Webshoprecht.de



A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

BGH Beschluss vom 23.06.2020 - KVR 69/19 -

BGH v. 23.06.2020: Vorläufige Bestätigung des Vorwurfs der missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch Facebook


Der BGH (Beschluss vom 23.06.2020 - KVR 69/19) hat entschieden:

  1.  Die Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung setzt bei einem Konditionenmissbrauch nach § 19 Abs. 1 GWB nicht stets einen Kausalzusammenhang zwischen der Marktbeherrschung und dem missbilligten Verhalten (Verhaltenskausalität) voraus. Ein kausaler Zusammenhang zwischen der Marktbeherrschung und dem Marktergebnis (Ergebniskausalität) kann genügen, wenn aufgrund der besonderen Marktbedingungen das Verhalten des marktbeherrschenden Unternehmens zu Marktergebnissen führt, die bei funktionierendem Wettbewerb nicht zu erwarten wären, und zudem das beanstandete Verhalten nicht nur eine Ausbeutung darstellt, sondern gleichzeitig auch geeignet ist, den Wettbewerb zu behindern.

  2.  Ein solcher kausaler Zusammenhang zwischen Marktbeherrschung und Marktergebnis kann bei zweiseitigen Plattformmärkten insbesondere dann gegeben sein, wenn die Ausbeutung auf der einen Marktseite durch den Intermediär zugleich geeignet ist, den Wettbewerb auf dem beherrschten Markt sowie auf der anderen Marktseite zu beeinträchtigen.

  3.  Bedingt sich der marktbeherrschende Betreiber eines sozialen Netzwerks in den Nutzungsbedingungen aus, dem Nutzer ein "personalisiertes Erlebnis" bereitzustellen, für dessen Inhalt personenbezogene Daten des Nutzers verwendet werden, die durch die Erfassung des Aufrufs von Internetseiten außerhalb des sozialen Netzwerks gewonnen werden, kann hierin die missbräuchliche Ausnutzung seiner marktbeherrschenden Stellung liegen.




Siehe auch
Facebook
und
Stichwörter zum Thema Störer- und Betreiberhaftung


Gründe:


I.

Die Betroffene zu 1 ist die Muttergesellschaft des Facebook-Konzerns, die in Irland ansässige Betroffene zu 2 betreibt in Europa das internetbasierte Kommunikationsnetzwerk Facebook, die Betroffene zu 3 ist die deutsche Tochtergesellschaft (alle zusammen im Folgenden: Facebook). Weitere Tochtergesellschaften des Facebook-Konzerns bieten weitere Internetdienste wie insbesondere Instagram, WhatsApp, Masquerade und Oculus an.

Das Facebook-Netzwerk bietet privaten Nutzern die Nutzung einer Plattform mit einer Reihe von Funktionen an, über die sie mit Dritten, insbesondere ihnen nahestehenden Personen (Freunden), kommunizieren, ihnen Texte, Bilder und Filme zugänglich machen (teilen) und Interessengruppen gründen oder solchen beitreten können. Hierzu bedarf es einer Anmeldung, mit der der Nutzer ein persönliches Facebook-Konto und ein Nutzerprofil anlegt, in dem er Angaben zu seiner Person und weiteren persönlichen Umständen macht. Ferner kann er seine Interessen angeben und ein Profilfoto einstellen. Auf dieser Grundlage stellt Facebook dem Nutzer persönliche Facebook-Seiten zur Verfügung. Auf der jeweiligen Startseite werden in einem standardisierten Format (News Feed) aktuelle Nachrichten (Posts) von Freunden oder Dritten angezeigt, deren Mitteilungen der Nutzer abonniert hat. Über "Statusmeldungen" kann der Nutzer eigene Beiträge verbreiten.

Das soziale Netzwerk wird durch Online-Werbung finanziert. Werbepartnern Facebooks wird ein Werbeanzeigenmanager zur Verfügung gestellt, der die passende Zielgruppe näher bestimmen und die Werbung auf den Facebook-Seiten platzieren kann. Über eine Schnittstelle (Facebook Pixel) kann ein Unternehmen dabei seine eigene Kundenliste in verschlüsselter Form an Facebook übermitteln. Mit verschiedenen weiteren bereitgestellten Programmierschnittstellen (Facebook Business Tools) ermöglicht es Facebook Unternehmen, eigene Internetseiten oder Anwendungen für Mobilgeräte (Apps) in vielfältiger Form mit Facebook-Seiten zu verbinden. So kann ein Facebook-Nutzer über Funktionserweiterungen (Plugins) von Unternehmensseiten sein Interesse an diesen Seiten oder bestimmten Inhalten bekunden ("Gefällt-mir-Button" oder "Teilen-Button") oder Kommentare abgeben; entsprechende Beiträge erscheinen sodann im News Feed seiner Facebook-Freunde. Über ein Facebook-Login kann sich ein Facebook-Nutzer unter allen gängigen Betriebssystemen auf Internetseiten Dritter mit seinen registrierten Nutzerdaten einwählen. Über von Facebook angebotene Mess- und Analysefunktionen und -programme kann der Erfolg der Werbung eines Unternehmens gemessen und analysiert werden. Dabei werden nicht nur Daten über das Verhalten der Nutzer auf Facebook-Seiten erfasst, sondern, etwa über Facebook Pixel, auch solche über den Aufruf von Drittseiten durch Facebook-Nutzer. Über die analytischen und statistischen Funktionen von Facebook Analytics erhalten Unternehmen aggregierte Daten darüber, wie Nutzer über verschiedene Geräte, Plattformen und Internetseiten mit den von ihnen angebotenen Diensten interagieren.

Die Einrichtung des Facebook-Kontos setzt voraus, dass der Nutzer den Nutzungsbedingungen von Facebook zustimmt. Diese sehen unter anderem vor, dass Facebook jedem Nutzer ein "personalisiertes Erlebnis" bereitstellt, für das seine Facebook zur Verfügung stehenden personenbezogenen Daten - einschließlich solcher, die sich aus der Nutzung anderer konzerneigener Dienste sowie aus sonstigen Internetaktivitäten des Nutzers außerhalb von facebook.com ergeben - verwendet werden. Die Nutzungsbedingungen nehmen auf eine Datenrichtlinie Bezug, in der unter anderem erläutert wird, dass die vom Nutzer bereitgestellten Informationen und Geräteinformationen für alle benutzten "Facebook-Produkte", einschließlich der über Facebook Business Tools übersandten Informationen der "Facebook-Partner", erfasst und miteinander verbunden werden. Eine Facebook-Cookie-Richtlinie, auf die wiederum die Datenrichtlinie verweist, enthält die Mitteilung, dass Facebook seitenbezogene Textinformationen (Cookies) auf dem Nutzergerät platziert und so Informationen erhalten kann, die dort gespeichert werden, wenn der Nutzer Facebook-Seiten oder Internetseiten von anderen Unternehmen, die Facebook Business Tools nutzen, aufruft, und zwar ohne dass eine weitere Handlung des Nutzers erforderlich wäre.

Das Bundeskartellamt sieht in der Verwendung der Nutzungsbedingungen einschließlich der in Bezug genommen Richtlinien und dem danach erlaubten Erfassen, Verwenden und Verknüpfen von außerhalb von Facebook-Seiten generierten Daten unter Berücksichtigung der Wertungen des Datenschutzrechts nach der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung - DSGVO) einen Verstoß gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot gemäß § 19 Abs. 1 GWB.

Mit Beschluss vom 6. Februar 2019 hat das Bundeskartellamt Facebook im Wesentlichen untersagt, Nutzungsbedingungen zu verwenden, nach denen die Nutzung des sozialen Netzwerks Facebook durch in Deutschland ansässige private Nutzer davon abhängig ist, dass die Betreibergesellschaft von facebook.com nutzer- und gerätebezogene Daten, die bei der Nutzung der Dienste WhatsApp, Oculus und Masquerade, bei der Nutzung des Dienstes Instagram sowie beim Aufruf von Internetseiten Dritter über eingebundene Schnittstellen erhoben und gespeichert werden, ohne Einwilligung der Nutzer mit den bei der Nutzung von facebook.com erhobenen und gespeicherten Daten dieser Nutzer verknüpfen und verwenden kann. Ferner sind Facebook die entsprechende Nutzung der genannten Daten verboten sowie Maßnahmen zur Abstellung des Verstoßes aufgegeben worden.

Facebook hat gegen den Beschluss des Bundeskartellamts Beschwerde eingelegt. Das Beschwerdegericht hat auf Antrag Facebooks gemäß § 65 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Satz 1 Nr. 2 GWB die aufschiebende Wirkung der Beschwerde angeordnet (OLG Düsseldorf, WRP 2019, 1333). Dagegen wendet sich das Bundeskartellamt mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung. Für die Annahme eines Ausbeutungsmissbrauchs nach § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB fehlten Feststellungen des Amtes, dass die Geschäftsbedingungen von denjenigen abwichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergäben. Ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von § 19 Abs. 1 GWB liege nicht vor. Der Datenbezug aus Drittquellen sei keine wettbewerbsschädliche Ausbeutung der Nutzer. Diesen bleibe es unbenommen, die in Rede stehenden Daten beliebig oft Dritten auf dem Markt für soziale Netzwerke zur Verfügung zu stellen. Mangels Feststellungen zum Marktwert der "Mehrdaten" könne eine Ausbeutung auch nicht unter dem Aspekt einer übermäßigen Preisgabe von Daten bejaht werden. Auch ein Kontrollverlust des Nutzers liege nicht vor. Die Datenverarbeitung erfolge mit seinem Wissen und Wollen. Unkenntnis über den Inhalt der Nutzungsbedingungen beruhe nicht auf der Marktmacht von Facebook, sondern bei lebensnaher Würdigung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf Gleichgültigkeit oder Bequemlichkeit der Nutzer. Es könne dahinstehen, ob die von Facebook verwendeten Nutzungsbedingungen und die darauf basierende Datenverarbeitung den Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung standhielten. Denn der notwendige Kausalzusammenhang zwischen der vom Amt bejahten marktbeherrschenden Stellung von Facebook und dem angenommenen Verstoß gegen Datenschutzrecht lasse sich nicht feststellen. Der Kausalitätsnachweis erfordere, dass erst die Marktmacht es dem marktbeherrschenden Unternehmen ermögliche, die als missbräuchlich zu beurteilenden Geschäftsbedingungen gegen seinen Vertragspartner durchzusetzen. Insoweit genüge - anders als beim Behinderungsmissbrauch - keine Ergebniskausalität. Ein Behinderungsmissbrauch zum Nachteil der Wettbewerber liege ebenso wenig vor.

III.

Dies hält der Nachprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht stand. Rechtsfehlerhaft hat das Beschwerdegericht die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung bejaht.

1. "Ernstliche Zweifel" im Sinne des § 65 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Satz 1 Nr. 2 GWB liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die angefochtene Verfügung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1516/93, BVerfGE 94, 166, 194 = NVwZ 1996, 678, 680; BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2020 - 1 C 19.19, juris Rn. 35). Die angefochtene Verfügung wird in dem Eilverfahren nach § 65 Abs. 3 GWB damit keiner umfassenden Rechtmäßigkeitskontrolle unterzogen (BGH, Beschluss vom 26. Januar 2016 - KVZ 41/15, WuW 2016, 249 Rn. 19 - Energieversorgung Titisee-Neustadt). "Ernstliche Zweifel" erfordern nicht die volle gerichtliche Überzeugung von der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verfügung (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2020 - 1 C 19.19, juris Rn. 35).

2. Wegen des eingeschränkten Prüfungsmaßstabs unterliegen Entscheidungen des Beschwerdegerichts nach § 65 Abs. 3 GWB im Rechtsbeschwerdeverfahren regelmäßig nur einer beschränkten Überprüfung. Das Rechtsbeschwerdegericht prüft das vom Beschwerdegericht gefundene Ergebnis nach ständiger Rechtsprechung des Senats nur auf rechtliche Plausibilität. Die Beschwerdeentscheidung hat im Rechtsbeschwerdeverfahren daher grundsätzlich insoweit Bestand, als sie sich als vertretbar erweist (BGH, Beschluss vom 8. Mai 2007 - KVR 31/06, WuW/E 2007, 907 Rn. 17 - Lotto im Internet; Beschluss vom 25. September 2007 - KVR 19/07, WuW 2008, 57 Rn. 10 - Sulzer/Kelmix; Beschluss vom 18. Oktober 2011 - KVR 9/11, WRP 2012, 557 Rn. 8 - Niederbarnimer Wasserverband).

Einem abgesenkten Prüfungsmaßstab steht auch nicht der Zweck entgegen, den der Gesetzgeber mit der durch die 7. GWB-Novelle eingeführten Erstreckung der Rechtsbeschwerdemöglichkeit auf Entscheidungen der Oberlandesgerichte gemäß § 65 GWB verfolgt (aA Nothdurft in Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2020, § 76 GWB Rn. 34; zweifelnd Kühnen in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, 4. Aufl. 2020, § 65 Rn. 15). Der Änderungsvorschlag wurde damit begründet, dass damit Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung einer Entscheidung durch den Bundesgerichtshof zugeführt werden könnten, selbst wenn es in der Hauptsache nicht mehr zu einer rechtsbeschwerdefähigen Entscheidung komme. Für die Verfahrensbeteiligten habe oft der Eilrechtsschutz faktisch eine größere Bedeutung als das Hauptsacheverfahren. Dem werde mit der Eröffnung einer Rechtsbeschwerdeinstanz Rechnung getragen (Gesetzentwurf der Bundesregierung zur 7. GWB-Novelle, BT-Drucks. 15/3640, S. 81; zur Entstehungsgeschichte vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2008 - KVR 18/08, WuW 2009, 521 Rn. 17 - Werhahn/Norddeutsche Mischwerke). Eine grundsätzlich eingeschränkte Kontrolldichte steht hierzu nicht in Widerspruch. Denn aus ihr ergibt sich nicht zwingend, dass Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung keiner Klärung zugeführt werden können. Stellen sich im Rahmen der Vertretbarkeitskontrolle entscheidungserhebliche Rechtsfragen, können sie durch das Rechtsbeschwerdegericht beantwortet werden, wenn und soweit eine genügend intensive Durchdringung der Sach- und Rechtslage stattgefunden hat. Rechtsfragen grundsätzlicher Art hat der Senat deshalb auch schon im Rahmen einer Überprüfung von Entscheidungen nach § 65 Abs. 3 GWB geklärt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2007 - KVR 19/07, WuW 2008, 57 Rn. 15 - Sulzer/Kelmix).

3. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dass Facebook Normadressat des § 19 Abs. 1 GWB ist. Die Annahme des Bundeskartellamts, dass Facebook auf dem relevanten nationalen Markt für soziale Netzwerke für private Nutzer über eine marktbeherrschende Stellung verfügt, ist auf Grundlage des hier geltenden eingeschränkten Prüfungsmaßstabs nicht zu beanstanden.

a) Marktbeherrschend ist ein Unternehmen nach § 18 Abs. 1 GWB, wenn es als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt ohne Wettbewerber ist, keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat.

b) Das Beschwerdegericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob das Bundeskartellamt den sachlich und räumlich relevanten Markt zutreffend abgegrenzt hat und ob Facebook auf diesem Markt über eine marktbeherrschende Stellung verfügt. Dies hindert den Senat nicht, die Normadressateneigenschaft von Facebook im vorliegenden Verfahren anhand des oben dargestellten eingeschränkten Prüfungsmaßstabs (Rn. 11) selbst zu beurteilen.

aa) Die Abgrenzung des maßgebenden Marktes obliegt zwar in erster Linie dem Tatrichter, da sie wesentlich von den - tatrichterlich festzustellenden - tatsächlichen Gegebenheiten des Marktes abhängt (BGH, Beschluss vom 16. Januar 2007 - KVR 12/06, BGHZ 170, 299 Rn 15 - National Geographic II; Beschluss vom 11. Dezember 2018 - KVR 65/17, WuW 2019, 262 Rn. 21 - EDEKA/Kaiser´s Tengelmann mwN). Wird aber - wie regelmäßig - die Entscheidung über einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde zu einem Zeitpunkt getroffen, zu dem das Beschwerdegericht keine weitere Sachverhaltsermittlung durchgeführt hat, sind vom Beschwerdegericht und demgemäß auch vom Rechtsbeschwerdegericht die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Verfügung zugrunde zu legen, soweit keine ernsthaften Zweifel daran bestehen, dass diese auch der Endentscheidung im Beschwerdeverfahren zugrundegelegt werden können und weitere oder von den Feststellungen des Bundeskartellamts abweichende tatrichterliche Feststellungen zu Gunsten des betroffenen Unternehmens nicht zu erwarten sind.

bb) Im Streitfall beruhen die getroffenen Feststellungen des Bundeskartellamts auf einer ausreichenden Prüfung der Umstände, wobei die Mitglieder der Beschlussabteilung des Bundeskartellamts zu dem betreffenden Nachfragerkreis gehören und die erforderlichen Feststellungen daher auch aufgrund eigener Lebenserfahrung selbst treffen konnten (BGHZ 170, 299 Rn. 15 - National Geographic II).

cc) Zwar hat nach der Rechtsprechung des Senats das Beschwerdegericht im Beschwerdeverfahren die Möglichkeit, ergänzende Sachverhaltsermittlungen von der Kartellbehörde durchführen zu lassen (BGH, Beschluss vom 11. November 2008 - KVR 60/07, BGHZ 178, 285 Rn. 32 - E.ON/Stadtwerke Eschwege). Eine weitere Sachaufklärung durch das Beschwerdegericht ist jedoch nicht erforderlich. Anlass zu ergänzenden Ermittlungen besteht regelmäßig nur, wenn der Vortrag der Beteiligten oder der Sachverhalt als solcher bei sorgfältiger Überlegung der sich aufdrängenden Möglichkeiten dazu Anlass gibt (BGH, Beschluss vom 11. November 2008 - KVR 60/07, BGHZ 178, 285 Rn. 32 - E.ON/Stadtwerke Eschwege). Dafür besteht nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand kein Anhalt.

c) Entgegen der Auffassung von Facebook ist es nicht zu beanstanden, dass das Bundeskartellamt im Streitfall nicht von einem weltweit abzugrenzenden Markt für die Aufmerksamkeit von Nutzern ausgegangen ist, sondern auf den national abzugrenzenden Markt für soziale Netzwerke abgestellt hat.

aa) In sachlicher Hinsicht ist der Nachfragemarkt für soziale Netzwerke maßgeblich.

(1) Bereits im Ausgangspunkt unzutreffend ist die Auffassung, für die Marktabgrenzung sei in erster Linie relevant, dass Facebook mit anderen Anbietern von Online-Diensten um die begrenzte Zeit und Aufmerksamkeit von Nutzern weltweit konkurriert. Denn für die Marktabgrenzung kommt es auf die Sicht der Markgegenseite an, nicht auf die Sicht des betroffenen Unternehmens oder seiner Wettbewerber. Wettbewerbswirkungen außerhalb des so abgegrenzten Marktes, denen sich die Unternehmen ausgesetzt sehen und die ihren Verhaltensspielraum auf dem betroffenen Markt einschränken, wie z.B. die Wirkung eines Substitutionswettbewerbs, sind erst bei der Frage der Marktbeherrschung zu berücksichtigen (BGHZ 170, 299 Rn. 18 - National Geographic II). Für die Marktabgrenzung ist deshalb nicht relevant, dass sich Anbieter von Diensten durch öffentliche Äußerungen als Wettbewerber von Facebook bezeichnet haben. Dies kann allenfalls ein Indiz für eine Zugehörigkeit zum relevanten Markt sein.

(2) Geht es wie im Streitfall um eine möglicherweise marktbeherrschende Stellung eines Anbieters, ist zunächst das angebotene Produkt oder die angebotene Dienstleistung zu identifizieren. Ausgehend hiervon ist dann zu prüfen, ob von anderen Anbietern angebotene Produkte oder Dienstleistungen aus Sicht der Nachfrager nach Eigenschaft, Verwendungszweck und Preislage zur Deckung eines bestimmten Bedarfs austauschbar sind (Bedarfsmarktkonzept; s. nur BGH, Urteil vom 24. Januar 2017 - KZR 2/15, WRP 2017, 707 Rn. 20 - Kabelkanalanlagen; Urteil vom 8. Oktober 2019 - KZR 73/17, WuW 2019, 638 Rn. 23 - Werbeblocker III).

(3) Mit dem Leistungsangebot des sozialen Netzwerks ermöglicht Facebook den privaten Nutzern, Freunde und Bekannte zu finden und mit diesen in bestimmten identifizierten Personenkreisen Erfahrungen, Meinungen und Inhalte in verschiedenen Formen zu teilen. Die typische Vertragsleistung sozialer Netzwerke besteht darin, dem Nutzer einen umfassenden, persönlichen "virtuellen Raum" zu ermöglichen (Europäische Kommission, Entscheidung vom 3. Oktober 2014 - COMP/M.7217 Rn. 54 - Facebook/WhatsApp). Der Nutzer soll im Netzwerk "echte zwischenmenschliche Beziehungen" aufbauen können. Dabei soll im Zentrum der Nutzererfahrung die eigene "virtuelle Identität" stehen, die der Nutzer durch die Erstellung seines persönlichen Profils und durch das Anlegen einer Freundesliste schafft. Diese Nutzeridentität soll ein virtuelles Abbild seines realen Lebens sein. Alle Aktivitäten, die ein Nutzer in einem sozialen Netzwerk entfaltet, stehen in Beziehung zu seinem persönlichen Netzwerk von Freunden und Bekannten und ermöglichen ihm so eine "personalisierte Nutzererfahrung" und Kommunikation.

(4) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Bundeskartellamts ist aus der Sicht der (potentiellen) Nutzer diese Leistung in funktioneller Hinsicht (vgl. BGHZ 170, 299 Rn. 18 - National Geographic II) nicht austauschbar mit dem Leistungsangebot von Berufsnetzwerken und Jobbörsen (Xing, LinkedIn, Indeed, Stepstone), Messaging-Diensten wie Snapchat, WhatsApp und Skype und anderen sozialen Medien wie YouTube, Twitter und Pinterest. Denn deren Gegenstand oder jedenfalls Schwerpunkt ist entweder die berufliche Kommunikation oder Kontaktpflege (wie bei Xing und LinkedIn), die bilaterale Kommunikation oder Gruppenkommunikation innerhalb kleiner Gruppen (wie etwa bei den Messaging-Diensten wie WhatsApp und Snapchat), die Verbreitung von Bildern oder Filmen (wie etwa bei Instagram oder YouTube) oder die öffentliche Meinungsverlautbarung (wie z.B. bei Twitter).

(5) Das Bundeskartellamt hat nicht verkannt, dass bereits im Rahmen der Marktabgrenzung eine etwaige Angebotsumstellungsflexibilität zu berücksichtigen ist, wenn die Anbieter ähnlicher Produkte und Dienstleistungen bereit und in der Lage sind, ihr Leistungsangebot kurzfristig und mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand umzustellen (BGHZ 170, 299 Rn. 20 - National Geographic II). Es hat diese Voraussetzungen in nicht zu beanstandender Weise verneint.

(6) Dass Facebook für die Inanspruchnahme der Leistung durch die Nutzer keine monetäre Gegenleistung verlangt, hindert die Annahme eines solchermaßen abgegrenzten Marktes ebenso wenig wie die Anwendbarkeit des Bedarfsmarktkonzepts. Gemäß § 18 Abs. 2a GWB steht der Annahme eines Marktes nicht entgegen, dass eine Leistung unentgeltlich erbracht wird.

(a) Allerdings rechtfertigt die Feststellung einer unentgeltlichen Austauschbeziehung nicht stets die Annahme, dass ein wettbewerbsrechtlich relevanter Markt vorliegt. Dies gilt insbesondere außerhalb von mehrseitigen Märkten. Werden unentgeltliche Leistungen aus nicht-wirtschaftlichen Motiven angeboten, ohne Teil einer zumindest mittelbar oder längerfristig auf Erwerbszwecke angelegten Strategie zu sein, fehlt die entsprechende wettbewerbliche Relevanz (Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines 9. Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, BT-Drucks. 18/10207, S. 48). Hier handelt es sich um einen mehrseitigen Markt, bei dem die unentgeltliche Leistung Teil einer auf Erwerbszwecke angelegten Geschäftstätigkeit ist. Facebook stellt den privaten Nutzern das soziale Netzwerk zwar unentgeltlich zur Verfügung; gleichzeitig ermöglicht Facebook als Intermediär dritten Unternehmen, mit ihrer Werbung die Nutzer der Plattform zu erreichen und finanziert damit auch die Nutzerplattform.

(b) Es bedarf auch keiner Korrektur des Bedarfsmarktkonzepts im Hinblick darauf, dass die Nutzer keine monetäre Gegenleistung erbringen. Dabei ist in diesem Zusammenhang die Frage ohne Bedeutung, ob die Gegenleistung des Nutzers darin zu sehen ist, dass er die Erhebung und Verwertung seiner personenbezogenen Daten ermöglicht. Denn auch im Falle einer fehlenden Gegenleistung der Nutzer käme es maßgeblich auf deren Sicht als Nachfrager an, weil derjenige, der über die Auswahl des Leistungserbringers entscheidet, Angebot und Nachfrage zusammenführt. Dies ist der Grund, warum der Senat beispielsweise im Geltungsbereich des Sachleistungsprinzips der gesetzlichen Krankenversicherung die Sicht des Empfängers der Leistung für maßgeblich gehalten hat, obwohl dieser die Leistung nicht selbst vergüten muss (BGH, Beschluss vom 16. Januar 2008 - KVR 26/07, BGHZ 175, 333 Rn. 29 - Kreiskrankenhaus Bad-Neustadt mwN).

(7) Zutreffend hat das Bundeskartellamt angenommen, dass die beiden Seiten dieses mehrseitigen Marktes keine einheitliche Marktgegenseite bilden.

(a) Angesichts des Zwecks der Bestimmung des relevanten Marktes, die Wettbewerbskräfte zu ermitteln, denen sich die beteiligten Unternehmen zu stellen haben, und der Zielsetzung des § 19 GWB, die missbräuchliche Ausnutzung nicht hinreichend vom Wettbewerb kontrollierter Handlungsspielräume zu Lasten Dritter zu unterbinden (vgl. nur BGH, Urteil vom 4. November 2003 - KZR 16/02, BGHZ 156, 379, 384 - Strom und Telefon I; WuW 2019, 638 Rn. 26 - Werbeblocker III), ist auf einem mehrseitigen Markt eine einheitliche Marktabgrenzung nur gerechtfertigt, wenn ein einheitlicher Bedarf der Marktseiten festgestellt werden kann. Denn nur in diesem Fall unterscheiden sich die Wettbewerbswirkungen, die von den jeweiligen Nachfragegruppen ausgehen, nicht.

(b) Es liegt auf der Hand, dass Facebook bei der Nutzergruppe der Werbetreibenden einen anderen Bedarf als bei der Nutzergruppe der privaten Nutzer bedient. Auf jener Seite wird der Bedarf gedeckt, mit (personalisierter) Werbung die Aufmerksamkeit der Nutzer des Netzwerks zu erreichen und damit den Absatz der eigenen Produkte oder Dienstleistungen zu fördern.

bb) Auch die räumliche Marktabgrenzung des Bundeskartellamts ist nicht zu beanstanden.

(1) Die räumliche Marktabgrenzung bestimmt sich nach den tatsächlichen Ausweichmöglichkeiten, die für die Marktgegenseite, hier die (potentiellen) Nutzer des sozialen Netzwerks, bestehen. Maßgeblich ist dabei auf die tatsächlichen Marktverhältnisse abzustellen (BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2005 - KVR 13/05, WuW 2006, 780 Rn. 16 - Stadtwerke Dachau). Diese können aus wirtschaftlichen, technischen oder sonstigen tatsächlichen Gegebenheiten resultieren, wobei die tatsächlichen Verbrauchergewohnheiten zu berücksichtigen sind (vgl. für Teilmärkte: BGHZ 156, 379, 383 f. - Strom und Telefon I).

(2) Aufgrund der Sprachbarrieren und der von den Nutzern geteilten Inhalte mit einem regionalen oder nationalen Bezug sowie der Werbung, die in deutscher Sprache verfasst und auf die Interessen deutscher Nutzer zugeschnitten ist, ist die Abgrenzung eines nationalen relevanten Marktes durch das Bundeskartellamt nicht zu beanstanden. Dabei ist ohne entscheidende Bedeutung, dass soziale Netzwerke häufig weltweit verfügbar und wie facebook.com auch auf eine weltweite Nutzung angelegt sind. Denn die Spracheinstellungen unterscheiden sich nach der jeweiligen Nutzerregion. Da nach dem Ergebnis der vom Bundeskartellamt in Auftrag gegebenen Nutzerbefragung mehr als drei Viertel aller Nutzer ihre für das Netzwerk relevanten Freunde und Bekannten innerhalb der nationalen Grenzen haben, besteht für sie grundsätzlich kein Anlass, Dienste in Anspruch zu nehmen, die keine deutschen Spracheinstellungen zur Verfügung stellen. Für eine nationale Marktabgrenzung spricht auch die unbeanstandet gebliebene Feststellung des Bundeskartellamts, dass das Nutzerverhalten inländischer Nutzer sich von dem anderer unterscheidet.

d) Aus den Feststellungen des Bundeskartellamts in der angefochtenen Verfügung ergibt sich auf dem hiernach relevanten deutschlandweit abzugrenzenden Markt für soziale Netzwerke eine marktbeherrschende Stellung Facebooks.

aa) Eine beherrschende Stellung im Sinne des § 18 Abs. 1 GWB (Rn. 15) ergibt sich im allgemeinen aus dem Zusammentreffen mehrerer Faktoren, die jeweils für sich genommen nicht ausschlaggebend sein müssen (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Februar 1978 - C-27/76, NJW 1978, 2439, 2440 - United Brands/Kommission; BGH, Urteil vom 5. Mai 2020 - KZR 36/17, juris Rn. 57 - FRAND-Einwand). Vielmehr muss die Beurteilung der Marktstellung eines Unternehmens auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller gegebenen Umstände erfolgen (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung eines 9. Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, BT-Drucks. 18/10207, S. 49). Zu Recht hat das Bundeskartellamt aufgrund der Gesamtbetrachtung aller wesentlichen Umstände die marktbeherrschende Stellung bejaht.

bb) Das Bundeskartellamt hat für die Feststellung des Marktanteils von Facebook vorrangig auf den Anteil von Facebook an den täglichen aktiven Nutzern von sozialen Netzwerken abgestellt. Der Anteil der Nutzer des Netzwerks Facebook hat nach dem Ergebnis der vom Bundeskartellamt durchgeführten Verkehrsbefragung im Jahr 2012 bei 90 bis 95 %, im Jahr 2013 bei 92 bis 97 %, in den Jahren 2014 bis 2016 bei über 95 %, im Jahr 2017 bei über 96 % und im Jahr 2018 bei über 97 % gelegen.

(1) Diesem hohen Marktanteil kommt bei der Gesamtbetrachtung nicht nur wegen seiner absoluten Größe, sondern auch deswegen eine besondere Bedeutung zu, weil der Abstand zu den Wettbewerbern beträchtlich ist (vgl. BGHZ 170, 299 Rn. 21 - National Geographic II; BGH, Urteil vom 4. März 2008 - KVR 21/07, BGHZ 176, 1 Rn. 27 - Soda-Club II mwN).

(2) Ohne Erfolg wendet Facebook gegen die Marktanteilsberechnung des Bundeskartellamts ein, die Nutzerbefragung habe ergeben, dass mehr als 42,1 % der Nutzer von sozialen Medien und mehr als 70 % der monatlich aktiven Nutzer Facebook nicht nutzten. Denn die Nutzerbefragung betraf insoweit nicht den hier relevanten Nachfragemarkt sozialer Netzwerke, sondern sozialer Medien und bezog damit u.a. auch die Dienste YouTube, WhatsApp, Xing, Twitter, Instagram, Message, LinkedIn, Pinterest und Snapchat mit ein.

cc) Entgegen der Rüge Facebooks bedurfte es für die Gesamtbetrachtung keiner umfassenden wettbewerblichen Analyse des Werbemarktes als anderer Marktseite.

(1) Es kann zugunsten von Facebook unterstellt werden, dass auf der anderen Marktseite funktionierender Wettbewerb herrscht. Es ist damit unschädlich, dass das Bundeskartellamt eine Marktabgrenzung dieser Marktseite unterlassen hat. Denn die Marktstellung von Facebook auf dem relevanten Markt wird nicht in entscheidender Weise dadurch relativiert, dass Facebook bei seinen strategischen Entscheidungen grundsätzlich die Auswirkungen des Verhaltens auf der einen Marktseite auf die jeweils andere Marktseite berücksichtigen wird. Allerdings bestehen Wechselwirkungen zwischen den beiden Marktseiten, die sich etwa darin zeigen können, dass eine Erhöhung der Reichweite bei den Nutzern des unentgeltlich zur Verfügung gestellten Netzwerks sich positiv auf die Stellung Facebooks gegenüber den Werbekunden auswirkt (indirekte Netzwerkeffekte). Umgekehrt kann sich eine Abwanderung von Nutzern wegen nachteiliger strategischer Entscheidungen auf der Nutzerseite unmittelbar negativ auf die Werbeseite auswirken. Aus diesem Grund sind bei mehrseitigen Märkten und Netzwerken gemäß § 18 Abs. 3a Nr. 1 GWB solche indirekten Netzwerkeffekte bei der Bewertung der Marktstellung eines Unternehmens zu berücksichtigen.

(2) Die indirekten Netzwerkeffekte schließen jedoch entgegen der Auffassung Facebooks unkontrollierte Verhaltensspielräume auf der Nutzerseite nicht aus, sondern motivieren Facebook im Gegenteil, auf der Nutzerseite vorhandene Verhaltensspielräume zugunsten der Werbemarktseite auszunutzen. Es handelt sich nämlich um asymmetrische Netzwerkeffekte, weil die Wechselwirkungen nicht auf beiden Seiten in gleichem Maße bestehen (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung eines 9. Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, BT-Drucks. 18/10208, S. 50). Dies gilt jedenfalls hinsichtlich des Zugangs zu für den Werbemarkt wettbewerbsrelevanten Daten, welcher gemäß § 18 Abs. 3a Nr. 4 GWB ein wesentlicher Marktstrukturparameter bei der Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung insbesondere bei dem hier zur Beurteilung stehenden mehrseitigen Markt ist. Die Attraktivität des den Werbekunden zur Verfügung gestellten Leistungsangebots Facebooks steigt mit der Qualität und Quantität der zur Verfügung gestellten Daten. Daraus ergibt sich für Facebook der Anreiz, Verhaltensspielräume auf dem Nutzermarkt auszunutzen, um den Umfang der Datennutzung zu vergrößern. Dem stehen keine erheblichen entgegengesetzt wirkenden Wettbewerbskräfte auf dem Markt für soziale Netzwerke gegenüber.

Allerdings sähen nach der vom Bundeskartellamt veranlassten Nutzerbefragung 46 % der Facebook-Nutzer in "weniger preisgegebenen Daten" einen Grund, um statt Facebook einen anderen Dienst verstärkt zu nutzen. Wegen bestehender direkter Netzwerkeffekte wirkt sich dies jedoch auf die Marktstellung von Facebook nicht aus. Direkte Netzwerkeffekte bezeichnen die Relation zwischen dem Nutzen und der Anzahl der Nutzer eines Produkts oder einer Dienstleistung (Gesetzentwurf der Bundesregierung eines 9. Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, BT-Drucks. 18/10207, S. 49). Das Beschwerdegericht hat solche direkten Netzwerkeffekte zu Recht bejaht. Denn der Nutzen des Facebook-Netzwerks steigt für die Nutzer mit der Gesamtzahl der dem Netzwerk angeschlossenen Personen, weil sich mit steigender Nutzerzahl die Kommunikationsmöglichkeiten für jeden einzelnen Nutzer erhöhen. Dass es hierbei nicht nur um die verfügbaren Personen, sondern um die Identität der erreichbaren Nutzer geht, also "identitätsbasierte" Netzwerkeffekte bestehen, wird durch das Ergebnis der Nutzerbefragung bestätigt. Danach ist es 85,8 % der Befragten wichtig, dass Freunde Nutzer sind. 47,2 % sehen die Gesamtzahl der Nutzer als wichtig an (Frage 10). Diese direkten Netzwerkeffekte führen zu einem hohen Bindungseffekt (Lock-in-Effekt) und letztlich dazu, dass die Nutzer eher bereit sind, mit der Nutzung des sozialen Netzwerks verbundene Nachteile - insbesondere auch solche, die für den Werbemarkt vorteilhaft sind - in Kauf zu nehmen. Dieser Bindungseffekt ist aufgrund der Größe des sozialen Netzwerks Facebook stark ausgeprägt.

dd) Insbesondere bei dem hier in Rede stehenden mehrseitigen Markt sind darüber hinaus die parallele Nutzung mehrerer Dienste ("Multi-Homing", Gesetzentwurf der Bundesregierung eines 9. Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, BT-Drucks. 18/10207, S. 50) und der Wechselaufwand für die Nutzer bei der Bewertung der Marktstellung des Unternehmens in den Blick zu nehmen. Dies hat das Bundeskartellamt nicht verkannt. Es hat aber zutreffend angenommen, dass sich diese Faktoren auf die Markstellung Facebooks nicht erheblich auswirken.

(1) Nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes ist eine nennenswerte parallele Nutzung von marktzugehörigen sozialen Netzwerken, die ein Ausscheiden von Wettbewerbern verhindern oder Neueintritte erleichtern können, nicht ersichtlich. Dies wird von der Feststellung getragen, dass die Entwicklung in den Jahren 2012 bis 2018 zeigt, dass die Nutzeranteile von Facebook steigen, während die Nutzeranteile von StayFriends und Jappy durchgehend fallen. Der Betreiber des Netzwerks StudiVZ ist zwischenzeitlich insolvent, so dass keine aktuellen Nutzerzahlen verfügbar sind. Insoweit hat das Bundeskartellamt ohne Rechtsfehler unterstellt, dass die Nutzerzahlen auf dem bereits im Jahr 2016 erreichten Niveau stagnieren. Die Nutzeranteile von Jappy und Wize.Life sind auf sehr niedrigem Niveau. Soweit Steigerungen der Nutzeranteile feststellbar sind, sind diese marginal. Google+ hatte temporär einen steigenden Nutzeranteil - jedoch auf niedrigem Niveau - erreichen können. So stieg der Nutzeranteil im Zeitraum vom 1. Quartal 2014 bis zum 1. Quartal 2015 geringfügig. In den darauffolgenden Quartalen sank der Nutzeranteil jedoch kontinuierlich auf zuletzt zwischen 1 bis 2 %.

(2) Dagegen wendet Facebook ohne Erfolg ein, Multi-Homing sei auf den Märkten, auf denen die Antragstellerinnen agierten, die Regel. Daraus ergibt sich bereits nicht mit der geforderten Substanz, dass dieser Vortrag den hier relevanten Markt betrifft. Darüber hinaus ist dies nicht glaubhaft gemacht. Der von Facebook im Beschwerdeverfahren vorgelegten Bitkom-Präsentation "Social Media Trends 2018" vom 27. Februar 2018 (Anlage Ast 35) lässt sich ein Multi-Homing auf dem relevanten Markt nicht entnehmen. Dort wird zwar mitgeteilt, dass der durchschnittliche Internetnutzer in drei sozialen Netzwerken angemeldet sei. Das Verständnis der Präsentation weicht jedoch von dem hier zugrunde gelegten Verständnis vom sozialen Netzwerk ab, da die Präsentation nicht nur Facebook, sondern auch YouTube, Instagram, Pinterest, Twitter, Snapchat, Xing, LinkedIn, Tumblr und Reddit betrachtet.

(3) Für Multi-Homing spricht zwar, dass die parallele Nutzung sozialer Netzwerke für den Nutzer mit keinen Zusatzkosten verbunden ist. Die parallele Nutzung begegnet gleichwohl verschiedenen Hindernissen. Das Bundeskartellamt hat zu Recht angenommen, dass sich eine hohe Hürde für eine parallele Nutzung sozialer Netzwerke aus den identitätsbasierten direkten Netzwerkeffekten (Rn. 44) ergibt, die wegen der (technischen) Inkompatibilität der sozialen Netzwerke im Markt nicht netzwerkübergreifend bestehen können. Für den Nutzer ist nach dem Verwendungszweck von sozialen Netzwerken eine parallele Nutzung nur sinnvoll, wenn er in einem alternativen Netzwerk auch seine Freunde und Bekannten als Nutzer wieder vorfindet. Der Nutzer muss folglich seine bisherigen Kontakte im ursprünglichen Netzwerk zu einem Wechsel oder einer parallelen Nutzung bewegen. Da aber seine Kontakte weitere Kontakte bei dem bisherigen Netzwerk haben, müssen diese auch zu einem Wechsel oder einer parallelen Nutzung bewogen werden. Je mehr Kontakte ein Nutzer bei dem bisherigen Netzwerk hat und je stärker diese Kontakte wiederum mit anderen Nutzern verbunden sind, desto schwieriger bis unmöglich wird die Mitnahme der Kontakte zu einem neuen Netzwerk. Gegen ein Multi-Homing spricht auch die fehlende Datenportabilität. Dieselben Hürden bestehen auch für einen Wechsel des sozialen Netzwerks.

ee) Es ist nicht zu beanstanden, dass das Bundeskartellamt im Rahmen der Gesamtbetrachtung angenommen hat, die Marktstellung Facebooks werde nicht in erheblichem Maße durch Substitutionswettbewerb seitens der sozialen Medien wie YouTube, Twitter und Snapchat eingeschränkt. Der Wettbewerbsdruck, dem sich die sozialen Medien außerhalb des hier relevanten Marktes durch das soziale Netzwerk Facebook ausgesetzt sehen, ist größer als derjenige, dem sich Facebook durch diesen Substitutionswettbewerb ausgesetzt sieht. Das Bundeskartellamt weist zu Recht darauf hin, dass insbesondere Twitter und Snapchat durch die entsprechenden Funktionalitäten von facebook.com ersetzt werden können, Twitter und Snapchat dagegen die Funktionalitäten von facebook.com nur in beschränktem Umfang ersetzen und nicht die volle "personalisierte Nutzererfahrung" anbieten können. Wegen der Unentgeltlichkeit des Facebook-Dienstes und der direkten Netzwerkeffekte wird bei den Nutzern auch wenig Neigung bestehen, auf die umfassendere Dienstleistung von Facebook zu verzichten. Dafür besteht auch kein Anlass, denn es besteht die Möglichkeit, die genannten anderen Dienste parallel zu nutzen. Dass eine parallele Nutzung von Facebook und mindestens einem weiteren Dienst stattfindet, ergibt sich aus der von Facebook vorgelegten Bitkom-Präsentation (Anlage Ast 35). Danach haben beispielsweise 79 % der 14- bis 29-Jährigen angegeben, in den vergangenen drei Monaten YouTube genutzt zu haben. Der Anteil von Facebook betrug in demselben Zeitraum bei derselben Nutzergruppe 78 %.

ff) Bei der Bewertung der Marktstellung eines Unternehmens auf einem mehrseitigen Markt kommt insbesondere dem innovationsgetriebenen Wettbewerbsdruck eine besondere Bedeutung zu (§ 18 Abs. 3a Nr. 5 GWB). Entgegen der Rüge von Facebook hat das Bundeskartellamt dem in dem angefochtenen Beschluss ausreichend Rechnung getragen. Gegen eine marktbeherrschende Stellung Facebooks spricht nicht, dass Facebook auf Innovationen der Wettbewerber reagieren muss.

(1) Marktpositionen von Netzwerken im Internet können durch die vorherrschenden dynamischen Entwicklungen infolge teilweise einfacher technologischer Innovationen oder sich kurzfristig ändernder Nutzervorstellungen theoretisch eher von Wettbewerbern angegriffen werden. Der Wettbewerbsdruck aufgrund der Innovationskraft internetbasierter Angebote beinhaltet die Möglichkeit disruptiver Veränderungen, die zur Angreifbarkeit auch einer starken Marktposition eines Unternehmens führen können. In jedem Einzelfall ist jedoch eine sorgfältige Prüfung notwendig, ob nicht nur eine abstrakte, in sachlicher wie in zeitlicher Hinsicht zu vage Angreifbarkeit der Marktposition vorliegt. Würde allein die Aussicht, dass eine marktbeherrschende Stellung irgendwann wegfallen könnte, zur Verneinung der Marktbeherrschung führen, wäre die Missbrauchskontrolle obsolet (vgl. Gesetzentwurf der BReg, BT-Drucks. 18/10207, S. 51). Dies wäre mit dem Zweck der Missbrauchsaufsicht nicht vereinbar, welche auf die Begrenzung wirtschaftlicher Macht auf Märkten gerichtet ist, auf denen der Wettbewerb seine Kontrollfunktion nicht (mehr) wirksam ausübt (Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft zum Entwurf zur 4. GWB-Novelle, BT-Drucks. 8/3690, S. 24; BGH, Urteil vom 15. November 1994 - KVR 29/93, BGHZ 128, 17, 27, 29 - Gasdurchleitung; BGHZ 156, 379, 384 - Strom und Telefon I; WuW 2019, 638 Rn. 26 - Werbeblocker III).

(2) Nach den Feststellungen des Bundeskartellamts in dem angefochtenen Beschluss konnte Facebook die von Unternehmen aus benachbarten Märkten ausgehenden Impulse durch Innovationen und Erweiterungen der eigenen sozialen Medien bisher erfolgreich abwehren. Nach Auffassung des Amtes zeigten die von Facebook im Einzelnen vorgetragenen eigenen Innovationen sowie die Beispiele einflussreicher Innovationen im wettbewerblichen Umfeld keinen Wettbewerbsdruck auf, der die Marktposition Facebooks bisher angreifen konnte. Diese Ausführungen finden eine hinreichende Stütze darin, dass trotz der Innovationskraft des Internets in den letzten sieben Jahren keinerlei Ablösungstendenzen oder relevante Marktanteilsverluste von Facebook zu erkennen sind. Damit liegt nur eine vage, abstrakte Angreifbarkeit der Marktposition vor, die die marktbeherrschende Stellung Facebooks jedenfalls derzeit und zum Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses des Amtes nicht in entscheidendem Maße relativiert.

4. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts bestehen keine ernsthaften Zweifel, dass Facebook mit den vom Bundeskartellamt untersagten Nutzungsbedingungen seine marktbeherrschende Stellung dadurch missbräuchlich ausnutzt, dass die private Nutzung des Netzwerks von der Befugnis Facebooks abhängig gemacht wird, ohne weitere Einwilligung der Nutzer außerhalb von facebook.com generierte nutzer- und nutzergerätebezogene Daten (im Folgenden: "Off-Facebook"-Daten) mit den personenbezogenen Daten zu verknüpfen, die aus der Facebook-Nutzung selbst entstehen, und solche verknüpften Daten zu verarbeiten.

a) Ohne Erfolg macht Facebook geltend, die Richtlinien seien keine vertraglichen Bestimmungen und bildeten keine vertragliche Grundlage für die Zulässigkeit der Nutzung der "Off-Facebook"-Daten. Die Bezugnahme der Nutzungsbedingungen auf die Richtlinien, die die für Plattformnutzung und Plattforminhalte zentrale Datenverarbeitung näher beschreiben, kann aus der objektiven Empfängersicht des Nutzungspetenten nur dahin verstanden werden, dass diese Richtlinien Bestandteil der Nutzungsbedingungen sind und mit der Registrierung auch die Zustimmung zur Anwendung der Richtlinien erteilt wird. Ob und gegebenenfalls inwieweit es aus datenschutzrechtlicher Sicht für die in den Richtlinien vorgesehene Datennutzung der Einwilligung des Nutzers bedarf, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.

b) Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass die Verwendung unzulässiger Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch marktbeherrschende Unternehmen einen Missbrauch nach der Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB darstellen kann (BGH, Urteile vom 6. November 2013 - KZR 58/11, BGHZ 199, 1 Rn. 65 - VBL-Gegenwert I, und vom 24. Januar 2017 - KZR 47/14, WuW 2017, 283 Rn. 35 - VBL-Gegenwert II).

c) Es hat jedoch mit nicht tragfähiger Begründung den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nach § 19 Abs. 1 GWB verneint.

aa) Das Beschwerdegericht hat angenommen, dass die beanstandeten Konditionen keinen Kontrollverlust des Nutzers bedeuteten und für diesen auch keine Zwangslage begründeten. Sie machten lediglich eine Abwägung zwischen den Vorteilen, die aus der Nutzung eines werbefinanzierten (und damit unentgeltlichen) sozialen Netzwerks resultierten, und den Konsequenzen, die mit der Verwendung der Mehrdaten durch Facebook verbunden seien, erforderlich. Diese Abwägung könne der Nutzer unbeeinflusst und vollkommen autonom nach seinen persönlichen Präferenzen und Wertvorstellungen treffen. Dass sie - wie die erhebliche Zahl der Facebook-Nutzer (monatlich rund 32 Millionen und der Facebook-Nichtnutzer (rund 50 Millionen) zeige - unterschiedlich ausfallen könne, belege nicht ansatzweise eine Ausbeutung des Nutzers.

bb) Mit dieser Begründung kann ein Missbrauch nicht verneint werden. Denn sie berücksichtigt nicht das Interesse derjenigen Nutzer, die auf die Benutzung des sozialen Netzwerks nicht verzichten wollen, die aber auch Wert darauf legen, dass sich die Erhebung und die Verarbeitung von Daten auf das für die Nutzung und die Finanzierung des sozialen Netzwerks erforderliche Maß beschränkt. Ihnen wird durch die Erweiterung des typischen Leistungsangebots (Rn. 24) einer sozialen Plattform um die "Bereitstellung eines personalisierten Erlebnisses" auf Grundlage auch solcher Daten, die aufgrund der Aktivität des Nutzers außerhalb des Netzwerks generiert werden, ein Leistungsinhalt aufgedrängt, den sie möglicherweise nicht wünschen und für den sie jedenfalls nicht den Zugriff von Facebook auf personenbezogene Daten in Kauf nehmen möchten, die sie Facebook nicht zur Verfügung gestellt haben. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es sich um die Kopplung zweier eigenständiger Produkte, nämlich die Bereitstellung von Funktionalitäten auf Grundlage der Nutzung des Netzwerks einerseits und von Diensten, die auf Daten außerhalb des Netzwerks basieren andererseits, oder - was hier näherliegt - um eine bloße Leistungserweiterung handelt. Die kartellrechtliche Relevanz dieser Leistungserweiterung ergibt sich daraus, dass die privaten Nachfrager der Leistung des Plattformanbieters eine für sie unverzichtbare Leistung nur zusammen mit einer weiteren unerwünschten Leistung erhalten (vgl. BGH, Beschluss vom 9. November 1982 - KVR 9/81, WuW/E BGH 1965, 1966 - Gemeinsamer Anzeigenteil). Ihnen wird keine Wahlmöglichkeit gelassen, ob sie das Netzwerk mit einer intensiveren "Personalisierung des Nutzungserlebnisses" verwenden wollen, die mit einem potentiell unbeschränkten Zugriff auf Charakteristika auch ihrer "Off-Facebook"-Internetnutzung durch Facebook verbunden ist, oder ob sie sich nur mit einer Personalisierung einverstanden erklären wollen, die auf den Daten beruht, die sie auf facebook.com selbst preisgeben.

cc) Die Relevanz einer solchen aufgedrängten Leistungserweiterung für die Prüfung eines Marktmachtmissbrauchs entfällt entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts nicht deshalb, weil die Nutzung des Netzwerks und damit die Bereitstellung eines "personalisierten Erlebnisses" unter Verwendung von "Off-Facebook-Daten" für den Nutzer unentgeltlich ist. Im Gegenteil ergeben sich kartellrechtliche Bedenken - vorbehaltlich einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls (unten Rn. 98) - daraus, dass durch das Aufdrängen einer unerwünschten Leistung die Gegenleistung für die erwünschte Leistung (nämlich die Nutzung des sozialen Netzwerks) in Gestalt der Zurverfügungstellung personenbezogener Nutzerdaten, die einen wesentlichen Wettbewerbsparameter für die weitere Marktseite darstellen, erhöht wird.

(1) Dass Daten einen bedeutenden ökonomischen Wert haben, ist allgemein anerkannt (Berberich/Kanschik, NZI 2017, 1; Schweitzer/Haucap/Kerber/Welker, Modernisierung der Missbrauchsaufsicht für marktmächtige Unternehmen, 2018, S. 13; Eichberger, VersR 2019, 709, 711; Paulus, ZIP 2019, 2133; Kornmeier/Baranowski, BB 2019, 1219) und wird durch die Marktkapitalisierung von Unternehmen wie Facebook und Google anschaulich illustriert.

(2) Dass Daten unkörperlich sind und sich durch Nicht-Rivalität, Nicht-Exklusivität und Nicht-Abnutzbarkeit auszeichnen (Schmid/Schmidt/Zech, sic! 2018, 627, 628; Kornmeier/Baranowski, BB 2019, 1219) führt zwar dazu, dass eine Datennutzung durch Facebook den Verbraucher in wirtschaftlicher Hinsicht nicht schwächt. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts erschöpft dieser Aspekt die kartellrechtliche Beurteilung jedoch nicht. Denn dies ändert nichts daran, dass die Nutzer Facebook eine wirtschaftlich wertvolle Leistung bereitstellen, indem sie Facebook die Erfassung und kommerzielle Verwertung nutzerbezogener Daten ermöglichen (vgl. BGH, Urteil vom 12. April 2016 - KZR 30/14, WuW 2016, 427 Rn. 41 - Net Cologne I), wobei in diesem Zusammenhang unerheblich ist, ob die Daten vermögensrechtlich den Nutzern zuzuordnen sind (vgl. dazu Eichberger, VersR 2019, 709, 710, 713).

(3) Der Nutzer erbringt nach der für die kartellrechtliche Beurteilung notwendigen wirtschaftlichen Betrachtung für die Nutzung des Netzwerks eine Gegenleistung, die durch die Erweiterung des "personalisierten Erlebnisses" mithilfe von "Off-Facebook"-Daten erhöht wird. Zwar nutzen die Nutzer das Facebook-Netzwerk ohne monetäre Gegenleistung und insofern unentgeltlich, während die werbenden Unternehmen an Facebook als Netzwerkbetreiber einen Preis für die Platzierung der Werbung einschließlich der Analyse der Daten zahlen. Mittels dieser Einnahmen wird auch der Betrieb des Netzwerks finanziert. Da die Werbung vorzugsweise auf die Nutzer zugeschnitten ist und sich daraus die besondere Attraktivität der Werbung im und über das soziale Netzwerk für die an der Bewerbung ihrer Produkte und Dienstleistungen interessierten Unternehmen ergibt, ermöglichen aber erst die Nutzer diese "Quersubventionierung" durch ihre personenbezogenen Daten, die Facebook auf der anderen Marktseite des zweiseitigen Marktes monetarisieren kann (vgl. Mohr, EuZW 2019, 265, 268). Qualität und Quantität der nutzerbezogenen Daten sind ein entscheidender Faktor für die Bemessung des von den Werbepartnern zu zahlenden Preises, der sich mit Blick auf die beschriebenen Interdependenzen (vgl. dazu auch Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 18/10207, S. 48) auch auf das Verhältnis der Nutzer zu Facebook als dem Betreiber des Netzwerks auswirkt. Dabei kommt dem Umstand besondere Bedeutung zu, dass sich die Nutzbarkeit der Daten und ihr Wert mit ihrer Kombination und der Verknüpfung zu Mustern steigern lässt. Der Wert und die Erkenntnismöglichkeiten aus jedem einzelnen Datenelement erhöhen sich mit der Zunahme der Menge an den zur Verfügung stehenden anderen Daten. Die Erwägung des Beschwerdegerichts, der Nutzer sei nicht gehindert, seine Daten beliebig oft beliebig vielen Unternehmen zur Verfügung zu stellen, verfehlt deswegen den wirtschaftlichen Kern der Datenpreisgabe durch den Nutzer: Der Nutzer trägt zu einem durch Facebook geschaffenen und deshalb nur Facebook und den Nachfragern seiner Dienstleistungen auf der zweiten Marktseite zur Verfügung stehenden Datenbestand bei, über den er - auch soweit nur die aus seiner eigenen Internetnutzung resultierenden Daten betroffen sind - selbst gar nicht verfügt und den er deshalb auch Dritten nicht gleichermaßen zugänglich machen kann.

Dass den Nutzerdaten im Verhältnis der Nutzer zu dem Netzwerkbetreiber als Intermediär die wirtschaftliche Bedeutung einer Gegenleistung zukommt, wenn die Datenverwertung über den Vertragszweck hinausgeht, kommt auch in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2019/770 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen (ABl. EU 2019, Nr. L 136, S. 1) zum Ausdruck. Danach gilt die Richtlinie nicht nur in den Fällen einer entgeltlichen Bereitstellung digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen, sondern auch dann, wenn der Verbraucher dem Unternehmer personenbezogene Daten bereitstellt oder deren Bereitstellung zusagt, außer in Fällen, in denen die vom Verbraucher bereitgestellten personenbezogenen Daten durch den Unternehmer ausschließlich zur Bereitstellung digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen im Einklang mit der Richtlinie oder zur Erfüllung von vom Unternehmer einzuhaltenden rechtlichen Anforderungen verarbeitet werden und der Unternehmer diese Daten zu keinen anderen Zwecken verarbeitet. Auch in Nummer 2 der Facebook-Nutzungsbedingungen ("Wie unsere Dienste finanziert werden") wird dieser Leistungs-Gegenleistungs-Zusammenhang zum Ausdruck gebracht.

dd) Ebenso wenig wie die Verwendung von nach Wertungen der Rechtsordnung unzulässigen Vertragskonditionen durch ein marktbeherrschendes Unternehmen indiziert allerdings die durch Vertragsbedingungen aufgedrängte Erweiterung des Leistungsumfangs schon als solche eine Gefährdung der Schutzgüter des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Vielmehr können sich wie bei einer Zwangskopplung von Produkten oder Dienstleistungen sowohl im Vertikalverhältnis als auch im Horizontalverhältnis wettbewerbsschädliche Wirkungen ergeben, wenn die aufgedrängte Leistungserweiterung sich als Ausbeutung der Abnehmer oder als Behinderung des Wettbewerbs (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2004 - KZR 1/03, BGHZ 158, 334, 340/341 - Der Oberhammer) erweist. Die Wettbewerbsschädlichkeit der aufgedrängten Leistungserweiterung ergibt sich hier sowohl aus der Ausbeutung der Abnehmer als auch aus ihrer wettbewerbsbehindernden Wirkung.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts setzt ein Missbrauch nicht stets voraus, dass erst seine marktbeherrschende Stellung es dem Marktbeherrscher erlaubt, diejenigen Konditionen durchzusetzen, aus denen sich eine Ausbeutung der Abnehmer ergibt. Jedenfalls in Fällen, in denen die aufgedrängte Leistungserweiterung zu einem Marktergebnis zu Lasten der Nachfrager, das bei funktionierendem Wettbewerb nicht zu erwarten wäre, und gleichzeitig zu einer Behinderung des Wettbewerbs führt, kann die nach § 19 Abs. 1 GWB erforderliche Kausalität nicht verneint werden. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn auf einem zweiseitigen Markt gerade die Ausbeutung der einen Marktseite durch den Intermediär zugleich geeignet ist, den Wettbewerb auf der anderen Marktseite zu beeinträchtigen.

(1) Die Frage, inwieweit ein Konditionenmissbrauch im Sinne des § 19 GWB eine Kausalität zwischen Marktbeherrschung und Vertragskonditionen voraussetzt, wird insbesondere im Zusammenhang mit dem Streitfall und mit Blick auf rechtlich unzulässige Datenverarbeitungskonditionen kontrovers diskutiert.

(a) Teilweise wird die Anwendbarkeit des § 19 Abs. 1 GWB nicht von einer Kausalitätsprüfung abhängig gemacht (Lettl, WuW 2016, 214, 215).

(b) Nach einer Ansicht, der sich das Beschwerdegericht angeschlossen hat, erfordert ein Konditionenmissbrauch zwingend eine instrumentelle Kausalität (Verhaltenskausalität) zwischen Marktbeherrschung und Ausbeutung (Franck, ZWeR 2016, 137, 151 ff.; Körber, NZKart 2016, 348, 355; Wiedemann/Jäger, K&R 2016, 217, 219; Thomas, NZKart 2017, 92, 95 f.; Schweitzer/Haucap/Kerber/Welker, Modernisierung der Missbrauchsaufsicht für marktmächtige Unternehmen, Endbericht, 29. August 2018, S. 108; Engert, AcP 218 [2018], 304, 373; Grothe, Datenmacht in der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle, 2019, S. 233). Welche Voraussetzungen für die Verhaltenskausalität vorliegen müssen, wird dabei unterschiedlich beurteilt:

(aa) Überwiegend wird das Als-ob-Wettbewerbskonzept herangezogen. Wenn die Konditionen denjenigen entsprechen, die - etwa bedingt durch Informationsasymmetrien und rationale Apathie der Verbraucher - auch ohne Marktbeherrschung oder bei wirksamem Preiswettbewerb durchsetzbar sind, können sie danach keine missbräuchliche Ausbeutung darstellen, denn sie sind nicht durch Marktbeherrschung erzwungen (Franck, ZWeR 2016, 137, 152; Nuys, WuW 2016, 512, 519; Thomas, NZKart 2017, 92, 95; ders., NZKart 2019, 187, 192 f.; Karbaum, DB 2019, 1072, 1076).

(bb) Nach anderer Auffassung soll es dagegen ausreichen, wenn die Markstellung mitursächlich für die unbesehene Akzeptanz der Vertragskonditionen ist. Die privaten Nutzer könnten jedenfalls von einem auf den Umgang mit Nutzerdaten spezialisierten Unternehmen in herausragender Position erwarten, dass dessen Leistungen datenschutzrechtskonform bereitgestellt würden (Bergmann/Modest, NZKart 2019, 531, 534).

(c) Schließlich soll nach einer auch der angefochtenen Verfügung zugrunde liegenden Auffassung die Kausalität "normativen Charakter" haben und keine instrumentelle Kausalität zwischen Marktbeherrschung und Ausbeutung voraussetzen (Mohr, EuZW 2019, 265, 273; Fuchs in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl., 2020, § 19 GWB Rn. 234a). Für eine ausreichende Ergebniskausalität soll es genügen, dass die Verhaltensweise zwar grundsätzlich jedem Unternehmen möglich ist, sich aber nur bei marktbeherrschenden Unternehmen schädliche Auswirkungen auf den Wettbewerb einstellen (Sondergutachten der Monopolkommission, BT-Drucks. 18/5080 Rn. 527; Fuchs aaO § 19 GWB Rn. 215a, Rn. 234a; Mohr, EuZW 2019, 265, 272 f.).

(2) Der zuletzt genannten Ansicht ist insofern zuzustimmen, als eine strikte Verhaltenskausalität, wie sie das Beschwerdegericht verlangt hat, für die Anwendbarkeit des § 19 Abs. 1 GWB eine zwar hinreichende, aber nicht notwendige Bedingung ist. Jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, in denen die verwendeten Konditionen zu Marktergebnissen zu Lasten der Nachfrager führen, die bei funktionierendem Wettbewerb nicht zu erwarten wären, und gleichzeitig zu einer Behinderung des Wettbewerbs objektiv geeignet sind, kann die nach § 19 Abs. 1 GWB geforderte Kausalität regelmäßig nicht verneint werden.

(a) Auf ein Kausalitätserfordernis kann nicht gänzlich verzichtet werden, da § 19 Abs. 1 GWB die missbräuchliche Ausnutzung einer markbeherrschenden Stellung verlangt. Der historische Gesetzgeber hat insbesondere für den Fall der klassischen Kopplung, bei der der Vertragsschluss davon abhängig gemacht wird, dass der Vertragsgegner sachlich oder handelsüblich nicht zugehörige Waren und Leistungen abnimmt, klargestellt, die "missbräuchliche Ausnutzung" erfordere, dass die marktbeherrschende Stellung eines Unternehmens ursächlich für den Abschluss des Kopplungsvertrages ist (Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über den Entwurf eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen - Drucksachen 3644, 1158 - vom 28. Juni 1957, zu BT-Drucks. 2/3644, S. 26, rechte Spalte).

(b) Die danach geforderte Kausalität ist nach dem Zweck der Missbrauchsaufsicht zu bestimmen. Dieser ist auf die Begrenzung wirtschaftlicher Macht auf Märkten, auf denen der Wettbewerb seine Kontrollfunktion nicht (mehr) wirksam ausübt, gerichtet (Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft zum Entwurf zur 4. GWB-Novelle, BT-Drucks. 8/3690, S. 24). Die missbräuchliche Ausnutzung nicht hinreichend vom Wettbewerb kontrollierter Handlungsspielräume zu Lasten Dritter soll unterbunden werden (BGHZ 128, 17, 27, 29 - Gasdurchleitung; BGHZ 156, 379, 384 - Strom und Telefon I; WuW 2019, 638 Rn. 26 - Werbeblocker III). Verbraucher werden auf diese Weise vor einem mittelbaren Schaden durch Eingriffe in die Marktstruktur und damit vor einer Beeinträchtigung des Wettbewerbs geschützt (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Februar 1973 - C-6/72, juris Rn. 26 - Europemballage & Continental Can/Kommission). Dies beruht auf der besonderen Verantwortung, die ein marktbeherrschendes Unternehmen dafür trägt, dass durch sein Verhalten ein wirksamer und unverfälschter Wettbewerb nicht beeinträchtigt wird (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 - C-457/10 P, WuW 2013, 427 Rn. 98 - AstraZeneca/Kommission; BGH, Urteil vom 5. Mai 2020 - KZR 36/17, juris Rn. 72 - FRAND-Einwand).

Insbesondere in Fällen, in denen die Verwendung bestimmter - nach den allgemeinen Maßstäben der Rechtsordnung zulässiger oder unzulässiger - Vertragskonditionen geeignet ist, die marktbeherrschende Stellung abzusichern oder zu vergrößern, rechtfertigt die Auswirkung der durchsetzbaren Konditionen vorbehaltlich der Interessenabwägung im Einzelfall die grundsätzliche Anwendung der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle.

Dementsprechend hat der Senat angenommen, dass die Verwendung unangemessener Geschäftsbedingungen, die die Beendigung einer langjährigen Vertragsbeziehung mit einem Normadressaten des § 19 Abs. 1 GWB erschweren, regelmäßig einen Missbrauch von Marktmacht darstellt (WuW 2017, 283 Rn. 35 - VBL-Gegenwert II). Denn dies ist "Ausfluss der Marktmacht oder der großen Machtüberlegenheit" des Verwenders (BGHZ 199, 1 Rn. 65 - VBL-Gegenwert I, BGH, WuW 2017, 283 Rn. 35 - VBL-Gegenwert II) in dem Sinne, als gerade die Marktmacht dazu führt, dass die Konditionen nicht nur den Vertragspartner schädigen, sondern auch objektiv geeignet sind, zu schädlichen Auswirkungen auf das Marktgeschehen und den Wettbewerb zu führen.

(aa) Geringere Anforderungen an die Kausalität zwischen Marktbeherrschung und Schädigung der Vertragspartner sind in diesem Fall deshalb gerechtfertigt, weil sich bereits aus der objektiven Eignung des Verhaltens zur Behinderung des Wettbewerbs ergibt, dass das Verhalten eine Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung unter dem Gesichtspunkt der Behinderung darstellt. Dies rechtfertigt es jedenfalls, bei der erforderlichen Gesamtbeurteilung des Verhaltens auch für eine Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung zu Lasten der Vertragspartner genügen zu lassen, dass die beanstandeten Nutzungsbedingungen zu einem Marktergebnis führen, das unter den Bedingungen eines funktionierenden Wettbewerbs nicht zu erwarten wäre.

(bb) Für eine Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung durch einen Behinderungsmissbrauch im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB muss nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht notwendigerweise ein streng festzustellender Kausalzusammenhang zwischen der Marktbeherrschung und dem missbilligten Verhalten bestehen, es reicht vielmehr ein Kausalzusammenhang mit der wettbewerbsbeeinträchtigenden Wirkung aus (BGH, Urteil vom 4. November 2003 - KZR 38/02, WuW/E DE-R 2004, 1210, 1211 - Strom und Telefon I).

(cc) Jedenfalls in einer Konstellation, in der sich das Verhalten des Marktbeherrschers wegen seiner Behinderungswirkung als Ausnutzung seiner marktbeherrschenden Stellung zu Lasten der Wettbewerber darstellt, wäre es sachlich nicht zu rechtfertigen, die nachteiligen Wirkungen des Verhaltens zu Lasten der Nutzer wegen eines strengeren Kausalitäts- und Nachweiserfordernisses unberücksichtigt zu lassen. Insbesondere auf einem zweiseitigen Markt ist die wechselseitige Beeinflussung der beiden Marktseiten nicht nur bei Feststellung der Marktbeherrschung zu berücksichtigen (§ 18 Abs. 3a GWB). Vielmehr dürfen, weil sich das Geschäftsmodell auf beide Marktseiten bezieht, auch die Auswirkungen des jeweiligen Verhaltens nicht isoliert betrachtet werden.

(dd) Für unterschiedliche Kausalitätserfordernisse spricht in diesen Fällen nicht, dass beim Konditionenmissbrauch Verhalten und Marktwirkungen grundsätzlich zusammenfallen (aA Franck, ZWeR 2016, 137, 151; Satzky, NZKart 2018, 554, 557). Die Marktwirkungen des beanstandeten Verhaltens beschränken sich nicht auf das Verhältnis zu den Vertragspartnern. Vielmehr kann das Verhalten auch die Marktbedingungen für (potentielle Wettbewerber) beeinträchtigen.

(c) Es bedarf in einer Konstellation, in der das Verhalten zur spürbaren Beeinträchtigung der Marktverhältnisse objektiv geeignet ist, auch zur Annahme eines Missbrauchs im Sinne des § 19 Abs. 1 GWB keiner hohen Wahrscheinlichkeit für die Verwendung anderer Vertragskonditionen bei wirksamem Wettbewerb, wie sie nach § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB gefordert wird. Es reicht vielmehr eine entsprechende Erwartung aus, die auf tatsächliche Anhaltspunkte dafür, wie Marktteilnehmer auf feststellbare Nutzerpräferenzen wirtschaftlich vernünftig reagieren, und hieraus resultierende Anreize für die Verwendung anderer Vertragskonditionen oder eine Leistungsdiversifizierung gestützt ist.

Dagegen spricht nicht, dass für den Ausbeutungsmissbrauch nach § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB ein strengerer Maßstab gilt. Denn dieses Regelbeispiel beschränkt sich auf ein Verhalten, das eine bloße Ausbeutung darstellt. Das Konzept des Als-ob-Wettbewerbs, wie es dem § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB zugrunde liegt, ist im Hinblick auf die dafür erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nur begrenzt oder gar nicht tauglich, wenn infolge des Grades der Marktbeherrschung und der besonderen Marktgegebenheiten sowie der Art des Missbrauchs keine oder nahezu keine Aussicht auf wirksamen Wettbewerb besteht und daher konkrete Feststellungen zu den Verhältnissen, die sich unter Wettbewerbsbedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einstellten, nicht oder kaum möglich sind.

Auch die Annahme eines Behinderungsmissbrauchs gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB erfordert nicht zwingend die Feststellung tatsächlicher Auswirkungen. Es reicht vielmehr, wenn ein wettbewerblicher Aktionsparameter zur spürbaren Beeinträchtigung der Marktverhältnisse objektiv geeignet ist (vgl. zum Behinderungsmissbrauch nach § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB aF: BGH, Beschluss vom 6. November 2012 - KVR 54/11, WuW 2013, 627 Rn. 41 - Gasversorgung Ahrensburg; zu Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV): EuGH, WuW 2013, 427 Rn. 112 - AstraZeneca/Kommission). Wegen der besonderen Verantwortung, die ein marktbeherrschendes Unternehmen dafür trägt, dass durch sein Verhalten ein wirksamer und unverfälschter Wettbewerb nicht beeinträchtigt wird (Rn. 74) ist insoweit bereits eine Gefährdung des Wettbewerbs ausreichend.

ee) Es bestehen keine ernsthaften Zweifel daran, dass die beanstandeten Nutzungsbedingungen zu einem wettbewerbswidrigen Marktergebnis führen, weil diese unter den Bedingungen eines funktionierenden Wettbewerbs nicht zu erwarten wären.

(1) Nach den Feststellungen des Bundeskartellamts wünschen erhebliche Teile der Nutzer einen geringeren Umfang der Preisgabe persönlicher Daten. 46 % der Facebook-Nutzer haben erklärt, in "weniger preisgegebenen Daten" einen Grund zu sehen, um statt Facebook einen anderen Dienst verstärkt zu nutzen (Frage 11, Amtsakte S. 682). 38,5 % der Nutzer haben sogar ihre Bereitschaft bekundet, als Ausgleich für den Verzicht auf die Datenerhebung ein Entgelt für die Nutzung des sozialen Netzwerks zu bezahlen.

(2) Es wäre zu erwarten, dass bei funktionierendem Wettbewerb, vor allem ohne die beschriebenen, sich aus dem Lock-in-Effekt (Rn. 44) ergebenden Wechselhürden, auf dem Markt für soziale Netzwerke ein Angebot verfügbar wäre, das Nutzerpräferenzen für eine stärkere Autonomie bei der Gestattung des Zugriffs auf Daten, die ihre Internetnutzung in ihrer Gesamtheit weitgehend abbilden, Rechnung trüge und den Nutzern die Wahl ließe, ob sie das Netzwerk mit einer intensiveren Personalisierung des Nutzungserlebnisses verwenden wollen, wie sie mit der Verarbeitung von ʺOff-Facebookʺ-Daten einhergeht, oder ob sie sich nur mit einer Personalisierung einverstanden erklären wollen, die auf Daten beruht, die sie bei Nutzung des Angebots des Plattformbetreibers preisgeben. Eine solche uneingeschränkte Wahlmöglichkeit bietet Facebook nicht an. Die derzeit bestehende Möglichkeit des Nutzers, sich nach der Anmeldung gegen eine Zulassung von Werbeanzeigen "auf Basis von Partnerdaten" zu entscheiden, berührt nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Bundeskartellamts in dem angefochtenen Beschluss (Rn. 654) nämlich weder die Erfassung von Daten aus den Facebook Business Tools, noch ihre Verknüpfung mit dem Facebook-Konto. Jegliche Steuerungsmöglichkeit fehlt darüber hinaus bei der Erfassung und Verknüpfung aus anderen konzerneigenen Diensten.

Ein solches Verhalten, das nicht (zumindest auch) als durch Nachfragepräferenzen gesteuert bewertet werden kann, kann sich als Ausnutzung durch den Wettbewerb nicht hinreichend kontrollierter Verhaltensspielräume darstellen. Zwar kann auch bei funktionierendem Wettbewerb nicht auf allen Märkten davon ausgegangen werden, dass die Angebote sämtlichen Nachfragepräferenzen Rechnung tragen. Da die Erhöhung der Reichweite bei den Nutzern eines sozialen Netzwerks sich positiv auf die Marktstellung des Betreibers des Netzwerks gegenüber den Werbekunden auswirkt, besteht jedoch ein besonderes Interesse des Netzwerkbetreibers, möglichst viele Nutzer mit seinem Angebot zu erreichen. Dies spricht dafür, dass Nachfragepräferenzen bei funktionierendem Wettbewerb einen wesentlichen Wettbewerbsfaktor bilden (vgl. Broemel, Strategisches Verhalten in der Regulierung, 2010, S. 240) und entsprechende Angebote generieren.

(3) Ohne Erfolg macht Facebook geltend, die untersagten Nutzungsbedingungen und Richtlinien seien marktüblich.

Auf die Verwendung entsprechender Nutzungsbedingungen durch YouTube, Skype, Yahoo, Twitter und LinkedIn kann sich Facebook schon mangels Zugehörigkeit der Unternehmen zum relevanten Markt nicht berufen. Google+ wird auf dem relevanten Markt nicht mehr angeboten. Mit der Vorlage des Ausdrucks der Datenschutzerklärung von Google+ vom 22. Januar 2019 ist zudem nicht glaubhaft gemacht (§ 65 Abs. 4 Nr. 2 GWB), dass Google+ auch im Zusammenhang mit dem Betrieb eines sozialen Netzwerks Informationen innerhalb der jeweiligen Unternehmensfamilie austauschte und die Nutzung des Netzwerks von einer entsprechenden Einwilligung abhängig gemacht hat.

0hne Erfolg rügt Facebook in diesem Zusammenhang eine unzureichende Sachverhaltsaufklärung durch das Bundeskartellamt. Selbst wenn die Verwendung der beanstandeten Nutzungsbedingungen auf dem relevanten Markt für soziale Netzwerke branchenüblich wäre, könnten sich daraus keine Rückschlüsse auf die Angebote bei funktionierendem Wettbewerb ergeben. Im Hinblick auf die überragende Marktstellung von Facebook verböte es sich, aus einer branchenüblichen Nachahmung seiner Nutzungsbedingungen Schlüsse auf die Verhältnisse zu ziehen, die sich bei funktionierendem Wettbewerb einstellten.

(4) Darauf, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen auch in Branchen mit lebhaftem Wettbewerb ebenso kritiklos hingenommen werden können wie bei nicht bestehendem Wettbewerb, was Ausdruck von Informationsasymmetrien und rationaler Apathie der Verbraucher ist, kommt es deshalb nicht entscheidend an. Dies ändert nichts daran, dass dem Umfang der Datenpreisgabe - und damit auch dem Inhalt hierauf bezogener Nutzungsbedingungen - bei der Nutzung eines sozialen Netzwerks bei funktionierendem Wettbewerb ein besonderer Stellenwert zukäme. Dies zeigt sich auch darin, dass nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts 80 % der Facebook-Nutzer die streitbefangenen Nutzungsbedingungen nicht gelesen haben, weil sie diese sowieso hinnehmen müssten. Zutreffend hat das Beschwerdegericht daraus geschlossen, dass den Nutzern die Teilnahme am sozialen Netzwerk wichtiger ist als die Frage, ob und welche "Off-Facebook"-Daten verarbeitet werden. Es hat jedoch verkannt, dass bei funktionierendem Wettbewerb die Nutzer echte Wahlmöglichkeiten hätten, von denen erwartet werden könnte, dass sie jedenfalls von datensensitiven Nutzern auch genutzt würden.

ff) Die beanstandete Ausgestaltung der Nutzungsbedingungen ist auch geeignet, den Wettbewerb zu behindern.

(1) Die objektive Eignung zur Beeinträchtigung der Marktverhältnisse auf dem Markt für soziale Netzwerke kann nicht mit der Begründung verneint werden, dass die Marktstellung von Facebook durch direkte Netzwerkeffekte auf Seiten der privaten Nutzer geprägt ist, weil der Nutzen des Facebook-Netzwerks für die Nutzer mit der Gesamtzahl der dem Netzwerk angeschlossenen Personen steigt (Rn. 44). Es ist zwar davon auszugehen, dass die Marktposition von Facebook nur dann erfolgreich angegriffen werden kann, wenn es dem Konkurrenten gelingt, in überschaubarer Zeit eine für die Attraktivität seines Netzes ausreichende Zahl von Nutzern zu gewinnen. Angesichts der erheblichen Nutzerzahl von Facebook bestehen damit erhebliche Marktzutrittsbarrieren (Rn. 38). Dies stellt jedoch die objektive Eignung der Quantität und Qualität der Nutzerdaten zur Absicherung oder Beeinträchtigung der Marktverhältnisse nicht in Frage. Die wechselseitige Beeinflussung der beiden Marktseiten ist nicht nur bei Feststellung der Marktbeherrschung zu berücksichtigen (§ 18 Abs. 3a GWB). Vielmehr dürfen, weil sich das Geschäftsmodell auf beide Marktseiten bezieht, auch die Auswirkungen des jeweiligen Verhaltens nicht isoliert betrachtet werden.

(2) Von Bedeutung ist daher, dass die intensivere Personalisierung durch Zugriff auf "Off-Facebook"-Daten Facebook zunächst eine Verbesserung seines Angebots im Vergleich zu aktuellen und potentiellen Wettbewerbern ermöglicht (jedenfalls gegenüber Nutzern, die dies schätzen). Je mehr Daten Facebook zur Verfügung stehen, umso genauer ist die Vorhersehbarkeit des Nutzerverhaltens. Dies ermöglicht Facebook nicht nur eine treffsichere Weiterentwicklung des Dienstes und eine genaue Anpassung künftiger oder anderer Geschäftszwecke und Technologien. Da mit jeder Erhöhung von Quantität und Qualität des von Facebook bereitgestellten Daten- und Datenanalyseangebots, das im Hinblick auf die Anzahl der Nutzer ohnehin schon sehr groß ist, zudem die Chance sowohl für aktuelle als auch potentielle Wettbewerber geringer wird, dass sie mit diesem Angebot mithalten können, kommt zusätzlich zu der durch direkte Netzwerkeffekte verursachten Marktzugangsschranke das Risiko hinzu, dass (potentielle) Wettbewerber im Wettbewerb um die zur Amortisation des Netzwerks erforderlichen Werbeverträge unterliegen.

(3) Vor diesem Hintergrund ist nicht anzunehmen, dass bei Bestehen hinreichend starker Netzwerkeffekte keine weitere Erhöhung der Marktzutrittsschranken auf dem Markt für soziale Netzwerke durch Erweiterung des Datenzugangs in Betracht kommt. Gegenteiliges ergibt sich entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts nicht aus dem Scheitern des sozialen Netzwerks Google+, welches mit 33 % einen höheren Anteil an der Datensammlung im Internet besaß als Facebook mit einem Anteil von nur 6,39 %. Denn dies rechtfertigt mangels weiterer Feststellungen des Beschwerdegerichts lediglich den Schluss, dass ein guter Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten nicht ausreicht, um das Fehlen hinreichender direkter Netzwerkeffekte zu kompensieren.

(4) Wegen der negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb um Werbeverträge lässt sich nach den dem Senat im Eilverfahren zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten auch eine Beeinträchtigung des Marktes für Onlinewerbung nicht ausschließen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts bedarf es insoweit keiner Feststellung, dass es einen eigenständigen Markt für Online-Werbung für soziale Medien gibt und Facebook auf diesem Markt über eine marktbeherrschende Stellung verfügt. Die Beeinträchtigung muss nicht auf dem beherrschten Markt, sondern kann auch auf einem nicht beherrschten Drittmarkt eintreten (vgl. zu § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB aF: BGH, WuW/E DE-R 2004, 1210, 1211 - Strom und Telefon II).

d) Danach handelt es sich bei den Funktionalitäten, die Facebook unter Verwendung von "Off-Facebook"-Daten bereitstellt, um eine unter Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung aufgedrängte erweiterte Leistung, für die die Nutzer einen Zugriff von Facebook auf ihre "Off-Facebook"-Daten unabhängig davon hinnehmen müssen, ob ihnen der erweiterte Leistungsumfang diese Gegenleistung wert ist. Es bestehen keine ernsthaften Zweifel, dass die zwangsweise Erweiterung des Leistungsumfangs wegen der Nachteile für solche Nutzer, die diese Funktionalitäten wegen des damit verbundenen Datenzugriffs nicht nutzen wollen, und wegen der Behinderungswirkungen aufgrund der gebotenen Abwägung missbräuchlich ist.

aa) Die Frage, ob die Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung missbräuchlich ist, ist anhand einer umfassenden Würdigung und Abwägung der betroffenen Interessen unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen zu beantworten (BGH, Urteil vom 27. September 1962 - KZR 6/61, BGHZ 38, 90, 102 - Treuhandbüro; Urteil vom 13. Juli 2003 - KZR 40/02, BGHZ 160, 67, 77 - Standard-Spundfass; Urteil vom 7. Juni 2016 - KZR 6/15, BGHZ 210, 292 Rn. 47 - Pechstein/International Skating Union). Diese Interessenabwägung kann immer nur einzelfallbezogen vorgenommen werden (BGH, WRP 2017, 707 Rn. 30 - Kabelkanalanlagen).

Die Rechtswidrigkeit des zur Beurteilung stehenden Verhaltens, insbesondere die Rechtswidrigkeit von Konditionen nach den allgemeinen Maßstäben der Rechtsordnung, bildet dabei nur einen - gegebenenfalls ausschlaggebenden - Faktor bei der Interessenabwägung, weil Interessen, deren Durchsetzung rechtlich missbilligt wird, nicht berücksichtigt werden dürfen (vgl. BGH, WRP 2017, 707 Rn. 30 - Kabelkanalanlagen). Die Rechtswidrigkeit verwendeter Vertragskonditionen ist jedoch keine notwendige Voraussetzung für die Annahme eines Missbrauchs.

bb) Der Schutzwürdigkeit der Nutzer, die Wert darauf legen, dass sich die Erhebung und die Verarbeitung von Daten auf das für die Nutzung und die Finanzierung des sozialen Netzwerks erforderliche Maß beschränkt und insbesondere ihre "Off-Facebook"-Internetnutzung nicht erfasst, steht - anders als das Beschwerdegericht meint - nicht entgegen, dass für diese keine Zwangslage bestände, sie vielmehr autonom nach ihren persönlichen Präferenzen und Wertvorstellungen die Entscheidung treffen könnten, ob sie das Netzwerk nutzen wollen.

(1) Ein Konditionenmissbrauch der hier vorliegenden Art setzt nämlich keine Zwangslage in dem Sinne voraus, dass der Marktgegenseite ein Nachfrageverzicht zur Abwendung der Ausbeutung nicht möglich, sie also unter allen Umständen zum Abschluss des Vertrages mit dem Marktbeherrscher genötigt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Mai 1987 - KVR 4/86, BGHZ 101, 100, 104 - Inter-Mailand-Spiel). Der Missbrauch bezieht sich in diesen Fällen primär auf den Leistungsaustausch mit der Marktgegenseite (vgl. Satzky, NZKart 2018, 554, 556) und setzt damit voraus, dass es überhaupt zu einem Leistungsaustausch kommt.

(2) Das Beschwerdegericht hat ferner verkannt, dass der Zugang der Nutzer zu dem sozialen Netzwerk Facebook jedenfalls für Teile der Verbraucher in erheblichem Umfang über die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben entscheidet, so dass diesen nicht zugemutet werden kann, darauf zu verzichten (vgl. zur Bedeutung dieses Gesichtspunkts bei der mittelbaren Drittwirkung von Art. 3 Abs. 1 GG: BVerfGE 147, 267 Rn. 41 - Stadionverbot). Das soziale Netzwerk ist eine wichtige gesellschaftliche Kommunikationsform. Die Nutzung des zum Zweck des gegenseitigen Austauschs und der Meinungsäußerung eröffneten Forums ist wegen der hohen Anzahl der Nutzer und der Netzwerkeffekte (Rn. 44) von besonderer Bedeutung (vgl. BVerfG, NJW 2019, 1935 Rn. 15). Mangels einer entsprechenden Ausweichmöglichkeit kann von einer autonomen Entscheidung des Nutzers allenfalls insofern die Rede sein, als er auf die Inanspruchnahme einer nicht lebensnotwendigen Leistung auch verzichten kann. Der Schutz der Nachfrager vor einer Ausbeutung durch ein marktbeherrschendes Unternehmen ist jedoch nicht auf lebensnotwendige Produkte und Dienstleistungen beschränkt.

cc) Das verfassungsrechtlich garantierte Recht auf informationelle Selbstbestimmung erfordert gerade im Zusammenhang mit der erheblichen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung der Kommunikation im Internet - angesichts des Umfangs und der Tiefe der anfallenden Daten - in besonderem Maße einen Schutz der Nutzer vor einer Ausbeutung dieser Kommunikationsdaten durch unangemessene Preisgabe zur Verwertung durch den Betreiber eines sozialen Netzwerks.

(1) Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung enthält zwar kein allgemeines oder gar umfassendes Selbstbestimmungsrecht über die Nutzung der eigenen Daten. Es gewährleistet aber dem Einzelnen die Möglichkeit, in differenzierter Weise darauf Einfluss zu nehmen, in welchem Kontext und auf welche Weise die eigenen Daten anderen zugänglich gemacht und von ihnen genutzt werden. Es enthält damit die Gewährleistung, über der eigenen Person geltende Zuschreibungen selbst substantiell mitzuentscheiden (BVerfG, WRP 2020, 39 Rn. 87 - Recht auf Vergessen I).

(2) Diese grundrechtliche Gewährleistung entfaltet auch auf die privatrechtliche Rechtsbeziehung Ausstrahlungswirkung und ist bei der Auslegung der zivilrechtlichen Generalklauseln, zu denen auch § 19 GWB gerechnet werden kann (BGHZ 210, 292 Rn. 57 - Pechstein), heranzuziehen (vgl. BVerfGE 81, 242, 255 f.; 89, 214, 232 ff.; 115, 51, 66, 67 f.). Die Wirkweise der Grundrechte im Zivilrecht als verfassungsrechtliche Wertentscheidungen bedeutet nicht, dass ihre Anforderungen in jedem Fall weniger weit reichen oder weniger anspruchsvoll sind als die unmittelbar staatsgerichteten Schutzwirkungen. Je nach den Umständen, insbesondere wenn private Unternehmen - wie hier - in eine dominante Position rücken und die Bereitstellung schon der Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation selbst übernehmen, kann die Grundrechtsbindung Privater einer Grundrechtsbindung des Staates im Ergebnis vielmehr nahe- oder auch gleichkommen. Insoweit können auch hier strenge Strukturierungsanforderungen an die Datenverarbeitung und die Anknüpfung an Zweck und Zweckbindungen - insbesondere etwa in Wechselwirkung mit Einwilligungserfordernissen - geeignete und möglicherweise verfassungsrechtlich gebotene Mittel zum Schutz der informationellen Selbstbestimmung sein (BVerfG, WRP 2020, 39 Rn. 88 - Recht auf Vergessen I).

(3) Dem Erfordernis einer substantiellen Entscheidungsbefugnis des Betroffenen über die Verwendung seiner personenbezogenen Daten und der Anknüpfung an Zweck und Zweckbindungen der Datenverarbeitung in Wechselwirkung mit Einwilligungserfordernissen wird auch durch die Datenschutz-Grundverordnung Rechnung getragen. Gemäß Art. 6 Abs. 1 DSGVO ist die Verarbeitung personenbezogener Daten nur dann zulässig, wenn mindestens eine der dort genannten Bedingungen gegeben ist.

Dazu zählt nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. a DSGVO die freiwillige Einwilligung der betroffenen Person. Bei der Beurteilung, ob die Einwilligung freiwillig erteilt wurde, muss gemäß Art. 7 Abs. 4 DSGVO dem Umstand in größtmöglichen Umfang Rechnung getragen werden, ob die Erfüllung eines Vertrages von der Einwilligung zu einer Verarbeitung personenbezogener Daten abhängig ist, die für die Vertragserfüllung nicht erforderlich sind. Erwägungsgrund 43 Satz 2 Halbs. 2 DSGVO betont die Zweckbindung noch deutlicher, wenn danach die Einwilligung nicht als freiwillig erteilt gilt, wenn die Erfüllung eines Vertrages, einschließlich der Erbringung einer Dienstleistung, von der Einwilligung abhängig ist, obwohl diese Einwilligung für die Erfüllung nicht erforderlich ist.

Die Erforderlichkeit der Datenverarbeitung für die Vertragserfüllung bildet wiederum nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. b DSGVO einen eigenen Erlaubnistatbestand. Er beruht auf dem Gedanken, dass die für die Erfüllung eines Vertrages erforderliche Datenverarbeitung unmittelbar auf die von der betroffenen Person autonom getroffene Willensentschließung zurückgeht, mit dem Verantwortlichen ein Schuldverhältnis einzugehen und damit auch eine hierfür erforderliche Verarbeitung von Daten zu ermöglichen (vgl. Assion/Nolte/Veil in Gierschmann/Schlender/Stentzel/Veil, DSGVO, Art. 6 Rn. 86; Buchner/Petri in Kühling/Buchner, DSGVO, 2. Aufl., Art. 6 Rn. 26; Schantz in Simitis/Hornung/Spiecker, Datenschutzrecht, Art. 6 Abs. 1 DSGVO Rn. 15; Spindler/Dalby in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl., Art. 6 DSGVO Rn. 5; Sydow/Reimer, DSGVO, 2. Aufl., Art. 6 Rn. 18).

(4) Entgegen der Auffassung Facebooks steht der Anwendbarkeit des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung die Datenschutz-Grundverordnung nicht entgegen. Denn die deutschen Gerichte haben, soweit das Unionsrecht den Mitgliedstaaten Gestaltungsspielräume belässt, gemäß Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG immer auch die Grundrechte des Grundgesetzes zur Anwendung zu bringen (vgl. BVerfG, WRP 2020, 39 Rn. 73 - Recht auf Vergessen I). Art. 6 Abs. 1 Buchst. a und b DSGVO machen die Zulässigkeit der Datenverarbeitung, wie Facebook zutreffend geltend macht, von der vertraglichen Grundlage der Rechtsbeziehung abhängig, sofern nicht ein anderer Erlaubnistatbestand eingreift, und geben nicht umgekehrt einen bestimmten Inhalt der Vertragsbeziehung vor. Über die Frage, ob ein Leistungsinhalt, aus dem sich die Erforderlichkeit der Erfassung und Verarbeitung bestimmter Daten ergeben kann, wirksam vereinbart werden kann, entscheidet deshalb nicht die Datenschutz-Grundverordnung. Gleichwohl können ihre Wertungen ebenso wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bei einer - wie hier - gebotenen Interessenabwägung Bedeutung gewinnen.

(5) Der durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistete Schutz würde ebenso wie die Bindung der Datenverarbeitung an die Erforderlichkeit zur Vertragserfüllung durch Art. 6 Abs. 1 Buchst. b DSGVO erheblich beeinträchtigt, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen wie Facebook die Bedeutung des Zugangs zu seinem sozialen Netzwerk uneingeschränkt dazu ausnutzen könnte, durch die Definition seines Leistungsangebots den Umfang der zulässigen Datenverarbeitung unter Hintanstellung der Nutzerinteressen allein an seinem Interesse an der Vermarktung eines durch die Internetnutzung innerhalb und außerhalb von Facebook generierten Bestandes personenbezogener Daten seiner Nutzer auszurichten und über das für die Benutzung des sozialen Netzwerks erforderliche Maß auszuweiten.

An die Überlegung, dass der Betroffene vor einer willkürlichen Ausweitung der vertragscharakteristischen Leistung zu schützen ist, knüpfen auch datenschutzrechtliche Überlegungen an, die vertragscharakteristische Leistung möglichst eng zu fassen und auf den eigentlichen Kern der vom Betroffenen gewollten Leistungen zu reduzieren (vgl. BeckOK DatenschutzR/Albers/Veit, 32. Ed., Art. 6 DSGVO Rn. 32; Buchner, WRP 2019, 1243, 1247; EDPB, Guidelines 2/2019 on the processing of personal data under Article 6(1)(b) GDPR in the context of the provision of online services to data subjects, Rn. 36; EDPS, Stellungnahme 4/2017 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte, Rn. 52; Buchner/Petri in Kühling/Buchner, DSGVO, 2. Aufl., Art. 6 Rn. 26 u. 39 f.; Plath/Plath, DSGVO, 3. Aufl., Art. 6 Rn. 35; Schantz in Simitis/Hornung/Spiecker, Datenschutzrecht, Art. 6 Abs. 1 DSGVO Rn. 32 f.). Die Bestimmung der vertragscharakteristischen Leistung ist jedoch eine der Prüfung der datenschutzrechtlichen Tatbestände vorgelagerte Frage.

dd) Entgegen der Auffassung von Facebook ist die Berechtigung von Facebook zur Erfassung und Bearbeitung von "Off-Facebook"-Daten nicht von einer Einwilligung des Nutzers unabhängig, so dass mit der Zustimmung des Nutzers zu den Nutzungsbedingungen im Ergebnis für Facebook kein Nachteil verbunden wäre.

(1) Ohne Erfolg beruft sich Facebook auf Art. 6 Abs. 1 Buchst. c DSGVO.

(a) Danach ist die Datenverarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist. Gemeint ist damit, wie sich aus Art. 6 Abs. 3 Satz 1 DSGVO ergibt, eine Verpflichtung kraft Rechts der Union oder eines Mitgliedstaates (vgl. BeckOK DatenschutzR/Albers/Veit, 32. Ed., Art. 6 DSGVO Rn. 34; Heberlein in Ehmann/Selmayr, DSGVO, 2. Aufl., Art. 6 Rn. 16; Buchner/Petri in Kühling/Buchner, DSGVO, 2. Aufl., Art. 6 Rn. 77). Das Unionsrecht oder das nationale Recht muss gemäß Art. 6 Abs. 3 Satz 4 DSGVO ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel verfolgen. Zu den typischen rechtlichen Verpflichtungen in diesem Sinne zählen Aufzeichnungs-, Aufbewahrungs- und Archivierungspflichten im Handels-, Gewerbe-, Steuer- und Sozialrecht (vgl. Plath/Plath, DSGVO, 3. Aufl., Art. 6 Rn. 38 mwN).

(b) Soweit Facebook sich im Hinblick auf diesen Erlaubnistatbestand auf Anfragen präventiv oder repressiv tätiger Behörden beruft, folgt daraus keine Erlaubnis der Erhebung und Verarbeitung von "Off-Facebook"-Daten. Soweit eine Verpflichtung besteht, die Daten zu erheben und zu verarbeiten, trifft diese Verpflichtung das Unternehmen, bei dem die "Off-Facebook"-Daten unmittelbar anfallen. Ohne Erfolg macht Facebook geltend, für die Feststellung der Identität eines Straftäters bedürfe es sämtlicher Daten. Eine Erlaubnis zur Verarbeitung von Daten kommt nur bei konkretem Anlass in Betracht, die Datenverarbeitung darf daher nicht auf "Vorrat" erfolgen (vgl. Heberlein in Ehmann/Selmayr, DSGVO, 2. Aufl., Art. 6 Rn. 17; Buchner/Petri in Kühling/Buchner, DSGVO, 2. Aufl., Art. 6 Rn. 104; Schantz/Wolff, Das neue Datenschutzrecht, Teil D, Rn. 596). Eine Ausnahme bilden die - hier nicht gegebenen - Speicherpflichten der Erbringer von Telekommunikationsdiensten nach § 113a TKG und der Luftfahrtunternehmen nach § 31a BPolG (vgl. dazu Assion/Nolte/Veil in Gierschmann/Schlender/Stentzel/Veil, DSGVO, Art. 6 Rn. 92; Frenzel in Paal/Pauly, DSGVO, 2. Aufl., Art. 6 Rn. 17).

(2) Dasselbe gilt, soweit sich Facebook auf Art. 6 Abs. 1 Buchst. d DSGVO beruft, der die Datenverarbeitung erlaubt, um lebenswichtige Interessen der betroffenen Personen oder anderer natürlicher Personen zu schützen.

(3) Auch aus Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DSGVO ergibt sich keine Berechtigung der Verarbeitung von "Off-Facebook"-Daten. Danach ist eine Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen.

(a) Facebook sieht das berechtigte Interesse an der Verarbeitung der Daten aus Drittquellen darin, dass diese der zielgerichteten Werbung und damit der Finanzierung des Netzwerks dienen. Ferner diene sie Mess- und Analysezwecken, der Nutzer- und Netzwerksicherheit, Forschungszwecken sowie der Möglichkeit, auf rechtliche Anfragen antworten zu können.

(b) Dies mögen grundsätzlich berechtigte Interessen sein; insbesondere die Verarbeitung von Daten zum Zwecke der Direktwerbung kann als eine einem berechtigten Interesse dienende Verarbeitung betrachtet werden (Erwägungsgrund 47 Satz 7 DSGVO). Jedoch müssen Ausnahmen und Einschränkungen in Bezug auf den Schutz der personenbezogenen Daten auf das absolut Notwendige beschränkt werden (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Mai 2017 - C-13/16, juris Rn. 30 - Rigas satiskme). Es ist nicht ersichtlich und auch nicht dargelegt, dass die berechtigten Interessen von Facebook durch die Erhebung von Daten ausschließlich im Rahmen des sozialen Netzwerks nicht ausreichend gewahrt werden können. Zwar gilt im kartellbehördlichen Verwaltungsverfahren gemäß § 57 Abs. 1 GWB - ebenso wie im Beschwerdeverfahren nach § 70 Abs. 1 GWB - der Amtsermittlungsgrundsatz. Danach muss die Kartellbehörde die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 GWB feststellen. Gelingt ihr das nicht, kann sie keine Abstellungsverfügung nach § 32 Abs. 1 GWB erlassen. Facebook obliegt hinsichtlich der Darlegung seiner Interessen jedoch eine Mitwirkungspflicht nach § 26 Abs. 2 VwVfG, die durch die Auskunftspflicht nach § 59 Abs. 1 GWB konkretisiert wird. Das Unternehmen hat der Kartellbehörde die Daten aus seinem Einwirkungsbereich zu übermitteln, die sich die Behörde nicht auf anderem zumutbarem Wege beschaffen kann (BGH, Beschluss vom 22. Juli 1999 - KVR 12/98, BGHZ 142, 239, 248 f. - Flugpreisspaltung; Beschluss vom 15. Mai 2012 - KVR 51/11, WuW 2012, 848 Rn. 17 ff. - Wasserpreise Calw I; Beschluss vom 14. Juli 2015 - KVR 77/13, BGHZ 206, 229 Rn. 30 - Wasserpreise Calw II). Verweigert das Unternehmen eine derartige Mitwirkung, kann die Kartellbehörde daraus im Rahmen der freien Beweiswürdigung Schlüsse ziehen. Im Einzelfall kann sie dabei zu dem Ergebnis kommen, dass eine bestimmte Tatsache wegen der verweigerten Mitwirkung des Unternehmens als bewiesen anzusehen ist (BGHZ 206, 229 Rn. 30 - Wasserpreise Calw II). Da das Bundeskartellamt Facebook dazu aufgefordert hat, zum Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DSGVO näher vorzutragen, die geforderte Mitwirkung Facebooks jedoch unterblieben ist, durfte das Bundeskartellamt seiner Entscheidung die Annahme zugrunde legen, dass die Interessen Facebooks durch die Erhebung von Daten ausschließlich im Rahmen des sozialen Netzwerks ausreichend gewahrt werden können.

ee) Für die Missbräuchlichkeit des Verhaltens Facebooks sprechen auch die festgestellten, für die (potentiellen) Wettbewerber nachteiligen Behinderungswirkungen (Rn. 92). Gegen die Berücksichtigung der Interessen der (potentiellen) Wettbewerber spricht nicht, dass sich nachteilige Auswirkungen für sie auch bei einer Wahlmöglichkeit bei solchen Nutzern ergäben, die sich für die intensivere Datennutzungsmöglichkeit entschieden. Zwar ist bei der Interessenabwägung in der Regel kein Bedürfnis anzuerkennen, die Wettbewerber vor solchen Auswirkungen zu schützen, die sich auch bei funktionierendem Wettbewerb ergäben. Hier weicht jedoch das Marktergebnis von dem eines funktionierenden Wettbewerbs hinsichtlich solcher Nutzer ab, die sich bei einer echten Wahlmöglichkeit gegen eine "intensivere Personalisierung" und damit einhergehend eine Verarbeitung der "Off-Facebook"-Daten entschieden. Dies verkennt das Beschwerdegericht, wenn es ausführt, es liege auf der Hand, dass die Behinderung des Wettbewerbs im Horizontalverhältnis zu Facebook schlechterdings nicht davon abhängen könne, ob die privaten Facebook-Nutzer in die Datenverarbeitung einwilligten oder nicht.

ff) Das grundsätzlich anzuerkennende Interesse Facebooks, sein Leistungsangebot nach eigenen Vorstellungen zu gestalten, tritt angesichts der hohen Bedeutung der betroffenen Rechtspositionen seiner Nutzer, des Grades der Marktbeherrschung sowie der gegebenen Marktstrukturen und in Anbetracht der von dem Verhalten ausgehenden Behinderungswirkung gegenüber dem Interesse der Nutzer zurück, die Verarbeitung ihrer Daten auf das für die Nutzung des sozialen Netzwerks erforderliche Maß beschränken zu können. Facebook ist - entsprechend der Verbotsverfügung - nicht gehindert, seinen Nutzern ein "personalisiertes Erlebnis" anzubieten, das auf einer umfassenden Auswertung der Internetnutzung des Nutzers innerhalb und außerhalb von Facebook beruht. Es darf dies angesichts seiner ausgeprägten marktbeherrschenden Stellung jedoch keinesfalls tun, ohne seinen Nutzern die Wahl zwischen einem solchen Leistungsangebot und einem Leistungsangebot zu lassen, das auf die Erfassung und Verarbeitung von Daten verzichtet, die durch die Internetnutzung außerhalb von Facebook generiert worden sind und in deren Übermittlung an Facebook der Nutzer nicht ausdrücklich eingewilligt hat.

(1) Jedem Unternehmen, auch einem marktbeherrschenden, ist zwar grundsätzlich selbst überlassen, die Art seiner wirtschaftlichen Betätigung zu bestimmen, und zu entscheiden, mit welchen Waren oder Dienstleistungen es am Markt teilnehmen will. Die Freiheit des Normadressaten zur Gestaltung seines Geschäftsmodells besteht aber nur innerhalb der durch das Kartellrecht gezogenen Grenzen (BGHZ 156, 379, 389 - Strom und Telefon I). Sie ist ausgeschlossen, wo sie missbraucht wird oder zu einer Beschränkung des Wettbewerbs führt, die mit der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes unvereinbar ist. Im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung sind an die Schutzwürdigkeit der von einem Normadressaten verfolgten Belange mit zunehmender Abhängigkeit der Marktgegenseite von seinem Angebot in gleichem Maße steigende Anforderungen zu stellen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 2018 - KZR 48/15, WuW 2018, 326 Rn. 35 - Vertragswerkstatt). Die Bedeutung der Leistung Facebooks (Rn. 102) für die Nutzer rechtfertigt angesichts der sich aus den Feststellungen des Bundeskartellamts ergebenden wettbewerbswidrigen Wirkungen vor diesem Hintergrund die Einschränkung des unternehmerischen Freiraums.

Die Wahlfreiheit der Verbraucher wird typischerweise durch den wettbewerblichen Prozess und seine Funktion, Angebot und Nachfrage zu koordinieren, gewährleistet. Ist diese Koordinierungsfunktion aufgrund der besonderen Marktstrukturen (wie hier des Grads der Marktbeherrschung und des Lock-In-Effekts) und der daraus folgenden Schwächung der Wettbewerbskräfte erheblich beeinträchtigt und ist zudem aufgrund der besonderen Marktbedingungen nicht zu erwarten, dass der bestehende oder mögliche Restwettbewerb den Präferenzen der Nachfrager absehbar zur Durchsetzung verhilft, kann das Missbrauchsverbot des § 19 Abs. 1 GWB in Abhängigkeit von der Bedeutung der betroffenen Interessen dem marktbeherrschenden Unternehmen besondere Pflichten auferlegen, die den im wettbewerblichen Prozess erwartbaren Wahlmöglichkeiten der Abnehmer Rechnung tragen (zur Bedeutung der Wahlfreiheit als Schutzzweck des Wettbewerbsrechts vgl. Crémer/de Montjoye/Schweitzer, Competition Policy for the digital era, S. 77). Dies gilt umso mehr, je stärker die Verhaltensweisen des marktbeherrschenden Unternehmens zugleich dessen Marktstellung auf den betroffenen oder benachbarten Märkten absichern oder verstärken.

(2) Hier kommt hinzu, dass Facebook mit dem sozialen Netzwerk eine Kommunikationsplattform zur Verfügung stellt, die jedenfalls für Teile der Verbraucher in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben entscheidet und von wesentlicher Bedeutung für den öffentlichen Diskurs in politischen, gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Fragen ist. Damit erwächst dem Unternehmen unter dem Gesichtspunkt der informationellen Selbstbestimmung eine besondere rechtliche Verantwortung bei der Ausgestaltung der Bedingungen für die Plattformnutzung (vgl. BVerfGE 148, 267 Rn. 41 - Stadionverbot; NJW 2019, 1935 Rn. 19).

5. Der festgestellte Verstoß gegen § 19 Abs. 1 GWB rechtfertigt den Erlass der angefochtenen Abstellungsverfügung nach § 32 GWB.

a) Da die Datenschutz-Grundverordnung keine Vorgaben zum Inhalt der Vertragsbeziehung enthält (Rn. 109) und auch keine abschließenden Regelungen trifft, bestehen keine Zweifel an der Anwendbarkeit des § 32 GWB und der Zuständigkeit des Bundeskartellamts (Köhler, WRP 2018,1269, 1271/1272; Künstner, K&R 2019, 605, 606; Buchner, WRP 2019, 1243, 1244). Dass das Datenschutzrecht - wie die Unions- und nationale Rechtsordnung im Übrigen - bei der Anwendung des Kartellrechts zu beachten ist, führt nicht zur Unzuständigkeit des Bundeskartellamts (Körber, NZKart 2019, 187, 194; Karbaum, DB 2019, 1072, 1076; Louven, CR 2019, 352, 356).

b) Ohne Erfolg macht Facebook geltend, das Verbot der Nutzung der Daten (Ausspruch zu 2 der Verfügung) sowie die geforderte Klarstellung, dass die Verarbeitung ohne Einwilligung unterbleibe (Ausspruch zu 3 b der Verfügung) seien typische datenschutzrechtliche Maßnahmen. Denn die Ermächtigung des Bundeskartellamts ergibt sich insoweit aus § 32 Abs. 2 Satz 1 GWB. Danach kann die Kartellbehörde alle erforderlichen Abhilfemaßnahmen verhaltensorientierter oder struktureller Art vorschreiben, die gegenüber der festgestellten Zuwiderhandlung verhältnismäßig und für eine wirksame Abstellung der Zuwiderhandlung erforderlich sind. Zur Vermeidung der festgestellten Behinderungswirkungen der Verarbeitung von "Off-Facebook"-Daten ohne eine entsprechende Wahlmöglichkeit der Nutzer sind die genannten Maßnahmen erforderlich und geeignet.

c) Das gilt auch, soweit die Datenerhebung und -verarbeitung zu Sicherheitszwecken untersagt wird. Denn eine Berechtigung der Verarbeitung der "Off-Facebook"-Daten ergibt sich aus der Datenschutz-Grundverordnung nicht ohne weiteres (Rn. 115). Sollte die Datenschutz-Grundverordnung im Einzelfall eine Verarbeitung erlauben, wäre diese nach dem Ausspruch zu 2 der Verfügung nicht untersagt. Denn dort wird lediglich eine Verarbeitung untersagt, die im Rahmen der "Durchführung der Facebook-Nutzungsbedingungen", also auf vertraglicher Grundlage, erfolgt.

d) Die Amtsentscheidung ist entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts nicht deshalb zur Abstellung des Wettbewerbsverstoßes ungeeignet, weil sie Facebook die Erfassung, Verknüpfung und Verwendung der "Off-Facebook"-Daten nicht schlechthin, sondern nur für den Fall untersagt, dass der private Nutzer des Facebook-Netzwerks dieser Verarbeitung und Verknüpfung der Mehrdaten nicht gesondert zustimmt. Wie im Rahmen der Interessenabwägung ausgeführt, besteht die Schutzbedürftigkeit der Wettbewerber im vorliegenden Einzelfall nur soweit und solange, als das sie beeinträchtigende Marktergebnis nicht auf einer Entscheidung des Facebook-Nutzers beruht (Rn. 120).

e) Ohne Erfolg bleibt schließlich die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erhobene Rüge Facebooks, der Verbotsausspruch trage dem festgestellten Kartellrechtsverstoß nicht Rechnung, weil zu dessen Abstellung der Abschluss eines anderen Nutzungsvertrages aufgegeben werden müsste und nicht eine - jederzeit widerrufliche - Einwilligung des Nutzers. Der Ausspruch zu 1 der angefochtenen Verfügung enthält kein Gebot, sondern ein Verbot. Er untersagt Facebook sein gegenwärtiges Marktverhalten, nämlich die Verwendung von Nutzungsbedingungen, nach denen die Nutzung des sozialen Netzwerks Facebook durch in Deutschland ansässige private Nutzer davon abhängig ist, dass die Betreibergesellschaft "Off-Facebook"-Daten ohne Einwilligung der Nutzer mit den bei der Nutzung von facebook.com erhobenen und gespeicherten Daten dieser Nutzer verknüpfen und verwenden kann. Dieses Verhalten kann zum einen durch eine Einwilligung des Nutzers (nur) in die Verarbeitung von "Off-Facebook"-Daten abgestellt werden. Eine Einwilligung des Nutzers in diesem Sinne liegt zum anderen aber auch dann vor, wenn der Nutzer sich im Rahmen einer ihm eingeräumten Wahlmöglichkeit für eine Nutzung des Netzwerks unter Verwendung auch der "Off-Facebook"-Daten entschieden hat.

f) Aus dem Umstand, dass die angefochtene Verfügung den Verstoß gegen § 19 Abs. 1 GWB vorrangig mit dem Verstoß der untersagten Nutzungsbedingungen gegen datenschutzrechtliche Wertungen begründet hat, lässt sich ein entscheidungserheblicher Begründungsmangel der angefochtenen Verfügung nicht herleiten. Denn auch auf Grundlage der datenschutzrechtlichen Wertungen hat das Bundeskartellamt den Kern des Missbrauchs darin gesehen, dass dem Betroffenen keine "echte oder freie Wahl" bleibt, die Einwilligung in die Nutzung der "Off-Facebook"-Daten zu verweigern oder zurückzuziehen, ohne Nachteile zu erleiden (Verfügung Rn. 645). Da die weiteren Feststellungen den Vorwurf einer missbräuchlichen Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung von Facebook durch die untersagten Nutzungsbedingungen tragen, weil dem Nutzer eben diese freie Wahl zwischen einem die Nutzung von "Off-Facebook"-Daten ein- oder ausschließenden Vertragsinhalt verwehrt bleibt, leidet die Verfügung nicht an einem erheblichen Begründungsmangel. Die Konkretisierung des Verstoßes durch die rechtliche Bewertung des Senats bewirkt weder eine Wesensänderung der angefochtenen Verfügung, noch beschränkt sie Facebook unzumutbar in seiner Rechtsverteidigung (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. September 1987 - 8 B 55.87, juris Rn. 5).

IV.

Die Vollziehung der Verfügung hat für Facebook auch keine unbillige, nicht durch öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge, § 65 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Satz 1 Nr. 3 GWB.

1. Eine unbillige Härte gemäß § 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB liegt vor, wenn die durch die Vollziehung drohenden Nachteile nach den Umständen des Einzelfalls unter Abwägung des öffentlichen Interesses am Vollzug der Verfügung und der Interessen des von ihr Betroffenen nicht zu rechtfertigen sind. Schwerwiegende Nachteile genügen für sich alleine für die Annahme einer unbilligen Härte nicht. Existenzbedrohungen brauchen dagegen im Allgemeinen nicht hingenommen zu werden. Auch irreparable Folgen können nur ausnahmsweise durch öffentliche Interessen aufgewogen werden (vgl. OLG Düsseldorf, WuW 2013, 1097, 1098 - Chemikalienhandel II). Bei der Abwägung der Interessen sind auch die Erfolgsaussichten der Beschwerde zu berücksichtigen (vgl. BGH, WuW 2016, 249 Rn. 31 - Energieversorgung Titisee-Neustadt).

2. Verfügungen nach § 32 GWB zur Abstellung von Verstößen gegen § 19 GWB sind im öffentlichen Interesse stets sofort vollziehbar. Ein besonderes Interesse an der sofortigen Beseitigung ist dabei durch den Gesetzgeber vorausgesetzt und bedarf anders als bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung durch die Kartellbehörde nach § 65 Abs. 1 GWB keiner Begründung im Einzelfall (vgl. BGH, WuW 2007, 907 Rn. 59 - Lotto im Internet).

3. Die von Facebook aufgezeigten Nachteile können weder für sich noch zusammen genommen eine unbillige Härte begründen.

a) Entwicklungs- und Implementierungskosten zur Umsetzung der Verfügung im zweistelligen Millionenbereich rechtfertigen in Abwägung mit dem öffentlichen Vollzugsinteresse für sich alleine nicht die Annahme eines unbilligen Nachteils.

b) Dasselbe gilt für die zu erwartenden Umsatzeinbußen. Es liegt auf der Hand, dass das Verbot den Wert der Werbe- und Analysetools für die Werbekunden reduziert (vgl. Rn. 62). Es kann deshalb zugunsten der Antragstellerinnen unterstellt werden, dass damit tägliche Umsatzeinbußen in erheblicher Höhe verbunden sind. Dies ist jedoch ein Nachteil, der mit der Vollziehung der Verfügung notwendigerweise solange verbunden ist, wie es Facebook nicht gelingt, die Nutzerzustimmung für eine unveränderte Beibehaltung seines Geschäftsmodells zu erreichen.

c) Dass die plattformübergreifende Datennutzung Facebook die Ermittlung der wahren Identität der Nutzer im Fall des Verdachts einer Straftat erleichtert, ist kein Gesichtspunkt, der eine unbillige Härte begründen kann. Es besteht zwar ein öffentliches Interesse, die Identität eines Straftäters festzustellen. Dies rechtfertigt jedoch nicht den Einsatz rechtswidriger Mittel.

d) Auch die Beeinträchtigungen für die Nutzer, die sich aus der Vollziehung ergeben können, rechtfertigen die Annahme einer unbilligen Härte nicht.

Es kann zugunsten von Facebook unterstellt werden, dass der Vollzug - jedenfalls für einen gewissen Zeitraum - negative Auswirkungen für die Nutzer, nämlich ein ungenaues News Feed Ranking, eine Beeinträchtigung des Login-Prozesses, Behinderungen der Verbindung von Nutzern sowie den Wegfall der Möglichkeit des "Cross-Postings", zur Folge hat. Auch dies sind jedoch Nachteile, die mit der Vollziehung der Verfügung notwendigerweise verbunden sind.

e) Auch die von Facebook prognostizierte Umsetzungsdauer von 18 Monaten rechtfertigt nicht die Annahme einer unbilligen Härte. Im Ausspruch zu 3 der Verfügung ist eine Umsetzungsfrist von 12 Monaten vorgesehen. Nach dem Ausspruch zu 5 wird diese gehemmt und verlängert sich einmalig um zwei Monate, sofern ein zulässiger Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gestellt wird. Zwar endet die Hemmung nach dem Wortlaut der Verfügung mit der Beendigung des erstinstanzlichen Eilverfahrens über diesen Antrag. Der Senat versteht dies jedoch für die vorliegende Konstellation der Ablehnung des Antrags erst durch das Rechtsbeschwerdegericht - in Übereinstimmung mit der Erklärung des Vertreters des Bundeskartellamts in der mündlichen Verhandlung - dahin, dass die Hemmungswirkung erst mit Abschluss des Rechtsbeschwerdeverfahrens endet. Facebook verbleibt nach dem Ende des Eilverfahrens damit ein Umsetzungszeitraum von 14 Monaten. Das Bundeskartellamt hat sich mit dem Ausspruch zu 7 zudem den vollständigen oder teilweisen Widerruf der Verfügung vorbehalten. Dies ermöglicht bei entsprechendem substantiiertem Vorbringen eine Anpassung der Frist. Im Hinblick darauf, dass derzeit der für den Vollzug benötigte Zeitaufwand nicht sicher prognostizierbar ist, ist dadurch dem Interesse der Antragstellerinnen ausreichend Rechnung getragen.

f) Da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verfügung bestehen, rechtfertigt auch die zu erwartende lange Verfahrensdauer die Annahme einer unbilligen Härte nicht.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Satz 1 GWB.



- nach oben -



Datenschutz    Impressum