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BGH Urteil vom 12.05.1998 - KZR 25/96 - Berechtigter Schutz eines lückenlosen Vertriebssystems

BGH v. 12.05.1998: Zum berechtigten Schutz eines lückenlosen Vertriebssystems


Der BGH (Urteil vom 12.05.1998 - KZR 25/96) hat entschieden:

  1.  Nicht nur die Verleitung eines Depositärs zu unerlaubten Querlieferungen stellt einen rechtswidrigen Wettbewerbsverstoß i.S. des § 1 UWG dar, sondern - bei Bestehen einer schutzwürdigen lückenlosen vertikalen Vertriebsbindung - auch das bloße bewusste Ausnutzen eines Vertragsbruchs. Zudem stellt jeder Graumarktbezug - unabhängig von seiner Rechtmäßigkeit - eine empfindliche Störung des Vertriebskonzepts des Herstellers dar, der entgegenzuwirken der Hersteller berechtigt sein kann.

  2.  Werden Wiederverkäufer vom Hersteller nicht beliefert, obwohl sie alle qualitativen Voraussetzungen für die Aufnahme in ein selektives Vertriebssystem erfüllen, und unterbindet der Hersteller etwa gleichzeitig einen Warenbezug der Außenseiter durch lieferbereite Depositäre, kann ihnen daher - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des Art. 85 EGV - für den daraus entstehenden Schaden aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 85 Abs. 1 EGV als Schutzgesetz ein Ersatzanspruch in Geld zustehen. Ein Anspruch auf Belieferung ist vom Schutzzweck des Art. 85 EGV hingegen nicht erfasst. Die Norm verbietet einem Hersteller, seine Waren unter unzulässiger Beschränkung des Wettbewerbs in einem einzelne Händler diskriminierenden Vertriebssystem abzusetzen, gebietet ihm aber nicht, sämtliche Wiederverkäufer, die für den Absatz seiner Produkte fachlich geeignet sind, zu beliefern.




Siehe auch
Vertikale Vertriebsverbote - selektive Vertriebsbindung - Alleinvertriebsrecht
und
Stichwörter zum Thema Wettbewerb


Tatbestand:


Die Klägerin betreibt eine Parfümerie in der M. Innenstadt.

Die Beklagte ist hervorgegangen aus einer Fusion u.a. der B. GmbH, Bo. (im folgenden: B. ) mit der D. L. GmbH, Bo. . B. vertrieb in Deutschland hochwertige Kosmetikartikel. Sie belieferte ausschließlich autorisierte Fachhändler zu den Bedingungen eines europaweit verwendeten Depot-Vertrages. Eine Belieferung der Klägerin lehnten B. und die Beklagte ab.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass ihr sowohl aus Art. 85 EGV i.V.m. § 823 Abs. 2, § 249 BGB als auch aus § 26 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 35 Abs. 1 GWB, § 249 BGB ein Belieferungsanspruch gegen die Beklagte zustehe.

Sie ist der Meinung, die Klausel in Nr. 5 der Präambel des von B. verwendeten Muster-Depot-Vertrages, nach der ein Antrag auf Autorisierung nicht weiter geprüft wird, falls zum Zeitpunkt der Besichtigung der zu autorisierenden Verkaufsstelle dort Mitbewerbermarken oder die Marke B. unautorisiert geführt werden, verstoße gegen Art. 85 EGV. Da allgemein bekannt sei, dass auf hochwertige Depot-Kosmetik spezialisierte Fachparfümerien auf diese Produkte angewiesen seien und sich diese vor ihrer Zulassung zum Depot-System auf dem Graumarkt beschaffen müssten, wolle sich die Beklagte die Möglichkeit offenhalten, unliebsame Händler, insbesondere solche, die sich ihrer Preispolitik nicht anpassten, unter dem Anschein eines Grundes für die unterschiedliche Behandlung nicht zu beliefern. In dieser Weise verhalte sich die Beklagte auch gegenüber der Klägerin, die gezwungen sei, die Produkte von B. auf dem Graumarkt zu beziehen, um der Nachfrage der Kunden gerecht zu werden. Der wahre Grund, die Klägerin nicht zu beliefern, liege in deren Preispolitik; sie verkaufe ihre Waren 20 % unter den von den Herstellern empfohlenen Preisen. Die Nichtzulassung der Klägerin zu dem Depot-System und die damit verbundene Lieferverweigerung stelle eine nach Art. 85 EGV unzulässige Diskriminierung dar. Die Beklagte müsse die Klägerin in bezug auf eine Belieferung den von B. autorisierten Depositären gleichstellen, weil die Klägerin sämtliche im Muster-Depot-Vertrag von B. aufgestellten qualitativen Voraussetzungen an die Lage ihrer Geschäftsräume, deren Ausstattung, Fachberatung etc. erfülle. Sie führe sämtliche namhaften Marken der gehobenen Depot-Kosmetik, mit Ausnahme der Marke B. . Entgegen der Behauptung der Beklagten beliefere sie keine Wiederverkäufer unter Beteiligung am Bruch ihrer Depot-Verträge und betreibe auch keinen Versandhandel. Soweit sie Kunden Waren zusende, liege dies im Bereich des üblichen Kundenservice. In der Nichtbelieferung liege eine Wettbewerbsbeschränkung zu Lasten der Klägerin, die bei einem Marktanteil der B. von 5,8 % auf dem sachlich relevanten Markt für gehobene pflegende Depot-Kosmetik geeignet sei, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten spürbar zu beeinflussen. Da Art. 85 EGV ein Schutzgesetz i.S. von § 823 Abs. 2 BGB darstelle, berechtige der Verstoß gegen jene Norm die Klägerin, Schadensersatz in Form von Naturalrestitution zu verlangen, begründe also für die Beklagte einen Kontrahierungszwang.

Dieser ergebe sich auch aus § 26 Abs. 2 GWB. B. , deren Jahresumsatz im Jahr 1993 47 Millionen DM betragen habe und die zu den zehn umsatzstärksten und bekanntesten Herstellern im Bereich der gehobenen pflegenden Depot-Kosmetik gehöre, sei ein marktstarkes Unternehmen im Sinne dieser Vorschrift. Angesichts des hohen Distributionsgrades ihrer Erzeugnisse, der sehr hohen Markentreue der Kunden in diesem Bereich sowie der Kundenerwartung im Sinne eines Vollsortiments seien B. -Produkte für die Klägerin unverzichtbar. Sie würden denn auch - mit Ausnahme eines wegen seiner Preispolitik ebenfalls gezielt diskriminierten Fachgeschäfts - von "so gut wie allen" Parfümerien der M. Innenstadt geführt. Da eine Umlenkung von Kunden, die B. -Produkte verlangten, auf andere Marken praktisch unmöglich sei, bereite die Nichtbelieferung der Klägerin erhebliche Wettbewerbsnachteile durch Umsatzausfall und Ansehensverlust.

Die Klägerin hat beantragt

   festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, sie entsprechend ihren Bestellungen mit Erzeugnissen der Marke B. , wie sie in den jeweils gültigen Preislisten enthalten sind, zu den üblichen Konditionen zu beliefern.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie hält das Feststellungsbegehren wegen seiner Unbestimmtheit bereits für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet. Nach ihrer Ansicht kommt Art. 85 EGV als Anspruchsgrundlage für einen Belieferungsanspruch grundsätzlich nicht in Betracht, da Verstöße in der Anwendung einer selektiven Vertriebsbindung nur zu deren Nichtigkeit führten, nicht aber einen Kontrahierungszwang auslösen könnten. Eine Verletzung von Art. 85 EGV liege zudem nicht vor, weil zwischen der Nichtbelieferung der Klägerin und deren Preispolitik kein Zusammenhang bestehe. Die Ablehnung einer Lieferbeziehung beruhe vielmehr darauf, dass die Klägerin den qualitativen Anforderungen des Depot-Vertrages in mehrfacher Hinsicht nicht genüge. Ihre Geschäftsräume befänden sich nicht, wie im Depot-Vertrag vorgesehen, "in bester Geschäftslage", sondern im Bahnhofsviertel und Rotlichtmilieu, die Klägerin betreibe Versand- und Großhandel und sie beziehe Erzeugnisse der Marke B. unautorisiert vom Graumarkt.

Ungeachtet dessen, dass die Klägerin schon die Voraussetzungen für eine von ihr behauptete Spitzengruppenabhängigkeit nicht substantiiert vorgetragen habe, stünden u.a. die Lage der Geschäftsräume und der Versandhandel einer auf § 26 GWB gestützten Lieferverpflichtung entgegen, da sie sachlich gerechtfertigte Gründe darstellten, die Klägerin gegenüber den Depositären unterschiedlich zu behandeln.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und dem Klageantrag stattgegeben (OLG München WuW/E OLG 5760 - Graumarkt-Parfümerie). Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.





Entscheidungsgründe:


Das Rechtsmittel der Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung des Klageanspruchs.

I.

1. Das Berufungsgericht, das den Feststellungsantrag für hinreichend bestimmt erachtet, hat angenommen, der Klägerin stehe ein Belieferungsanspruch gegen die Beklagte zu, da diese mit der Lieferverweigerung gegen Art. 85 EGV verstoße und verpflichtet sei, den der Klägerin daraus entstehenden Schaden nach § 823 Abs. 2, § 249 BGB zu ersetzen. B. habe den Abschluss eines Vertrages unter Hinweis auf das unautorisierte Führen ihrer Produkte und damit aus den Gründen der Nr. 5 der Präambel ihres Depot-Vertrages verweigert. Diese Klausel enthalte jedoch entgegen der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften kein qualitatives, sondern ein quantitatives Auswahlkriterium. Ein derartiges Verbot sei nur zulässig, wenn der Bezug von Markenprodukten auf dem Graumarkt rechtswidrig sei. Dies treffe jedoch nur dann zu, wenn der Händler einen autorisierten Lieferanten zum Vertragsbruch verleite. Die Klausel, mit der der Verkauf auf dem Graumarkt erworbener Produkte generell dazu berechtige, die Prüfung des Antrags auf Abschluss eines Depot-Vertrages zu verweigern, sei auch nicht nach Art. 85 Abs. 3 EGV freistellungsfähig. Der Verkauf von auf dem Graumarkt bezogenen Markenprodukten vor Abschluss eines Depot-Vertrages durch den Fachhändler habe im Regelfall keinen Einfluss auf die Verwirklichung der in Art. 85 Abs. 3 EGV genannten Ziele. Abgesehen davon, dass der Fachhändler nach Abschluss des Depot-Vertrages nicht mehr darauf angewiesen sei, die Produkte auf dem Graumarkt zu erwerben, sei kein Grund dafür ersichtlich, dass durch ein entsprechendes Verbot eine Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung erreicht werden könne.

Die Lieferverweigerung rechtfertige sich auch nicht aus anderen Gründen. Der Klägerin sei weder nachgewiesen worden, dass sie Versandhandel betreibe, noch dass sie nichtautorisierte Wiederverkäufer mit B. -Artikeln beliefere oder Depositäre anstifte, ihr Markenprodukte unter Bruch depotvertraglicher Verpflichtungen zu überlassen. Auch entspreche die Lage der Geschäftsräume der Klägerin dem Image der Marke B. als einer Luxusmarke von internationalem Prestige.

2. Mit Recht hat das Berufungsgericht das auf Feststellung einer Lieferverpflichtung gerichtete Klagebegehren als hinreichend bestimmt i.S. des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO angesehen (vgl. BGH, Urt. v. 22.1.1985 - KZR 35/83, WuW/E 2125, 2126 - Technics), da sich aus dem Gesamtzusammenhang ergibt, dass sich der Begriff der Konditionen entgegen dem Vorbringen der Beklagten nicht lediglich auf die Preise bezieht. Die Ausführungen zur Begründetheit des Antrags begegnen dagegen rechtlichen Bedenken.

a) Es erscheint bereits zweifelhaft, ob Nr. 5 der Präambel des Muster-Depot-Vertrages von B. eine nicht nach Art. 85 Abs. 3 EGV freistellungsfähige Zulassungsbeschränkung enthält. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts stellt nämlich nicht nur die Verleitung eines Depositärs zu unerlaubten Querlieferungen einen rechtswidrigen Wettbewerbsverstoß i.S. des § 1 UWG dar, sondern - bei Bestehen einer schutzwürdigen lückenlosen vertikalen Vertriebsbindung - auch das bloße bewusste Ausnutzen eines Vertragsbruchs (BGH, Urt. v. 19.3.1992 - I ZR 122/90, GRUR 1992, 627, 629 - Pajero). Zudem stellt jeder Graumarktbezug - unabhängig von seiner Rechtmäßigkeit - eine empfindliche Störung des Vertriebskonzepts des Herstellers dar, der entgegenzuwirken der Hersteller berechtigt sein kann. Der Senat kann jedoch offenlassen, ob die in Nr. 5 der Präambel des Muster-Depot-Vertrages enthaltene Wettbewerbsbeschränkung möglicherweise unverhältnismäßig (vgl. dazu EuG, Urt. v. 12.12.1996 - Rs T-19/92, GRUR Int. 1998, 149, 156 - Leclerc/Kommission) und damit nicht freistellungsfähig ist, weil der nichtautorisierte Händler mit seinem Antrag auf Zulassung zum Depot-System zu erkennen gibt, dass er den aus der Sicht des Herstellers unerwünschten Zustand aufgeben will und der Hersteller nach Aufnahme des Händlers in sein Depot-System die Einhaltung des Verbots von Graumarktbezug durch Auskunftspflichten mühelos überprüfen kann. Selbst wenn die genannte Vorschrift nicht freistellungsfähig und damit nach Art. 85 Abs. 2 EGV nichtig wäre, begründete sich hieraus kein Anspruch der Klägerin auf Belieferung.




b) Im Ansatz zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass sich nach deutschem Recht aus Verstößen gegen Art. 85 EGV Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB ergeben können. Die in Art. 85 Abs. 1 EGV enthaltenen Verbote dienen nicht lediglich dem Schutz der Allgemeinheit vor Wettbewerbsbeschränkungen. Vielmehr sind sie ihrer Natur nach geeignet, in den Beziehungen zwischen einzelnen unmittelbare Wirkungen zu erzeugen und deshalb unmittelbar in deren Person Rechte entstehen zu lassen, die die Gerichte der Mitgliedstaaten zu wahren haben (EuGH, Urt. v. 30.1.1974 - Rs 127/73, Slg. 1974, S. 51, 62 Tz 15/17 - BRT - I/SABAM; Urt. v. 10.7.1980 - Rs 37/79, Slg. 1980, S. 2481, 2500 Tz 13 - Marty/Estée Lauder). Art. 85 Abs. 1 EGV stellt daher grundsätzlich ein Schutzgesetz i.S. von § 823 Abs. 2 BGB dar (BGH, Urt. v. 23.10.1979 - KZR 21/78, WuW/E 1643, 1645 - BMW-Importe; vgl. auch Bunte in Langen/Bunte, Kartellrecht, 8. Aufl., Art. 85 EGV Rdn. 183, 184 m.w.N.).

c) Ob aus Zuwiderhandlungen gegen Art. 85 Abs. 1 EGV dem einzelnen im Rahmen von § 823 Abs. 2 BGB ein Anspruch erwächst, lässt sich jedoch - ebenso wie bei Verstößen gegen das nationale Kartellverbot des § 1 GWB (vgl. insoweit BGHZ 64, 232, 237 f.- Krankenhauszusatzversicherung; 86, 324, 330 - Familienzeitschrift) - nicht allgemein sagen, sondern muss für den einzelnen Fall entschieden werden. Maßgeblich ist dabei nicht die Wirkung des wettbewerbswidrigen Verhaltens, sondern die Frage, ob der Anspruchsteller zu dem vom Gesetzgeber ins Auge gefassten geschützten Personenkreis gehört und ob gerade ein Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, gewährt werden soll (vgl. BGHZ 116, 7, 13).

aa) Wiederverkäufer und aktuelle Nachfrager von Depot-Kosmetikartikeln wie die Klägerin gehören zu dem Personenkreis, den Art. 85 EGV vor Wettbewerbsbeschränkungen durch verbotene selektive Vertriebssysteme schützen will (vgl. auch BGH, Urt. v. 10.11.1987 - KZR 15/86, WuW/E 2451, 2457 - Cartier-Uhren). Werden sie vom Hersteller nicht beliefert, obwohl sie alle qualitativen Voraussetzungen für die Aufnahme in ein selektives Vertriebssystem erfüllen, und unterbindet der Hersteller etwa gleichzeitig einen Warenbezug der Außenseiter durch lieferbereite Depositäre, könnte ihnen daher - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des Art. 85 EGV - für den daraus entstehenden Schaden aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 85 Abs. 1 EGV als Schutzgesetz ein Ersatzanspruch in Geld zustehen. Ein Anspruch auf Belieferung ist vom Schutzzweck des Art. 85 EGV hingegen nicht erfasst. Die Norm verbietet einem Hersteller, seine Waren unter unzulässiger Beschränkung des Wettbewerbs in einem einzelne Händler diskriminierenden Vertriebssystem abzusetzen, gebietet ihm aber nicht, sämtliche Wiederverkäufer, die für den Absatz seiner Produkte fachlich geeignet sind, zu beliefern.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften sind selektive Vertriebssysteme ein mit Art. 85 Abs. 1 EGV vereinbarer Bestandteil des Wettbewerbs, sofern die Auswahl der Wiederverkäufer aufgrund objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art erfolgt, die sich auf die fachliche Eignung des Wiederverkäufers, seines Personals und seiner sachlichen Ausstattung beziehen, und sofern diese Voraussetzungen einheitlich für alle in Betracht kommenden Wiederverkäufer festgelegt und ohne Diskriminierung angewendet werden (EuGH, Urt. v. 25.10.1977 - Rs 26/76, Slg. 1977, S. 1875, 1905 Tz 20 - Metro I; Urt. v. 11.12.1980 - Rs 31/80, Slg. 1980, S. 3775, 3790 Tz 15 - L'Oreal; Urt. v. 25.10.1983 - Rs 107/82, Slg. 1983, S. 3151, 3194 Tz 35 - AEG-Telefunken). Diese Grundsätze stehen in engem Zusammenhang mit den wettbewerblichen Wirkungen geschlossener selektiver Vertriebssysteme. Letztere beeinflussen bei europaweiter Verbreitung zwangsläufig den Wettbewerb im gemeinsamen Markt. Gleichwohl können die Eigenschaften bestimmter Erzeugnisse den Vertrieb in einem selektiven System erfordern, wenn nur so ihre Qualität und ihr richtiger Gebrauch gewährleistet sind (EuGH Slg. 1983, S. 3151, 3194 Tz 33 - AEG-Telefunken). Für den hier in Frage stehenden Bereich der Luxuskosmetika hat das Gericht Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften das Erfordernis eines selektiven Vertriebssystems damit begründet, dass ein allgemeiner Verkauf, der bei der Präsentation dieser Produkte nicht das ästhetisch und funktionell Besondere herausstelle, dem Erfordernis, die "Aura von Luxus" der betreffenden Produkte in den Augen der Verbraucher aufrechtzuerhalten, nicht gerecht werde (EuG, Urt. v. 12.12.1996 - Rs T-19/92, GRUR Int. 1998, 149, 155 Tz 114 f. - Leclerc/Kommission).

bb) Soweit das selektive Vertriebssystem die Auswahl der Wiederverkäufer aufgrund objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art vorsieht und damit auf die Aufrechterhaltung eines Fachhandels gerichtet ist, der in der Lage ist, die erforderliche Dienstleistung zu erbringen, rechtfertigt es diese auf die Verbesserung des Wettbewerbs gerichtete Zielsetzung, mit dem Vertriebssystem unvermeidbar einhergehende Beschränkungen - insbesondere in bezug auf Preiswettbewerb - hinzunehmen. Die Rechtfertigung entfällt jedoch, wenn der Hersteller diese Zielsetzung verlässt, indem er entweder die Zulassung von Wiederverkäufern an Bedingungen knüpft, die zur Erreichung der beschriebenen Wettbewerbsverbesserungen nicht erforderlich sind, oder indem er - wie hier von der Klägerin behauptet - in der Absicht, ein hohes Preisniveau aufrechtzuerhalten, Händlern, die den qualitativen Anforderungen der Vertriebsbindung genügen, systematisch die Zulassung verweigert. Ein in dieser Weise gehandhabtes Vertriebssystem verstößt, jedenfalls sofern es die Folge vertraglicher Absprachen oder einer Verhaltensabstimmung zwischen dem Hersteller und den von ihm belieferten Einzelhändlern ist (vgl. EuGH, Urt. v. 25.10.1983 - Rs 107/82, Slg. 1983, S. 3151, 3195 Tz 36 - 38 - AEG-Telefunken; BGH, Urt. v. 10.11.1987 - KZR 15/86, WuW/E 2451, 2457 - Cartier-Uhren), gegen Art. 85 Abs. 1 EGV.

Sieht bereits der Depot-Vertrag als solcher eine Auswahl der Händler nicht nach den oben beschriebenen qualitativen, sondern nach quantitativen Gesichtspunkten vor, ist beim Verstoß einzelner Vertragsbestimmungen gegen Art. 85 EGV grundsätzlich eine Teilnichtigkeit in Betracht zu ziehen, sofern sich die verbotenen Teile der Vereinbarung von den übrigen Teilen trennen lassen (EuGH, Urt. v. 13.7.1966 - 56 u. 58/64, Slg. 1966, S. 322, 392 - Grundig/Consten; Urt. v. 28.2.1991 - Rs C-234/89, Slg. 1991 I, S. 977, 990 Tz 40 - Delimitis/Henninger Bräu; vgl. auch Odersky, Festschrift Mestmäcker, S. 699, 704 m.w.N.). Betreffen die mit Art. 85 EGV unvereinbaren Klauseln die Zulassung eines Händlers, wären sie allerdings dann von der Gesamtvereinbarung untrennbar und führten zur Nichtigkeit sämtlicher Vertriebsbindungen, wenn sie - wie hier von der Klägerin für Nr. 5 der Präambel des Depot-Vertrages von B. behauptet - gerade dem Zweck dienten, dem Hersteller eine Auswahl seiner Wiederverkäufer nach quantitativen Gesichtspunkten zu ermöglichen, um damit Einfluss auf die Preisgestaltung zu nehmen.

Ob eine Gleichbehandlung der Wiederverkäufer auf der Grundlage qualitativer Auswahlkriterien erfolgt, gibt demnach einen wesentlichen Hinweis für eine an den Wertmaßstäben des Art. 85 EGV zu messende zulässige oder unzulässige Zielsetzung eines selektiven Vertriebssystems. Da hiervon die rechtliche Wirksamkeit des Systems in seiner Gesamtheit oder zumindest in Teilbereichen abhängt, bewirken die gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen für den Hersteller einen mittelbaren Zwang zur Gleichbehandlung, führen jedoch nicht zur Einschränkung der Freiheit, sich seinen Vertragspartner frei wählen zu können (so auch Gleiss/Hirsch, EG-Kartellrecht, Bd. 1, Art. 85 EGV Rdn. 1698; a.A. K. Schmidt in Immenga/Mestmäcker, EG-Wettbewerbsrecht, Bd. I, Art. 85 Abs. 2 EGV Rdn. 86 m.w.N.). Vielmehr steht es dem Hersteller frei, den Verstoß gegen Art. 85 Abs. 1 EGV entweder durch eine diskriminierungsfreie Belieferung von Außenseitern oder durch eine Aufgabe oder Änderung seines Vertriebssystems zu beenden (vgl. auch EuG, Urt. v. 18.9.1992 - Rs T-24/90, Slg. 1992 II, S. 2223, 2268 Tz 51, 52 - Automec).

Soweit Verstöße gegen das Diskriminierungsverbot des § 26 Abs. 2 GWB im Einzelfall im Interesse einer den Wiederverkäufern einzuräumenden Chancengleichheit im Verhältnis zu einem marktmächtigen Hersteller zu Schadensersatz in Form einer Lieferverpflichtung führen können (vgl. BGHZ 49, 90, 98 f. - Jägermeister), kommt eine Übertragung der insoweit vom Senat entwickelten Grundsätze auf Verstöße gegen Art. 85 Abs. 1 EGV schon deshalb nicht in Betracht, weil eine § 26 Abs. 2 GWB von der gesetzgeberischen Zielsetzung her vergleichbare, an den Missbrauch von Marktmacht anknüpfende gemeinschaftsrechtliche Regelung ausschließlich in Art. 86 EGV enthalten ist.

cc) Da die Klägerin die Aufnahme der Lieferbeziehung zu der Beklagten ausschließlich unter Hinweis auf die Belieferung anderer, ihr qualitativ vergleichbarer Wiederverkäufer im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems anstrebt, hat sie selbst dann keinen auf § 823 Abs. 2 BGB gestützten Anspruch auf Belieferung durch die Beklagte, wenn das Depot-System von B. - wie von der Klägerin behauptet - gegen Art. 85 EGV verstieße.



II.

Demgegenüber kann ein Schadensersatzanspruch in Form eines Kontrahierungszwangs aus § 26 Abs. 2 i.V.m. § 35 Abs. 1 GWB, § 249 BGB grundsätzlich hergeleitet werden, wenn ein marktstarkes Unternehmen in einem gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehr einem von ihm abhängigen Unternehmen Geschäftsbeziehungen ohne sachlich gerechtfertigten Grund verweigert (st. Rspr.; vgl. BGHZ 49, 90, 98 f. - Jägermeister; BGH, Urt. v. 26.10.1972 - KZR 54/71, WuW/E 1238, 1245 - Registrierkassen; Urt. v. 17.1.1979 - KZR 1/78, WuW/E 1567, 1569 - Nordmende). Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Zwar hat das Berufungsgericht insoweit keine Feststellungen getroffen. Schon nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin ist jedoch auszuschließen, dass sie in bezug auf die von B. hergestellten Kosmetikartikel in der Weise abhängig ist, dass ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeiten nicht bestünden.

Eine sortimentsbedingte Abhängigkeit kann auch dann vorliegen, wenn - wie auf dem Kosmetikmarkt - eine große Anzahl von Unternehmen gleichartige Waren vertreiben. Dies setzt jedoch voraus, dass Geltung und Ansehen einer Ware so bedeutend sind, dass das Fehlen dieser Ware im Angebot eines Händlers, bei dem der Verkehr das Angebot als selbstverständlich voraussetzt, zu einem Verlust an Ansehen und zu einer gewichtigen Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit führt (vgl. BGH, Urt. v. 20.11.1975 - KZR 1/75, WuW/E 1391, 1394 - Rossignol; Urt. v. 17.1.1979 - KZR 1/78, WuW/E 1567, 1568 - Nordmende).

Dass B. bei einem Marktanteil zwischen 5 und 6 % auf dem von der Klägerin zugrunde gelegten sachlich relevanten Markt der gehobenen pflegenden Kosmetik eine einmalige oder führende Stellung einnehmen würde, behauptet die Klägerin selbst nicht. Besondere Umstände, wie sie der Senat für die Annahme einer Spitzenstellungsabhängigkeit trotz niedrigen Marktanteils voraussetzt (vgl. BGH WuW/E 1391, 1394 - Rossignol), sind nicht ersichtlich. Insbesondere wird ein hoher Distributionsgrad von anderen Kosmetikherstellern ebenfalls erreicht. Auch kann eine hohe Markentreue im Bereich der gehobenen Depot-Kosmetik für sich genommen nicht dazu führen, dass bei der Vielzahl der auf diesem Markt befindlichen Unternehmen ein Facheinzelhändler von jedem dieser Unternehmen i.S. des § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB abhängig wäre.

Soweit sich die Klägerin auf eine Kundenerwartung im Sinne eines Vollsortiments beruft, käme allenfalls eine Abhängigkeit in Betracht, die sich aus der Zugehörigkeit eines Herstellers zur Spitzengruppe der auf dem relevanten Markt tätigen Unternehmen ergibt (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 22.1.1985 - KZR 35/83, WuW/E 2125, 2127 - Technics; Urt. v. 16.12.1986 - KZR 25/85, WuW/E 2351, 2354 - Belieferungsunwürdige Verkaufsstätten II; Urt. v. 24.3.1987 - KZR 39/85, WuW/E 2419, 2420 - Saba-Primus). Diese scheidet hier jedoch schon deshalb aus, weil die Klägerin nach eigenem Vortrag keiner weiteren Liefersperre unterliegt, sondern sämtliche namhaften Marken der gehobenen Depot-Kosmetik mit Ausnahme der Marke B. führt. Damit liegt eine Abhängigkeit der Klägerin von der Beklagten in bezug auf B. -Produkte nicht vor, ohne dass es darauf ankommt, ob Bezugsmöglichkeiten auf dem Graumarkt im konkreten Fall eine ausreichende und zumutbare Ausweichmöglichkeit für die Klägerin darstellen.

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