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BGH Urteil vom 04.07.2019 - I ZR 161/18 - Zur Irreführung durch Gütesiegel

BGH v. 04.07.2019: Anforderungen an Gütesiegel


Der BGH (Urteil vom 04.07.2019 - I ZR 161/18) hat entschieden:

  1.  Ein Gütesiegel oder Prüfzeichen wird vom Verkehr dahingehend verstanden, dass ein neutraler Dritter mit entsprechender Kompetenz die beworbene Ware nach objektiven und aussagekräftigen Kriterien auf die Erfüllung von Mindestanforderungen geprüft hat. Ein solches Zeichen bietet aus der Sicht des Verkehrs die Gewähr, dass ein mit ihm gekennzeichnetes Produkt bestimmte, für die Güte und Brauchbarkeit der Ware als wesentlich angesehene Eigenschaften aufweist (Fortführung von BGH, Urteil vom 21. Juli 2016 - I ZR 26/15, GRUR 2016, 1076 Rn. 39 = WRP 2016, 1221 - LGA tested).

  2.  Die Bestimmung des Verfahrens und der Prüfkriterien liegt grundsätzlich in der autonomen Entscheidung der vergebenden Stelle. Sie kann jedoch daraufhin überprüft werden, ob im Einzelfall - etwa unter Bezugnahme auf anerkannte technische Standards oder Normierungen der betroffenen Produktsparte - sachgerechte Kriterien festgelegt worden sind.

  3.  Die Zahlung einer angemessenen Gebühr für die Durchführung der Prüfung oder die Verleihung des Siegels steht der Neutralität der Prüfeinrichtung nicht entgegen.




Siehe auch
Gütesiegel - Gütezeichen - Qualitätssiegel - Prüfsiegel - Prüfzeichen
und
Stichwörter zum Thema Verkaufsförderungsmaßnahmen


Tatbestand:


Der Beklagte ist ein Industrieverband, dessen Aufgabe die wissenschaftliche und fachtechnische Förderung und Weiterentwicklung von Kleb- und Dichtstoffen ist. Auf seiner Internetseite zeigt er das folgende Siegel:

   [folgt die Darstellung]

Der Beklagte vergibt dieses Gütesiegel für Produkte auf der Grundlage der von ihm selbst erstellten "IVD-Güterichtlinien".

Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, hält die Bezeichnung des Siegels als Gütesiegel für irreführend. Nach einer erfolglosen Abmahnung im März 2016 hat sie beantragt,

   den Beklagten unter Androhung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr selbst oder durch Dritte für das nachfolgend eingeblendete Zeichen den Begriff "Gütesiegel" zu verwenden und/oder verwenden zu lassen:

   [folgt die Darstellung]



Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. Während des Berufungsverfahrens hat der Beklagte im April 2018 eine mit dem Siegel identische Unionsgewährleistungsmarke angemeldet und eine Markensatzung vorgelegt. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2019, 84). Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.





Entscheidungsgründe:


I.

Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Unterlassungsanspruch für unbegründet erachtet und hierzu ausgeführt:

Die Vergabe des Gütesiegels durch den Beklagten sei nicht irreführend. Zwar sei die Zulässigkeit der Verwendung von Gütesiegeln in der älteren Rechtsprechung am strengen Maßstab der vom RAL Deutschen Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e.V. verfassten Grundsätze ("RAL-Grundsätze") gemessen worden, die ein neutrales Anerkennungsverfahren voraussetzten, in dem unter Beteiligung der betroffenen Wirtschaftskreise und zuständigen Behörden der Zweck des Gütezeichens, sein Wirkungsbereich, die Verwendungsformen, die Satzung der Gütezeichengemeinschaft und die Gütebedingungen festzulegen seien. Es sei jedoch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht von einem geänderten Verkehrsverständnis auszugehen. Zum einen seien dem Verkehr seit längerem Gütezeichen bekannt, die den "RAL-Grundsätzen" nicht genügten. Hierzu zählten das Gütezeichen "Edelstahl Rostfrei" und das "Baumwollsiegel", die von Industrieverbänden nach Qualitätskriterien vergeben würden, die ohne Beteiligung Dritter aufgestellt worden seien. Zum anderen habe der Gesetzgeber für die mittlerweile im Unionsrecht und im nationalen Markenrecht eingeführte Gewährleistungsmarke keine diesen Grundsätzen entsprechenden hohen Anforderungen vorgesehen. Gewährleistungsmarken sollten Waren, für die der Inhaber eine bestimmte Qualität gewährleiste, von solchen unterscheiden, für die keine derartige Gewährleistung bestehe. Sie hätten damit die gleichen Funktionen wie ein Gütezeichen. Eine Irreführung scheide deshalb aus, wenn ein Gütesiegel den für eine Gewährleistungsmarke geltenden Anforderungen entspreche. Das im Streitfall beanstandete Gütesiegel erfülle diese Voraussetzungen. Es sei geeignet, auf die Qualität der mit dem Zeichen vertriebenen Waren hinzuweisen. Der Beklagte übe selbst keine gewerbliche Tätigkeit aus. Die Kriterien für die Vergabe des Gütezeichens beträfen jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts die Qualität der Erzeugnisse und seien auch öffentlich zugänglich. Es erfolge eine hinreichende Prüfung sowohl bei Beantragung des Gütesiegels als auch im laufenden Betrieb. Kompetenz und Unabhängigkeit des von dem Beklagten beauftragten Instituts stünden nicht in Zweifel. Der Beklagte vergebe sein Gütesiegel auch nicht nur an seine Mitglieder.




II.

Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Fall 2 Nr. 1 UWG nicht verneint werden.

1. Mit der Klage wird die im Frühjahr 2016 erfolgte Verwendung des von dem Beklagten als Gütesiegel bezeichneten Siegels als irreführend beanstandet. Nach dem für die Auslegung des Klageantrags zu berücksichtigenden Vorbringen in der Klage (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 2019 - I ZR 29/18, GRUR 2019, 1053 Rn. 17 = WRP 2019, 1311 - ORTLIEB II, mwN) soll dem Beklagten verboten werden, das Siegel als "IVD-Gütesiegel" zu bezeichnen oder bezeichnen zu lassen, wenn die Vergabe des Siegels auf der Grundlage der "IVD-Güterichtlinien" erfolgt. Die Klage hat eine bereits erfolgte Verletzungshandlung, mithin einen Verletzungsunterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG zum Gegenstand.

2. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, das beanstandete Verhalten sei nicht irreführend.

a) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über - nachfolgend aufgezählte - Umstände enthält. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale der Ware oder Dienstleistung enthält, zu denen Vorteile, Risiken, Beschaffenheit oder die Ergebnisse von Tests zählen. Eine Irreführung liegt vor, wenn das Verständnis, das eine Angabe bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 21. Juni 2018 - I ZR 157/16, GRUR 2018, 1263 Rn. 11 = WRP 2018, 1458 - Vollsynthetisches Motorenöl, mwN).

Ändert sich das Verkehrsverständnis mit der Folge, dass die beanstandete Angabe den tatsächlichen Verhältnissen entspricht, kommt die Annahme einer Irreführung nicht (mehr) in Betracht (vgl. Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., § 5 Rn. 2.193; MünchKomm.UWG/Ruess, 2. Aufl., § 5 Rn. 196). Tritt eine solche Änderung nach Vornahme der beanstandeten Handlung, aber vor der gerichtlichen Entscheidung über den auf Wiederholungsgefahr gestützten Unterlassungsanspruch ein, dessen Voraussetzung die Rechtswidrigkeit der Handlung sowohl im Zeitpunkt ihrer Vornahme als auch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 6. Juni 2019 - I ZR 206/17, GRUR 2019, 1071 Rn. 7 = WRP 2019, 1296 - Brötchen-Gutschein, mwN), entfällt die Wiederholungsgefahr.

b) Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Voraussetzungen einer Irreführung im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG im Zeitpunkt der beanstandeten Handlung vorgelegen haben. Dies ist daher zugunsten der Revision zu unterstellen.

c) Die Annahme des Berufungsgerichts, infolge einer Änderung des Verkehrsverständnisses fehle es jedenfalls im Zeitpunkt seiner Entscheidung an einer Irreführung, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

aa) Tatrichterliche Feststellungen zur Verkehrsauffassung sind in der Revisionsinstanz nur darauf nachprüfbar, ob das Berufungsgericht bei seiner Würdigung einen falschen rechtlichen Maßstab angelegt, gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 24. Januar 2019 - I ZR 200/17 Rn. 33 - Das beste Netz, mwN).

bb) Das Berufungsgericht hat bei seiner Annahme, dem Verkehr seien als Gütesiegel, die nicht nach den strengen RAL-Grundsätzen vergeben würden, das Zeichen "Edelstahl Rostfrei" und das "Baumwollsiegel" geläufig, unberücksichtigt gelassen, dass im Streitfall ein von einem Industrieverband vergebenes Siegel für Kleb- und Dichtstoffe verwendet wird. Es hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob dem im Streitfall angesprochenen Verkehrskreis die vorgenannten Siegel und deren Vergabevoraussetzungen bekannt sind. Die Würdigung des Berufungsgerichts wird danach von seinen Feststellungen nicht getragen.

cc) Die Annahme des Berufungsgerichts, von einer Änderung des Verkehrsverständnisses sei mit Blick auf die Einfügung der Regelungen zur Gewährleistungsmarke in die Unionsmarkenverordnung und das Markengesetz auszugehen, ist erfahrungswidrig.

Es ist zwar anerkannt, dass die Verkehrsauffassung durch gesetzliche Vorschriften beeinflusst werden kann, wenn etwa der Inhalt von Bezeichnungen gesetzlich festgelegt ist ("geläuterte Verkehrsauffassung", vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 2009 - I ZR 220/06, GRUR 2009, 970 Rn. 25 = WRP 2009, 1095 - Versicherungsberater, mwN). Allerdings kann nicht davon ausgegangen werden, dass bereits infolge der Gesetzgebungsverfahren auf europäischer oder nationaler Ebene oder in der seit dem Inkrafttreten der Vorschriften vergangenen, relativ kurzen Zeit das neu eingeführte Rechtsinstitut der Gewährleistungsmarke die Verkehrsanschauung von Gütesiegeln in so maßgeblich ändernder Weise geprägt hat. Die in Art. 74a ff. der Verordnung (EU) 2015/2424 vom 16. Dezember 2015 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 über die Gemeinschaftsmarke enthaltenen Vorschriften über die Unionsgewährleistungsmarke sind nach Art. 4 Abs. 2 dieser Verordnung seit dem 1. Oktober 2017 anwendbar. In das Markengesetz sind die Vorschriften der §§ 106a ff. über die Gewährleistungsmarke durch das Markenrechtsmodernisierungsgesetz erst mit Wirkung vom 14. Januar 2019 eingefügt worden.

d) Die Revision greift weiter mit Erfolg die Beurteilung des Berufungsgerichts an, eine Irreführung liege nicht mehr vor, weil die Prüfkriterien jedenfalls nach dem Stand im Zeitpunkt seiner Entscheidung nach der vorgelegten Markensatzung außer der Etikettierung auch die Qualität der Erzeugnisse beträfen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist durch das nachträgliche Verhalten des Beklagten die - im Streitfall zu unterstellende (s. Rn. 12 [II 2 b]) - Wiederholungsgefahr nicht entfallen.

aa) Die durch eine Verletzungshandlung begründete Wiederholungsgefahr entfällt grundsätzlich nur dann, wenn der Schuldner eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt, ein rechtskräftiger Unterlassungstitel in der Hauptsache ergangen ist oder nach Erlass eines Verbotstitels im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine Abschlusserklärung erfolgt (Bornkamm in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO § 8 Rn. 1.48 f., 1.57; Achilles in Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 8. Aufl., Kap. 1 Rn. 15; Kessen in Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl., Kap. 7 Rn. 6, 14, 15, jeweils mwN). Bloße nachträgliche Verhaltensänderungen führen nicht zum Entfallen der Wiederholungsgefahr, solange nicht jede Wahrscheinlichkeit für eine Wiederaufnahme ähnlicher Tätigkeiten beseitigt ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 226/13, GRUR 2016, 88 Rn. 51 = WRP 2016, 35 - Deltamethrin I; Urteil vom 12. Juli 2018 - I ZR 74/17, GRUR 2019, 173 Rn. 31 = WRP 2019, 197 - Combit/commit, jeweils mwN).



bb) Die erst im Berufungsverfahren vorgelegte Satzung für die erst im Berufungsverfahren angemeldete und noch nicht eingetragene Unionsgewährleistungsmarke konnte im Zeitpunkt der beanstandeten Verletzungshandlung für die Siegelvergabe durch den Beklagten nicht maßgeblich sein. Es handelt sich hierbei um ein nachträgliches tatsächliches Verhalten, das die seinerzeit (unterstelltermaßen) begründete Wiederholungsgefahr nicht entfallen lässt.

III.

Danach ist das angegriffene Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

IV.

Für die wiedereröffnete Berufungsinstanz weist der Senat auf Folgendes hin:

1. Das Berufungsgericht wird zu prüfen haben, ob die Bezeichnung des beanstandeten Zeichens als Gütesiegel im April 2016 irreführend war. Als zur Täuschung geeignete Angabe über die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 Nr. 1 UWG kommt die Bezeichnung eines Siegels als Gütesiegel in Betracht.

2. Nach den Bestimmungen im Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG, die § 5 UWG als Spezialregelungen für geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern vorgehen, sind die Verwendung von Gütezeichen, Qualitätskennzeichen oder Ähnlichem ohne die erforderliche Genehmigung (Nr. 2) sowie die unwahre Angabe, eine Ware oder Dienstleistung sei von einer öffentlichen oder privaten Stelle bestätigt, gebilligt oder genehmigt worden oder die unwahre Angabe, den Bedingungen für die Bestätigung, Billigung oder Genehmigung werde entsprochen (Nr. 4), stets unzulässige geschäftliche Handlungen (vgl. Großkomm.UWG/Lindacher, 2. Aufl., § 5 Rn. 441). Im Streitfall sind diese Regelungen nicht einschlägig, weil nicht die Verwendung des Gütezeichens für ein bestimmtes Produkt angegriffen ist, sondern die Bezeichnung als Gütezeichen durch den Beklagten oder auf Veranlassung des Beklagten als verleihende Stelle selbst.

3. Eine geschäftliche Handlung ist im Sinne von § 5 Abs. 1 UWG irreführend, wenn das Verständnis, das sie bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt (vgl. Rn. 10 [II 2 a]).




a) Ein Gütesiegel oder Prüfzeichen wird vom Verkehr dahingehend verstanden, dass ein neutraler Dritter mit entsprechender Kompetenz die damit versehene Ware nach objektiven und aussagekräftigen Kriterien auf die Erfüllung von Mindestanforderungen geprüft hat. Ein solches Zeichen bietet aus der Sicht des Verkehrs die Gewähr, dass ein mit ihm gekennzeichnetes Produkt bestimmte, für seine Güte und Brauchbarkeit als wesentlich angesehene Eigenschaften aufweist (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2016 - I ZR 26/15, GRUR 2016, 1076 Rn. 39 = WRP 2016, 1221 - LGA tested; Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO § 5 Rn. 1.167; MünchKomm.UWG/Ruess aaO § 5 Rn. 204; Weidert in Harte/Henning, UWG, 4. Aufl., § 5 C Rn. 277). Um der mit dem Siegel verbundenen Güteerwartung des Verkehrs gerecht zu werden, die regelmäßig nicht auf den Zeitpunkt der Vornahme der Prüfung beschränkt ist, sondern von der Fortdauer der bescheinigten Produkteigenschaften ausgeht, ist eine kontinuierliche Überwachung der Verwendung des Gütesiegels durch die verleihende Stelle erforderlich.

b) Eine Irreführung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Fall 2 Nr. 1 UWG kommt danach in Betracht, wenn die Prüfeinrichtung nicht über eine hinreichende Neutralität verfügt. Bezugspunkte der Neutralität sind zum einen die Vornahme der Qualitätsprüfung und zum anderen die Vergabe- und Überwachungspraxis.

Soweit die das Siegel verleihende Stelle die Qualitätsprüfung von einer externen Einrichtung durchführen lässt, kommt es insoweit auf die Neutralität der letzteren an. Das Berufungsgericht wird zu prüfen haben, ob das vom Beklagten beauftragte Institut ein etwaiges Prüfungsprogramm neutral durchführt.

Auch die Vergabe des Siegels durch die verleihende Stelle und die fortdauernde Überwachung der Siegelnutzung müssen neutral erfolgen (vgl. Großkomm.UWG/Lindacher aaO § 5 Rn. 442 aE). Der Frage, ob der Beklagte das beanstandete Gütesiegel ausschließlich an seine Mitglieder vergibt, kommt - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - in diesem Zusammenhang für die Beurteilung einer lauterkeitsrechtlichen Irreführung keine ausschlaggebende Bedeutung zu.

Die Zahlung einer angemessenen Gebühr für die Durchführung der Prüfung oder die Verleihung des Siegels steht der Neutralität der Prüfeinrichtung nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 4. Oktober 1990 - I ZR 39/89, GRUR 1991, 550, 551 f. [juris Rn. 9] = WRP 1991, 159 - Zaunlasur; Großkomm.UWG/Lindacher aaO § 5 Rn. 442; MünchKomm.UWG/Ruess aaO § 5 Rn. 204; Weidert in Harte/Henning aaO § 5 C Rn. 287; aA OLG Frankfurt, GRUR 1994, 523 [juris Rn. 4]).

c) Irreführend ist die Verwendung eines Gütesiegels, dessen Verleihung keine oder keine kompetente und an objektiven und aussagekräftigen Kriterien orientierte Prüfung vorausgegangen ist.



aa) Die Bestimmung des Verfahrens und der Prüfkriterien liegt grundsätzlich in der autonomen Entscheidung der vergebenden Stelle (vgl. Großkomm.UWG/Lindacher aaO § 5 Rn. 445). Dabei wird es die Findung geeigneter Verfahren und Prüfkriterien begünstigen, wenn bei der Aufstellung des Prüfkonzepts die von der Gütesicherung betroffenen Verbände der anbietenden Wirtschaft und der Verbraucher oder Anwender sowie Verbände des Prüfwesens, betroffene staatliche Stellen und gegebenenfalls sonstige fachkundige Institutionen beteiligt werden (vgl. Nr. 2.5 Unterpunkt 2 der Grundsätze für Gütezeichen des RAL Deutschen Instituts für Gütesicherung und Kennzeichnung e.V.). Zwingende Voraussetzung für die Festlegung geeigneter Kriterien ist dies jedoch nicht. Es können auch auf andere Weise - etwa unter Bezugnahme auf anerkannte technische Standards oder Normierungen der betroffenen Produktsparte - im Einzelfall sachgerechte Kriterien festgelegt werden (aA - für eine strenge Orientierung an den RAL-Grundsätzen - noch BGH, Urteil vom 11. Oktober 1990 - I ZR 10/89, GRUR 1991, 552, 553 f. [juris Rn. 23 f.] = WRP 1991, 163 - TÜV-Prüfzeichen sowie [zum Eintragungshindernis der Täuschungsgefahr gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 4 WZG] BPatGE 28, 139, 143 und diesem folgend Weidert in Harte/Henning aaO § 5 C Rn. 285). Dies wird das Berufungsgericht zu prüfen haben.

bb) Die Beurteilung der Frage, ob der Verleihung eines Gütesiegels eine kompetente und an objektiven und aussagekräftigen Kriterien orientierte Prüfung vorausgegangen ist, erfordert die Publizität des Prüfprogramms. Die angewandten Verfahren und Maßstäbe müssen allgemein zugänglich sein (vgl. Großkomm.UWG/Lindacher aaO § 5 Rn. 439; Weidert in Harte/Henning aaO § 5 C Rn. 284; zur Informationspflicht gemäß § 5a Abs. 2 UWG im Falle eines Produkttests vgl. auch BGH, GRUR 2016, 1076 Rn. 40 f. - LGA tested). Auch insoweit fehlt es bisher an Feststellungen des Berufungsgerichts.

d) Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen einer Irreführung trägt die Klägerin. Soweit es sich um ihrer Wahrnehmung entzogene Umstände aus dem Geschäftsbereich des Beklagten handelt, zu denen dieser ohne Weiteres vortragen kann, kommt eine sekundäre Darlegungslast des Beklagten in Betracht.

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