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Landgericht Frankfurt (Oder) Urteil vom 18.06.2020 - 31 O 59/19 - Unwirksame Einwilligung in E-Mail-Informationen über Inkontinenzprodukte

LG Frankfurt (Oder) v. 18.06.2020: Unwirksame Einwilligung in E-Mail-Informationen über Inkontinenzprodukte


Das Landgericht Frankfurt (Oder) (Urteil vom 18.06.2020 - 31 O 59/19) hat entschieden:

  1.  Nach § 7 Abs. 1 S. 1 HWG ist es im Anwendungsbereich des HWG grundsätzlich unzulässig, Zuwendungen oder sonstige Waren oder Leistungen anzubieten. Bei der Eröffnung der Teilnahmemöglichkeit an einem Gewinnspiel handelt es sich um eine solche Zuwendung. Die Regelung des § 7 HWG erfasst jeden Vorteil, auch die Teilnahmemöglichkeit an Gewinnspielen mit geringer Gewinnchance (OLG Frankfurt, Urteil vom 10.07.2014, 6 U 32/14, Rn 6 bei juris). Überdies ist bei der Veranstaltung von Gewinnspielen nicht nur die Möglichkeit der Teilnahme an dem Gewinnspiel, sondern auch der dem Gewinner versprochene Gewinn als Werbegabe anzusehen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 01.02.2001, 4 U 131/99, Rn. 68 bei juris).

  2.  Lässt sich der Werbende die Einwilligung zum Empfang von „Informationen“ über Inkontinenzprodukte durch die Bekanntgabe der E-Mail-Adresse für die Teilnahme an einem Gewinnspiel erteilen, die textlich und räumlich vom Ankreuzfeld für dem Newsletterbezug abgesetzt ist, liegt keine wirksam erteilte informierte Einwilligungserklärung vor.




Siehe auch
Einwilligungserklärungen und Zustimmungsklauseln zur Verwertung der Personendaten für Werbung
und
Arzneimittelwerbung - Werbung für Medikamente, Heilmittel und medizinische Behandlungen


Tatbestand:


Die Parteien streiten um wettbewerbliche Unterlassungsansprüche.

Der Kläger ist ein Verband zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte handelt mit Gegenständen des medizinischen Bereichs.

Die Beklagte warb im Internet für die von ihr vertriebenen Produkte "...-Inkontinenzhilfsmittel". Hierbei wies sie auf eine von ihr durchgeführte Verlosung einer Fußball-Grillparty hin und auf den bei Gebrauch der Inkontinenzhilfsmittel erreichbaren Nutzen für gemeinsame Fussball-Erlebnisse mit Freunden. Wegen der konkreten Gestaltung der Werbung wird auf die Anlage zum Urteil Bezug genommen.

Um an der Verlosung teilnehmen zu können, musste der Interessent persönliche Angaben in ein Bildschirmformular eintragen, u.a. auch seine e-mail-Adresse. Unter den auszufüllenden Formularfeldern befanden sich zwei Kästchen, in denen der Interessent Häkchen setzen konnte. Das oberste Kästchen bezog sich auf eine "Datenbestätigung" und Teilnahme am Gewinnspiel, das untere Kästchen bezog sich auf ein Abonnement des Newsletters. Weiter unten im Formular folgte der Hinweis

   "Durch Angabe meiner E-Mail-Adresse erkläre ich mich damit einverstanden, dass die T ... mir regelmäßig Informationen per e-mail zuschickt".

Der Kläger mahnte die Beklagte unter dem 20.08.2019 ab, hierfür entstanden ihm Kosten von 299,60 €.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

  1.  die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der zukünftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Beklagten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr

  a.  ein Gewinnspiel anzukündigen und/oder durchzuführen, bei dem eine Grillparty im Wert von über 600,00 € zu gewinnen ist, wenn dies geschieht, wie mit der Anlage 1 wiedergegeben;

  b.  die Einwilligung eines Verbrauchers zur Übermittlung von e-mail-Werbung einzuholen, wenn dies geschieht wie in der Anlage 2 wiedergegeben;

  2.  die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von 299,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich seit dem 29.01.2020 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

   die Klage abzuweisen.





Entscheidungsgründe:


Die zulässige Klage ist wegen beider von dem Kläger beanstandeter Handlungen begründet.

1. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Unterlassung zu bezüglich der von der Beklagten mit einem Gewinnspiel verbundenen Werbung nach §§ 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2, 3, 3a UWG und § 7 Abs. 1 HWG.

a) Der Anwendungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes ist vorliegend eröffnet. Das Heilmittelwerbegesetz gilt für Produktwerbung in Abgrenzung zur Unternehmens- und Imagewerbung. Es kommt deshalb darauf an, ob bei der zu beurteilenden Werbung nach ihrem Gesamterscheinungsbild die Darstellung des Unternehmens oder die Anpreisung bestimmter oder bestimmbarer Produkte im Vordergrund steht; im letztgenannten Fall handelt es sich um produktbezogene Werbung. Hier ist die beanstandete Werbung schon deshalb produktbezogen, weil sie die Vorteile und den Nutzen von Inkontinenzhilfen als konkret benannter Produkte hervorhebt. Der Werbetext ist darauf angelegt, dem angesprochenen Kunden deutlich werden lassen, dass es schrecklich peinlich sein kann, wenn ihm vor aller Augen ein Malheur passiert, und der Kunde soll, wenn er ein solches Missgeschick vermeiden will, die beworbenen Produkte nutzen. Dieser Aussagekern der Werbung findet sich, unverblümt ausgedrückt, etwa in der Passage: "Kommt es noch zum entscheidenden Tor? Bewegungslose Stille. Nur Sie rutschen nervös auf der Couch umher. Das Match ist stark: Doch Ihre Blase ist schwach! Sie fürchten: Eine Verlängerung könnte das Fass zum Überlauf bringen. Dann kommt er, der ersehnte Treffer. Sie wollen aufspringen, jubeln, alle Anspannung abschütteln. Aber Sie wissen: Ein Malheur könnte die Folge sein ... Zeigen Sie Ihrer Blasenschwäche die rote Karte ... Inkontinenzhilfsmittel von ... ...". Über das Unternehmen der Beklagten selbst, etwa über ihre Leistungsfähigkeit oder Seriosität enthält die Werbung dagegen nichts. Sie betrifft damit gerade nicht allgemein das Unternehmen der Beklagten ohne Bezugnahme auf bestimmte von ihr angebotenen Produkte.



b) Die Anwendung von § 7 HWG ist vorliegend nicht ausgeschlossen, weil § 11 Abs. 1 Nr. 3 HWG eine für den vorliegenden Fall vorrangige Regelung abschließender Natur darstellen würde.

Das Heilmittelwerbegesetz, das dem Schutz der Verbraucher vor Fehlentscheidungen beim Arzneimittelgebrauch und vor wirtschaftlicher Übervorteilung dient, enthält in seinem § 11 Abs. 1 S. 1 einen Katalog von Werbemaßnahmen, die bei ihrer Anwendung gegenüber Personen, die nicht den Fachkreisen angehören, schon von ihrer Art her die durch das Heilmittelwerbegesetz geschützten Interessen beeinträchtigen. Darin erschöpft sich aber auch der Regelungsbereich des § 11 Abs. 1 S. 1 HWG. Deshalb ist in dem durch seinen § 1 geregelten sachlichen Anwendungsbereich des HWG jeweils noch zu prüfen, ob die betreffende Werbemaßnahme gegen eine andere im Gesetz enthaltene Reglementierung des Werbeverhaltens verstößt (BGH, Vorlagebeschluss vom 20.02.2020, I ZR 214/18; BGH, Urteil vom 12.12.2013, I ZR 83/12, Rn. 11 bei juris).

c) Nach § 7 Abs. 1 S. 1 HWG ist es im Anwendungsbereich des HWG grundsätzlich unzulässig, Zuwendungen oder sonstige Waren oder Leistungen anzubieten. Bei der Eröffnung der Teilnahmemöglichkeit an einem Gewinnspiel handelt es sich um eine solche Zuwendung. Die Regelung des § 7 HWG erfasst jeden Vorteil, auch die Teilnahmemöglichkeit an Gewinnspielen mit geringer Gewinnchance (OLG Frankfurt, Urteil vom 10.07.2014, 6 U 32/14, Rn 6 bei juris). Überdies ist bei der Veranstaltung von Gewinnspielen nicht nur die Möglichkeit der Teilnahme an dem Gewinnspiel, sondern auch der dem Gewinner versprochene Gewinn als Werbegabe anzusehen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 01.02.2001, 4 U 131/99, Rn. 68 bei juris). Damit steht zugleich fest, dass der Ausnahmefall des § 7 Abs. 1 Nr. 1 HWG vorliegend nicht eingreift.




d) Die für das Verbot einer Werbegabe wegen des Sinns und Zweck des § 7 HWG, eine unsachliche Beeinflussung des Beworbenen zu verhindern, erforderliche abstrakte Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung liegt ebenfalls vor. Hierfür genügt es, wenn der Empfänger einer Leistung nach seinem Horizont deren Verteilung in einen Zusammenhang stellt mit dem beworbenen Produkt (BGH, Urteil vom 21.06.1990, I ZR 240/88, Rn. 24 bei juris; BGH, Urteil vom 17.08.2011, I ZR 13/10, Rn. 15 bei juris). Auf einen solchen Zusammenhang ist die Werbung der Beklagten ausgerichtet. Der angesprochene Verbraucher soll die ausgelobte Leistung - eine Grillparty mit Freunden, möglichst zwecks gemeinsamem Fußballschauerlebnis - nutzen und unbeschwert genießen können, wenn er die von der Beklagten vertriebenen Produkte kauft und benutzt. Es wird dem angesprochenen Verbraucher ausgemalt, was er befürchten muss, wenn er ohne die Produkte der Beklagten an dem beschriebenen schönen Gruppenereignis teilnehmen will; letztlich soll er nach dem Werbetext die Möglichkeit haben, entweder die Inkontinenzhilfen zu benutzen, um einen unbeschwerten Abend erleben zu können, oder aber auf den schönen Abend mit Freunden verzichten zu müssen. Erst recht wird noch derjenige Interessent, der den Gewinn erzielt und einen solchen Grill-Fussballabend mit Freunden veranstalten will, dahin geleitet, die Produkte zu benutzen, denn nur dann kann er - so vermittelt es ihm der Werbetext - die Freude an dem Gewinn genießen.

An dieser Bewertung kann es nichts ändern, dass ein Interessent, der an dem Gewinnspiel teilnehmen will, dies auch kann, ohne die Werbung zuvor gelesen zu haben. Die abstrakte Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung wird dadurch nicht ausgeschlossen. Im Gegenteil legt schon die Lebenserfahrung nahe, dass jemand, der an einem in eine Werbung eingekleideten Gewinnspiel teilnehmen will, die Werbung auch zumindest zur Kenntnis nimmt.

e) Das in § 7 Abs. 1 S. 1 HWG geregelte grundsätzliche Verbot von Werbegaben stellt eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG dar, weil es dem Gesundheitsschutz von Verbrauchern dient, und durch die weitgehende Eindämmung der Wertreklame im Bereich der Heilmittel der abstrakten Gefahr begegnet werden soll, dass Verbraucher bei der Entscheidung darüber, ob und gegebenenfalls welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, durch die Aussicht auf Werbegaben unsachlich beeinflusst werden (BGH, Urteil vom 24.11.2016, I ZR 163/15 Rn. 27).

2. Dem Kläger steht auch der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu bezüglich des Vorgehens der Beklagten, die Einwilligung der Kunden in den Erhalt von e-mails zu erhalten.

Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG handelt unzulässig, wer im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber einem Marktteilnehmer unter Verwendung elektronischer Post wirbt, ohne dass ihm eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten erteilt ist. Dass eine solche vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten regelmäßig durch opt-in Verfahren abgesichert werden muss, zieht die Beklagte dabei selbst nicht in Zweifel. Die Art und Weise, wie sie in ihrer Werbung ein Einverständnis der Kunden mit dem "regelmäßigen Zuschicken von Informationen per e-mail" einholte, genügt hierfür indessen nicht.



Sowohl nach der räumlichen Einteilung der vom Kunden abzugebenden Erklärungen als auch nach dem jeweiligen Wortlaut der möglichen Erklärungen hatte der Kunde zwar die Möglichkeit, das Kästchen für den Erhalt eines Newsletters anzuklicken, oder eben auch nicht. Das Kästchen bezog sich aber nicht zugleich auf die "Informationen", die die Beklagte ausweislich ihres Internetauftritts ebenfalls per e-mail verschicken will. Der Text zum Einverständnis mit "Informationen" ist räumlich deutlich abgesetzt von den beiden Textteilen, vor die jeweils ein Kästchen gesetzt ist, indem sich zwischen diesem Passus und dem darüber stehenden (mit dem unteren Kästchen) ein Absatz findet, der deutlich größer ist als derjenige zwischen den Textteilen, vor die jeweils ein Kästchen gesetzt ist. Allein dadurch erweckt die Erteilung des Einverständnisses mit dem Erhalt von "Informationen" schon den Eindruck einer isoliert vom vorigen Text stehenden Regelung. Sodann lässt der von der Beklagten verwendete Wortlaut - einerseits Newsletter, andererseits Informationen - gerade nicht den Schluss zu, bei den von der Beklagten zu verschicken beabsichtigten e-mails müsse es sich jeweils inhaltlich um dasselbe handeln. Der unterschiedliche Wortlaut (Newsletter/Informationen) und die abgesetzte Stellung im Text besagen damit vielmehr, dass der Kunde alleine durch die (für die Teilnahme am Gewinnspiel erforderliche) Angabe der e-mail-Anschrift zugleich sein Einverständnis mit dem Erhalt von "Informationen" per e-mail erteilt. Daran vermag es auch nichts zu ändern, dass, wie die Beklagte geltend macht, ein Newsletter per e-mail übersandt wird und damit e-mail Werbung darstellt. Vorliegend geht es gerade nicht um die Art und Weise, wie die Beklagte das Einverständnis einholt mit der Übersendung von Newslettern, sondern um die Art und Weise, wie sie die Einwilligung in die per e-mail erfolgende Übersendung von "Informationen" einholt.

Die Einholung einer solchen, für § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG unzureichenden Einwilligung bedingt die Gefahr einer Irreführung, da der Verbraucher annehmen muss, er habe eine den gesetzlichen Vorgaben genügende Einwilligung abgegeben, und verstößt damit gegen §§ 3, 3a, 5 Abs. 1 Nr. 7, so dass dem Kläger der geltend gemachte Anspruch aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 zusteht.

3. Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten ergibt sich aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG.

4. Die prozessualen Nebenentscheidungen rechtfertigen sich aus §§ 91, 709 ZPO. Bei der Bemessung des Gegenstandswerts war zu berücksichtigen, dass der Kläger die von der Beklagten vorgenommene Werbung wegen zwei unterschiedlichen Wettbewerbsverstöße beanstandet und mithin auch zwei voneinander getrennt zu bewertende Streitgegenstände vorliegen.

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