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Landgericht Köln Urteil vom 30.10.2019 - 84 O 128/19 - Irreführende Rabattwerbung für ärztliche Leistung

LG Köln v. 30.10.2019:


Das Landgericht Köln (Urteil vom 30.10.2019 - 84 O 128/19) hat entschieden:

   Die Werbung mit einem auf eine ärztliche Leistung anrechenbaren Rabatt ist irreführend, wenn der Rabattbetrag nicht den ganzen Endpreis darstellt. spendieren lediglich einen Teil davon ausmacht.




Siehe auch
Rabattaktionen - Sonderpreise - Sonderaktionen - Gutscheine - Bonussysteme - Zugaben
und
Werbemaßnahmen von Ärzten, Zahnärzten, Kliniken und Heilpraktikern


Tenor:


  I.  Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, und für den Fall, dass dies nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen,

wie nachstehend wiedergegeben gegenüber Verbrauchern für eine Faltenreduktion zu werben:

   [Es folgt die Abbildung mit u.a. folgendem Text:

   "Wertgutschein über 499 € anrechenbar auf Faltenreduktion an einer Zone nach Wahl für 1 Person"]

  II.  Die Beklagten werden verurteilt, wie Gesamtschuldner an die Klägerin 299,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.07.2019 zu zahlen.

  III.  Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.

  IV.  Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Diese beträgt hinsichtlich der Unterlassung 5.000,00 € und im Übrigen 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand:


Die Klägerin ist die Wettbewerbszentrale und unstreitig auch im vorliegenden Rechtsstreit aktivlegitimiert im Sinne des § 8 Abs.3 Nr. 2 UWG.

Die Beklagten sind Ärzte und betreiben eine Praxis für Ästhetische Medizin. Die Beklagten warben auf der Internetplattform groupon.de, einer Plattform für Rabattgutscheine, für eine Faltenreduktion wie im Unterlassungstenor zu I. wiedergegeben.

Die Klägerin hält diese Werbung für wettbewerbswidrig.

Der angesprochene Verkehr müsse diese Werbung so verstehen, dass er bei den Beklagten eine Faltenreduktionsbehandlung an einer Zone seiner Wahl zum Festpreis von 499,00 € erhalte. Die Auslobung eines Pauschalpreises für eine Faltenkorrektur verstoße gegen §§ 3, 3a UWG i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 GOÄ, die eine Gebührenberechnung innerhalb des Gebührenrahmens unter Berücksichtigung der Schwierigkeiten und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände der Ausführung im Einzelfall vorschreibe. Die Werbung sei aber auch dann unzulässig, wenn die Beklagten entsprechend § 5 GOÄ abrechneten. Sie wäre irreführend im Sinne der §§ 3, 5 UWG. Denn der Verbraucher müsse angesichts der Gestaltung der Werbung meinen, dass er die Behandlung eben pauschal für 499,00 € erhalte.

Die Klägerin hat die Beklagten mit Schreiben vom 28.03.2019 erfolglos abgemahnt.

Die Klägerin beantragt,

   wie erkannt.

Die Beklagten beantragen,

   die Klage abzuweisen.

Sie halten den Unterlassungsantrag der Klägerin für zu unbestimmt, da nicht ersichtlich sei, aus welchem rechtlichen Gesichtspunkt die Werbung verboten werden solle. In der Sache verteidigen die Beklagten ihre Werbung. Ein Verstoß gegen §§ 3, 3a UWG i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 GOÄ liege nicht vor, da die Beklagten entsprechend der Regelung des § 5 GOÄ abrechnen würden, was von der Klägerin nicht bestritten worden ist. Eine Irreführung gemäß §§ 3, 5 Abs. 1 UWG sei nicht zu besorgen, das nicht der Eindruck eines unzulässigen Pauschalpreises erweckt werde. Dies ergebe sich insbesondere aus der Werbung, in der es heiße:

   "Wertgutschein über 499 € anrechenbar auf Faltenreduktion an einer Zone nach Wahl für 1 Person".

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.





Entscheidungsgründe:


Die Klage hat Erfolg.

I.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Unterlassungsantrag der Klägerin nicht zu unbestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (vgl. BGH, Urteil vom 02.03.2017 - I ZR 194/15, GRUR 2017, 537 - Konsumgetreide, mwN).



Der Klageantrag der Klägerin ist vorliegend auf die konkrete Verletzungsform bezogen. In einem solchen Fall bildet im Grundsatz diese den Streitgegenstand, unabhängig davon, ob die Klägerin sich auf einzelne Rechtsverletzungen gestützt hat.

Einem Kläger ist es allerdings nicht verwehrt, in Fällen, in denen er eine konkrete Werbeanzeige unter verschiedenen Aspekten jeweils gesondert angreifen möchte, eben diese verschiedenen Aspekte im Wege der kumulativen Klagehäufung zu jeweils getrennten Klagezielen zu machen. In diesem Fall muss er die einzelnen Beanstandungen in verschiedenen Klageanträgen umschreiben, wobei er zur Verdeutlichung jeweils auf die konkrete Verletzungsform Bezug nehmen kann ("wie geschehen in ..."). In diesem Fall nötigt der Kläger das Gericht, die beanstandete Anzeige unter jedem der geltend gemachten Gesichtspunkte zu prüfen. Naturgemäß muss der Kläger einen Teil der Kosten tragen, wenn er nicht mit allen Klageanträgen Erfolg hat (vgl. BGH, Urteil vom 13.09.2012 - I ZR 230/11, BGHZ 194, 314 - Biomineralwasser).

Diesen Weg hat die Klägerin vorliegend nicht gewählt, sondern einen Unterlassungsantrag geltend gemacht, der sich (nur) auf eine konkrete und zum Gegenstand des Antrags gemachte konkrete Verletzungsform bezieht. Dies führt nicht zur Unbestimmtheit. Zwar mag der Wortlaut des Antrages - wie die Beklagten rügen - für sich betrachtet nicht hinreichend bestimmt sein. Allerdings macht die Klägerin im Rahmen der Klagebegründung deutlich, dass sie mit ihrer konkret zum Gegenstand des Antrages gemachten Werbung die Unterlassung erreichen möchte. Die Auslegung des Unterlassungsantrags unter Berücksichtigung der Antragsbegründung zeigt damit ohne jeden Zweifel auf, was Gegenstand der Unterlassung sein soll. Die Klägerin überlässt es in zulässiger Weise dem Gericht, aus welchem rechtlichen Gesichtspunkt es den Unterlassungsantrag für begründet erachtet. Die Begründung des Unterlassungsgebots muss weder in den Antrag noch in den Unterlassungstenor aufgenommen werden, wenn die konkrete Verletzungsform zum Gegenstand gemacht worden ist. Der Inhalt des Verbotes ergibt sich in dieser Konstellation aus den Entscheidungsgründen des Gerichtes.

II.

Ein Verstoß gegen §§ 3, 3a UWG i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 GOÄ liegt nicht vor.

Die Klägerin hat den Vortrag der Beklagten, dass sie in Einklang mit § 5 GOÄ abrechnen und keinen Festpreis anbieten, nicht in Abrede gestellt.

III.

Die angegriffene Werbung stellt jedoch eine irreführende geschäftliche Handlung im Sinne von §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 2 UWG dar.




Eine geschäftliche Handlung ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 2 UWG irreführend, wenn sie zur Täuschung geeignete Angaben über das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils, den Preis oder die Art und Weise, in der er berechnet wird, enthält. Für die Beurteilung, ob eine geschäftliche Handlung irreführend ist, kommt es darauf an, welchen Gesamteindruck sie bei den maßgeblichen Verkehrskreisen hervorruft. Sie ist irreführend, wenn das Verständnis, das sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen erweckt, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt (vgl. BGH, Urteil vom 05.02.2015 - I ZR 136/13, GRUR 2015, 906 - TIP der Woche, mwN).

Die Frage, ob eine Angabe irreführend ist, richtet sich nach dem Verständnis des situationsadäquat aufmerksamen, durchschnittlich informierten und verständigen Mitglied des angesprochenen Verkehrskreises (BGH, Urteil vom 02.10.2003 - I ZR 150/01, BGHZ 156, 250 - Marktführerschaft; Urteil vom 07.07.2005 - I ZR 253/02, GRUR 2005, 877 - Werbung mit Testergebnis). Dabei muss sich die Irreführungsgefahr nicht bei der Gesamtheit des Verkehrs realisieren. Ausreichende, aber zugleich notwendige Voraussetzung ist vielmehr der Eintritt der Gefahr der Irreführung bei einem erheblichen Teil des von der Werbeaussage angesprochenen Verkehrskreises. Das ist im Wege einer Prognoseentscheidung anhand der normativ zu bewertenden Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 08.03.2012 - I ZR 202/10, GRUR 2012, 1053 - Marktführer Sport, mwN). Eine Aussage kann objektiv richtig sein, aber subjektiv eine falsche Vorstellung der angesprochenen Verkehrskreise hervorrufen (vgl. Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Auflage 2019, § 5 Rn. 1.57).

Adressaten der streitgegenständlichen Werbung sind (potentielle) Kunden von Dienstleistungen im Bereich der ästhetischen Medizin und somit die Verbraucher im Allgemeinen. Zu diesen Verkehrskreisen gehört auch der Kammervorsitzende, mag er auch männlichen Geschlechts sein, so dass dieser die Verkehrsauffassung selbst beurteilen kann (vgl. BGH, GRUR 2012, 1053 - Marktführer Sport).

Die Aufmerksamkeit, die ein Verbraucher der Situation entgegen bringt, ist nicht stets die Gleiche. Vielmehr unterscheidet sie sich dadurch, ob der Verbraucher lediglich eine Entscheidung für den täglichen Bedarf trifft, oder ob die Entscheidung größeres wirtschaftliches Gewicht hat und daher die Werbung mit größerer Aufmerksamkeit betrachtet wird (vgl. Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, aaO, § 5 Rn. 1.79, mwN).



Nach diesen Grundsätzen ist die Werbung der Beklagten irreführend, da der angesprochene Verkehr jedenfalls zu einem erheblichen Teil die Werbung dahin versteht, dass die Beklagten die beworbene Behandlung zum Preis von pauschal 499,00 € durchführen, obwohl sie unstreitig in Einklang mit § 5 GOÄ abrechnen und der Verbraucher daher ggf. über den Wertgutschein von 499,00 € hinaus noch eine "Zuzahlung" erbringen muss. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Verbraucher sich genau überlegen wird, ob er eine Faltenreduktionsbehandlung durchführen lassen möchte und daher die Werbung der Beklagten mit größerer Aufmerksamkeit betrachten wird.

Jedenfalls wesentliche Teile des Verkehrs erwarten besondere Preisvorteile, insbesondere Rabattangebote zu besonders günstigen Konditionen, wenn sie die Plattform groupon.de direkt aufsuchen und nach Dienstleistungen aus dem Bereich der ästhetischen Medizin suchen oder - wie die Beklagten vortragen - über die Suchworte "N H Faltenreduktion" oder "Faltenreduktion Bergisch Gladbach" auf das streitgegenständliche Angebot der Beklagten stoßen. Wenn dort dann ein Wertgutschein über 499,00 € für die beworbene Faltenreduktion ausgelobt wird, wird der Verbraucher davon ausgehen, dass er diese Behandlung zum Festpreis von 499,00 € erhält. Wie die Kammer bereits in ihrem Hinweis vom 17.09.2019 ausgeführt hat, ändert hieran auch die Verwendung des Begriffs "anrechenbar" nichts. Warum soll ein von der Werbung angesprochener potentieller Interessent bei der Plattform groupon.de einen Wertgutschein von 499,00 € erwerben, wenn er diesen lediglich z.B. auf ein Honorar von 1.000,00 € für eine Faltenreduktion anrechnen lassen kann? Worin liegt dann der finanzielle Vorteil für den Verbraucher, den dieser bei einer Plattform wie groupon.de selbstverständlich erwartet? Der Verbraucher wird das Wort "anrechenbar" daher im Sinne von "eintauschbar" verstehen.

IV.

Der Anspruch auf Zahlung der Abmahnkostenpauschale folgt aus § 12 Abs. 2 Satz 2 UWG. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.

Streitwert: 22.000,00 €

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