, welche Daten die Beklagte über ihn verarbeitet.


D) Begründetheit der Anschlussberufung

Der Kläger hat einen Anspruch nach Art. 15 Abs. 1 der DS-GVO auf Erteilung der mit der Anschlussberufung geltend gemachten Auskünfte. Die DS-GVO findet unmittelbar Anwendung (1) und ist auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar (2). Die Beklagte verarbeitet personenbezogene Daten über den Kläger (3), weshalb dieser sowohl die erweiterte Auskunft (4) nach Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2 DS-GVO als auch einen Anspruch auf Herausgabe einer Kopie (5) der Daten nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO hat. Diese Ansprüche sind im vorliegenden Fall auch nicht durch berechtigte Interessen Dritter eingeschränkt (6).

(1) Nach Art. 99 Abs. 2 DS-GVO gilt die DS-GVO seit dem 25. Mai 2018. Sie ist unmittelbar anwendbar. Die DS-GVO gilt gemäß Art. 288 AEUV unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat der Union, ohne dass es einer weiteren Umsetzung durch nationales Recht bedarf.

(2) Der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DS-GVO besteht auch in einem Arbeitsrechtsverhältnis. Die allgemeinen Bestimmungen der EU-DSGVO enthalten eine Vollregelung, auch zum Beschäftigtendatenschutz (Düwell/Brink, NZA 2016, 665). Die Mitgliedsstaaten sind jedoch gem. Art. 88 DS-GVO in bestimmten Grenzen befugt, spezifische nationale Vorschriften zum Beschäftigtendatenschutz zu erlassen.

(3) Die Beklagte verarbeitet personenbezogene Daten des Klägers.

a) Nach Art. 4 Nr. 1 DS-GVO sind personenbezogene Daten alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person („betroffene Person”) beziehen. Zur Verarbeitung gehört nach Art. 4 Nr. 2 DS-GVO insbesondere auch das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung und die Verwendung. In einem Arbeitsverhältnis verarbeitet der Arbeitgeber zwangsläufig personenbezogene Daten der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer.

b) Dass die Beklagte personenbezogene Daten des Klägers verarbeitet, ergibt sich schon aus der Vielzahl der von den Parteien als Ausdrucke in diesem Rechtsstreit vorgelegten dienstlichen E-Mails, die der Kläger im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses geschrieben, gesendet und empfangen hat. Jede einzelne vom Kläger geschriebene, gesendete und empfangene E-Mail enthält bereits personenbezogene Daten, nämlich Informationen, die sich auf den Kläger beziehen. Insofern ist der Einwand der Beklagten, sie würde außerhalb der Personalakte keine Negativlisten oder dergleichen über den Kläger führen, unerheblich.

(4) Der Kläger hat einen Anspruch auf Auskunftserteilung der personenbezogenen Leistungs- und Verhaltensdaten. Bei personenbezogenen Leistungs- und Verhaltensdaten handelt es sich um eine bestimmte Kategorie von personenbezogenen Daten im Sinne von Art. 15 Abs. 1 Hs. 2 b) DS-GVO i.V.m. Art 4 Nr. 1 DS-GVO. Der Auskunftsberechtigte ist nach Erwägungsgrund 63 S. 7 zur DS-GVO berechtigt, zu erklären, auf welche Informationen oder auf welche Verarbeitungsvorgänge sich das Auskunftsersuchen bezieht. Hiervon machte der Kläger Gebrauch und schränkte insoweit seinen zunächst umfassend bestehenden Auskunftsanspruch auf personenbezogene Leistungs- und Verhaltensdaten ein.

(5) Der Anspruch auf Herausgabe einer Kopie der Daten ergibt sich aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO.

(6) Die Ansprüche auf Auskunft und Herausgabe der personenbezogenen Leistungs- und Verhaltensdaten sind im vorliegenden Fall nicht durch berechtigte Interessen Dritter beschränkt.

a) Nach § 34 Abs. 1 i.V.m. § 29 Abs. 1 Satz 2 BDSG besteht das Recht auf Auskunft der betroffenen Person gemäß Artikel 15 der Verordnung (EU) 2016/679 (DS-GVO) nicht, soweit durch die Auskunft Informationen offenbart würden, die nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheim gehalten werden müssen. Die Regelungen in § 34 Abs. 1 i.V.m. § 29 Abs. 1 und Abs. 2 BDSG beruhen auf der Öffnungsklausel des Art. 23 Abs. 1 lit. i DS-GVO, wonach Informations- und Benachrichtigungspflichten des Verantwortlichen bzw. das Auskunftsrecht betroffener Personen beschränkt werden können zum Schutz der betroffenen Person oder der Rechte und Freiheiten anderer Personen (BeckOK; DatenschutzR/Uwer, 26. Ed. 1.8.2018, BDSG § 29 Rn. 1).

Das Recht auf Erhalt einer Kopie wird gem. Art. 15 Abs. 4 DS-GVO durch Rechte und Freiheiten anderer Personen beschränkt (Gola DS-GVO/Franck, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 15 Rn. 33, 34). Es wird vertreten, dass sich diese Einschränkung nicht lediglich auf das in Art. 15 Abs. 4 DS-GVO geregelte Recht auf Erhalt einer Kopie beschränke, sondern auch den Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO erfasse (so Paal/Pauly/Paal, 2. Auflage 2018, DS-GVO, Art. 15 Rn. 41 – direkte Anwendung; BeckOK DatenschutR/Schmidt-Wudy, 25. Ed. Stand 01.08.2018, Art. 15 DS-GVO Rn. 97 – analoge Anwendung).

b) Jedenfalls führt auch das Vorliegen eines Geheimhaltungsgrundes nicht zwangsläufig zu dem Recht, die geforderte Auskunft zu verweigern. Das Recht auf Auskunft wird gem. § 34 Abs. 1 i.V.m. § 29 Abs. 1 Satz 2 BDSG nur eingeschränkt, „soweit“ durch die Auskunft Informationen offenbart würden, die nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheim gehalten werden müssen. Damit ist eine dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragende Güterabwägung zwischen dem Geheimhaltungsinteresse einerseits und dem Auskunftsinteresse andererseits geboten. Es muss in jedem Einzelfall das konkrete Interesse des Arbeitnehmers an der Auskunftserteilung ermittelt und gegen das betriebliche Interesse des Arbeitgebers an der Auskunftsversagung bzw. den berechtigten Interessen Dritter abgewogen werden. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass durch eine Auskunftserteilung legitime Interessen des Arbeitgebers oder berechtigte Interesse anderer Mitarbeiter berührt werden. Es kann ein legitimes Interesse an der Geheimhaltung einer Informationsquelle darstellen, wenn der Arbeitgeber zum Zwecke der Aufklärung innerbetrieblichen Fehlverhaltens Hinweisgebern Anonymität zusichert. Bestimmte Arten von Regelverstößen innerhalb einer hierarchischen Struktur können effektiver durch anonyme Meldeverfahren aufgedeckt werden. Allerdings sind auch bei einem im Grundsatz - aus Gründen des Informantenschutzes - anerkennenswerten Geheimhaltungsinteresse Konstellationen denkbar, in denen das Geheimhaltungsinteresse hinter dem Auskunftsinteresse des Arbeitnehmers zurückzutreten hat. Dies kann Fälle betreffen, in welchen etwa ein Informant wider besseres Wissen oder leichtfertig dem Arbeitgeber unrichtige Informationen gegeben hat. In einem solchen Fall dürfte das Auskunftsinteresse des Betroffenen wegen eines dann erhöhten Schutzbedürfnisses ein überwiegendes Gewicht haben.



c) Im vorliegenden Fall kann die Beklagte den nach Art. 15 DS-GVO im Grundsatz bestehenden Auskunftsanspruch in Anwendung von § 34 Abs. 1 BDSG i.V.m. § 29 Abs. 1 Satz 2 BDSG jedenfalls nicht gänzlich verweigern. Nur „soweit“ schützenswerte Interessen Dritter bestehen würden und diese in der gebotenen Einzelfallabwägung gegenüber dem Auskunftsanspruch als gewichtiger einzustufen wären, wäre eine Einschränkung des Auskunftsanspruches anzunehmen. Die für diese Einzelfallabwägung maßgeblichen Tatsachen, die zur Einschränkung des Auskunftsanspruches führen könnten, sind jedoch von der Beklagten nicht vorgetragen worden. Die Beklagte verweist pauschal auf das Schutzbedürfnis von Hinweisgebern. Die Beklagte führt aus, sie sei auf den bedingungslosen Schutz der Anonymität hinweisgebender Mitarbeiter angewiesen. Ansonsten sei zu befürchten, dass Mitarbeiter künftig aus Angst vor Benachteiligung und „Repressalien“ auch bei schwerwiegendem Fehlverhalten auf entsprechende Hinweise an den Arbeitgeber verzichteten.

Diese Erwägungen sind zu allgemein gehalten, als dass damit gänzlich oder in einem bestimmten Umfang der Auskunftsanspruch des Klägers eingeschränkt werden könnte. Es bedürfte der Nennung eines konkreten Sachverhaltes, anhand dessen geprüft werden könnte, ob durch die Auskunftserteilung tatsächlich die Rechte und Freiheiten anderer Personen beschränkt werden würde. Die Einschränkung des Auskunftsanspruches wegen überwiegender schützenswerter Interesse Dritter scheitert bereits daran, dass es nach dem Vortrag der Beklagten unklar bleibt, auf welche personenbezogenen Daten des Klägers sich die behaupteten schützenswerten Interessen Dritter beziehen sollen. Soweit die Beklagte mit dem Hinweis auf schützenswerte Interessen Dritter den Auskunftsanspruch verweigert, ist sie für die maßgeblichen Umstände in der Darlegungslast. Sie wäre kraft Sachnähe in der Lage gewesen, vorzutragen, welche konkreten personenbezogen Daten nicht herausgegeben werden können, ohne dass schützenswerte Interessen Dritter tangiert werden. Zu dieser Darlegung hätten nicht schon die personenbezogenen Daten als solche preisgegeben werden müssen. Ausreichend, aber auch erforderlich wäre gewesen, darzulegen, auf welche genauen Informationen (Sachverhalt/Vorfall/Thema in zeitlicher und örtlicher Eingrenzung nebst handelnden Personen) sich das überwiegende berechtigte Interesse an einer Geheimhaltung beziehen soll. Nur dann wäre der Kammer die notwendige Einzelfallabwägung möglich gewesen. Soweit in diesem Fall die berechtigten Interessen Dritter gegenüber dem Auskunftsinteresse des Klägers überwogen hätte, wäre auch erst dann in einem zweiten Schritt eine gegenständliche Einschränkung im Tenor möglich gewesen.

Soweit die Beklagte schließlich einwendet, der Kläger mache sein Auskunftsbegehren über seinen Prozessbevollmächtigten geltend und der Kläger habe keinen Nachweis für dessen Bevollmächtigung erbracht, hat der im Berufungstermin anwesende Kläger seinen Prozessbevollmächtigten jedenfalls zu dem Zeitpunkt der Antragsstellung insoweit entsprechend legitimiert.


Nebenentscheidungen

I.

Betreffend des zugesprochenen Auskunftsanspruches nach Art.15 der DS-GVO (Tenor unter Ziffer III. 1. und 2.) war die Revision zuzulassen. Die Fragen der Reichweite des Auskunftsanspruches eines Arbeitnehmers nach Art. 15 DS-GVO und etwaiger Einschränkungen gem. § 34 Abs. 1 BDSG sind Fragen mit grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Im Übrigen lagen keine Gründe vor, die Revision zuzulassen.

II.

Die Kostentragung erfolgte in Anwendung von § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Beklagte obsiegte allein soweit für die beiden streitgegenständlichen Abmahnungen die über die Entfernung hinausgehenden Feststellungsanträge abgewiesen wurden. Dies stellt eine verhältnismäßig geringfügige Zuvielforderung des Klägers im Sinne von § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO dar.

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