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Oberlandesgericht Dresden Urteil vom 16.06.2020 - 4 U 2890/19 - Accountsperrung bei Facebook und Instagram

OLG Dresden v. 16.06.2020: „Hassrede“ und „Hassorganisation“ als Gründe für eine außerordentliche Accountsperrung bei Facebook und Instagram


Das Oberlandesgericht Dresden (Urteil vom 16.06.2020 - 4 U 2890/19) hat entschieden:

  1.  Bei den Nutzungsbedingungen von Fecebook handelt es sich um für eine Vielzahl von Fällen vorformulierte Vertragsbedingungen und damit um allgemeine Geschäftsbedingungen. Die in Ziff. 3. 2 der Nutzungsbedingungen enthaltene Befugnis von Facebook knüpft an im Grundsatz objektivierbare Kriterien an und auch die Verweisung in den weiteren Bedingungswerke wie die ebenfalls auf der Homepage von Instagram abrufbaren Gemeinschaftsstandards führen nicht zur Intransparenz der Klausel. Für das durch Zif. 4. 2 der yyy-Nutzungsbedingungen eingeräumte Kündigungsrecht, das über Nr. 2.1 der Nutzungsbedingungen auch Verstöße gegen die Gemeinschaftsstandards zu Kündigungsgründen erklärt, gilt nichts anderes. Ein wichtiger Grund kann insofern auch darin liegen, dass der Accountinhaber mit seinem Verhalten die Grundlage des Vertrags in Frage stellt und die Durchsetzung vertraglicher Ansprüche gefährdet.

  2.  Der von Facebook in Ziff. 12 der Gemeinschaftsstandards verwendete Begriff der „Hassrede“ ist hinreichend bestimmt, weil er in leicht verständlicher Sprache definiert und obendrein mit Beispielen so untersetzt ist, dass der Nutzer unschwer erkennen kann, was ihm im Rahmen seiner Vertragspflichten abverlangt wird (Beschluss vom 08.08.2018 -4 W 577/19;Beschluss vom 11.12.2019 -4 U 1680/19; vom .16.12.2019 -4 U 2198/19; zuletzt Urteil vom 12.05.20 -1523/19; vgl. auch OLG München, Urteil vom 22.10.2019 -18 U 1491/19). Hieran knüpft das in Nr. 2 der Gemeinschaftsstandards enthaltene Verbot von “Hassorganisationen” auf der Plattform an, das diese hinreichend bestimmt definiert. Eine Hassorganisation ist hiernach “Jedweder aus drei oder mehr Personen bestehende Zusammenschluss, der unter einem Namen, Zeichen oder Symbol organisiert ist und dessen Ideologie, Aussagen oder physische Handlungen Personen aufgrund bestimmter Eigenschaften, wie u. a. ethnische Zugehörigkeit, religiöse Zugehörigkeit, Nationalität, ethnische Herkunft, Geschlecht, sexuelle Orientierung, schwere Erkrankung oder Behinderung, angreifen.”. Für den Durchschnittsnutzer sind die Anforderungen an Größe, Inhalt und Organisationsgrad einer “Hassorganisation” leicht erkennbar.




Siehe auch
Soziale Netzwerke - Twitter - Facebook - Whatsapp - social network service
und
Virtuelles Hausrecht - virtuelles Hausverbot - Ausschluss von Benutzern


Gründe:


I.

A.

Der Verfügungskläger (Kläger) wendet sich gegen die dauerhafte Deaktivierung seiner Nutzerkonten auf den von der Verfügungsbeklagten (Beklagten) betriebenen sozialen Netzwerken Facebook und Instagram; er begehrt darüber hinaus die Wiederherstellung einer im Zusammenhang mit der Deaktivierung seiner Nutzerkonten vorgenommenen Löschung eines Posts.

Die Beklagte hatte diesen Post am 26.8. 2018 (Instagram) bzw. am 28.08.2019 (Facebook) gelöscht. Auf den Widerspruch des Klägers deaktivierte sie seine Accounts dauerhaft mit der Begründung, der Kläger habe gegen das Verbot der „Hassrede“ (Facebook) bzw. “unsere Nutzungsbestimmungen” (Instagram) verstoßen.

Das Landgericht, dessen Entscheidung in MMR 2020, 196 veröffentlicht ist, hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Die Beklagte habe hinreichend glaubhaft gemacht, dass es sich beim Kläger zumindest um den Unterstützer einer Hassorganisation im Sinne der Gemeinschaftsstandards beider Plattformen handele; als solche sei die “X.Y.” anzusehen, mit der der Kläger mannigfaltig personell und inhaltlich verflochten sei. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge unter Vertiefung seines Vorbringens weiter.

Er beantragt:

  I.  Unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Görlitz vom 29.11.2019 (Az.: 1 O 295/19) wird es der Verfügungsbeklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, untersagt,

  1.  den folgenden Beitrag des Verfügungsklägers



zu löschen und/oder den Verfügungskläger wegen dieses Beitrags auf www…. zu sperren, insbesondere ihm den Zugang zu Funktionen wie Posten von Beiträgen zu verschließen,

wenn dies geschieht, wie am 28.08.2019 in Bezug auf den Account des Verfügungsklägers „...“, abrufbar unter der URL http://Facebook/;

  2.  den Verfügungskläger auf www.Instagram zu sperren, insbesondere ihm den Zugang zu Funktionen wie Posten von Beiträgen zu verschließen, wenn dies geschieht, wie am 26.08.2019 in Bezug auf den Account des Verfügungsklägers „xxx“, abrufbar unter der URL http://Instagram/.

  3.  den Verfügungskläger wegen der Einordnung als „Hassorganisation“ gemäß der als Anlage 31 vorgelegten Richtlinie zu Hassorganisationen auf www.Facebook zu sperren, insbesondere ihm den Zugang zu Funktionen wie Posten von Beiträgen zu verschließen,

wenn dies geschieht, wie am 28.08.2019 in Bezug auf den Account des Verfügungsklägers „xxx“, abrufbar unter der URL http://Facebook/;

  4.  den Verfügungskläger wegen der Einordnung als „Hassorganisation“ gemäß der als Anlage 32 vorgelegten Richtlinie zu Hassorganisationen auf www.Instagram zu sperren, insbesondere ihm den Zugang zu Funktionen wie Posten von Beiträgen zu verschließen,

wenn dies geschieht, wie am 26.08.2019 in Bezug auf den Account des Verfügungsklägers „xxx“, abrufbar unter der URL https://www.Instagram/.


  II.  Unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Görlitz vom 29.11.2018 (Az.: 1 O 295/19) werden die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens der Verfügungsbeklagten auferlegt.

  III.  Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Verfügungsbeklagten auferlegt.

Die Beklagte beantragt,

   die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift vom 02.06.2020 verwiesen.





B.

Die zulässige Berufung des Verfügungsklägers (Klägers) bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Aus den zwischen den Parteien bestehenden Nutzungsverträgen i.V.m. §§ 241, 280 BGB kann der Kläger keinen Unterlassungsanspruch wegen der Deaktivierung seiner Nutzerkonten auf den sozialen Netzwerken Facebook und Instagram ableiten. Infolgedessen hat er auch keinen Anspruch auf Wiederherstellung des streitgegenständlichen Posts.

I. Deaktivierung des Facebook-Accounts

Dass durch die Anmeldung des Klägers zum sozialen Netzwerk Facebook zwischen den Parteien ein Vertragsverhältnis zustande gekommen ist, das den Kläger dazu berechtigt, u. a. “Status-Updates, Fotos, Videos und Stories über die … genutzten Facebook-Produkte” zu teilen, Nachrichten “an eine/n enge/n Freund/in oder mehrere Personen” zu senden, Veranstaltungen oder Gruppen zu erstellen oder Inhalte zu seinem Profil hinzuzufügen (Nr. 1 der Nutzungsbedingungen), ist zwischen den Parteien unstreitig. Hieraus folgt eine mit Rechtsbindungswillen eingegangene Verpflichtung der Verfügungsbeklagten (Bekl.), die o. a. Leistungen anzubieten und den Kläger hierzu zuzulassen, von der sie sich nur unter den vertraglich geregelten Vorgaben lösen kann.

1. Die Deaktivierung des streitgegenständlichen Nutzerkontos hat die Beklagte gegenüber dem Kläger vorprozessual damit begründet, dass der in Ziff. 1 des Berufungsantrags enthaltene Post gegen das in den Gemeinschaftsstandards enthaltene Verbot der “Hassrede” verstoße. Erst im Verfügungsverfahren macht sie nunmehr geltend, der Kläger selbst sei eine “Hassorganisation” im Sinne von Nr. 2 ihrer Gemeinschaftsstandards, zumindest sei er als Unterstützer der sog. X.Y.anzusehen, bei der es sich um eine Hassorganisation handele.

a. Entgegen der Auffassung des Klägers bestehen gegen den darin liegenden Austausch der für die Kontodeaktivierung maßgeblichen Gründe keine Bedenken. Bei der Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses ist vielmehr nach allgemeiner Auffassung ein Nachschieben von Kündigungsgründen, die dem Kündigenden bei Ausspruch der Kündigung noch nicht bekannt waren, möglich, wenn sie bereits vor Ausspruch der Kündigung entstanden sind (st Rspr; BAG NJW 1998, 101, 102 mwN; Böttcher in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 314 BGB, Rn. 10). Die hiergegen gerichtete Auffassung des Klägers, aus § 3 Abs. 2 Nr. 5 NetzDG ergebe sich eine Bindung an den ursprünglich erklärten Kündigungsgrund, trifft nicht zu. Nach dieser Norm muss das nach dem NetzDG einzurichtende Beschwerdeverfahren vorsehen, dass der Anbieter u. a. den Nutzer über jede Entscheidung unverzüglich informiert und seine Entscheidung ihm gegenüber begründet. Unabhängig davon, dass das NetzDG sich nicht auf Fälle bezieht, in denen –wie vorliegend –eine Sanktion nicht auf eine rechtswidrige Katalogtat im Sinne von § 1 Abs. 2 NetzDG gestützt wird und unabhängig davon, dass das NetzDG keine privatrechtsgestaltende Wirkung hat (Friehe, NJW 2020, 1697 (1698)), kann dieser Begründungspflicht auch nicht entnommen werden, dass der Anbieter an eine einmal erklärte Begründung in Abweichung von den für Dauerschuldverhältnisse geltenden Grundsätzen auch für das weitere Verfahren gebunden sein soll. Die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/12356) enthält hierzu nichts.



b. Die in der dauerhaften Deaktivierung liegende Kündigung des Nutzungsverhältnisses ist auch nicht nach § 314 Abs. 3 BGB unwirksam. Hiernach kann der Berechtigte nur innerhalb angemessener Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat. Eine vergleichbare Regelung enthält 4 Nr. 2 2. Absatz S. 5 der Facebook-Nutzungsbedingungen i.d.F. vom 31.07.2019. Nach dem Vortrag der Beklagten hat sie von den Aktivitäten des Klägers erstmals im Zusammenhang mit der Überprüfung der Löschung des Posts am 28.8.2019 und der zunächst hierauf gestützten Kündigung Kenntnis erhalten. Eine frühere Kenntnis hat der Kläger weder behauptet noch glaubhaft gemacht. Für dieses eine Kündigung ausschließende Merkmal trägt er als Kündigungsempfänger die Darlegungs-und Beweislast (BGH NZM 2005, 340, 34; Böttcher aaO., § 314 BGB, Rn. 20a).

c. Der Wirksamkeit der Kündigungserklärung kann auch entgegen der Auffassung des Klägers eine vermeintliche Intransparenz der Kündigungsgründe nicht entgegengehalten werden. Die Regelung über die “Aussetzung und Kündigung von Konten”in Zif. 4. 2 der Facebook-Nutzungsbedingungen lehnt sich vom Wortlaut eng an § 314 BGB an, eine Intransparenz dieser Vorschrift im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ist nicht ersichtlich. Bei den Nutzungsbedingungen der Beklagten handelt es sich nach allgemeinerAuffassung um für eine Vielzahl von Fällen vorformulierte Vertragsbedingungen und damit um allgemeine Geschäftsbedingungen. Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass die in Ziff. 3. 2 der Nutzungsbedingungen enthaltene Befugnis der Beklagten an im Grundsatz objektivierbare Kriterien anknüpft und auch die Verweisung in die weiteren Bedingungswerke wie die ebenfalls auf der Homepage von Facebookabrufbaren Gemeinschaftsstandards nicht zur Intransparenz der Klausel führen (Senat, Beschluss vom 08. August 2018 –4 W 577/18 –, Rn. 18, juris). Für das durch Zif. 4. 2 der Facebook-Nutzungsbedingungen eingeräumte Kündigungsrecht, das über Nr. 2.1 der Nutzungsbedingungen auch Verstöße gegen die Gemeinschaftsstandards zu Kündigungsgründen erklärt, gilt im Ergebnis nichts anderes. Ein wichtiger Grund kann insofern auch darin liegen, dass der Schuldner mit seinem Verhalten die Grundlage des Vertrags in Frage stellt und die Durchsetzung vertraglicher Ansprüche gefährdet (BGH NJW 1981, 1666, 1667; Böttcher aaO. § 314 BGB, Rn. 6). Für den Ausspruch der Kündigung selbst gilt § 307 BGB nicht. Weitere Formerfordernisse für eine auf einen Verstoß gegen die Gemeinschaftsstandards der Beklagten gestützte Kündigung sieht Zif. 4 . 2 der Facebook-Nutzungsbedingungen nicht vor.

2. Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass die Beklagte die dauerhafte Deaktivierung und Aussetzung des Nutzerkontos auf einen wichtigen Grund im Sinne von Zif. 4. 2 der Facebook-Nutzungsbedingungen i.V.m. Nr. 2 der Facebook-Gemeinschaftsstandards stützen konnte. Gegen die Wirksamkeit des Verbots “gefährlicher Personen und Organisationen” sowie deren Unterstützung bestehen AGB-rechtlich auch unter Berücksichtigung der mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten des Klägers keine Bedenken. Das glaubhaft gemachte Verhalten des Klägers erfüllt die Kriterien einer “Hassorganisation”. Auch bei Abwägung aller relevanten Umstände im Einzelfall erweist sich die Kündigung als verhältnismäßig.

a. Ein Verstoß von Nr. 2 der Gemeinschaftsstandards gegen das Transparenzgebotdes § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ist nicht ersichtlich. Für den in Ziff. 12 der Gemeinschaftsstandards verwendeten Begriff der „Hassrede“ hat der Senat im Einklang mit der einhelligen Meinung in der Rechtsprechung bereits entschieden, dass dieser Begriff hinreichend bestimmt ist, weil er in leicht verständlicher Sprache definiert und obendrein mit Beispielen so untersetzt ist, dass der Nutzer unschwer erkennen kann, was ihm im Rahmen seiner Vertragspflichten abverlangt wird (Beschluss vom 08.08.2018 -4 W 577/19;Beschluss vom 11.12.2019 -4 U 1680/19; vom .16.12.2019 -4 U 2198/19; zuletzt Urteil vom 12.05.20 -1523/19; vgl. auch OLG München, Urteil vom 22.10.2019 -18 U 1491/19). Hieran knüpft das in Nr. 2 der Gemeinschaftsstandards enthaltene Verbot von “Hassorganisationen” auf der Plattform der Beklagten an, das diese hinreichend bestimmt definiert. Eine Hassorganisation ist hiernach “Jedweder aus drei oder mehr Personen bestehende Zusammenschluss, der unter einem Namen, Zeichen oder Symbol organisiert ist unddessen Ideologie, Aussagen oder physische Handlungen Personen aufgrund bestimmter Eigenschaften, wie u. a. ethnische Zugehörigkeit, religiöse Zugehörigkeit, Nationalität, ethnische Herkunft, Geschlecht, sexuelle Orientierung, schwere Erkrankung oder Behinderung, angreifen.”. Für den Durchschnittsnutzer sind im Anschluss hieran die Anforderungen an Größe, Inhalt und Organisationsgrad einer “Hassorganisation” leicht erkennbar. Zugleich wird ihm durch diese Definition deutlich vor Augen geführt, dass es –anders als der Kläger meint –für die Einstufung als “Hassorganisation” nicht auf die Bereitschaft zur oder die Ausübung physischer Gewalt ankommt. Dass die Beklagte derartige Vereinigungen nicht in ihrem Netzwerk duldet, kann den verständigen Durchschnittsnutzer schon angesichts der eingangs der Nutzungsbedingungen deutlich hervorgehobenen Bestrebung “schädliches Verhalten”, durch das sich andere Nutzer unsicher fühlen, u. a. durch die Deaktivierung des Kontos zu unterbinden, nicht überraschen.

b. Auch die in Nr. 2 der Gemeinschaftsstandards sanktionierte Unterstützung für derartige Organisationen ist hinreichend bestimmt, wird insbesondere nicht abweichend vom allgemeinen Sprachgebrauch und der Verwendung in zahlreichen Normen des StGB (§§ 84 Abs. 2; 85 Abs. 2; 109; 127; 129 StGB) geregelt. Sie kann unschwer als jedes Tätigwerden, das die innere Organisation und den Zusammenhalt einer “Hassorganisation” unmittelbar fördert oder sich sonst auf die Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung der Vereinigung in irgendeiner Weise positiv auswirkt (vgl. BGH NJW 2009, 3448; Fischer, StGB, 64. Aufl. § 129 Rn 30), verstanden werden. Nach dem für den Durchschnittsnutzer erkennbaren Wortlaut der Klausel sind zudem die relevanten Unterstützungshandlungen nicht auf Aktivitätenbeschränkt, die auf der Facebook-Seite des Nutzers stattfinden. Aus dem Zusammenspiel mit 4 Nr. 2 der Nutzungsbedingungen folgt vielmehr, dass “sämtliche Umstände” und damit auch Äußerungen und Verhaltensweisen außerhalb des sozialen Netzwerkes berücksichtigt werden können. Anderenfalls wäre etwa auch die Unterstützung von “Massen-oder Serienmorden” oder “organisierter Gewalt”, die als Fallgruppen ebenfalls aufgeführt sind, kaum vorstellbar.

c. Anders als der Kläger meint, ermächtigt eine solche Unterstützungshandlung die Beklagte nach dem eindeutigen Wortlaut auch nicht lediglich zu einer Entfernungvon Beiträgen, sondern kann auch die Kündigung des Accounts nach sich ziehen. Zwar heißt es insofern unter Nr. 2, 2. Absatz der Gemeinschaftsstandards: “Wir entfernen auch Inhalte, die Gruppen, Anführer oder Personen unterstützen oder verherrlichen, die an derartigen Handlungen beteiligt sind”. Hierdurch wird der Beklagten jedoch lediglich eine zusätzliche Befugnis zur Löschung verliehen, die sich auch auf Inhalte erstreckt, deren Urheberschaft nicht mehr zugeordnet werden kann. Dass demgegenüber bereits die Unterstützung einer “Hassorganisation” zur Kündigung des Accounts führen kann, folgt daraus, dass nach Ziff. 2, 1. Absatz auch Personen, die an “organisiertem Hass” lediglich “beteiligt” sind, keine Präsenz auf Facebook gestattet ist.

d. Bei der Auslegung dieser Klausel darf allerdings nicht außer Betracht bleiben, dass sich das hierin zum Ausdruck kommende Verbot von “Hassorganisationen” unter Berücksichtigung von Marktmacht und Reichweite der von der Beklagten betriebenen sozialen Netzwerke erheblich auf die Grundrechte der Nutzer auswirkt. Soweit unternehmensbezogene Interessen des Klägers betroffen sind, kann er sich nämlich als juristische Person des Privatrechts auf eine Verletzung der Meinungsfreiheit sowie seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb berufen (vgl. BGH, Urteil vom 03.02.2009, VI ZR 36/07, VersR 2009, 555, juris, Rz. 10 Senat, Urteil vom 01. April 2015 –4 U 1296/14 –, Rn. 96, juris). Als verfassungsrechtliche Wertentscheidungen strahlen die Grundrechte als “Richtlinien” in das Zivilrecht ein und haben insofern mittelbare Drittwirkung, die bei der Auslegung von AGB mit zu beachten ist (BVerfG, Beschluss vom 11. April 2018 -1 BvR 3080/09 -, Rn. 32, juris, ähnlich bereits BVerfGE 7, 198, 205 ff. –Lüth vgl. für § 307 BGB Fuchs in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 307 BGB Rn 161 m.w.N.). Auf Seiten der Anbieter eines sozialen Netzwerkes ist neben dessen allgemeiner Handlungsfreiheit sowie dem auch diesem zukommenden Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb deren “virtuelles” Hausrecht zu berücksichtigen. Bei der hier konkret vorzunehmenden Abwägung mit den Gemeinschaftsstandards der Beklagten ist zusätzlich einzustellen, dass diese in Deutschland im Bereich der sozialen Netzwerke eine Quasi-Monopolstellung aufweist (vgl. Senat, Beschluss vom 8.8.2018 –4 W 577/18 Rn 24). Dies gilt erst recht, wenn man berücksichtigt, dass vorliegend nicht nur der Ausschluss vom sozialen Netzwerk Facebook, sondern zusätzlich von Instagramin Rede steht. Unter Berücksichtigung dessen handelt es sich bei Facebook/Instagramum einen öffentlichen Kommunikationsraum, der dadurch charakterisiert wird, dass auf ihm eine Vielzahl von verschiedenen Tätigkeiten und Anliegen verfolgt werden kann, wodurch ein vielseitiges und offenes Kommunikationsgeflecht entsteht (Senat aaO unter Bezug auf BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011 -1 BvR 699/06 -, Rn. 70, juris). Bei der Auslegung der Gemeinschaftsstandards und der in diesem Rahmen notwendigen Abwägung kann daher nicht außer Betracht bleiben, dass die Beklagte aufgrund dieser Quasi-Monopolstellung im Bereich der sozialen Netzwerke in weitgehendem Ausmaß die Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation übernimmt und damit in Funktionen eintritt, die früher dem Staat als Aufgabe der Daseinsvorsorge zugewiesen waren. Die Gefahr, dass bei einer einschränkungslosen Anerkennung von Ausschlussgründen die Beklagte die hieraus folgende Marktmacht missbraucht, ist nicht von der Hand zu weisen. Das Risiko, bereits bei einer im Einzelfall zweifelhaften Unterstützungshandlung dauerhaft aus den sozialen Netzwerken der Beklagten ausgeschlossen zu werden, kann Nutzer zudem davon abhalten, sich kritisch zu äußern und die Grenzbereiche dieser Unterstützungshandlung auszuloten. Zugleich hat die Klägerin glaubhaft gemacht,für die von ihr ausgeübten Aktivitäten und bei der Mitgliederwerbung in erheblichem Ausmaß auf die Inanspruchnahme von sozialen Medien angewiesen zu sein.

Der Ausschluss von Hassorganisationen und deren Unterstützern und die Regelung in Nr. 2 der Gemeinschaftsstandards begegnen gleichwohl im Grundsatz keinen Bedenken. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass die Beklagte ohne eine solche Kündigungsmöglichkeit der Gefahr ausgesetzt wäre, als Intermediär für Äußerungen der Klägerin auf Unterlassung in Anspruchgenommen zu werden. Die Gefahr, dass “Hassorganisationen” auch durch ihre Aktivitäten in sozialen Netzwerken die Rechte Dritter verletzen, ist auf der Hand liegend höher als dies bei einem Durchschnittsnutzer der Fall wäre. Die Beklagte sähe sich in diesem Fall nicht nur einem erheblichen Imageschaden ausgesetzt, der nicht an nationalen Grenzen haltmacht, sondern verstieße hierdurch auch gegen ihre auf europäischer Ebene eingegangenen Verpflichtungen, gegen “Hate-Speech” und “Hate-Crime” auf ihren Seiten aktiv vorzugehen. Es erscheint zudem ohne weiteres plausibel, dass sich zahlreiche Nutzer von der Teilnahme an einem Netzwerk abschrecken ließen, das “Hassorganisationen” grundsätzlich tolerieren müsste und nur im Einzelfall oder bei konkreten Vertragsverletzungen deren Äußerungen löschen dürfte. Dies kann langfristig auch das auf hohe Nutzerzahlen ausgerichtete Geschäftsmodell der Beklagten bedrohen. Umgekehrt hat sich die Vermutung, die Gefahr einer Deaktivierung des Nutzerkontos durch Hassrede und Unterstützung von Hassorganisationen könne einen sog. chilling effectauf die Meinungsfreiheit haben, in der Praxis bislang nicht bestätigen lassen (Friehe, aaO. S. 1698 unter Verweis auf empirische Studien). Die von einem solchen Verbot ausgehende generalpräventive Wirkung stellt überdies keinen eigenständigen Grundrechtseingriff dar. Nicht zuletzt erhöht der Verbleib derartiger Organisationen den Kontrollaufwand und damit die Kosten für den Betrieb des Netzwerkes; absehbar wird der Betreiber hierdurch zudem demRisiko zahlreicher Rechtsstreitigkeiten über die Zulässigkeit grenzwertiger Äußerungen ausgesetzt. Dem Anbieter muss angesichts dessen nicht nur das Recht zustehen, einzelne Beiträge zu löschen oder einen Ausschluss des Nutzers bei einer schwerwiegenden Vertragsverletzung auszusprechen, sondern auch “Hassorganisationen” wegen ihrer grundsätzlichen Zielsetzung insgesamt und dauerhaft ausschließen zu können. Für die Zulässigkeit einer solchen Befugnis spricht auch § 1 AGG, der eine Diskriminierung aufgrund der politischen oder ideologischen Ausrichtung einer Person nicht ausschließt; der Gesetzgeber hat vielmehr bewusst davon Abstand genommen, das Diskriminierungsverbot auf Benachteiligungen wegen politischer Überzeugungen zu erstrecken (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 16/2022, S. 13). Auch die der Regelung zugrunde liegenden Richtlinien 2000/43/EG vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (ABl. EG 2000 Nr. L 180 S. 22) und 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (ABl. EU 2004 Nr. L 373 S. 37) enthalten insoweit keine weitergehenden Anforderungen (BGH, Urteil vom 09. März 2012 –V ZR 115/11 –, Rn. 9, juris). Einem mittelbaren Kontrahierungszwang gegenüber allen Interessenten, der zugleich eine Kündigungssperre darstellen würde, unterliegt die Beklagte schon deshalb nicht, weil es –wenngleich erheblich “reichweitenschwächere” -Alternativportale gibt und ein Nutzer auch nicht gehindert ist, seine geschäftlichen Aktivitäten lediglich über eine eigene Homepage zu betreiben. Schon aufgrund dieser Konkurrenzsituation ist es daher nicht geboten, soziale Netzwerke staatlichen Stellen hinsichtlich ihrer Grundrechtsbindung vollständig gleichzustellen.




Die Grenze für ein Verbot von Hassorganisationen oder deren Unterstützern stellt damit allein das Willkürverbot dar, das grundlose, unverhältnismäßige oder an lediglich vorgeschobene Gründe anknüpfende Kündigungen ohne sachlichen Grund verbietet. Die Frage, ob eine Vereinigung eine Hassorganisation darstellt oder eine solche unterstützt, ist dabei unter Berücksichtigung sämtlicher vorgetragener und gerichtsbekannter Umstände vom Gericht vollständig zu überprüfen, ein Beurteilungsspielraum kommt dem sozialen Netzwerk insoweit nicht zu.

e. Nach diesen Maßstäben war die dauerhafte Deaktivierung der Nutzerkonten des Klägers rechtmäßig.

i. Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Landgerichts kann diese allerdings nicht darauf gestützt werden, dass der Kläger die sog. X.Y.(X.Y.) finanziell und organisatorisch unterstützt. Hierbei kann dahinstehen, ob es sich –wie die Beklagte unter Bezug auf die Anlagen B2, B 120 –B 122 behauptet -bei der X.Y.um eine Hassorganisation im Sinne von Nr. 2 der Gemeinschaftsstandards der Beklagten handelt, zu der der Kläger in einer “nicht unmaßgeblichen Beziehung” steht. Auch wenn im Grundsatz auch die bloße Unterstützung einer solchen Hassorganisation nicht lediglich die Löschung eines Beitrags, sondern auch die Kündigung des Unterstützeraccounts rechtfertigen kann (s. o. 2a.), wäre eine allein hierauf gestützte Kündigung nachMaßgabe der § 314 Abs. 2 BGB i.V.m. 4 Nr. 2, 3. Absatz der Nutzungsbedingungen der Beklagten unwirksam.Ist der wichtige Grund ein Verstoß gegen eine Pflicht nach Maßgabe dieser Nutzungsbedingungen, so ist grundsätzlich die Kündigung nur nach dem erfolglosen Ablauf einer gewährten Abhilfefrist oder nach einer erfolglosen Abmahnung zulässig. Eine Frist für die Abhilfe ist nur dann nicht erforderlich, wenn die andere Seite die Erfüllung ihrer Pflichten ernsthaft und endgültig verweigert oder wenn nach Abwägung der Interessen beider Parteien besondere Umstände eine sofortige Kündigung rechtfertigen. Dass diese Umstände hier vorliegen, hat die Beklagte nicht glaubhaft gemacht. Eine Abmahnung hat sie gegenüber dem Kläger nicht ausgesprochen, auf welche konkretenUnterstützungshandlungen die Deaktivierung gestützt wird, lässt sich weder den vorprozessualen Mitteilungen noch ihrem Vorbringen im Verfügungsverfahren entnehmen. Wieso eine Unterstützung der X.Y.durch Finanzierung von Aktionen im Wege des “Crowd-Funding” sowie durch nicht näher aufgeschlüsselte “PR-Aktivitäten” eine sofortige Kündigung ohne Abhilfefrist erfordert, hat die Beklagte ebenfalls nicht vorgebracht.

ii. Der Kläger selbst erfüllt allerdings nach den von der Beklagten glaubhaft gemachten Umständen die Voraussetzungen für eine Hassorganisation. Die von der Beklagten aufgezeigte enge personelle Verflechtung mit der X.Y. reicht hierfür allerdings allein nicht aus, weil sich diese lediglich auf die Administratoren der Facebook-und Instagram Seite des Klägers bezieht, ohne dass sich dem Vorbringen der Beklagten insofern entnehmen ließe, dass diese Personen auch bei dem Kläger eine maßgebliche Rolle spielen oder diesen nach außen vertreten dürfen. Eine Beteiligung des Vorstandes des Klägers A.B. auch bei der X.Y. hat wiederum die Beklagte nicht glaubhaft gemacht. Ihrem Vorbringen kann auch nicht entnommen werden, dass es sich bei dem Kläger um eine “Vorfeldorganisation” der X.Y. handelt, die personell und finanziell so eng mit dieser verbundenist, dass sie gleichsam ein lediglich nach außen rechtlich verselbständigter Teil dieser Vereinigung ist. Die unstreitigen und durch die Anlagen B 81 -B 83 belegten “Crowd-Funding” Aktionen sind vereinzelt geblieben und geben für eine solche Annahme nichts her.

Dass es sich gleichwohl bei dem Kläger um eine “Hassorganisation” im Sinne der Gemeinschaftsstandards handelt, hat die Beklagte indes mit einer für das Verfügungsverfahren hinreichenden Wahrscheinlichkeit durch Vorlage der Anlagen B 88 bis B 92 glaubhaft gemacht. Die darin enthaltenen Auszüge aus verschiedenen Verlautbarungen des Klägers auf seiner Homepage dokumentieren nicht nur eine Ablehnung der Migrationspolitik der Bundesregierung, sondern enthalten zahlreiche “Angriffe” im Sinne von Nr. 2 auf Flüchtlingen und Migranten. Ebenso wie bei der Hassrede in Nr. 12 der Gemeinschaftsstandards liegt ein solcher Angriff vor, wenn Personen oder Personengruppen im Kern ihrer Persönlichkeit getroffen und unter Missachtung des Gleichheitssatzes als unterwertig dargestellt werden oder ihnen das Lebensrecht in der Gemeinschaft abgesprochen wird (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Februar 2020 –4 U 2198/19 –, Rn. 32, juris). Den Anlagen B 88 bis B 92 lassen sich hierfür zahlreiche Belege entnehmen:

In dem in Anlage B 88 enthaltenen Artikel wird “Asylsuchenden” ohne Differenzierung eine “Gewaltexplosion” in Deutschland angelastet sowie ein durchgängig hohes “Gewaltpotential” attestiert, das durch die “falsche Gutgläubigkeit der Asyllobby und der Multikulti-Fanatiker” zu “Problemen der Masseneinwanderung” führe. Ohne Zahlenangaben und Vergleichszeiträume wird dort überdies die Behauptung aufgestellt, die “Gewalt durch Zuwanderer [nehme] enorm zu”, diese zögen “bewaffnet durch die Straßen”. Zugleich wird durch die inAnführungsstriche gesetzte Bezeichnung als “Schutzsuchende” die Ernsthaftigkeit der Fluchtgründe aller Asylbewerber in Deutschland pauschal negiert.

Die Kommentare zu diesem Artikel, für die die Beklagte im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe haftet (vgl. BGH, Urteil vom 30.6.2009 –VI ZR 210/08; Senat, Beschluss vom 1.4.2015, 4 U 1296/14 –juris), verstärken diesen Eindruck weiter. Dort heißt es u.a.:

   “Das Wort “Schutzsuchende ist doch linke Propaganda. Mittlerweile sind doch die schon längst in diesem Land lebenden Schutzsuchende im eigenen Land geworden. Wir brauchen Schutz vor Belästigungen, Vergewaltigungen, schweren Körperverletzungen und Morden, mit denen uns die grüne Buntheit bereichert… Das bedeutet, dass jedes Jahr eine Großstadt gewaltaffiner muslimischer Männer einwandert.”

Der als Anlage B 89 vorgelegte Aufkleber, den der Kläger über seine Homepage in beliebiger Stückzahl vertreibt, fordert in arabischer Schrift dazu auf “nach Hause zu gehen” und ist schon aufgrund dessen ersichtlich an Migranten und Asylbewerber aus arabischsprachigen Ländern adressiert, ohne zwischen Muslimen und anderen Glaubensrichtungen zu differenzieren. Der zynische Appell “eure Heimat braucht euch”, kann entgegen der Annahme des Klägers im Gesamtkontext der klägerischen Homepage auch nicht als verständliche Sorge über einen brain-drain verstanden werden.

In diesem Kontext wird der Nutzer des Internetangebots des Klägers auchden als Anlage B 91 vorgelegten Aufkleber “kein Platz für Invasoren” nicht als allgemein gehaltene Warnung vor “Invasoren aller Art” auffassen, sondern wird hieraus folgern, dass der Kläger Zuwanderung mit Invasion gleichsetzt und Migranten und Asylbewerber pauschal als Invasoren ablehnt. Hierdurch wird zugleich Flüchtlingen der soziale Achtungsanspruch abgesprochen, was als “Hassrede” im Sinne von Nr. 12 der Gemeinschaftsstandards angesehen werden kann (ebenso für den pauschal gegen Asylbewerber gerichteten Vorwurf des „Schmarotzertums“: OLG München, Urteil vom 07.01.2020 -18 U 1491/19, Seite 29 m.w.N; Senat, Beschluss vom 12. Februar 2020 –4 U 2198/19 –, Rn. 33, juris). Durch die beabsichtigte massenhafte Verbreitung des Aufklebers, der im Gebinde mit mindestens 100 Stück abgegeben wird, soll diese Hassrede auch außerhalb des Internets breit gestreut werden.

Die gleiche Stoßrichtung weist der als Anlage B 92 vorgelegte Artikel auf, in dem es aus Anlass eines beabsichtigten Moscheeneubaus in E.heißt:

   "Dass muslimische Glaubensgemeinschaften auch im Osten der Republik Fuß fassen wollen, ist ein Zeichen der islamischen Landnahme, die das Ergebnis jahrzehntelanger Masseneinwanderung ist.”

Landnahme bezeichnet hierbei jede Inbesitznahme Grund und Bodens unabhängig von Eigentumsverhältnissen, Zustimmung bzw. Duldung. Die Verwendung dieses heute nur noch selten gebrauchten Wortes im Zusammenhang mit der “Masseneinwanderung” soll im Leser ein Gefühl der Bedrohung und der Angst vor Vertreibung und Entwurzelungerwecken. Zugleich setzt sie wiederum den Einwanderer umstandslos mit dem Landnehmer/Invasor gleich und rückt Migranten in die Nähe einer Unperson. Der aus diesen Verlautbarungen des Klägers ersichtliche Eindruck wird verstärkt durch Aktionen seiner Mitglieder, die Gegenstand einer kleinen Anfrage im Deutschen Bundestag geworden und damit gerichtsbekannt sind (§ 291 ZPO). Aus der Antwort der Bundesregierung vom 27.4.2018 (BT-Drs. 19/1921) geht hervor, dass der Kläger vor dem 16.4.2018 zweimal Gegenstand von Sitzungen des “Gemeinsamen Extremismus-und Terrorabwehrzentrums –Rechts” war, weil zuvor auf seiner Homepage für eine “Anti-Asyl Demonstration” geworben worden war. In Zeitraum 2016 -2017 wurden überdies neun Straftaten bei Aktionen des Klägers mit diesem direkt in Verbindung gebracht, u. a. im Zusammenhang mit dem als Anlage B 89 vorgelegten Aufkleber und der Errichtung eines Zauns um eine Clearingstelle für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.

Die von der Beklagten vorgelegten Aussagen von Mitgliedern des Klägers und die von diesem gesteuerten Aktionen mögen sich insgesamt noch im Rahmen der durch Art. 5 GG gesteckten Meinungsfreiheit gehalten haben, stellen nach alledem jedoch „Angriffe durch Aussagen auf Personen aufgrund ethnischer oder religiöser Zugehörigkeit“ im Sinne von Nr. 2 der Gemeinschaftsstandards dar. Unter Berücksichtigung der mittelbaren Grundrechtsbindung der Beklagten wäre eine endgültige Kündigung eines Accounts gleichwohl bei lediglich punktuellen Einzeläußerungen, die keinen Rückschluss auf die ideologische Ausrichtung des Klägers zulassen oder von Mitgliedern ausgehen, deren Verhalten sich der Kläger nicht zurechnen lassen muss, gleichwohl nicht zulässig, sofern sich nicht aus seinen in der Satzung oder anderen Verlautbarungen erkennbaren Zielen oder dem Verhalten seine Funktionäre eine solche ideologische Ausrichtung ergibt. Ob dies der Fall ist, wäre im Hauptsachverfahren durch Beweisaufnahme zu klären. Für das einstweilige Verfügungsverfahren, das lediglich auf eine summarische Erkenntnisgewinnung abzielt, hat die Beklagte durch die o.a. Unterlagen eine solche ideologische Ausrichtung hinreichend glaubhaft gemacht. Den von dem Kläger vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen lässt sich demgegenüber nicht entnehmen, dass er sich von Angriffen gegen Personen aufgrund bestimmter Eigenschaften in irgend einer Weise distanziert.

f. Bei der gebotenen Gesamtabwägung ist schließlich auch nicht von einer willkürlichen Kündigung des Accounts auszugehen. Nach Auffassung des Senats wäre ein Verbleib des Klägers geeignet, den geschäftlichen Interessen der Beklagten Schaden zuzufügen, während zugleich kein schützenswertes Interesses des Klägers besteht, für seine Aktivitäten über die Portale der Beklagten werben zu können. Daran ändert auch nichts, dass er selbst weder vom Verfassungsschutz beobachtet, noch aktuell von einem Vereinsverbot bedroht wird. Im Rahmen der Vertragsfreiheit ist die Beklagte vielmehr –allerdings unter Beachtung der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte –berechtigt, selbst auszuwählen, mit wem sie ein Vertragsverhältnis eingeht. In der Summe sind die aufgeführten Aktivitäten als so gravierend anzusehen, dass weder die Sanktionierung eines konkreten Vertragsverstoßes auf den Seiten der Beklagten noch eine ordentliche Kündigung als milderes Mittel in Betracht zu ziehen gewesen wäre. Soweit die Kündigung darauf gestützt ist, dass die Klägerin als “Hassorganisation” grundsätzlich nicht zur Teilnahme an dem sozialenNetzwerk der Beklagten berechtigt ist, bedurfte es auch keiner vorherigen Aufforderung, das beanstandete Verhalten abzustellen, weil dem Kläger kein konkreter Verhaltensverstoß angelastet, sondern die Kündigung letztlich auf die grundsätzliche, jedoch nicht mit den Gemeinschaftsstandards übereinstimmende ideologische Ausrichtung des Klägers und die dadurch hervorgerufene Zerrüttung des Vertragsverhältnisses gestützt wird.



II. Löschung des Posts

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Wiederherstellung des Posts auf dem streitgegenständlichen Nutzerkonto, nachdem die Seite, auf der dieser ursprünglich veröffentlicht wurde, zu Recht dauerhaft deaktiviert und das Nutzungsverhältnis mit dem Kläger wirksam gekündigt wurde (s. o. I.). Einen Anspruch auf Veröffentlichung auf einer anderen Seite hat er nicht geltend gemacht.

III. Deaktivierung des Instagram-Accounts

Der Kläger hat aus den oben dargestellten Gründen auch keinen Anspruch auf Wiederherstellung seines Instagram-Accounts. Für die Wirksamkeit der Nutzungsbedingungen auf Instagramgelten die Ausführungen zu I. entsprechend. Die Instagram-Gemeinschaftsrichtlinien und Nutzungsbedingungen entsprechen inhaltlich weitgehend den Facebook-Bedingungen, insbesondere ist es auch hiernach untersagt, Hass gegen Gruppen zu unterstützen oder zuverherrlichen (Anlage B16); das Sanktionssystem sieht ebenfalls unter anderem die Deaktivierung oder Sperrung eines Kontos sowie das Recht auf Kündigung aus wichtigem Grund vor (Anlage B15, dort Seite 5).

Da es bereits an einem Verfügungsanspruch zu Gunsten des Klägers fehlt, kommt es auf die Frage, ob der Antrag auf eine Vorwegnahme der Hauptsache zielt und damit ein Verfügungsgrund entfällt, nicht an.


C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 2 GKG. Obwohl es sich hier um ein Verfügungsverfahren gehandelt hat, ist mit Blick auf die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der Streitsache und die wirtschaftlichen Auswirkungen für den Kläger ein Streitwert von 30.000. € angemessen.

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