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Oberlandesgericht Schleswig Urteil vom 03.09.2020 - 6 U 16/19 - Werbung für alternativen Strom

OLG Schleswig v. 03.09.2020: Wettbewerbswidrige Irreführung durch Werbung für „grünen Regionalstrom“


Das Oberlandesgericht Schleswig (Urteil vom 03.09.2020 - 6 U 16/19) hat entschieden:

   Werbung mit den Aussagen

   „Grüner Regionalstrom“ / „Sauberer Strom aus der Nachbarschaft“

ist irreführend, wenn der Anbieter den alternativ erzeugten Strom in das allgemeine Netz einspeist, wo er mit Strom aus anderen Quellen vermischt wird, und somit an den Verbraucher lediglich „grauer" Strom geliefert wird.




Siehe auch
Verschiedene Werbeaussagen
und
Stichwörter zum Thema Werbung


Gründe:


I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Unterlassung nach seiner Auffassung wettbewerbswidriger Werbeaussagen.

Der Kläger ist ein Verein mit dem satzungsmäßigen Zweck der Förderung eines lauteren Geschäftsverkehrs. Ihm gehören auch Energieversorger an.

Die Beklagte vermittelt Energielieferverträge mit Unternehmen, die Strom aus erneuerbaren Energien erzeugen. Besucher der Internetseite der Beklagten können über eine Suchmaske ihren jährlichen Stromverbrauch und ihre Postleitzahl eingeben. Als Suchergebnis werden ihnen die ihrem Wohnort nächstliegenden Energieversorgungsunternehmen mit freien Lieferkapazitäten angezeigt. Die Beklagte bewirbt ihr Angebot unter anderem mit der Werbeaussage: "Sauberer Strom aus der Nachbarschaft: Ob aus Wind, Sonne oder Biomasse - wir vernetzen dich mit dem Strom, der in deiner Nähe erzeugt wird. Direkt vom Anlagenbetreiber in deine Steckdose: So bekommst du 100% saubere Energie." Darüber hinaus verwendet die Beklagte auf ihrer Internetseite verschiedentlich den Begriff "Regionalstrom".

Der Kläger hält diese Werbeaussagen für unlauter. Nach erfolgloser Abmahnung hat er am 20.09.2018 Unterlassungsklage erhoben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dem Kläger stünden gegen die Beklagte keine Ansprüche auf Unterlassung der beanstandeten Werbeaussagen aus den §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1; 8 Abs. 1 UWG zu. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt:

Die Werbeaussage betreffend die Vernetzung des Kunden mit Strom enthalte keine unwahre oder sonstige zur Täuschung geeignete Angabe über die geographische oder betriebliche Herkunft des Stroms. Dem informierten Verbraucher sei bekannt, dass sich das Werbeversprechen in einem solchen Fall immer nur darauf beziehen könne, dass das betreffende Energieversorgungsunternehmen zwar zu 100% Strom aus regenerativen Energien ins allgemeine Stromnetz einspeise, der Abnehmer jedoch nach wie vor den Strom aus dem allgemeinen Netz, in welches auch Strom aus fossilen Energieträgern und aus Kernkraft eingespeist werde, beziehe. Auch ergebe sich aus dieser Werbung für den potentiellen Kunden nicht, dass etwaige Kabel verlegt oder Anschlüsse installiert werden würden. Anhaltspunkte dafür, dass mindestens ein Viertel der angesprochenen Verkehrskreise die Werbung anders verstünde, seien nicht dargetan.

Die Werbeaussage über die Regionalität begründe weder eine wettbewerbswidrige Irreführung noch einen Verstoß gegen das Doppelvermarktungsverbot gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 EEG 2017. Insbesondere sei die Werbung mit "Regionalstrom" nicht geeignet, den Eindruck zu erwecken, dass die Voraussetzungen des § 79a EEG 2017 für die Entwertung von Regionalnachweisen vorlägen. Diese würden unter anderem nach § 79a Abs. 6 EEG 2017 verlangen, dass der Regionalnachweis für Strom aus einer Anlage ausgestellt worden wäre, die sich in der Region des belieferten Letztverbrauchers befinde, wobei diese alle Postleitzahlengebiete umfasse, die sich ganz oder teilweise im Umkreis von 50 km um das Postleitzahlengebiet befänden, in dem der Letztverbraucher den Strom verbrauche. Aus dem tabellarischen - nach Distanz sortierten - Suchergebnis hinsichtlich der in Betracht kommenden potentiellen Anlagenanbieter, ergebe sich für den jeweiligen Verbraucher jedoch ohne Weiteres, dass sich einige der Anlagen weiter als 50 Kilometer von der potentiellen Versorgungsstelle entfernt befänden. Erkennbar sei mithin, dass die Voraussetzungen von § 79a EEG 2017 nicht vorlägen. Eine detaillierte Kenntnis dieser Voraussetzungen seitens der Verkehrskreise sei zudem nicht zu erwarten. Überdies sei der Begriff "Regionalstrom" nicht im EEG 2017 enthalten sowie auch sonst nicht legal definiert.

Einen Verstoß gegen das Doppelvermarktungsverbot habe der Kläger nicht ausreichend dargelegt. Ein solcher Verstoß sei auch nicht erkennbar. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für das vorgerichtliche Abmahnschreiben in Höhe von 267,50 € stünde dem Kläger nicht zu, da die Abmahnung unberechtigt gewesen sei.

In der Berufung hält der Kläger am Vorwurf der Unlauterkeit der streitgegenständlichen Werbung fest. Das Landgericht verkenne, dass mit dem EEG ein abgeschlossenes System entwickelt worden sei, wann Strom aus erneuerbaren Energien als "Grünstrom" und / oder "regional" gekennzeichnet werden könne. Die Beklagte vermarkte den von ihr vermittelten Strom als "regionalen Grünstrom", obwohl er die entsprechenden Voraussetzungen nicht erfülle. Der Verbraucher werde hierdurch in die Irre geführt.

Im Kern legt der Kläger hierzu dar, dass nach den Vorgaben des EEG Strom nur dann als "Grünstrom" beworben werden dürfe, wenn der Stromerzeuger keine finanzielle Förderung in Anspruch nehme und einen Herkunftsnachweis nach § 79 EEG, der die ökologische Herkunft des Stroms belege (§ 3 Nr. 29 EEG), entwerte. Diese Herkunftsnachweise könnten auch von anderen Stromerzeugern - vornehmlich aus Skandinavien - erworben werden. Markprämiengeförderter Strom aus erneuerbaren Energien gewonnenen Stroms könne mithilfe eines Regionalnachweises als Grünstrom - und zugleich regional erzeugter Strom - beworben werden. Als regional gelte dabei ein Versorgungsgebiet im Umkreis von etwa 50 km der Anlage. Schließlich könne bei Strom, für den keine Förderung in Anspruch genommen werde, auf den Herkunftsnachweis Bezug genommen werden, auf dem auch der Standort der Anlage eingetragen sei. Nur, wenn diese Voraussetzungen vorlägen, dürfe der Strom als "Grünstrom" und / oder "regional" beworben werden.

Der von der Beklagten beworbene "regionale Grünstrom" erfülle diese Voraussetzungen nicht. Mit Nichtwissen werde bestritten, dass der Strom über Regionalnachweise verfüge. Das Regionalnachweisregister sei erst nach Klageerhebung in Betrieb genommen worden. Zudem stamme der Strom auch aus Anlagen, die mehr als 50 km entfernt stünden. Mit etwa erworbenen Herkunftsnachweisen könne der Strom zwar als Grünstrom, aber nicht als regional beworben werden, weil Herkunftsnachweise einfach am Strommarkt gekauft werden könnten. Zudem werde im Herkunftsnachweis auch der Anlagentyp angegeben; daher könne etwa Strom aus skandinavischen Wasserkraftanlagen nicht als Strom aus hiesigen Biogasanlagen beworben werden. Der Verbraucher gehe jedoch davon aus, dass der von der Beklagten vermittelte Strom als regional und grün bezeichnet werden dürfe, wobei es unerheblich sei, ob er die gesetzlichen Voraussetzungen dafür im Einzelnen kenne.

Auch die Werbung mit der Aussage, dass der Strom zu 100 % direkt vom Anlagenbetreiber in die Steckdose des Kunden geleitet werde, sei irreführend. Es werde der Eindruck erweckt, der Kunde könne sich - anders als bei anderen Stromanbietern - aussuchen, welchen Strom er von welchem Anlagenbetreiber aus der Region beziehen wolle und ausschließlich dieser komme in die Steckdose. Dieser Eindruck sei unzutreffend, denn wie alle Anlagenbetreiber speisten auch die von der Beklagten vermittelten ihren Strom in das allgemeine Stromnetz ein. Das Landgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass der durchschnittliche Verbraucher ein solches Werbeversprechen darauf beziehe, dass der Strom nur seiner Herkunft nach als aus 100 % regenerativen Energien gewonnen bezeichnet werden solle.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

   unter Änderung des angefochtenen Urteils

  1.  der Beklagten bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festgesetzten Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 €; Ordnungshaft höchstens zwei Jahre) zu verbieten, geschäftlich handelnd mit den folgenden Aussagen zu werben und/oder werben zu lassen:

  a)  "Sauberer Strom aus der Nachbarschaft: Ob aus Wind, Sonne oder Biomasse - wir vernetzen dich mit dem Strom, der in deiner Nähe erzeugt wird. Direkt vom Anlagenbetreiber in deine Steckdose. So bekommst du 100 % saubere Energie", insbesondere wenn dies geschieht wie in Anlage A;

  b)  "Grüner Regionalstrom", insbesondere wenn dies geschieht wie in Anlagekonvolut B, sofern der vermittelte Strom nicht von einer Anlage erzeugt wird, die sich im Umkreis von 50 km um das Postleitzahlengebiet befindet, in dem der Letztverbraucher seinen Strom verbraucht;


  2.  die Beklagte zu verurteilen, an ihn 267,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.



Die Beklagte beantragt,

   die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil im Wesentlichen unter Wiederholung und Vertiefung ihrer im ersten Rechtszug vertretenen Auffassung.

Sie meint weiterhin, dass der Verbraucher durch die Werbung nicht über die ökologische und regionale Eigenschaft des bei ihm ankommenden Stroms irregeführt werde. Er verstünde die Werbeaussage nicht anders, als dass der Strom nach seiner Wahl aus Wind, Sonne oder Biomasse für ihn erzeugt werde und sich diese Stromerzeugungsanlage in seiner Nähe befinde, wobei die Nähe durch die klare km-Angabe verdeutlicht werde. Aus der Werbung ergebe sich auch, dass sie - die Beklagte - den Strom nicht selbst herstelle, sondern nur als Vermittlerin zwischen Verbraucher und Energieversorgungsunternehmen handele. Dem angesprochenen Verbraucher sei bewusst, dass es nicht zu einer "exklusiven" Netzverbindung zwischen ihm und dem Energieversorgungsunternehmen komme.

Die Beklagte meint ferner, dass sie nicht mit regionalem Grünstrom werbe, sondern nur damit, dass der Strom aus den oben genannten Quellen komme und der Verbraucher unmittelbar mit dem Anlagenbetreiber kontrahiere. Beides sei unstreitig richtig. Dass sich das Verständnis des Verbrauchers von "regionalem" und "sauberem" Strom nach den Vorgaben des EEG für Herkunfts- und Regionalnachweise richte, sei nicht ersichtlich. Dem Verbraucher sei die komplizierte Rechtslage nach dem EEG nicht bekannt. Sie teile dem Verbraucher nur mit, wo und unter Einsatz welcher Technik der kontrahierte Strom erzeugt werde. Dies müsse sie sagen dürfen.

Ihr, der Beklagten, sei nicht bekannt, dass die mit ihr kooperierenden Anlagenbetreiber unzutreffende Stromkennzeichnungen verwendeten. Ein etwaiger Verstoß gegen die Stromkennzeichnung sei ohne Relevanz für die streitgegenständliche Werbung, weil sie, die Beklagte, nur Stromlieferungsverträge vermittele. Eine Legaldefinition von "Regionalstrom" gebe es zudem nicht; sie finde sich auch nicht im EEG, dem insbesondere nicht zu entnehmen sei, dass nur Strom aus einem Umkreis von 50 km um die Versorgungsstelle des Verbrauchers so genannt werden dürfe. Der Begriff der Region werde von jedem Verbraucher anders verstanden.

Ein Verstoß gegen das Doppelvermarktungsverbot sei nicht ersichtlich. Er ergebe sich auch nicht daraus, dass die von ihr - der Beklagten - vermarkteten Stromtarife mitunter auch über Herkunftsnachweise aus norwegischer Wasserkraft verfügten, denn hierfür werde keine Förderung nach dem EEG gezahlt.





II.

Die Berufung hat überwiegend Erfolg.

1. Der Gegenstand des Berufungsverfahrens ist jedenfalls auf der Grundlage des zuletzt gestellten Antrags des Klägers eindeutig bestimmt. Der Kläger hatte zunächst den Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne des - nach Auffassung des Senats auslegungsbedürftigen - Klagantrags angekündigt. Jedenfalls mit der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgenommenen Klarstellung des Antrags hat der Kläger das Ziel seines Unterlassungsbegehrens unmissverständlich deutlich gemacht. Sollte darin eine Klagänderung liegen - was der Senat offenlassen kann -, wäre sie zulässig. Die Voraussetzungen des § 533 ZPO liegen vor. Die etwaige Klagänderung ist sachdienlich, weil die Berechtigung eines in diesem Sinne zu verstehenden Unterlassungsbegehrens bereits Gegenstand der Erörterungen zwischen den Parteien war und weil die Entscheidung darüber vollumfänglich auf Tatsachen gestützt werden kann, die der Senat der Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin zugrunde zu legen hat.

2. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch mit der aus dem Tenor ersichtlichen Einschränkung zu.

a) Da der Kläger den geltend gemachten Unterlassungsanspruch auf Wiederholungsgefahr stützt (§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG), ist die Klage in der Hauptsache nur begründet, wenn das beanstandete Verhalten der Beklagten sowohl zum Zeitpunkt seiner Vornahme rechtswidrig war als auch zum Zeitpunkt der jetzigen Entscheidung rechtswidrig ist (BGH NJW-RR 2020, 492, 493 Rn. 11 - Kulturchampignons II). Das ist der Fall. Der Kläger, dessen Klagebefugnis nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG außer Streit steht, kann von der Beklagten nach den §§ 8 Abs. 1, 3 UWG die Unterlassung der beanstandeten Werbeaussagen verlangen. Sie sind irreführend nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG, weil sie zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Umstände der Ware, nämlich ihre Beschaffenheit und geographische Herkunft, enthalten.

b) Die im Antrag zu 1. a) beanstandete Aussage ist unlauter, weil sie den irreführenden Eindruck erweckt, dass der Strom aus den von der Beklagten vermittelten Verträgen unmittelbar und "rein" aus der Anlage des Betreibers stamme, mit dem der Vertrag zustande komme. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, dass die Werbeaussage auch in dieser Hinsicht angegriffen werde.



Die im Antrag zitierte zentrale Passage "Direkt vom Anlagenbetreiber in deine Steckdose" ist objektiv falsch, weil der Anlagenbetreiber den erzeugten Strom in das allgemeine Stromnetz einspeist, in dem er sich mit Strom aus anderen Quellen vermischt. Nur mit diesem "Graustrom" wird der Verbraucher beliefert. Die Werbung der Beklagten ist geeignet, bei einem nicht unerheblichen Teil der Verbraucher den Irrtum hervorzurufen, dass dies bei dem ihr vermittelten Strom jedoch nicht der Fall sei. Im Grundsatz zutreffend zwar führt das Landgericht aus, dass dem verständigen Verbraucher bekannt sein müsste, dass nur eine Einspeisung von 100 % ökologisch erzeugten Stroms in das allgemeine Stromnetz gemeint sein könne. Ob daraus allerdings wirklich gefolgert werden darf, dass Werbung, die ausdrücklich die Versorgung mit "100 % umweltfreundlichen Stroms" verspricht, nicht irreführend ist, weil der Verbraucher sie nicht seinem Wortsinn nach versteht (dafür Hamburg, Urteil vom 28.12.2008 - 3 U 53/00, GRUR-RR 2001, 169; OLG Karlsruhe, Urteil vom 10.12.2008 - 6 U 140/08, GRUR-RR 2009, 144; Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, 38. Aufl. 2020, § 5 Rn. 2.96; Busche in MüKo UWG, 3. Aufl. 2020, § 5 Rn. 378), oder ob eine solche Aussage nicht durchaus täuschungsgeeignet ist (dafür OLG Frankfurt/M., Urteil vom 02.12.2008 - 11 U 45/08 -; OLG München, Urteil vom 26.07.2001 - 29 U 1534/01 -), braucht der Senat in dieser Allgemeinheit nicht zu entscheiden. Die irreführende Wirkung ist stets anhand der konkret zu beurteilenden Werbung zu beurteilen und jedenfalls im vorliegenden Fall zu bejahen.

Zunächst ist der Wortlaut der Aussage eindeutig. Sie enthält das klare Versprechen, dass die Beklagte dem Verbraucher die Belieferung mit reinem, aus erneuerbaren Energien, in einer bestimmten Anlage erzeugten Strom zusagen könne. Diese Aussage wird durch den Inhalt des weiteren Werbeauftritts der Beklagten, der im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung mit einzubeziehen ist, unterstrichen. Mehrfach wird der besondere Bezug des Verbrauchers gerade zu demjenigen Anlagenbetreiber, den er sich ausgesucht habe, hervorgehoben. Das Versprechen, "deine Anlage direkt mit Verbrauchern in der Region zu verbinden", enthält erneut die gleiche eindeutige - falsche - Erklärung. Erklärungen wie die, ein "Produkt aus der Nachbarschaft" zu liefern, "Energie von einem Lieferanten in deiner Nähe" und "ein geschlossenes Kreislaufsystem vor Ort" zu schaffen, verfestigen noch den Eindruck, dass der Verbraucher seinen Strom gerade aus der betreffenden Anlage erhalte. Auch wenn er nach näherer Befassung mit der Werbung der Beklagten erkennen muss, dass dies so nicht gemeint sein und die Beklagte nur die Lieferung von "Graustrom" vermitteln kann, änderte dies an der irreführenden Wirkung nichts. Diese ist bereits dann eingetreten, wenn sich der Verbraucher länger mit der Werbung befasst, als er es ohne den zunächst hervorgerufenen Irrtum getan hätte.

c) Die mit dem Antrag zu 1. b) angegriffene Aussage, dass die Beklagte den Bezug "grünen Regionalstroms" vermittele, ist insoweit unlauter, als der Strom die Voraussetzungen der Regionalität nicht erfüllt.




aa) Die Werbung enthält zwei miteinander verbundene Aussagen. Zum Einen wird dem Verbraucher die Lieferung von vollständig aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms versprochen. Dieses Versprechen wird in der als Anlage B eingereichten Werbung mehrfach wiederholt ("100 % saubere Energie", "grüner (Regional-)Strom" sowie mittelbar in der Abgrenzung zu anderen Öko- oder Grünstromanbietern). Zum Anderen wird ihm versprochen, dass dieser Strom aus der Region komme. Auch dies findet sich an mehreren weiteren Stellen in der Werbung wieder. So wird etwa die Darstellung in der als Anlage B (Bl. 17 d. A.) vorgelegten Werbung von Fragen des Erzeugers von Strom einerseits und des Verbrauchers andererseits danach, wie sie "grünen Regionalstrom" vermarkten oder kaufen könnten, eingeleitet. Es folgen sodann Erklärungen zum Vorteil von Regionalstrom. Die Beklagte selbst geht zutreffend davon aus, dass der Verbraucher die Werbung auch genau so versteht, nämlich als Werbung dafür, dass der Strom für den Verbraucher aus Wind, Sonne oder Biomasse gewonnen werde und zwar aus einer Stromerzeugung in seiner Nähe (Berufungserwiderung S. 6, Bl. 224 d. A.).

bb) Die Werbeaussagen sind so nicht richtig. Dass der von der Beklagten vermittelte Strom tatsächlich ausschließlich "grün" erzeugt, also aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen wurde, ist zwar unstreitig. Es handelt sich jedoch nicht durchweg um Regionalstrom in dem Sinne, wie der Verbraucher ihn nach der Werbung der Beklagten erwarten kann. Die Beklagte vermittelt auch Strom aus Anlagen, die mehrere hundert Kilometer von dem interessierten Verbraucher entfernt stehen. Bezogen auf den Standort der Prozessbevollmächtigten des Klägers in Hamburg (s. Klagschrift S. 3, Bl. 3 d. A.) wird als Suchergebnis unter anderem eine 140 km entfernt liegende Anlage aus Nordfriesland angezeigt (Langenhorn, nördlich von Husum, Anl. K 1, Bl. 27 d. A.). Bei einer Anfrage unter Angabe eines Verbrauchsortes in Berlin werden 384 und 403 km entfernt liegende Anlagen ebenfalls in Nordfriesland (Alte Au in Barmstedtlund und Biogas Nordwarf in Galmsbüll, Anl. BK 1, Bl. 254, 256 f d. A.) vorgeschlagen, bei einer Anfrage für einen Ort in Bayern (Bad Aibling) Anlagen in Dithmarschen (Süderdeich, 738 km entfernt) und Schleswig-Flensburg (Windpark in Hörup, 792 km entfernt).

Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat diese Suchergebnisse in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat damit erläutert, dass jeweils die dem Anfragenden nächstgelegenen Anlagen mit freien Kapazitäten in der voraussichtlich erforderlichen Menge angezeigt würden. Die in den vorliegenden Fällen angezeigten Anlagen liegen jedoch nicht in der Region des anfragenden Verbrauchers. Das gälte selbst dann, wenn - wie es der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat dargelegt hat - aufgrund der internationalen Reichweite des Strommarktes grundsätzlich der gesamte innerdeutsche Bereich als eine Region aufzufassen sei. Maßgeblich für den Begriff der Regionalität ist im vorliegenden Fall die durch die Werbung der Beklagten geweckte Erwartung des Verbrauchers. Wie ausgeführt, stellt diese das Versprechen in den Vordergrund, ein Produkt "aus der Nachbarschaft" zu liefern. Aussagen wie die oben bereits genannten und ähnliche wie die Einladung zur Suche mit den Worten "Finde heraus, welcher Nachbar dich versorgen kann" (Anl. A, Bl. 12 d. A.), "finde einen Energiewirt in deiner Nähe" (Anl. K 1, Bl. 9 d. A.; Anl. BK 1, Bl. 254 d. A.) oder die Erklärung, dass "die lokale Nähe zum Lieferanten" erheblich zur Energiewende beitrage (Anl. K 1, Bl. 22, 25 d. A.) und dass durch die Stärkung des "lokalen Wirtschaftskreislaufs" "Werte vor Ort" erhalten blieben (Anl. K 5, Bl. 38 d. A.), heben gerade auch die räumliche Nähe zum Verbraucher hervor. Daran ändert es nichts, dass der Verbraucher durch die Entfernungsangaben in den Suchergebnissen über die tatsächlich teils erhebliche Entfernung aufgeklärt wird. Nimmt der Verbraucher aufgrund der irreführenden Wirkung der Werbung der Beklagten die Suche erst einmal auf, hat die Werbung ihr erstes Ziel erreicht. Die eingetretene Irreführung wird nicht dadurch wieder beseitigt, dass der Verbraucher nachträglich die Täuschung erkennt.

cc) Die Werbung der Beklagten ist unlauter, soweit der beworbene Strom nicht, wie aufgrund der Werbung zu erwarten, aus Anlagen in räumlicher Nähe des Verbrauchers stammt. Der Unterlassungsantrag muss insoweit Erfolg haben. Der von dem Prozessbevollmächtigen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgebrachte Einwand, dass der Antrag abzuweisen sei, weil der Kläger nur gegen die gemeinsame Bezeichnung des Stroms als "grün" und zugleich "regional" vorgehe, verfängt nicht. Der Einwand gründet darauf, dass der Strom unstreitig "grün" - nämlich aus erneuerbaren Energieen erzeugt - und diese Aussage also richtig sei. Mit diesem Einwand wird jedoch verkannt, dass der Angriff des Klägers - jedenfalls nach seinem zuletzt gestellten Antrag - nicht darauf abzielt, der Beklagten die Bezeichnung des Stroms als "grün" zu untersagen. Er beanstandet vielmehr zu Recht, dass der Strom nicht als "regional" beworben werden darf. Mit der Bezeichnung als "grünem Regionalstrom" im Antrag verdeutlicht er nur die Werbeaussage der Beklagten, die darin liegt, die Besonderheit ihres Produkts als nicht nur "grünem", sondern eben auch "regionalem" Strom hervorzuheben.



Zutreffend aber weist die Beklagte darauf hin, dass ihr die Werbung mit der Regionalität des Stroms nur verboten werden dürfe, soweit deren Voraussetzungen nicht gegeben seien. Im Unterlassungstenor muss deshalb zum Ausdruck kommen, dass ihr die Werbung ansonsten gestattet ist. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat dies in der Antragsfassung dadurch zum Ausdruck bringen wollen, dass sich das Verbot nur auf Anlagen außerhalb eines Umkreises von 50 km zum Letztverbraucher beziehe. Diese Einschränkung erscheint jedoch ungenügend. Sie knüpft an den Umkreis an, innerhalb dessen Strom aus Anlagen, die über Regionalnachweise verfügen, als Regionalstrom beworben werden darf. Marktprämiengeförderter Strom kann mithilfe eines Regionalnachweises nach § 79a EEG als Strom aus erneuerbaren Energien aus der Region ausgewiesen werden. Die Gültigkeit eines Regionalnachweises ist nach § 79a Abs. 6 EEG i. V. m. den §§ 2 Nr. 13, 5 Abs. 1 HkRNDV auf einen Umkreis von 50 km um den Sitz des Letztverbrauchers, der sog. Verwendungsregion, beschränkt. Daneben kann aber auch nicht marktprämiengeförderter Strom als "regional" beworben werden. Für solchen Strom können Herkunftsnachweise ausgestellt werden, die Angaben zum Standort der Anlage und zur Anlage selbst enthalten (Art. 15 Abs. 6 lit. a und c RL 2009/28 EG). Je nach Standort der Anlage kann Strom auch auf der Grundlage eines Herkunftsnachweises als Regionalprodukt vermarktet werden (BT-Drucks. 18/18860 S. 244 f). Eine Begrenzung auf einen Umkreis von 50 km sieht das Gesetz insoweit jedoch nicht vor. Auch der Verbraucher erwartet eine solche Begrenzung nicht, denn es kann - jedenfalls derzeit noch - ausgeschlossen werden, dass er die Regelung zu Regionalnachweisen kennt und hierdurch zu der Annahme verleitet wird, dass als "regional" beworbener Strom stets aus Anlagen in diesem Umkreis stamme. Wie weit eine Region reicht, kann vielmehr im vorliegenden Fall nur danach bestimmt werden, welche Vorstellung durch die Werbung der Beklagten bei dem Verbraucher hervorgerufen wird. Da die Werbung entscheidend die räumliche Nähe und die Förderung des lokalen Wirtschaftskreislaufs in den Vordergrund stellt, ist der Begriff der Region hier eher eng zu verstehen. Maßgeblich muss im jeweiligen Einzelfall sein, ob die beworbene Anlage aus Sicht des verständigen Verbrauchers noch als Teil der lokalen Wirtschaft angesehen werden kann. Eine starre Grenze, bis zu welcher Entfernung dies der Fall ist, lässt sich insoweit nicht ziehen. Jedenfalls für innerhalb des von dem Kläger zugebilligten Umkreises von 50 km gelegene Anlagen kann der Beklagten die Werbung nicht untersagt werden.

d) Darauf, ob die Bewerbung des Stroms als "grüner Regionalstrom" auch deshalb unlauter ist, weil die Anlagenbetreiber, mit denen die Beklagte Stromverträge vermittelt, über Herkunftsnachweise verfügen, die sie von Anlagenbetreibern aus Norwegen erworben haben, kommt es nach allem nicht an. Sie ist schon aus den oben genannten Gründen unzulässig.

Ein etwaiger Verstoß gegen das Doppelvermarktungsverbot ist nicht streitgegenständlich.

3. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten zu. Die Abmahnung vom 14.05.2018 (Anl. K 7, Bl. 42 - 45 d. A.) war berechtigt. Der Kläger hat darin die im Klagantrag zu Ziffer 1. a) wiedergegebene Passage aus der Werbung der Beklagten zitiert und im Ergebnis beanstandet, dass der Verbraucher entgegen der darin geweckten Erwartung nicht mit ausschließlichem Grünstrom aus der Region beliefert werden könne. Diese Beanstandung trifft zu. Der für die demnach berechtigte Abmahnung angefallene Kostenaufwand kann nach § 287 ZPO geschätzt werden. Er liegt mit dem geltend gemachten Betrag von 267,50 € im üblichen Rahmen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Das teilweise Unterliegen des Klägers folgt daraus, dass dem zunächst uneingeschränkt erhobenen Unterlassungsbegehren nicht in vollem Umfang entsprochen werden konnte. Im im Tenor genannten Umfang ist die Werbung der Beklagten zulässig. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Grund für die Zulassung der Revision besteht nicht. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung nicht von anderer obergerichtlicher Rechtsprechung ab. Zwar haben die Oberlandesgerichte Hamburg und Karlsruhe die Werbung für Strom als reinen Grünstrom ohne jeden Anteil von Strom der nicht aus erneuerbaren Energien stamme, für lauterkeitsrechtlich unbedenklich gehalten (s. o.), während der Senat die streitgegenständliche Werbung ähnlichen Inhalts als unlauter bewertet. Der Senst stützt seine Entscheidung jedoch auf eine Würdigung des Aussagegehalts der Werbung im hier zu beurteilenden Einzelfall. Abweichende Entscheidungen zu ähnlichen Werbeaussagen in anderen Fällen stehen dazu nicht in Widerspruch. Eine Entscheidung über die grundsätzliche Unlauterkeit von Werbung für "100 %-igen Grünstrom" o. ä., ist mit der Entscheidung des Senats nicht verbunden.

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