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Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 06.11.2019 - 1 BvR 276/17 - Recht auf Vergessenwerden gegen Suchmaschinenbetreiber

BVerfG v. 06.11.2019: Recht auf Vergessenwerden gegen Suchmaschinenbetreiber


Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 06.11.2019 - 1 BvR 276/17) hat entschieden:

  1.  Soweit die Grundrechte des Grundgesetzes durch den Anwendungsvorrang des Unionsrechts verdrängt werden, kontrolliert das Bundesverfassungsgericht dessen Anwendung durch deutsche Stellen am Maßstab der Unionsgrundrechte. Das Gericht nimmt hierdurch seine Integrationsverantwortung nach Art. 23 Abs. 1 GG wahr.

  2.  Bei der Anwendung unionsrechtlich vollständig vereinheitlichter Regelungen sind nach dem Grundsatz des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts in aller Regel nicht die Grundrechte des Grundgesetzes, sondern allein die Unionsgrundrechte maßgeblich. Der Anwendungsvorrang steht unter anderem unter dem Vorbehalt, dass der Schutz des jeweiligen Grundrechts durch die stattdessen zur Anwendung kommenden Grundrechte der Union hinreichend wirksam ist.

  3.  Soweit das Bundesverfassungsgericht die Charta der Grundrechte der Europäischen Union als Prüfungsmaßstab anlegt, übt es seine Kontrolle in enger Kooperation mit dem Europäischen Gerichtshof aus. Nach Maßgabe des Art. 267 Abs. 3 AEUV legt es dem Gerichtshof vor.

  4.  Wie die Grundrechte des Grundgesetzes gewährleisten auch die Grundrechte der Charta nicht nur Schutz im Staat-Bürger-Verhältnis, sondern auch in privatrechtlichen Streitigkeiten. Auf der Basis des maßgeblichen Fachrechts sind daher die Grundrechte der Beteiligten miteinander in Ausgleich zu bringen. Insoweit prüft das Bundesverfassungsgericht – wie bei den Grundrechten des Grundgesetzes – nicht das Fachrecht, sondern allein, ob die Fachgerichte den Grundrechten der Charta hinreichend Rechnung getragen und einen vertretbaren Ausgleich gefunden haben.

  5.  Soweit Betroffene von einem Suchmaschinenbetreiber verlangen, den Nachweis und die Verlinkung bestimmter Inhalte im Netz zu unterlassen, sind in die danach gebotene Abwägung neben den Persönlichkeitsrechten der Betroffenen (Art. 7 und Art. 8 GRCh) im Rahmen der unternehmerischen Freiheit der Suchmaschinenbetreiber (Art. 16 GRCh) die Grundrechte der jeweiligen Inhalteanbieter sowie die Informationsinteressen der Internetnutzer einzustellen.

Soweit das Verbot eines Suchnachweises in Ansehung des konkreten Inhalts der Veröffentlichung ergeht und dem Inhalteanbieter damit ein wichtiges Medium zu dessen Verbreitung entzieht, das ihm anderweitig zur Verfügung stünde, liegt hierin eine Einschränkung seiner Meinungsfreiheit.




Siehe auch
Das Recht auf Vergessenwerden, insbesondere gegenüber Suchmaschinen
und
Stichwörter zum Thema Datenschutz


Gründe:


A.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft einen gegenüber einem Suchmaschinenbetreiber geltend gemachten Anspruch auf Unterlassung der Anzeige eines Suchergebnisses, das bei Eingabe des vollständigen Namens der Beschwerdeführerin erscheint.

I.

1. Am 21. Januar 2010 strahlte der Norddeutsche Rundfunk einen Beitrag des Fernsehmagazins „Panorama“ mit dem Titel „Kündigung: Die fiesen Tricks der Arbeitgeber“ aus. Gegen Ende dieses Beitrags wurde der Fall eines gekündigten ehemaligen Mitarbeiters des von der Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin geleiteten Unternehmens dargestellt. Ihr wurde in dem Beitrag in Anknüpfung an die geplante Gründung eines Betriebsrats ein unfairer Umgang mit dem Mitarbeiter vorgeworfen. Sie hatte für den „Panorama“-Beitrag ein Interview gegeben, in dem es unter anderem um die Kündigung dieses Mitarbeiters ging.

Der Norddeutsche Rundfunk stellte eine Datei mit einem Transkript des „Panorama“-Beitrags unter dem Titel „Die fiesen Tricks der Arbeitgeber - Das Erste“ auf seiner Internetseite ein. Bei Eingabe des vollständigen Namens der Beschwerdeführerin in die Suchmaske des im Ausgangsverfahren beklagten Suchmaschinenbetreibers Google Inc., mittlerweile Google LLC (im Folgenden: der Beklagte), wurde als eines der ersten Suchergebnisse die Verlinkung auf diese Datei angezeigt. Gegen die Anzeige dieses Links durch die Internetsuchmaschine wandte sich die Beschwerdeführerin.

Nachdem der Suchmaschinenbetreiber es abgelehnt hatte, die Anzeige des von der Beschwerdeführerin monierten Suchergebnisses zu unterlassen, erhob die Beschwerdeführerin Klage vor dem Landgericht und beantragte, ihn zu verurteilen, den bei Eingabe ihres Namens in die Suchmaschine angezeigten Link künftig nicht weiter nachzuweisen.

2. Mit Urteil vom 22. April 2016 verurteilte das Landgericht den Suchmaschinenbetreiber dazu, den bei Eingabe des Namens der Beschwerdeführerin angezeigten Link auf die Internetseite des Norddeutschen Rundfunks, auf dem die Datei mit dem Transkript des „Panorama“-Beitrags eingestellt ist, zu entfernen, eine Weiterleitung auf diese Internetseite zu unterlassen und durch geeignete Maßnahmen zu verhindern, dass der Link nach der Entfernung erneut erscheint. Dieser Anspruch stehe der Beschwerdeführerin aus §§ 823, 1004 BGB in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu.

Mehr als sechs Jahre nach dem Interview der Beschwerdeführerin stellten die Anzeige des streitbefangenen Suchergebnisses, der angezeigte Titel und die Weiterleitung auf die Internetseite mit dem Transkript des „Panorama“-Beitrags einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführerin in Form des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung dar. Demgegenüber sei der Pressefreiheit der den Beitrag erstellenden Redaktion und der Informationsfreiheit der Öffentlichkeit kein Vorrang mehr einzuräumen. Auch die Berücksichtigung der Berufsfreiheit des Suchmaschinenbetreibers nach Art. 12 GG führe im Rahmen der notwendigen Abwägung nicht zu einem anderen Ergebnis. Die Anzeige des Suchergebnisses und die abrufbaren Informationen berührten die Beschwerdeführerin in ihrer Privatsphäre, da insbesondere der Bezug zur Wertung „fies“ für den durchschnittlichen Internetnutzer auf einen unangenehmen, hinterlistigen, abstoßenden Charakter schließen lasse. Insofern sei es nachvollziehbar, dass das Suchergebnis auch Auswirkungen auf das Privatleben der Beschwerdeführerin habe und nicht nur auf die berufliche Tätigkeit beschränkt sei. Der Löschungsanspruch aus § 35 Abs. 2 Satz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes in der bis zum 24. Mai 2018 geltenden Fassung (BDSG a.F.), der ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB sei, müsse hier zur Geltung gebracht werden. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs Google Spain (EuGH, Urteil vom 13. Mai 2014, C-131/12, EU:C:2014:317), in dem der Gerichtshof durch Auslegung der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281 vom 23. November 1995, S. 31 ff.; im Folgenden: DSRL 95/46/EG) und von Art. 7, Art. 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) Aussagen zur Löschung von Informationen aufgrund eines längeren Zeitablaufs (sogenanntes „Recht auf Vergessenwerden“) getroffen hat, sei in diesem Fall von der „Wohlverhaltensperiode“ in Anlehnung an die Restschuldbefreiung gemäß §§ 286 ff. der Insolvenzordnung (InsO), die sechs Jahre beträgt, auszugehen. Da seit dem von der Beschwerdeführerin gegebenen Interview mehr als sechs Jahre vergangen seien und die damaligen Informationen in dieser Zeit keine neue Aktualität gewonnen hätten, sei dem Antrag der Beschwerdeführerin stattzugeben.

3. Auf die Berufung des Suchmaschinenbetreibers wies das Oberlandesgericht mit von der Beschwerdeführerin angegriffenem Urteil vom 29. Dezember 2016 die Klage ab. Die Beschwerdeführerin könne weder aus § 35 Abs. 2 Satz 2 BDSG a.F. noch aus § 823 Abs. 1, § 1004 BGB in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG die Entfernung des Links zum Transkript des Fernsehbeitrags oder die Unterlassung der Weiterleitung auf diesen Link (im Weiteren auch: Auslistung) beanspruchen.

a) Ein Anspruch der Beschwerdeführerin auf Auslistung ergebe sich nicht aus § 35 Abs. 2 Satz 2 BDSG a.F. unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 12 Buchstabe b DSRL 95/46/EG. Die Speicherung des streitgegenständlichen Links sei zulässig. Dies ergebe sich aus § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG a.F., weil die Daten aus allgemein zugänglichen Quellen – hier dem öffentlich zugänglichen Archiv des Norddeutschen Rundfunks – stammten und das schutzwürdige Interesse der Beschwerdeführerin am Ausschluss der Speicherung nicht offensichtlich überwiege.

Zwar könne sich der Suchmaschinenbetreiber nicht selbst auf die Presse- und Meinungsfreiheit und damit auch nicht auf das Medienprivileg des § 41 BDSG a.F. berufen, weil die bloße automatische Auflistung fremder redaktioneller Beiträge noch keine eigene journalistisch-redaktionelle Gestaltung darstelle. Jedoch sei jedenfalls dann, wenn der Suchmaschinenbetreiber einen zulässigerweise veröffentlichten Beitrag der Presse verlinke, in die Abwägung neben seiner eigenen Berufsfreiheit und der Informationsfreiheit der Internetnutzer auch die Presse- und Meinungsfreiheit des für den Inhalt des Beitrags Verantwortlichen mit einzustellen. Auf Seiten der Betroffenen sei eine etwaige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG (Art. 7, Art. 8 GRCh) zu berücksichtigen. Ein offensichtliches Überwiegen der Interessen der Beschwerdeführerin sei hier nicht festzustellen und schon gar nicht handele es sich vorliegend um eine Schmähung. Die Beschwerdeführerin sei nicht in ihrer Privat-, sondern nur in ihrer Sozialsphäre betroffen, nämlich in ihrer Funktion als Geschäftsführerin. In dieser Funktion habe sie das Interview gegeben. Allein der Umstand, dass eine „Google-Suche“ mit dem Namen der Beschwerdeführerin zum streitgegenständlichen Link führe, mache die Sache noch nicht zu einer Angelegenheit ihrer Privatsphäre. Der Name einer Person sei für sich genommen nicht der Privatsphäre zuzuordnen, sondern könne auch nur das geschäftliche beziehungsweise öffentliche Auftreten der Person betreffen. Die von der Beschwerdeführerin behaupteten Beeinträchtigungen ihres Privatlebens durch den Fernsehbeitrag seien lediglich mittelbare Auswirkungen des Eingriffs in ihre Sozialsphäre. Das verwendete Adjektiv „fies“ beziehe sich nicht auf die Person der Beschwerdeführerin, sondern auf die angeblichen Tricks im Rahmen der geschäftlichen Tätigkeit.

Dem „Panorama“-Interview habe die Beschwerdeführerin ferner zugestimmt und damit zumindest konkludent die Einwilligung zu seiner Verbreitung erteilt. Der von Google verlinkte Beitrag betreffe ein Thema von allgemeinem Interesse, nämlich die praktische Wirksamkeit des Kündigungsschutzes, dessen Diskussion und Bewertung von der Meinungs- und Pressefreiheit des Norddeutschen Rundfunks erfasst würden und deshalb in besonderem Maße die Informationsfreiheit der Suchmaschinennutzer berührten. Die Bewertung des Verhaltens der Arbeitgeber als „fiese Tricks“ stelle eine zulässige Meinungsäußerung dar. Es bestehe ein länger andauerndes Interesse der Öffentlichkeit, über das Geschehen, das Gegenstand des Fernsehbeitrags war, informiert zu werden. Dieses anerkennenswerte Interesse der Öffentlichkeit bestehe auch an der Möglichkeit, vergangene zeitgeschichtliche Ereignisse zu recherchieren. Die Medien nähmen ihre Aufgabe, in Ausübung der Meinungsfreiheit die Öffentlichkeit zu informieren und an der demokratischen Willensbildung mitzuwirken, auch dadurch wahr, dass sie nicht mehr aktuelle Veröffentlichungen für interessierte Mediennutzer verfügbar hielten. Ob die Äußerungen des ehemaligen Mitarbeiters im „Panorama“-Beitrag der Wahrheit entsprächen, könne offen bleiben. Entscheidend sei, dass die Äußerungen der Beschwerdeführerin selbst, die zu den Vorwürfen vor der Kamera Stellung bezogen habe, unstreitig zutreffend wiedergegeben seien.

Der vorliegende Fall unterscheide sich grundlegend von dem Sachverhalt, welcher der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Google Spain zugrunde gelegen habe: Die Beschwerdeführerin sei bewusst in die Öffentlichkeit getreten, am Inhalt des Fernsehbeitrags bestehe weiterhin ein allgemeines Informationsinteresse, der streitgegenständliche Link betreffe die Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin und es seien erst sieben Jahre seit Ausstrahlung des Fernsehbeitrags vergangen. Der Rückgriff des Landgerichts auf die „Wohlverhaltensperiode“ der Insolvenzordnung überzeuge nicht, weil ein Zusammenhang mit der Beurteilung von Datenschutzbestimmungen und Persönlichkeitsrechtsverletzungen nicht ersichtlich sei.

b) Ein Anspruch der Beschwerdeführerin auf Auslistung folge auch nicht aus § 823 Abs. 1, § 1004 BGB in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG. Denn auch bei der Prüfung eines Anspruchs aus unerlaubter Handlung wäre eine Güter- und Interessenabwägung vorzunehmen, die zu demselben Ergebnis führte wie die Anwendung der datenschutzrechtlichen Vorschriften unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.

4. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts und ihres Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG).

Bereits bei der Überschrift des Suchergebnisses („Die fiesen Tricks der Arbeitgeber“) handele es sich um eine verfälschende Darstellung, da sie niemals „fiese Tricks“ gegenüber Arbeitnehmern angewandt habe und der „Panorama“-Beitrag auf falschen Tatsachenangaben des ehemaligen Mitarbeiters beruhe. Das Suchergebnis und der verlinkte Beitrag riefen aufgrund der Assoziation des Namens der Beschwerdeführerin mit der Überschrift des Fernsehbeitrags eine äußerst negative Vorstellung über sie als Person hervor. Dies sei auch geeignet, die Beschwerdeführerin als Privatperson herabzuwürdigen.

Der im angegriffenen Urteil liegende Eingriff in ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht und ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sei nicht gerechtfertigt. Zu Unrecht habe das Oberlandesgericht das Interesse des Suchmaschinenbetreibers und das Informationsinteresse der Internetnutzer für vorrangig erachtet. Das Oberlandesgericht habe im Rahmen seiner Abwägung nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Beschwerdeführerin seit der Verlinkung des „Panorama“-Beitrags keine Chance mehr gehabt habe, irgendwelche privaten Beziehungen aufzubauen, und dass sich beruflich wie privat Menschen von ihr abgewandt hätten. Ihr drohe eine dauerhafte Stigmatisierung. Dass sie das Interview in der Funktion als Geschäftsführerin gegeben und konkludent in dessen Veröffentlichung eingewilligt habe, überzeuge nicht. Denn dies umfasse nur den Interviewinhalt, nicht aber die Veröffentlichung unter dieser Überschrift und erst recht nicht die Tatsache, dass diese Formulierung als erster Suchtreffer bei Eingabe ihres Namens bei der Suchmaschine erscheine. Das Suchergebnis tangiere sie in ihrer Privatsphäre, indem es auf negative Charaktereigenschaften schließen lasse.

Das Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführerin genieße ferner Vorrang, da Nutzer der Suchmaschine, die den Namen der Beschwerdeführerin eingäben, an Informationen über die Privatperson interessiert seien. Wer sich für arbeitsrechtliche Themen und berufliche Informationen über die Beschwerdeführerin interessiere, werde zusätzlich zum Namen der Beschwerdeführerin weitere Angaben wie den Namen des von der Beschwerdeführerin geführten Unternehmens eingeben. Das bei Eingabe des Namens der Beschwerdeführerin angezeigte Suchergebnis zum „Panorama“-Beitrag liege auch aufgrund der nicht mehr aktuellen Einzelfallstreitigkeit außerhalb des Informationsinteresses der Nutzer. Für die Befriedigung der Informationsinteressen der Nutzer reichte es im Übrigen, wenn der streitgegenständliche Beitrag weiterhin nur dann erreichbar sei, wenn man zusätzlich zum Namen der Beschwerdeführerin weitere Suchbegriffe wie „Kündigung“ oder „Tricks“ eingebe. Überdies könnten nach geltender Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs selbst sachlich richtige Daten im Laufe der Zeit unrechtmäßig werden, wenn sie in Anbetracht von Zeitablauf und Einzelfallumständen nicht mehr erheblich seien. So liege es hier, da das Interview zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung bereits mehr als sieben Jahre zurückgelegen habe. Angesichts fehlender klarer Richtwerte für Zeiträume, nach deren Ablauf das Vergessen eintreten solle, könne zur Orientierung der in der Regelung des § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BDSG a.F. enthaltene Rechtsgedanke herangezogen werden, nach dem nach Ablauf von drei beziehungsweise vier Jahren zu prüfen ist, ob eine längere Speicherung noch erforderlich sei. Bei besonders sensiblen Informationen – wie in diesem Fall – sei es geboten, Informationen spätestens nach Ablauf dieses Zeitraums löschen lassen zu können. Auch die vom Landgericht herangezogene „Wohlverhaltensperiode“ von sechs Jahren nach der Insolvenzordnung sei ein vertretbares Kriterium. Aufgrund des abgeschlossenen arbeitsgerichtlichen Verfahrens bezüglich der Kündigung des ehemaligen Mitarbeiters sei der Sachverhalt zum Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts für die Öffentlichkeit nicht mehr von Bedeutung. Es bestehe auch kein erhöhtes öffentliches Interesse an der Person der Beschwerdeführerin; sie trete nur gelegentlich in branchenspezifischem Zusammenhang in Erscheinung.




Der Europäische Gerichtshof habe zudem entschieden, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen grundsätzlich gegenüber den Interessen der Internetnutzer überwiege und von diesem Grundsatz nur in besonders gelagerten Fällen unter Berücksichtigung der Art der betreffenden Informationen, der Sensibilität des Eingriffs für das Privatleben der betroffenen Person und des Interesses der Öffentlichkeit am Zugang zu der Information je nach der Rolle, die die Person des öffentlichen Lebens spiele, abgewichen werden dürfe. Dies habe das Oberlandesgericht ebenfalls verkannt.

5. Im rechtlichen Hintergrund des Verfahrens stehen Vorschriften des Unionsrechts. Zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung galt die Datenschutzrichtlinie 95/46/EG, die die Mitgliedstaaten dazu verpflichtete, bei der Verarbeitung personenbezogener Daten den Schutz der Privatsphäre natürlicher Personen zu gewährleisten. Seit dem 25. Mai 2018 ist die Richtlinie durch die Datenschutz-Grundverordnung abgelöst (Verordnung [EU] 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG, ABl. L 119 vom 4. Mai 2016, S. 1; im Folgenden: DSGVO). In ihrem Art. 17 enthält die Datenschutz-Grundverordnung nunmehr ein Recht auf Löschung, das in Klammern auch als „Recht auf Vergessenwerden“ überschrieben ist.

II.

Zu der Verfassungsbeschwerde haben die Bundesregierung, der Bundesgerichtshof, die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit sowie Google LLC als Beklagter und der Norddeutsche Rundfunk Stellung genommen.

1. Die Bundesregierung weist in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass Umstände dafür sprächen, dass das Oberlandesgericht den Europäischen Gerichtshof im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV hätte anrufen müssen. Die Frage, ob die streitentscheidende nationale Regelung (§ 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG a.F.) unionsrechtlich durch die Datenschutzrichtlinie 95/46/EG determiniert ist oder sich im Bereich eines nationalen Gestaltungsspielraums bewegt, habe sich das Oberlandesgericht offensichtlich gar nicht gestellt. Hiervon hänge es jedoch ab, ob die Grundrechte der Charta oder die nationalen Grundrechte Anwendung fänden.

Soweit die Charta der Grundrechte der Europäischen Union anwendbar sei, sei die vom Europäischen Gerichtshof in der Entscheidung Google Spain gewählte Formulierung, dass die durch Art. 7, Art. 8 GRCh geschützten Rechte der betroffenen Person im Allgemeinen gegenüber dem Interesse der Internetnutzer überwiegen, nicht über den damals entschiedenen Fall hinaus verallgemeinerbar. Eine derartige Prädisposition für den Datenschutz anstelle einer offenen Grundrechtsabwägung würde sich im deutlichen Gegensatz zur Judikatur des Bundesverfassungsgerichts, aber auch des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sowie des Europäischen Gerichtshofs selbst bewegen. Der vom Oberlandesgericht entschiedene und der der Entscheidung Google Spain des Europäischen Gerichtshofs zugrundeliegende Sachverhalt wiesen sachliche Unterschiede auf. Ferner sei zu überlegen, inwiefern die Medienfreiheiten in solchen Fällen zu berücksichtigen seien.

2. Nach Auffassung der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit müsse es zur effektiven Wahrnehmung der Persönlichkeitsrechte möglich sein, einen Suchmaschinenbetreiber neben dem für den Inhalt des verlinkten Beitrags Verantwortlichen direkt in Anspruch zu nehmen, ohne dass sich ein Betroffener zuvor erst einmal an den Inhalteanbieter wenden müsse. Im Rahmen der Abwägung könne sich der Suchmaschinenbetreiber nicht selbst auf die Presse- und Meinungsäußerungsfreiheit berufen, jedoch seien die Interessen der Öffentlichkeit an einem freien und umfassenden Informationszugang einzustellen. Dabei müssten Schutzansprüche gegen den Suchmaschinenbetreiber und den Inhalteanbieter nicht notwendigerweise zum gleichen Ergebnis führen.

3. Der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit hebt hervor, dass das angegriffene Urteil des Oberlandesgerichts der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht widerspreche und eine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts nicht ersichtlich sei. Zutreffend seien im Rahmen des Ausgleichs der Rechte und schutzwürdigen Interessen auch die Presse- und Meinungsäußerungsfreiheit des Inhalteanbieters sowie die Meinungs- und Informationsfreiheit der Nutzer der Internetsuchmaschine miteinbezogen worden.

4. Google LLC als Beklagter weist darauf hin, dass sich der vorliegende Fall in wesentlichen Aspekten von demjenigen unterscheide, welcher der Google Spain-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zugrunde gelegen habe. Im vorliegenden Fall sei insbesondere zu würdigen, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten in eine datenschutzrechtlich privilegierte Fernsehberichterstattung eingebunden sei. Weitere Unterschiede bestünden darin, dass nicht das unter Art. 7 GRCh fallende Privatleben der Beschwerdeführerin betroffen sei, es weiterhin ein Interesse der Öffentlichkeit am Thema des „Panorama“-Beitrags gebe und es an einem vergleichbaren Zeitablauf fehle. Aus der Google Spain-Entscheidung folge ferner kein genereller Vorrang der Rechte auf Privatleben und Datenschutz gegenüber den Kommunikationsfreiheiten.

Sowohl nach der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG als auch nach der Datenschutz-Grundverordnung bestehe ein nationaler Umsetzungsspielraum. Suchmaschinen fielen wegen ihrer Bedeutung für die Meinungs- und Informationsfreiheit der Internetnutzer, Inhalteanbieter und Webseitenbetreiber in den Anwendungsbereich der Art. 17 Abs. 3 und Art. 85 Abs. 1 DSGVO. Dieser Umsetzungsspielraum sei nach Maßgabe der Grundrechte des Grundgesetzes grundrechtskonform auszufüllen. Dabei stehe die Entscheidungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts insoweit nicht in Frage.

Des Weiteren könnten datenschutzrechtliche Ansprüche zwar sowohl gegenüber dem Betreiber einer Webseite als auch gegenüber dem Betreiber einer Suchmaschine nebeneinander bestehen, wenn sie jeweils als verantwortliche Stelle personenbezogene Daten verarbeiten, allerdings entspreche regelmäßig nur eine subsidiäre Inanspruchnahme von Suchmaschinenbetreibern dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Das Vorgehen gegen den Betreiber der Webseite sei effektiver, da der entsprechende Inhalt durch dessen Entfernung im Internet insgesamt nicht mehr zugänglich sei und nicht bloß dessen Auffindbarkeit verhindert werde. Der Webseitenbetreiber könne auch nur Teile des Beitrags entfernen, wohingegen der Suchmaschinenbetreiber den Link auf den gesamten Beitrag entfernen müsste. Bei äußerungsrechtlichen Sachverhalten wie dem vorliegenden sei darüber hinaus eine komplexe Bewertung vorzunehmen, die alle Gesichtspunkte des Einzelfalls zu berücksichtigen habe; diese Abwägung könne nicht im Verhältnis zwischen Betroffenem und dem Suchmaschinenbetreiber vorgenommen werden, da dem Suchmaschinenbetreiber mangels Kenntnis des Kontextes und der Begleitumstände eine Beurteilung der sich gegenüberstehenden Rechte und Interessen regelmäßig nicht möglich sei. Es bestünde zudem die Gefahr, dass die Medienfreiheiten erheblich beschnitten würden.

Das angegriffene Urteil des Oberlandesgerichts verletze die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Das Oberlandesgericht habe zutreffend erkannt, dass die Meinungs- und Pressefreiheit des Norddeutschen Rundfunks in die Abwägung einzustellen sei. Auch seien die Informationsfreiheit der Internetnutzer und die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit des Suchmaschinenbetreibers zu berücksichtigen. Das Oberlandesgericht verkenne lediglich, dass sich der Beklagte unmittelbar selbst auf die von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Meinungsfreiheit berufen könne. Suchmaschinen seien für den Zugang, die Nutzung und Vermittlung von Informationen im Internet bedeutsam. Könnte der Suchmaschinenbetreiber Eingriffe durch deutsche staatliche Stellen nicht abwehren, wäre der Prozess der Meinungsbildung im Internet für die Nutzer in Deutschland unzureichend geschützt.

5. Nach Auffassung des Norddeutschen Rundfunks erfolgte die Berichterstattung in der Sendung „Panorama“ rechtmäßig. Es sei wahrheitsgemäß berichtet worden und die Beschwerdeführerin habe in die Verbreitung des Interviews eingewilligt. Zudem hätten das Landgericht Hamburg und das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg Unterlassungsklagen des von der Beschwerdeführerin geleiteten Unternehmens abgewiesen, mit denen ihm die Verbreitung einer Behauptung des gekündigten Arbeitnehmers im „Panorama“-Beitrag sowie des entsprechenden Interviews der Beschwerdeführerin untersagt werden sollte.


B.

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

I.

1. Die Verfassungsbeschwerde, mit der sich die Beschwerdeführerin gegen das klageabweisende Zivilurteil des Oberlandesgerichts wendet, ist als Urteilsverfassungsbeschwerde gemäß § 90 Abs. 1 BVerfGG statthaft. Der Rechtsweg ist erschöpft; ein Rechtsmittel gegen die angegriffene Entscheidung ist nicht eröffnet. Die Beschwerdeführerin musste auch nicht nach den erweiterten Anforderungen an die materielle Subsidiarität (vgl. dazu BVerfGE 107, 395 <414>; 112, 50 <60>; 146, 294 <308 Rn. 23>) weitere Möglichkeiten ergreifen, um die gerügte Grundrechtsverletzung abzuwenden. Insbesondere musste sie vor der Inanspruchnahme des beklagten Suchmaschinenbetreibers nicht zuerst vom Norddeutschen Rundfunk als Inhalteanbieter die Unterlassung der Verbreitung des streitgegenständlichen Transkripts des „Panorama“-Beitrags verlangen. Die Bereitstellung des Beitrags im Internet durch den Inhalteanbieter und sein Nachweis durch den Suchmaschinenbetreiber stellen zwei verschiedene Maßnahmen dar, die als je eigene Datenverarbeitungsmaßnahmen grundrechtlich je für sich zu beurteilen sind (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Mai 2014, Google Spain, C-131/12, EU:C:2014:317, Rn. 35 ff. und 83 ff.; Urteil vom 24. September 2019, GC u.a., C-136/17, EU:C:2019:773, Rn. 36 f.; Urteil vom 24. September 2019, Google [Portée territoriale], C-507/17, EU:C:2019:772, Rn. 44; siehe auch BGHZ 217, 350 <368 f. Rn. 45>). Es gilt insoweit jedenfalls kein grundsätzliches Vorrangverhältnis, das dazu führte, dass Betroffene verfassungsprozessual eine Grundrechtsverletzung hinzunehmen hätten, weil sie stattdessen gegen eine andere vorgehen könnten. Unter den konkreten Gegebenheiten ist auch nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin hier ihr Schutzbegehren einfacher hätte erreichen können.

2. Für die Verfassungsbeschwerde ist das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen. Zwar hat der beklagte Suchmaschinenbetreiber den beanstandeten Link für den Bereich der Europäischen Union vorläufig entfernt. Hiermit reagierte er jedoch zunächst nur auf sein Unterliegen in erster Instanz, und hat entsprechend im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht erklärt, dass der Link nur vorübergehend entfernt worden sei. Weiter hat er auch in seiner Stellungnahme zu diesem Verfahren sein Recht auf die Bereitstellung des Nachweises nachdrücklich verteidigt. Es ist damit erkennbar, dass sich der Beklagte die erneute Einstellung des Nachweises vorbehält und dass damit nach für die Beschwerdeführerin erfolglosem Abschluss des Verfassungsbeschwerdeverfahrens zu rechnen ist.




II.

Die Beschwerdeführerin ist beschwerdebefugt. Zwar sind die Grundrechte des Grundgesetzes vorliegend nicht anwendbar, weil der Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens eine unionsrechtlich vollständig vereinheitlichte Materie betrifft. Die Beschwerdeführerin kann sich jedoch auf die Grundrechte der Charta der Grundrechte der Europäischen Union berufen. Deren Anwendung unterliegt in der hier zu beurteilenden Konstellation der Jurisdiktion des Bundesverfassungsgerichts.

1. Der Rechtsstreit richtet sich nach Regelungen, die durch das Unionsrecht vollständig vereinheitlicht sind und bei deren Anwendung deshalb grundsätzlich allein die Charta der Grundrechte der Europäischen Union anwendbar ist.

a) Der von der Beschwerdeführerin im Ausgangsverfahren verfolgte Anspruch auf Auslistung betrifft Fragen des unionsweit abschließend vereinheitlichten Datenschutzrechts. Das gilt sowohl für die zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung maßgebliche als auch für die heutige Rechtslage.

aa) Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts richtete sich der Rechtsstreit nach deutschen Rechtsvorschriften, die abschließende und zwingende Vorgaben der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG umsetzten.

(1) Die Frage, welche personenbezogenen Daten eine Suchmaschine auf Suchabfragen durch Bereitstellung eines Links nachweisen darf, fiel in den Anwendungsbereich der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG und wurde dort näher geregelt (vgl. Art. 2, 4, 6, 7, 12 und 14 DSRL 95/46/EG; vgl. EuGH, Urteil vom 13. Mai 2014, Google Spain, C-131/12, EU:C:2014:317, Rn. 28, 41, 73 ff.). Sie lag auch nicht im Bereich des sogenannten Medienprivilegs, für dessen Ausgestaltung den Mitgliedstaaten nach Art. 9 DSRL 95/46/EG in Ausnahme von den Erfordernissen der Richtlinie ein Gestaltungsspielraum zustand (anders die dem Beschluss des Ersten Senats vom heutigen Tag - 1 BvR 16/13 - zugrundeliegende Konstellation). Die insoweit in Frage stehende Datenverarbeitung durch den Suchmaschinenbetreiber ist nicht als Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken im Sinne dieser Vorschrift anzusehen (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Mai 2014, Google Spain, C-131/12, EU:C:2014:317, Rn. 85).

(2) Damit beanspruchen die materiellen Anforderungen der Richtlinie an den Schutz vor der Verarbeitung personenbezogener Daten Geltung. Diese sind – jedenfalls im Lichte der späteren Rechtsentwicklung – zum Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts als unionsrechtlich vollständig vereinheitlicht anzusehen.

Allerdings scheint hiergegen zunächst zu sprechen, dass sich diese Anforderungen allein aus einer Richtlinie ergeben. Für den Regelfall ist davon auszugehen, dass die Europäische Union mit der Wahl der Richtlinie als Rechtsform keine vollständige Vereinheitlichung eines Regelungsgegenstandes erstrebt, sondern den Mitgliedstaaten Gestaltungsspielräume belässt. Hierfür spricht schon Art. 288 Abs. 3 AEUV, wonach die Richtlinie den Mitgliedstaaten zur Erreichung der verbindlichen Ziele die Wahl der Form und der Mittel überlässt, und deren Unterscheidung von der Verordnung nach Art. 288 Abs. 2 AEUV. Dafür spricht auch das Subsidiaritätsprinzip nach Art. 5 Abs. 3 EUV. Freilich hängt die Frage, wie weit der zwingende Charakter einer Richtlinie reicht, letztlich von deren konkretem Inhalt ab. Das schließt auch die Möglichkeit ein, dass eine Richtlinie bestimmte Fragen vollständig vereinheitlichen kann (vgl. EuGH, Urteil vom 25. April 2002, Kommission/Frankreich, C-52/00, EU:C:2002:252, Rn. 16 ff.; Urteil vom 24. Januar 2012, Dominguez, C-282/10, EU:C:2012:33, Rn. 33 ff.; Urteil vom 21. November 2018, Ayubi, C-713/17, EU:C:2018:929, Rn. 37 ff.; Urteil vom 29. Juli 2019, Funke Medien NRW, C-469/17, EU:C:2019:623, Rn. 35 ff.; Urteil vom 29. Juli 2019, Pelham u.a., C-476/17, EU:C:2019:624, Rn. 58 ff.; vgl. auch BVerfGE 118, 79 <95 f.>).

Der Europäische Gerichtshof nimmt das für die materiellen Anforderungen an die Datenverarbeitung nach der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG in ständiger Rechtsprechung an. Unter Bezugnahme insbesondere auf deren Erwägungsgründe und Regelungsziel geht er davon aus, dass sich die Richtlinie nicht auf eine Mindestharmonisierung beschränkt, sondern eine umfassende Vereinheitlichung der nationalen Rechtsvorschriften über den Schutz personenbezogener Daten herbeiführt. Die insoweit einschlägigen Vorschriften der Art. 6 und 7 DSRL 95/46/EG seien inhaltlich unbedingt, abschließend und erschöpfend und müssten in der Union gleichmäßig angewendet werden. Die Mitgliedstaaten dürften deren Anforderungen weder unter- noch überschreiten (vgl. EuGH, Urteil vom 20. Mai 2003, Österreichischer Rundfunk u.a., C-465/00, C-138/01 und C-139/01, EU:C:2003:294, Rn. 100; Urteil vom 6. November 2003, Lindqvist, C-101/01, EU:C:2003:596, Rn. 95 ff.; Urteil vom 16. Dezember 2008, Huber, C-524/06, EU:C:2008:724, Rn. 51 f.; Urteil vom 24. November 2011, ASNEF und FECEMD, C-468/10 und C-469/10, EU:C:2011:777, Rn. 28 ff.; Urteil vom 7. November 2013, IPI, C-473/12, EU:C:2013:715, Rn. 31; Urteil vom 19. Oktober 2016, Breyer, C-582/14, EU:C:2016:779, Rn. 57; Urteil vom 29. Juli 2019, Fashion ID, C-40/17, EU:C:2019:629, Rn. 54 f.). Entsprechend sei auch der in Art. 7 Buchstabe e DSRL 95/46/EG verwendete konkretisierungsbedürftige Begriff der Erforderlichkeit als autonomer Begriff des Unionsrechts einheitlich auszulegen und könne damit keinen variablen Gehalt haben (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Dezember 2008, Huber, C-524/06, EU:C:2008:724, Rn. 52).

Es kann zum jetzigen Zeitpunkt dahinstehen, ob dies schon für sich allein als Grundlage für die Annahme einer vollständig vereinheitlichten Rechtslage ausreicht, oder ob sie im Hinblick auf gegenläufige Anhaltspunkte in der Richtlinie (vgl. Erwägungsgrund 9 sowie Art. 5 DSRL 95/46/EG) weiterer Absicherung bedürfte. Denn jedenfalls wurde diese Auslegung der Richtlinie durch die Datenschutz-Grundverordnung inzwischen auch durch den Unionsgesetzgeber in politischer Verantwortung bestätigt und rechtlich abgesichert. Die Datenschutz-Grundverordnung war zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung des Oberlandesgerichts zwar noch nicht in Geltung, aber doch bereits endgültig verabschiedet und nach Art. 99 Abs. 1 DSGVO in Kraft getreten. In ihrem Lichte kann das Verständnis der Richtlinie als eine „Vollharmonisierung“ der materiellen Anforderungen an die Verarbeitung personenbezogener Daten als hinreichend abgesichert angesehen werden.

bb) Von einer vollständigen Vereinheitlichung ist erst recht für die aktuelle Rechtslage unter Geltung der Datenschutz-Grundverordnung auszugehen, die im Falle einer Aufhebung und Zurückverweisung der angegriffenen Entscheidung auch vom Oberlandesgericht zu beachten wäre. Mit ihr hat die Europäische Union in der Rechtsform der Verordnung in allen Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbares Recht geschaffen, um so der verbliebenen unterschiedlichen Handhabung des Datenschutzrechts in den Mitgliedstaaten wirksamer entgegenzutreten und dem Anspruch eines unionsweit gleichwertigen Datenschutzes größeren Nachdruck zu verleihen (vgl. Erwägungsgründe 9, 10 DSGVO). Dabei enthält zwar auch die Datenschutz-Grundverordnung eine Öffnungsklausel für die Ausgestaltung des „Medienprivilegs“ (Art. 85 Abs. 2 DSGVO) und ermöglicht auch darüber hinaus den Mitgliedstaaten in verschiedenen Hinsichten die Schaffung von – oftmals zu notifizierenden – punktuell abweichenden Regelungen. Dass solche Öffnungen für die vorliegende Konstellation erheblich sind und den Anspruch der Verordnung als Gewährleistung eines materiell vollständig vereinheitlichten Datenschutzniveaus durchbrechen, ist jedoch nicht ersichtlich.

b) Bei der Anwendung unionsrechtlich vollständig vereinheitlichter Regelungen sind grundsätzlich nicht die deutschen Grundrechte, sondern allein die Unionsgrundrechte maßgeblich; das Unionsrecht hat hier gegenüber den Grundrechten des Grundgesetzes Anwendungsvorrang (aa). Hiervon unberührt bleiben Reservevorbehalte für den Fall eines grundsätzlichen Wegbrechens dieses Schutzes (bb).

aa) Dass in vollvereinheitlichten Materien des Unionsrechts die deutschen Grundrechte nicht anwendbar sind, entspricht für die Gültigkeitsprüfung dieser Normen ständiger Rechtsprechung (vgl. BVerfGE 73, 339 <387>; 102, 147 <162 ff.>; 118, 79 <95 ff.>; 121, 1 <15>; 123, 267 <335>; 125, 260 <306 f.>; 129, 78 <103>; 129, 186 <199>). Nichts anderes gilt aber für deren konkretisierende Anwendung.

Die Anwendung der Unionsgrundrechte ist hier Konsequenz der Übertragung von Hoheitsbefugnissen auf die Europäische Union nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG. Wenn die Union im Rahmen dieser Befugnisse Regelungen schafft, die in der gesamten Union gelten und einheitlich angewendet werden sollen, muss auch der bei Anwendung dieser Regelungen zu gewährleistende Grundrechtsschutz einheitlich sein. Diesen Grundrechtsschutz gewährleistet die Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Die deutschen Grundrechte sind in diesen Fällen nicht anwendbar, weil dies das Ziel der Rechtsvereinheitlichung konterkarieren würde. Zwar können in Vielfalt zulassenden, nicht vollständig vereinheitlichten Bereichen die Grundrechte des Grundgesetzes das grundrechtliche Schutzniveau der Union regelmäßig mitgewährleisten (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom selben Tag - 1 BvR 16/13 -, Rn. 50 ff., 55 ff.). Im Bereich des vollständig vereinheitlichten Unionsrechts kann von dieser Mitgewährleistung hingegen nicht ausgegangen werden. Hier verlangt das Unionsrecht gerade die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung. Das steht einer Heranziehung unterschiedlicher mitgliedstaatlicher Grundrechtsstandards von vornherein entgegen, weil dies zur divergierenden Anwendung des vereinheitlichten Rechts führen würde. Derzeit ist nicht davon auszugehen, dass über das zusammenführende, aber nicht auf Vereinheitlichung zielende gemeinsame Fundament in der Europäischen Menschenrechtskonvention hinaus deckungsgleiche Grundrechtsstandards bestehen. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass die Charta in Wechselwirkung mit sehr verschiedenen Rechtsordnungen steht, die sich auch hinsichtlich des Grundrechtsschutzes vielfach voneinander unterscheiden. Dies betrifft schon die äußere Form und die institutionelle Einbindung des Grundrechtsschutzes, betrifft weiter die Anforderungen an Grundrechtsbeschränkungen im Hinblick auf die Gewichtung öffentlicher Interessen oder auf die Verarbeitung von Wertungskonflikten zwischen verschiedenen Grundrechten und betrifft schließlich auch Grundvorstellungen, wieweit und in welcher Dichte eine gerichtliche Kontrolle am Maßstab der Grundrechte zulässig oder geboten ist. Darin spiegeln sich vielfältig bedingte tatsächliche Unterschiede in den Mitgliedstaaten wie nicht zuletzt auch je eigene geschichtliche Erfahrungen.

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Grundrechtecharta, soweit, bezogen auf vollvereinheitlichtes Unionsrecht, ein in allen Mitgliedstaaten gleicher Grundrechtsschutz gelten soll, gerade dem Grundgesetz anschließt und sich in den Einzelheiten mit dem hiernach ins Werk gesetzten Grundrechtsschutz deckt (siehe auch BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom selben Tag - 1 BvR 16/13 -, Rn. 62). Dies gilt umso mehr, als der Grundrechtsschutz in Deutschland auf einer lange gewachsenen, dichten Grundrechtsrechtsprechung beruht, die die Grundrechte auf der Grundlage prozessrechtlich weiter Befugnisse des Bundesverfassungsgerichts für den Kontext der deutschen Rechtsordnung spezifisch konkretisiert. Eine Auslegung vollvereinheitlichten Unionsrechts am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes trüge damit die Gefahr in sich, innerstaatlich gewonnene Maßstäbe vorschnell auch dem Unionsrecht zu unterlegen – mit der Folge, dass diese Maßstäbe dann auch als Maßstäbe für die anderen Mitgliedstaaten verstanden würden.

Bezogen auf die Rechtsordnung des Grundgesetzes ist damit – unabhängig davon, wie das in anderen Mitgliedstaaten zu beurteilen ist – von einem jeweiligen Eigenstand der unionsrechtlichen und der nationalen Grundrechte auszugehen. Maßstab für die konkretisierende Anwendung von vollvereinheitlichtem Unionsrecht durch innerstaatliche Behörden und Gerichte ist die Grundrechtecharta.

bb) Die Nichtanwendung der deutschen Grundrechte als Kontrollmaßstab beruht allein auf der Anerkennung eines Anwendungsvorrangs des Unionsrechts (vgl. BVerfGE 123, 267 <398 ff.>; 126, 286 <301 f.>; 129, 78 <99>; 140, 317 <335 ff. Rn. 37 ff.> m.w.N.) und lässt die Geltung der Grundrechte des Grundgesetzes als solche unberührt. Sie bleiben dahinterliegend ruhend in Kraft. Dementsprechend erkennt das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung einen die Überprüfung an den Grundrechten des Grundgesetzes ausschließenden Anwendungsvorrang des Unionsrechts nur unter dem Vorbehalt an, dass der Grundrechtsschutz durch die stattdessen zur Anwendung kommenden Grundrechte der Union hinreichend wirksam ist (vgl. BVerfGE 73, 339 <376, 387>; 102, 147 <162 ff.>; 118, 79 <95>; 129, 186 <199>; stRspr). Indem das Grundgesetz den einzelnen Menschen und seine Grundrechte in den Mittelpunkt seiner Ordnung stellt, deren Wesensgehalt und Menschenwürdekern für unantastbar erklärt (vgl. Art. 19 Abs. 2, Art. 79 Abs. 3 GG) und diesen Schutz auch im Hinblick auf die Unionsverträge sichert (vgl. Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG), können die Garantien der Grundrechte nur insoweit durch das Unionsrecht überlagert werden, als deren Schutzversprechen in der Substanz erhalten bleiben. Erforderlich ist deshalb, dass der Schutz der Charta dem vom Grundgesetz jeweils als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im Wesentlichen gleich zu achten ist, zumal den Wesensgehalt der Grundrechte generell verbürgt (vgl. BVerfGE 73, 339 <376, 387>; 102, 147 <162 ff.>; 118, 79 <95>; 129, 186 <199>; stRspr). Maßgeblich ist insoweit eine auf das jeweilige Grundrecht des Grundgesetzes bezogene generelle Betrachtung.

Nach dem derzeitigen Stand des Unionsrechts – zumal unter Geltung der Charta – ist entsprechend ständiger Rechtsprechung davon auszugehen, dass diese Voraussetzungen grundsätzlich erfüllt sind (vgl. BVerfGE 73, 339 <387>; 102, 147 <162 ff.>; 118, 79 <95 ff.>; 129, 186 <199>; stRspr). Den Grundrechten des Grundgesetzes kommt insoweit nur eine Reservefunktion zu. Soll diese mit einer Verfassungsbeschwerde aktiviert werden, unterliegt das hohen Substantiierungsanforderungen (vgl. BVerfGE 102, 147 <164>).

Die weiteren Vorbehalte der Ultra-vires-Kontrolle und der Wahrung der Verfassungsidentität (vgl. BVerfGE 123, 267 <353 f.>; 126, 286 <302 ff.>; 134, 366 <382 ff. Rn. 22 ff.>; 140, 317 <336 f. Rn. 42 f.>; 142, 123 <194 ff. Rn. 136 ff.>; 146, 216 <252 ff. Rn. 52 ff.>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14 u.a. -, Rn. 120 ff.) werden durch das vorliegende Verfahren nicht berührt.

2. Soweit die Grundrechte des Grundgesetzes durch den Anwendungsvorrang des Unionsrechts verdrängt werden, kontrolliert das Bundesverfassungsgericht dessen Anwendung durch deutsche Stellen am Maßstab der Unionsgrundrechte (vgl. zur verfassungsgerichtlichen Prüfung anhand der Grundrechtecharta Verfassungsgerichtshof Österreich, Erkenntnis vom 14. März 2012, U 466/11 u.a., AT:VFGH:2012:U466.2011, sub. 5.5; vgl. auch Verfassungsgerichtshof Belgien, Entscheid vom 15. März 2018, Nr. 29/2018, B.9., B.10.5., B.15. ff.; Conseil Constitutionnel, Urteil vom 26. Juli 2018, Nr. 2018-768 DC, Rn. 10, 12, 38; Corte costituzionale, Entscheidung vom 23. Januar 2019, Nr. 20/2019, IT:COST:2019:20, Rn. 2.1, 2.3).

a) In seiner bisherigen Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht eine Prüfung am Maßstab der Unionsgrundrechte nicht ausdrücklich in Erwägung gezogen. Soweit es in Anerkennung eines Vorrangs des Unionsrechts die grundgesetzlichen Grundrechte nicht angewendet hat, hat es vielmehr auf eine Grundrechtsprüfung ganz verzichtet und die Grundrechtskontrolle den Fachgerichten in Kooperation mit dem Europäischen Gerichtshof überlassen. Diese Rechtsprechung war auf Fallkonstellationen bezogen, in denen – mittelbar oder unmittelbar – die Gültigkeit von Unionsrecht selbst in Frage stand. Es handelte sich um Fälle, in denen darüber zu entscheiden war, ob das Bundesverfassungsgericht die Wirksamkeit entweder von bestimmten Entscheidungen (vgl. etwa BVerfGE 129, 186 <198 f.> - Investitionszulagengesetz -) oder Rechtsvorschriften (vgl. etwa BVerfGE 73, 339 <374 ff.> - Solange II -; 102, 147 <160 ff.> - Bananenmarktordnung -) der Union selbst oder aber von deutschen Normen, die zwingendes Unionsrecht innerstaatlich umsetzen (vgl. etwa BVerfGE 118, 79 <95 f.> m.w.N. - Emissionshandel -), prüfen kann. Da die Verwerfung oder Ungültigerklärung von Unionsrecht allein dem Europäischen Gerichtshof vorbehalten ist, hat das Bundesverfassungsgericht dort auf eine vorherige eigene Grundrechtsprüfung ganz verzichtet. Ob und wieweit für diese Konstellationen hieran festzuhalten ist, ist hier nicht zu entscheiden.

Vorliegend stehen jedoch nicht Gültigkeit oder Wirksamkeit von Unionsrecht in Frage, sondern die richtige Anwendung vollvereinheitlichten Unionsrechts im Lichte der für den Einzelfall konkretisierungsbedürftigen Grundrechte der Charta. Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist die Kontrolle einer Entscheidung eines deutschen Fachgerichts daraufhin, ob es bei der ihm obliegenden Anwendung des Unionsrechts den hierbei zu beachtenden Anforderungen der Charta Genüge getan hat. Jedenfalls in solchen Fällen kann sich das Bundesverfassungsgericht nicht aus der Grundrechtsprüfung zurückziehen, sondern gehört es zu seinen Aufgaben, Grundrechtsschutz am Maßstab der Unionsgrundrechte zu gewährleisten.

b) Die Prüfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts für die Unionsgrundrechte folgt hier aus Art. 23 Abs. 1 GG in Verbindung mit den grundgesetzlichen Vorschriften über die Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts im Bereich des Grundrechtsschutzes. Das Bundesverfassungsgericht nimmt entsprechend seiner Aufgabe, gegenüber der deutschen Staatsgewalt umfassend Grundrechtsschutz zu gewähren, im Bereich der Anwendung vollständig vereinheitlichten Unionsrechts gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG durch eine Prüfung der Rechte der Charta der Grundrechte der Europäischen Union im Verfahren der Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG seine Integrationsverantwortung wahr.

aa) Nach Art. 23 Abs. 1 GG wirkt die Bundesrepublik Deutschland an der Verwirklichung eines vereinten Europas mit und kann der Union hierfür Hoheitsrechte übertragen. Zusammen mit den anderen Mitgliedstaaten hat die Bundesrepublik der Europäischen Union durch die Unionsverträge Befugnisse zum Erlass eigener Rechtsakte übertragen. Gemeinsam haben die Mitgliedstaaten auch die Grundrechtecharta geschaffen, die das Unionsrecht und die mit ihm eingeräumten Befugnisse flankiert. Auf dieser Grundlage öffnen die Zustimmungsgesetze zu den Unionsverträgen die deutsche Rechtsordnung für das Unionsrecht und anerkennt die deutsche Rechtsordnung Rechtsakte der Union als innerstaatlich unmittelbar wirksames Recht. Insoweit respektiert sie grundsätzlich auch den Anspruch des Unionsrechts auf Vorrang gegenüber innerstaatlichem Recht, auch gegenüber deutschem Verfassungsrecht (vgl. BVerfGE 129, 78 <100>; 142, 123 <187 Rn. 118> m.w.N.).

Die in Art. 23 Abs. 1 GG vorgesehene Öffnung des Grundgesetzes für das Unionsrecht meint dabei nicht einen Rückzug der deutschen Staatsgewalt aus der Verantwortung für die der Union übertragenen Materien, sondern sieht vielmehr eine Mitwirkung der Bundesrepublik an deren Entfaltung vor. In Bezug genommen wird damit ein eng verflochtenes Miteinander der Entscheidungsträger, wie es dem Inhalt der Unionsverträge entspricht. Danach obliegt die Umsetzung des Unionsrechts nur begrenzt den Institutionen der Europäischen Union unmittelbar selbst, sondern in weitem Umfang den Mitgliedstaaten. Innerstaatlich wird dabei das Unionsrecht grundsätzlich nach Maßgabe der grundgesetzlichen Staatsorganisation zur Geltung gebracht. Für die Mitwirkung der Bundesrepublik Deutschland in der Europäischen Union tragen alle Staatsorgane auch in diesem Sinne Integrationsverantwortung (vgl. dazu auch BVerfGE 123, 267 <356>; 142, 123 <180 Rn. 98>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14 u.a. -, Rn. 141 ff.). Zuständig sind hierfür nach allgemeinen Regeln insbesondere die innerstaatlichen Parlamente, sei es auf Bundes- oder Landesebene, die Bundes- oder Landesregierungen sowie die öffentliche Verwaltung nach den Maßgaben der föderalen Staatsorganisation.

Nichts anderes gilt für die Gerichte. Unmittelbar anwendbares Unionsrecht und nationales Umsetzungsrecht sind von den nach der allgemeinen Gerichtsverfassung zuständigen Gerichten nach den Regeln der jeweiligen Prozessordnungen anzuwenden – unabhängig davon, ob es sich um unmittelbar anwendbare Vorschriften der Union selbst oder um unionsrechtlich veranlasstes innerstaatliches Recht handelt.

bb) Danach obliegt es dem Bundesverfassungsgericht, bei seiner Kontrolle der Rechtsprechung der Fachgerichte erforderlichenfalls auch die Unionsgrundrechte in seinen Prüfungsmaßstab einzubeziehen.

(1) Die Gewährleistung eines wirksamen Grundrechtsschutzes gehört zu den zentralen Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts. Seinen Ausdruck findet das vor allem in der Urteilsverfassungsbeschwerde als der die Arbeit des Gerichts in besonderer Weise prägenden Verfahrensart. Die Verfassungsbeschwerde ist bewusst weit und umfassend konzipiert: Beschwerdeberechtigt und -befugt ist nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG jede Person, die behauptet, in ihren Grundrechten verletzt zu sein, und Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde kann jeder Akt der öffentlichen Gewalt sein. Dem Anspruch nach bietet die Verfassungsbeschwerde so einen umfassenden Grundrechtsschutz gegenüber der gesamten deutschen Staatsgewalt in allen ihren Ausprägungen.

(2) Auch die Unionsgrundrechte gehören heute zu dem gegenüber der deutschen Staatsgewalt durchzusetzenden Grundrechtsschutz. Sie sind nach Maßgabe des Art. 51 Abs. 1 GRCh innerstaatlich anwendbar und bilden zu den Grundrechten des Grundgesetzes ein Funktionsäquivalent. Eingebettet in einen ausformulierten Grundrechtskatalog haben sie ihrem Inhalt und normativen Anspruch nach für das Unionsrecht und dessen Auslegung heute eine weitgehend gleiche Funktion wie die deutschen Grundrechte für das Recht unter dem Grundgesetz: Sie dienen in ihrem Anwendungsbereich dem Schutz der Freiheit und Gleichheit der Bürgerinnen und Bürger und beanspruchen – gegebenenfalls auch gerichtlich durchzusetzenden – Vorrang vor jeder Art unionsrechtlichen Handelns, unabhängig von dessen Rechtsform und der hierfür verantwortlichen Stelle. Schon nach ihrer Präambel stellt sich die Charta in die Tradition der unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechte und entsprechend bindet sie ihre Auslegung in Art. 52, Art. 53 GRCh an die Europäische Menschenrechtskonvention. Sie beruft sich damit auf dieselbe Tradition, in die Art. 1 Abs. 2 GG auch die Grundrechte des Grundgesetzes stellt.

(3) Ohne Einbeziehung der Unionsgrundrechte in den Prüfungsmaßstab des Bundesverfassungsgerichts bliebe danach der Grundrechtsschutz gegenüber der fachgerichtlichen Rechtsanwendung nach dem heutigen Stand des Unionsrechts unvollständig. Dies gilt insbesondere für Regelungsmaterien, die durch das Unionsrecht vollständig vereinheitlicht sind. Da hier die Anwendung der deutschen Grundrechte grundsätzlich ausgeschlossen ist, ist ein verfassungsgerichtlicher Grundrechtsschutz nur gewährleistet, wenn das Bundesverfassungsgericht für die Überprüfung fachgerichtlicher Rechtsanwendung die Unionsgrundrechte zum Prüfungsmaßstab nimmt. Würde es sich hier aus dem Grundrechtsschutz herausziehen, könnte es diese Aufgabe mit zunehmender Verdichtung des Unionsrechts immer weniger wahrnehmen. Entsprechend verlangt ein vollständiger Grundrechtsschutz die Berücksichtigung der Unionsgrundrechte auch dann, wenn das Schutzniveau der Charta außerhalb vollvereinheitlichter Regelungsmaterien ausnahmsweise Anforderungen stellt, die die grundgesetzlichen Grundrechte nicht abdecken (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom selben Tag - 1 BvR 16/13 -, Rn. 67 ff.).

Die Schutzlücke hinsichtlich der fachgerichtlichen Anwendung der Unionsgrundrechte wird auch nicht durch entsprechende Rechtsbehelfe auf der Ebene des Unionsrechts geschlossen. Eine Möglichkeit Einzelner, die Verletzung von Unionsgrundrechten durch die mitgliedstaatlichen Fachgerichte unmittelbar vor dem Europäischen Gerichtshof geltend zu machen, besteht nicht.

(4) Die Erstreckung der verfassungsgerichtlichen Prüfung auf die Unionsgrundrechte ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil bei der Anwendung des Unionsrechts schon die Fachgerichte den unionsrechtlichen Grundrechtsschutz zu gewährleisten haben. Denn eine wirksame Wahrnehmung der Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts, wie vom Grundgesetz vorgesehen, erfordert, dass das Bundesverfassungsgericht auch den Fachgerichten gegenüber seine grundrechtsspezifische Kontrollfunktion wahrnehmen kann.

(a) Die Verfassungsbeschwerde ergänzt den fachgerichtlichen Rechtsschutz bewusst um eine eigene verfassungsgerichtliche Kontrolle. Mit ihr soll zusätzlich und bundeseinheitlich eine auf die grundrechtliche Perspektive spezialisierte Kontrolle gegenüber den Fachgerichten eröffnet werden, um so den Grundrechten gegenüber dem einfachen Recht ihr spezifisches Gewicht zu sichern und den Bürgerinnen und Bürgern diesbezüglich besonderen Schutz zukommen zu lassen. Wenn heute der verfassungsrechtliche Grundrechtsschutz teilweise durch den Anwendungsvorrang des Unionsrechts überlagert wird, gibt es keinen Grund, den Bürgerinnen und Bürgern diesen Rechtsbehelf deshalb zu versagen. In der Konsequenz der in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG vorgesehenen Mitwirkung der Bundesrepublik Deutschland und damit auch des Bundesverfassungsgerichts bei der Entwicklung der Europäischen Union liegt es vielmehr, diesen Rechtsbehelf auch auf die Durchsetzung der Unionsgrundrechte zu erstrecken. Eine Kontrolle der fachgerichtlichen Rechtsanwendung auf ihre Vereinbarkeit mit Grundrechten wäre ansonsten jenseits von Art. 267 AEUV nicht möglich.

(b) Es reicht insoweit auch nicht, die Fachgerichte unter der Perspektive der Garantie des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG; vgl. BVerfGE 147, 364 <378 f. Rn. 37> m.w.N.; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 18. Juli 2018 - 1 BvR 1675/16 u.a. -, Rn. 138 m.w.N.) nur daraufhin zu kontrollieren, ob sie ihren unionsrechtlichen Vorlagepflichten genügen. Denn mit der Verfassungsbeschwerde ist eine umfassende Grundrechtskontrolle zugesagt, die auch die richtige Anwendung der Grundrechte im Einzelfall umfasst. Diesbezüglich erschöpft sich die grundrechtliche Verantwortung der Fachgerichte aber nicht in der Beachtung der Vorlageverpflichtung und damit der Vergewisserung über die unionsrechtlich zugrunde zu legenden Auslegungsgrundsätze. Vielmehr verbleibt ihnen, auch soweit die Auslegung der Grundrechte geklärt ist, die Aufgabe, sie im Einzelfall anzuwenden. Bei der Anwendung des Fachrechts im Lichte der Grundrechte haben sie dabei in der Regel – wie auch in dem Rechtsstreit des vorliegenden Verfahrens – einen Ausgleich von Grundrechtspositionen zu suchen, der eine Abwägung unter Berücksichtigung der je konkreten Umstände verlangt und sich in jedem Fall anders stellt.

In solch konkretisierender Anwendung liegt eine eigene Verantwortung der Fachgerichte, die sich nicht durch Vorlagen auf den Europäischen Gerichtshof verlagern lässt. Vielmehr fasst der Gerichtshof seine Auslegung der Grundrechte in anwendungsbedürftige verallgemeinernde Grundsätze und erwartet umgekehrt von den mitgliedstaatlichen Gerichten, dass sie diese – auch in weiteren Fällen – verständig umsetzen und konkretisierend mit Leben füllen. Dabei belässt er ihnen zum Teil erhebliche Konkretisierungsspielräume (vgl. nur EuGH, Urteil vom 6. November 2003, Lindqvist, C-101/01, EU:C:2003:596, Rn. 86 ff., 90; Urteil vom 9. März 2017, Manni, C-398/15, EU:C:2017:197, Rn. 62 f.; Urteil vom 27. September 2017, Puškár, C-73/16, EU:C:2017:725, Rn. 72; vgl. auch Urteil vom 19. Oktober 2016, Breyer, C-582/14, EU:C:2016:779, Rn. 62). Bezogen auf vollständig vereinheitlichtes Unionsrecht liegt hierin nicht die Anerkennung eines Freiraums für mitgliedstaatliche Vielfalt. Der Gerichtshof trägt damit vielmehr dem Umstand Rechnung, dass die Grundrechte auch dort, wo die Rechtsanwendung im Geist unionsweiter Einheitlichkeit und Gleichförmigkeit steht, nur dann ihre individualschützende Kraft entfalten können, wenn sie einzelfallgerecht auf den jeweiligen Sachverhalt hin konkretisiert werden. Dies ist Aufgabe der mitgliedstaatlichen Fachgerichte.

Als Garant eines umfassenden innerstaatlichen Grundrechtsschutzes hat das Bundesverfassungsgericht die Fachgerichte diesbezüglich zu kontrollieren. Das aber erfordert eine Kontrolle nicht nur am Maßstab des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, sondern die Einbeziehung der Unionsgrundrechte selbst in seinen Prüfungsmaßstab.

(5) Eine solche Einbeziehung der Unionsgrundrechte verbietet auch nicht der Wortlaut der Verfassung, insbesondere nicht Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG. Zwar hat diese Vorschrift trotz ihrer offenen Formulierung von ihrer Entstehungsgeschichte her nur die Grundrechte des Grundgesetzes im Blick. Aus der dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG aufgetragenen Mitwirkung an der Anwendung von Unionsrecht im Rahmen der hiermit verbundenen Integrationsverantwortung folgt jedoch zugleich, dass Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG insoweit auf Rügen einer Verletzung von Rechten der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dementsprechend Anwendung findet. Soweit der Senat in früheren Entscheidungen – im konkreten Kontext ohnehin nicht auf die Charta bezogen – verallgemeinernd ausgeführt hat, dass gemeinschaftsrechtlich begründete Rechte nicht zu den Grundrechten gehören, die nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG mit der Verfassungsbeschwerde verteidigt werden können (vgl. BVerfGE 110, 141 <154 f.>; 115, 276 <299 f.>), wird hieran in Bezug auf die innerstaatliche Anwendung der Unionsgrundrechte in dem oben entwickelten Umfang (Rn. 60) nicht festgehalten. Dabei lässt sich die Prüfung anhand der Unionsgrundrechte auch ohne Schwierigkeiten auf der Grundlage des geltenden Prozessrechts durchführen (vgl. §§ 90 ff. BVerfGG).

3. Soweit das Bundesverfassungsgericht die Grundrechte der Grundrechtecharta als Prüfungsmaßstab anlegt, übt es seine Kontrolle in enger Kooperation mit dem Europäischen Gerichtshof aus.

a) Nach Art. 19 Abs. 1 UA 1 Satz 2 EUV, Art. 267 AEUV liegt die Zuständigkeit für die letztverbindliche Auslegung des Unionsrechts beim Europäischen Gerichtshof. Hierzu gehören auch die Auslegung der Grundrechte der Charta und die Entwicklung der aus ihnen abzuleitenden Grundsätze für deren Anwendung. Demgegenüber betrifft die Prüfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts die richtige Anwendung der Unionsgrundrechte. Es ist insoweit innerstaatlich letztentscheidende Instanz im Sinne des Art. 267 Abs. 3 AEUV und demnach gegebenenfalls vorlageverpflichtet (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982, Cilfit, C-283/81, EU:C:1982:335, Rn. 21).

Eine Anwendung der Unionsgrundrechte kommt deshalb nur in Betracht, wenn der Europäische Gerichtshof deren Auslegung bereits geklärt hat oder die anzuwendenden Auslegungsgrundsätze aus sich heraus offenkundig sind – etwa auf der Grundlage einer Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die im Einzelfall auch den Inhalt der Charta bestimmt (vgl. Art. 52 Abs. 3, 4 GRCh). Andernfalls sind die Fragen dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen. Da hier die Auslegungsfragen grundsätzlich unmittelbar entscheidungserheblich sind, werden Vorlagen in wesentlich größerem Umfang in Betracht zu ziehen sein als in Fällen, in denen neben dem Grundgesetz zwar auch die Charta anwendbar ist (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom selben Tag - 1 BvR 16/13 -, Rn. 43 f.), das Bundesverfassungsgericht aber – wie bisher – seine Kontrolle am Maßstab der deutschen Grundrechte ausübt (vgl. a.a.O., Rn. 45 ff., 154).

Dabei kann ein Rückgriff auf die innerstaatliche Rechtsprechung zu den deutschen Grundrechten Unklarheiten grundsätzlich nicht beseitigen. Zwar mögen sich der Grundrechtsschutz des Grundgesetzes und derjenige der Charta oftmals decken und Auslegungsgrundsätze von einer Ordnung auf die andere übertragbar sein. Jedoch ist in Blick auf die Einheit des Unionsrechts hier Vorsicht geboten. Grundsätzlich muss die Auslegung unmittelbar an den Grundrechten der Charta selbst und der Rechtsprechung der europäischen Gerichte ansetzen und ist rückgebunden an das Grundrechtsverständnis in den Mitgliedstaaten der Union insgesamt. Ein wesentliches Indiz für eine Vorlagepflicht ist dabei insbesondere, wenn in der Rechtspraxis der Mitgliedstaaten über den Einzelfall hinausreichende unterschiedliche Verständnisse der Unionsgrundrechte zum Ausdruck kommen. Vor dem Anspruch der Einheit des Unionrechts ist es Aufgabe des Europäischen Gerichtshofs, solche Differenzen zu klären – ebenso wie der Gerichtshof auch sonst bei Zweifeln über die der Anwendung vorausliegende Auslegung der Unionsgrundrechte nach Art. 267 Abs. 3 AEUV zu befassen ist.

b) Nicht entscheidungserheblich ist, ob, soweit das Bundesverfassungsgericht als letztentscheidende Instanz im Sinne des Art. 267 Abs. 3 AEUV vorlagepflichtig ist, die entsprechende Vorlagepflicht der Fachgerichte entfällt oder ob daran festzuhalten ist, dass auch die Fachgerichte, soweit sie im fachgerichtlichen Instanzenzug letztinstanzlich entscheiden, für Fragen der Anwendung der Unionsgrundrechte vorlagepflichtig bleiben (vgl. BVerfGE 147, 364 <378 ff. Rn. 37 ff.>).

Wird an einer solchen Vorlagepflicht festgehalten, könnten zwei Gerichte nebeneinander und gleichzeitig als letztinstanzliches Gericht im Sinne des Art. 267 Abs. 3 AEUV anzusehen sein. Das liegt für das Nebeneinander von Verfassungsgerichtsbarkeit und Fachgerichtsbarkeit allerdings nicht nahe (vgl. Verfassungsgerichtshof Österreich, Erkenntnis vom 14. März 2012, U 466/11 u.a., AT:VFGH:2012:U466.2011, sub. 5.7, der gegebenenfalls allein sich selbst als vorlagepflichtig ansieht; bestätigend EuGH, Urteil vom 11. September 2014, A, C-112/13, EU:C:2014:2195, Rn. 39 ff., 46). Indessen ist angesichts der Besonderheiten der Verfassungsbeschwerde als außerordentlicher Rechtsbehelf nicht ausgeschlossen, das letztinstanzliche Fachgericht auch für die Auslegung der Unionsgrundrechte innerstaatlich als grundsätzlich abschließende Instanz zu qualifizieren.

Nach dem Stand der Rechtsprechung kann das Bundesverfassungsgericht im Fall unionsgrundrechtlich begründeter Auslegungszweifel die Handhabung der Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV durch das letztinstanzliche Fachgericht weiter am zurückgenommenen Vertretbarkeitsmaßstab des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG messen (vgl. BVerfGE 147, 364 <380 ff. Rn. 40 ff.>). Liegt kein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vor, wird es zudem die Vereinbarkeit der fachgerichtlichen Auslegung unionsrechtlich determinierten Rechts mit der Grundrechtecharta prüfen und wegen der Auslegung der Unionsgrundrechte gegebenenfalls selbst nach Art. 267 Abs. 3 AEUV dem Europäischen Gerichtshof vorlegen.

Von vornherein unberührt bleibt die Vorlagepflicht der Fachgerichte und deren Kontrolle über Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG für die Konstellationen, in denen es nicht um die Frage des Inhalts der Grundrechte der Charta selbst geht. Soweit also die Auslegung des Unionsrechts unabhängig von den Rechten der Charta in Frage steht, sind hierzu allein die Fachgerichte berufen und bleiben diese dementsprechend als letztentscheidende innerstaatliche Instanz gegebenenfalls auch vorlageverpflichtet. Dies betrifft sowohl die Auslegung von Primär- als auch diejenige von Sekundärrecht der Europäischen Union. Da das Bundesverfassungsgericht diesbezüglich keine Kontrollbefugnis hat, prüft es insoweit allein die Beachtung der sich unmittelbar aus dem Grundgesetz ergebenden Garantie des gesetzlichen Richters gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

Unberührt bleibt auch die Befugnis der Fachgerichte, dem Europäischen Gerichtshof entscheidungserhebliche Auslegungsfragen der Grundrechtecharta nach Art. 267 Abs. 2 AEUV vorzulegen.

4. Die Frage, ob die Grundrechte des Grundgesetzes oder der Charta anzuwenden sind, hängt, wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt, maßgeblich von einer Unterscheidung zwischen vollständig vereinheitlichtem und gestaltungsoffenem Unionsrecht ab. Das kann Abgrenzungsfragen aufwerfen.

a) Ob eine Regelung unionsrechtlich vollständig vereinheitlicht ist, richtet sich nach einer Auslegung des jeweils anzuwendenden unionsrechtlichen Fachrechts. Die Frage der Gestaltungsoffenheit ist dabei jeweils in Bezug auf die konkret auf den Fall anzuwendenden Vorschriften in ihrem Kontext zu beurteilen, nicht aber aufgrund einer allgemeinen Betrachtung des Regelungsbereichs. Soweit etwa für eine bestimmte Regelung des deutschen Rechts eine Determinierung durch Be-stimmungen einer Richtlinie angenommen wird, gilt dies nicht zwingend auch für alle weiteren Regelungen der Richtlinie (vgl. BVerfGE 142, 74 <114 Rn. 119>; EuGH, Urteil vom 29. Juli 2019, Spiegel Online, C-516/17, EU:C:2019:625, Rn. 28 ff.; Urteil vom 29. Juli 2019, Funke Medien NRW, C-469/17, EU:C:2019:623, Rn. 40; Urteil vom 29. Juli 2019, Pelham u.a., C-476/17, EU:C:2019:624, Rn. 80 ff.).

Das stellt indes nicht in Frage, dass für die Beurteilung, ob mit einer Regelung eine vollständige Vereinheitlichung intendiert ist, die Einbindung der Vorschrift in das Regelwerk als Ganzes und die hiermit verbundene Zielsetzung Berücksichtigung finden müssen. Dabei kann auch eine Rolle spielen, ob es sich um eine Richtlinie oder eine Verordnung handelt. Allerdings lassen sich aus der Rechtsform allein keine abschließenden Konsequenzen ableiten: Auch Verordnungen können durch Öffnungsklauseln Gestaltungsfreiräume der Mitgliedstaaten begründen, ebenso wie Richtlinien zwingende und abschließende Vorgaben machen können. Von einer vollständig vereinheitlichten Regelung ist aber grundsätzlich auszugehen, wenn eine Verordnung einen bestimmten Sachverhalt abschließend regelt. Dabei werden deren Regelungen nicht schon dadurch insgesamt gestaltungsoffen, dass sie für eng eingegrenzte Sonderkonstellationen die Möglichkeit abweichender Regelungen schaffen. Solche Öffnungsklauseln lassen Gestaltungsmöglichkeiten nur in dem jeweils freigegebenen Umfang, erlauben aber nicht, die Anwendung der Regelung insgesamt an den Grundrechten des Grundgesetzes zu messen.

b) Ob ein Gestaltungsspielraum eingeräumt ist, lässt sich auch nicht einfachhin entlang der im deutschen Recht bekannten Abgrenzung zwischen unbestimmten Rechtsbegriffen und Ermessen entscheiden, zwischen denen das Unionsrecht ebenso wie das Recht anderer Mitgliedstaaten nicht in gleicher Weise unterscheidet wie das deutsche Recht (vgl. nur Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 453; siehe auch BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 1 C 37/14 -, NVwZ 2016, S. 161 <162 Rn. 19>). Es ist vielmehr in Bezug auf die jeweilige Norm des Unionsrechts zu untersuchen, ob sie auf die Ermöglichung von Vielfalt und die Geltendmachung verschiedener Wertungen angelegt ist, oder ob sie nur dazu dienen soll, besonderen Sachgegebenheiten hinreichend flexibel Rechnung zu tragen, dabei aber von dem Ziel der gleichförmigen Rechtsanwendung getragen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 29. Juli 2019, Funke Medien NRW, C-469/17, EU:C:2019:623, Rn. 40 m.w.N.).

c) Die Unterscheidung zwischen vollvereinheitlichtem und gestaltungsoffenem Unionsrecht ist erforderlich, um zu entscheiden, ob die Grundrechte des Grundgesetzes oder diejenigen der Charta anwendbar sind. Soweit im Einzelfall festgestellt wird, dass die Anwendung der verschiedenen Grundrechte im konkreten Kontext nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen führt, sind die Fachgerichte – entsprechend dem allgemeinen Prozessrecht – nicht gehindert, schwierige Abgrenzungsfragen nach der Reichweite der Vereinheitlichung dahinstehen zu lassen.

Ein Fachgericht kann mit der Annahme, das anzuwendende Unionsrecht lasse keinen Spielraum für eine Umsetzung in nationales Recht, Bedeutung und Tragweite der Grundrechte des Grundgesetzes verkennen; das Bundesverfassungsgericht ist insoweit nicht auf eine Willkürprüfung beschränkt (vgl. BVerfGE 129, 78 <102 f.>).

5. Die Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführerin ist auf eine mögliche Verletzung der Art. 7 und Art. 8 GRCh zu stützen. Mit ihrem Vorbringen hat sie hinreichend dargelegt, dass sie durch die angegriffene Entscheidung in ihren Grundrechten auf Achtung des Privat- und Familienlebens und auf Schutz personenbezogener Daten nach diesen Vorschriften verletzt sein kann.

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde beruft sich die Beschwerdeführerin unter Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung auf eine Verletzung ihres Rechts auf Entfaltung ihrer Persönlichkeit. Sie macht substantiiert geltend, dass sie durch die Bereitstellung des streitigen Links durch den beklagten Suchmaschinenbetreiber bei namensbezogenen Suchabfragen bis tief in ihr Privatleben hinein in der Gestaltung ihrer sozialen Kontakte beeinträchtigt sei. Damit rügt sie der Sache nach eine Verletzung ihrer Grundrechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens und auf Schutz personenbezogener Daten nach Art. 7 und Art. 8 GRCh. Dass sie insoweit die Grundrechte des Grundgesetzes und nicht die Grundrechte der Charta nennt, ist unschädlich. Wird nur die falsche Norm benannt, aber in der Sache substantiiert vorgetragen, wird hierdurch die Verfassungsbeschwerde nicht unzulässig. Die richtige Rechtsanwendung ist vielmehr Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts.




III.

Einer Entscheidung des Plenums nach § 16 BVerfGG bedarf es nicht.

1. Die Anrufung des Plenums ist geboten, wenn ein Senat von einer Auffassung des anderen Senats abweichen möchte, die für die Entscheidung des anderen Senats tragend war (vgl. BVerfGE 4, 27 <28>; 77, 84 <104>; 96, 375 <404>; 112, 1 <23>; 112, 50 <63>; 132, 1 <3 Rn. 10>; stRspr). Nach der Rechtsprechung des Plenums des Bundesverfassungsgerichts kann eine solche Abweichung auch dann vorliegen, wenn die tragende Rechtsauffassung zwar nicht ausdrücklich ausgesprochen wurde, sie aber der Entscheidung eines Senats unausgesprochen zugrundeliegt und diese nach ihrem Sinn und Inhalt zu Ende gedacht mit einer von dem anderen Senat vertretenen Auffassung nicht vereinbar ist (vgl. BVerfGE 4, 27 <28>).

2. Danach weicht der Senat mit der Heranziehung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union als Prüfungsmaßstab für die gegen das oberlandesgerichtliche Urteil gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht von Entscheidungen des Zweiten Senats tragenden Rechtsauffassungen ab.

a) In der Erstreckung der bundesverfassungsgerichtlichen Prüfungskompetenz auf die Unionsgrundrechte liegt keine Abweichung von der mit der sogenannten Solange II-Entscheidung des Zweiten Senats (BVerfGE 73, 339) begründeten Rechtsprechung beider Senate (vgl. BVerfGE 73, 339 <387>; 102, 147 <164>; 118, 79 <95>; 121, 1 <15>; 123, 267 <335>; 125, 260 <306>; 129, 78 <103>; 129, 186 <199>).

Gegenstand dieser Rechtsprechung ist allein, ob und wieweit Unionsrecht und innerstaatliches Recht, das zwingendes Unionsrecht umsetzt, am Maßstab des Grundgesetzes zu prüfen sind. Geklärt wurde mit ihr, dass dies nach dem Stand des Unionsrechts grundsätzlich nicht der Fall ist, dabei für besondere Situationen aber Vorbehalte zu machen sind. Demgegenüber zog diese Rechtsprechung eine Anwendbarkeit der Unionsgrundrechte – und schon gar der erst im Jahr 2009 verbindlich gewordenen Grundrechtecharta – weder explizit noch implizit in Betracht und traf hierzu weder eine positive noch eine negative Aussage. Die Behandlung entsprechender Verfassungsbeschwerden als unzulässig beruhte nicht auf einer eigenständigen Aussage dieser Rechtsprechung, dass Unionsgrundrechte nicht anwendbar seien, sondern war nur Reflex der Unanwendbarkeit des Grundgesetzes.

Selbst wenn man annehmen wollte, dass hierin implizit die Aussage enthalten war, Unionsgrundrechte kämen nicht zur Anwendung, betrifft jene Rechtsprechung aber ohnehin eine andere Konstellation als die vorliegende Entscheidung: Sowohl die Zurücknahme des deutschen Grundrechtsschutzes als auch die Behandlung entsprechender Verfassungsbeschwerden als unzulässig bezogen sich stets auf Fälle, in denen es um die Gültigkeit oder Wirksamkeit von Unionsrecht ging. Mit dem Rückzug aus der Grundrechtsprüfung sollte verhindert werden, dass unter Berufung auf deutsches Verfassungsrecht verbindliche Entscheidungen der Europäischen Union in Frage gestellt werden können. Das Bundesverfassungsgericht hat daher entscheidungserheblich jeweils lediglich zum Ausdruck gebracht, seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit von abgeleitetem Gemeinschafts- beziehungsweise Unionsrecht, das innerstaatliche Behörden und Gerichte als Rechtsgrundlage für ihr Handeln herangezogen haben, nicht auszuüben und dieses Recht nicht an den Grundrechten des Grundgesetzes zu prüfen (vgl. nur BVerfGE 73, 339 <387>; 102, 147 <163>). Demgegenüber geht es in der vorliegenden Entscheidung nicht um eine Infragestellung von Unionsrecht, sondern um dessen richtige Anwendung im Lichte des klaren oder geklärten Gehalts der Unionsgrundrechte. Hierzu enthält die bisherige Rechtsprechung des Zweiten Senats weder ausdrücklich noch implizit eine Aussage.

b) Nichts anderes ergibt sich aus der Entscheidung des Zweiten Senats vom 15. Dezember 2015 zum Europäischen Haftbefehl (vgl. BVerfGE 140, 317 <334 ff. Rn. 35 ff.> - Identitätskontrolle I -). Gegenstand der Entscheidung war nicht die Anwendung der Unionsgrundrechte, sondern die Reichweite des Identitätsvorbehalts, die nicht Gegenstand dieser Entscheidung ist. Zwar mag hinter der Entscheidung die implizite Rechtsauffassung gestanden haben, dass die Unionsgrundrechte durch das Bundesverfassungsgericht nicht angewendet werden können. Diese Rechtsauffassung wurde für die Entscheidung indes nicht tragend. Denn der Zweite Senat stützte die Aufhebung der dortigen Ausgangsentscheidung darauf, dass unter den konkreten Umständen des dortigen Falles unionsrechtliches Fachrecht einer Anwendung des Art. 1 Abs. 1 GG nicht entgegenstand; eine Prüfung am Maßstab der Unionsgrundrechte hätte an der Entscheidung im Ergebnis nichts geändert, weil unionsrechtliche Maßgaben nicht hinter den Anforderungen des Art. 1 Abs. 1 GG zurückblieben, die zur Aufhebung der fachgerichtlichen Ausgangsentscheidung führten (vgl. BVerfGE 140, 317 <342 f. Rn. 51 f.; 355 ff. Rn. 84 ff.; 366 Rn. 107 f.>).

c) Keine Abweichung besteht auch hinsichtlich der Entscheidung des Zweiten Senats vom 19. Dezember 2017 zur Auslieferung (vgl. BVerfGE 147, 364 <378 ff. Rn. 35 ff.>). Die Entscheidung stützt sich tragend auf eine Vorlagepflicht der letztinstanzlichen Fachgerichte bei Fragen zur Auslegung der Unionsgrundrechte. Die vorliegende Entscheidung steht einer Beibehaltung dieser Rechtsprechung nicht entgegen (siehe oben Rn. 72 ff.). Auch die Einbeziehung der Unionsgrundrechte in den Prüfungsmaßstab des Bundesverfassungsgerichts begründet keine Abweichung von dieser Entscheidung des Zweiten Senats. Eine Prüfung des Falls an den Unionsgrundrechten wurde dort nicht in Erwägung gezogen. Die Nichtanwendbarkeit der Unionsgrundrechte ist auch nicht unausgesprochene Voraussetzung (vgl. BVerfGE 4, 27 <28>) der Annahme des Zweiten Senats, im Fall unionsgrundrechtlich begründeter Auslegungszweifel könne eine Vorlageverpflichtung aus Art. 267 Abs. 3 AEUV des letztinstanzlichen Fachgerichts bestehen, denn dies schließt die Anwendung der Grundrechtecharta durch das Bundesverfassungsgericht nicht aus (siehe oben Rn. 74).

d) Die Erstreckung des verfassungsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs auf die Unionsgrundrechte begründet auch keine Abweichung von der Entscheidung des Zweiten Senats vom 28. Januar 2014 zur Filmförderabgabe (vgl. BVerfGE 135, 155 <229 Rn. 172>), in der dieser die Prüfung eines deutschen Gesetzes am Maßstab der unionsrechtlichen Beihilfevorschriften ablehnte und dafür unter anderem auf eine allgemein formulierte Aussage des Ersten Senats vom 28. März 2006 verwies, nach der gemeinschaftsrechtlich begründete Rechte nicht mit der Verfassungsbeschwerde verteidigt werden könnten (vgl. BVerfGE 115, 276 <299 f.>; siehe auch oben Rn. 67). Der Zweite Senat entschied dort allein die Frage der Prüfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts am Maßstab der unionsrechtlichen Vorschriften des Beihilferechts. Davon weicht die vorliegende Entscheidung, die nur die Prüfungskompetenz für die Unionsgrundrechte betrifft, nicht ab.


C.

Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.

I.

1. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen eine zivilgerichtliche Entscheidung in einem Rechtsstreit zwischen ihr und dem beklagten Suchmaschinenbetreiber. Das Oberlandesgericht hat die angegriffene Entscheidung im Wesentlichen auf die §§ 29, 35 BDSG a.F. gestützt, mit denen nach damaliger Rechtslage Art. 7 Buchstabe f, Art. 12 Buchstabe b und Art. 14 DSRL 95/46/EG für die deutsche Rechtsordnung umgesetzt wurden. Die Bestimmungen dieser, das materielle Schutzniveau vollständig vereinheitlichenden Richtlinie sind dabei ebenso wie die diese umsetzenden innerstaatlichen Vorschriften im Lichte der Charta auszulegen (vgl. EuGH, Urteil vom 24. November 2011, ASNEF und FECEMD, C-468/10 und C-469/10, EU:C:2011:777, Rn. 40 ff.; Urteil vom 13. Mai 2014, Google Spain, C-131/12, EU:C:2014:317, Rn. 68; Urteil vom 11. Dezember 2014, Ryneš, C-212/13, EU:C:2014:2428, Rn. 29; Urteil vom 6. Oktober 2015, Schrems, C-362/14, EU:C:2015:650, Rn. 38; Urteil vom 9. März 2017, Manni, C-398/15, EU:C:2017:197, Rn. 39; Urteil vom 24. September 2019, GC u.a., C-136/17, EU:C:2019:773, Rn. 53; Urteil vom 24. September 2019, Google [Portée territoriale], C-507/17, EU:C:2019:772, Rn. 45; Vedsted-Hansen, in: Peers/Hervey/Kenner/Ward, The EU Charter of Fundamental Rights, 2014, Rn. 07.72A).

Wie die Grundrechte des Grundgesetzes gewährleisten demnach auch die Grundrechte der Charta nicht nur Schutz im Staat-Bürger-Verhältnis, sondern auch in privatrechtlichen Streitigkeiten (vgl. EuGH, Urteil vom 29. Januar 2008, Promusicae, C-275/06, EU:C:2008:54, Rn. 65 ff.; Urteil vom 16. Juli 2015, Coty Germany, C-580/13, EU:C:2015:485, Rn. 33 ff.; Urteil vom 29. Juli 2019, Spiegel Online, C-516/17, EU:C:2019:625, Rn. 51 ff.; dazu auch Streinz/Michl, EuZW 2011, S. 384 <385 ff.>; Frantziou, HRLR 2014, S. 761 <771>; Fabbrini, in: de Vries/Bernitz/ Weatherill, The EU Charter of Fundamental Rights as a Binding Instrument, 2015, S. 261 <275 ff.>; Lock, in: Kellerbauer/Klamert/Tomkin, The EU Treaties and the Charter of Fundamental Rights, 2019, Art. 8 GRCh Rn. 5). Dies gilt insbesondere auch für die Art. 7, Art. 8 GRCh, die der Europäische Gerichtshof, unabhängig von der Rechtsnatur der zugrundeliegenden Streitigkeit, wiederholt für die Auslegung des unionsrechtlichen Fachrechts herangezogen hat. Dem entspricht auch das Verständnis von Art. 8 EMRK, der in ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gerade auch in Streitigkeiten zwischen Privaten zur Geltung gebracht wird. Auf der Basis des maßgeblichen Fachrechts sind dabei die Grundrechte der einen Seite mit entgegenstehenden Grundrechten der anderen Seite in Ausgleich zu bringen (vgl. EuGH, Urteil vom 29. Januar 2008, Promusicae, C-275/06, EU:C:2008:54, Rn. 68; Urteil vom 16. Dezember 2008, Satakunnan Markkinapörssi und Satamedia, C-73/07, EU:C:2008:727, Rn. 53; Urteil vom 24. November 2011, ASNEF und FECEMD, C-468/10 und C-469/10, EU:C:2011:777, Rn. 43; Urteil vom 29. Juli 2019, Spiegel Online, C-516/17, EU:C:2019:625, Rn. 38, 42). Entsprechend der gleichberechtigten Freiheit, in der sich Datenverarbeiter und Betroffene privatrechtlich gegenüberstehen, bestimmt sich der Schutz der Grundrechte nach Maßgabe einer Abwägung.

Eine Lehre der „mittelbaren Drittwirkung“, wie sie das deutsche Recht kennt (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom selben Tag - 1 BvR 16/13 -, Rn. 76 f.), wird der Auslegung des Unionsrechts dabei nicht zugrunde gelegt. Im Ergebnis kommt den Unionsgrundrechten für das Verhältnis zwischen Privaten jedoch eine ähnliche Wirkung zu. Die Grundrechte der Charta können einzelfallbezogen in das Privatrecht hineinwirken.

2. Auf Seiten der Beschwerdeführerin sind die Grundrechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens aus Art. 7 GRCh und auf Schutz personenbezogener Daten aus Art. 8 GRCh einzustellen.

Art. 7 GRCh begründet das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, der Wohnung sowie der Kommunikation, Art. 8 GRCh das Recht auf Schutz personenbezogener Daten. Eine Entsprechung haben diese Garantien in Art. 8 EMRK, der seinerseits das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, der Wohnung und der Korrespondenz – und dabei insbesondere auch vor der Verarbeitung personenbezogener Daten – schützt (vgl. EuGH, Urteil vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland und Seitlinger u.a., C-293/12 und C-594/12, EU:C:2014:238, Rn. 35, 47 und 54 f.; Verfassungsgerichtshof Österreich, Erkenntnis vom 27. Juni 2014, G 47/12 u.a., AT:VFGH:2014:G47.2012, Rn. 146; Marauhn/Thorn, in: Dörr/Grote/Marauhn, EMRK/GG Konkordanzkommentar, 2. Aufl. 2013, Kap. 16, Rn. 29 ff.; Kranenborg, in: Peers/Hervey/Kenner/Ward, The EU Charter of Fundamental Rights, 2014, Rn. 08.50; Fabbrini, in: de Vries/Bernitz/Weatherill, The EU Charter of Fundamental Rights as a Binding Instrument, 2015, S. 261 <266 f.>; Docksey, IDPL 2016, S. 195 <196 ff.>; Meyer-Ladewig/Nettesheim, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer, EMRK, 4. Aufl. 2017, Art. 8 Rn. 32 ff.; Kühling/Raab, in: Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 2. Aufl. 2018, Einführung Rn. 17 ff.; Lock, in: Kellerbauer/Klamert/Tomkin, The EU Treaties and the Charter of Fundamental Rights, 2019, Art. 7 GRCh Rn. 1). Die Gewährleistungen der Art. 7 und Art. 8 GRCh sind dabei eng aufeinander bezogen. Jedenfalls soweit es um die Verarbeitung personenbezogener Daten geht, bilden diese beiden Grundrechte eine einheitliche Schutzverbürgung (vgl. EuGH, Urteil vom 9. November 2010, Volker und Markus Schecke und Eifert, C-92/09 und C-93/09, EU:C:2010:662, Rn. 47; Urteil vom 24. November 2011, ASNEF und FECEMD, C-468/10 und C-469/10, EU:C:2011:777, Rn. 40 und 42; Urteil vom 17. Oktober 2013, Schwarz, C-291/12, EU:C:2013:670, Rn. 39 und 46; Urteil vom 2. Oktober 2018, Ministerio Fiscal, C-207/16, EU:C:2018:788, Rn. 51; Verfassungsgerichtshof Belgien, Entscheid vom 11. Juni 2015, Nr. 84/2015, B.11; Korkein hallinto-oikeus [Oberstes Verwaltungsgericht Finnland], Entscheidung vom 15. August 2017, Nr. 3736/3/15, FI:KHO:2017:T3872; High Court Irland, Entscheidung vom 18. Juni 2014, [2014] IEHC 310, Rn. 58). Das gilt insbesondere für den Schutz Betroffener vor Nachweisen einer Suchmaschine (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Mai 2014, Google Spain, C-131/12, EU:C:2014:317, Rn. 69 und 80; Urteil vom 24. September 2019, GC u.a., C-136/17, EU:C:2019:773, Rn. 44; Urteil vom 24. September 2019, Google [Portée territoriale], C-507/17, EU:C:2019:772, Rn. 45).

Art. 7, Art. 8 GRCh schützen vor der Verarbeitung personenbezogener Daten und verlangen die „Achtung des Privatlebens“. Unter personenbezogenen Daten werden dabei – wie nach dem Verständnis des deutschen Verfassungsrechts zu Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG – alle Informationen verstanden, die eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person betreffen (vgl. EuGH, Urteil vom 9. November 2010, Volker und Markus Schecke und Eifert, C-92/09 und C-93/09, EU:C:2010:662, Rn. 52; Urteil vom 24. November 2011, ASNEF und FECEMD, C-468/10 und C-469/10, EU:C:2011:777, Rn. 42; für das Grundgesetz vgl. BVerfGE 150, 244 <265 Rn. 40> m.w.N.). Demnach ist das Recht auf Achtung des Privatlebens nicht eng zu verstehen und beschränkt sich insbesondere nicht auf höchstpersönliche oder besonders sensible Sachverhalte (vgl. EuGH, Urteil vom 20. Mai 2003, Österreichischer Rundfunk u.a., C-465/00, C-138/01 und C-139/01, EU:C:2003:294, Rn. 73, 75; dazu auch Lock, in: Kellerbauer/Klamert/Tomkin, The EU Treaties and the Charter of Fundamental Rights, 2019, Art. 7 GRCh Rn. 5). Insbesondere wird die geschäftliche und berufliche Tätigkeit hiervon nicht ausgeschlossen (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Februar 2008, Varec, C-450/06, EU:C:2008:91, Rn. 48; Urteil vom 9. März 2017, Manni, C-398/15, EU:C:2017:197, Rn. 34).

Art. 7, Art. 8 GRCh schützen damit die selbstbestimmte Persönlichkeitsentfaltung gegenüber der Datenverarbeitung Dritter. Für die sich hieraus ergebenden Anforderungen kann nach Art. 52 Abs. 3 GRCh jedenfalls im Grundsatz auch auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zurückgegriffen werden (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2010, DEB, C-279/09, EU:C:2010:811, Rn. 35).

3. Auf Seiten des beklagten Suchmaschinenbetreibers ist sein Recht auf unternehmerische Freiheit aus Art. 16 GRCh einzustellen (a). Demgegenüber kann er sich für die Verbreitung von Suchnachweisen nicht auf Art. 11 GRCh berufen (b). Einzustellen sind jedoch die von einem solchen Rechtsstreit möglicherweise unmittelbar betroffenen Grundrechte Dritter und damit vorliegend die Meinungsfreiheit der Inhalteanbieter (c). Zu berücksichtigen sind darüber hinaus die Informationsinteressen der Nutzer (d).

a) Die unternehmerische Freiheit gewährleistet die Verfolgung wirtschaftlicher Interessen durch das Angebot von Waren und Dienstleistungen. Der durch Art. 16 GRCh gewährte Schutz umfasst die Freiheit, eine Wirtschafts- oder Geschäftstätigkeit auszuüben, die Vertragsfreiheit und den freien Wettbewerb (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Oktober 2013, Schaible, C-101/12, EU:C:2013:661, Rn. 25; Everson/Correia Gonçalves, in: Peers/Hervey/Kenner/Ward, The EU Charter of Fundamental Rights, 2014, Rn. 16.34 ff.). Hierzu gehört auch das Angebot von Suchdiensten (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Mai 2014, Google Spain, C-131/12, EU:C:2014:317, Rn. 81 und 97; High Court of Justice [Queen’s Bench Division], Entscheidung vom 13. April 2018, [2018] EWHC 799 [QB], Rn. 34).

Der beklagte Suchmaschinenbetreiber fällt auch in den persönlichen Schutzbereich des Art. 16 GRCh. Die Unionsgrundrechte schützen grundsätzlich nicht nur natürliche, sondern auch juristische Personen (vgl. im Hinblick auf Art. 47 GRCh EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2010, DEB, C-279/09, EU:C:2010:811, Rn. 38 ff.; im Hinblick auf Art. 7, Art. 8 GRCh EuGH, Urteil vom 9. November 2010, Volker und Markus Schecke und Eifert, C-92/09 und C-93/09, EU:C:2010:662, Rn. 53; dazu auch Oliver, in: de Vries/Bernitz/Weatherill, The EU Charter of Fundamental Rights as a Binding Instrument, 2015, S. 287 <292 ff. und 301 ff.>; speziell für Art. 16 GRCh Wollenschläger, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 16 GRCh Rn. 6). Für die unternehmerische Freiheit folgt das bereits aus dem Wortlaut, der auf „Unternehmen“ abstellt, die typischerweise als juristische Personen organisiert sind. Dem Schutz des Art. 16 GRCh steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte eine juristische Person mit Sitz außerhalb der Europäischen Union ist: Die Grundrechte der Grundrechtecharta gelten grundsätzlich für Inländer und Ausländer gleichermaßen und machen insoweit auch für juristische Personen keinen Unterschied (vgl. EuGH, Urteil vom 30. Juli 1996, Bosphorus / Minister for Transport, Energy and Communications, C-84/95, EU:C:1996:312, Rn. 21 ff.; EuG, Urteil vom 6. September 2013, Bank Melli Iran / Rat, T-35/10 und T-7/11, EU:T:2013:397, Rn. 70; Urteil vom 29. April 2015, Bank of Industry and Mine / Rat, T-10/13, EU:T:2015:235, Rn. 58; dazu auch Sasse, EuR 2012, S. 628 <636 ff.>; Jarass, in: ders., EU-Grundrechte-Charta, 3. Aufl. 2016, Art. 51 Rn. 52). Die Rechtslage unterscheidet sich insoweit von der innerstaatlichen Rechtslage nach Art. 19 Abs. 3 GG (zur Grundrechtsberechtigung ausländischer privater Unternehmen, allerdings nur solcher mit Sitz in der Europäischen Union, vgl. BVerfGE 129, 78 <94 ff.>).

b) Hingegen kann sich der beklagte Suchmaschinenbetreiber für seine Tätigkeit nicht auf die Freiheit der Meinungsäußerung aus Art. 11 GRCh berufen. Zwar sind die von ihm angebotenen Suchdienste und die von ihm hierfür verwendeten Mittel zur Aufbereitung der Suchergebnisse nicht inhaltsneutral, sondern können auf die Meinungsbildung der Nutzer erheblichen Einfluss ausüben. Jedoch bezwecken diese Dienste nicht die Verbreitung bestimmter Meinungen. Darauf beruft sich auch der Suchmaschinenbetreiber selbst nicht. Nach seinem Vorbringen sind sie allein darauf ausgerichtet, potentielle Interessen der Nutzer unabhängig von bestimmten Meinungen möglichst weitgehend zu befriedigen und so seine Dienstleistung im wirtschaftlichen Interesse des Unternehmens möglichst attraktiv zu gestalten. Entsprechend hat auch der Europäische Gerichtshof den Suchmaschinenbetreibern die Berufung auf das Medienprivileg versagt (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Mai 2014, Google Spain, C-131/12, EU:C:2014:317, Rn. 85).

c) In die Abwägung zwischen Betroffenen und Suchmaschinenbetreibern sind allerdings auch die Grundrechte der Inhalteanbieter einzustellen, um deren Veröffentlichung es geht.

aa) Soweit in einem Rechtsstreit zwischen einem Betroffenen und dem Suchmaschinenbetreiber über eine Auslistung notwendig zugleich über eine in der Auslistung liegende Einschränkung von Grundrechten Dritter mitentschieden wird, sind auch diese in die Prüfung einzubeziehen. Die Rechtmäßigkeit der Entscheidung gegenüber Dritten gehört dann zu den objektiven Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen von Einschränkungen der Unternehmensfreiheit, die unter Berufung auf das eigene Grundrecht des Art. 16 GRCh geltend gemacht werden können. Hierin liegt nicht eine Geltendmachung unmittelbar der Grundrechte Dritter. Einem Suchmaschinenbetreiber darf danach nichts aufgegeben werden, was die Grundrechte Dritter verletzt.

bb) In dem Rechtsstreit, ob einem Suchmaschinenbetreiber die Bereitstellung bestimmter Suchnachweise zu untersagen ist, wird die Frage einer möglichen Grundrechtsverletzung des Art. 11 GRCh gegenüber dem Inhalteanbieter als Äußerndem oftmals mit berührt. Dabei kommt es nicht auf die hier nicht zu entscheidende Frage an, ob oder wieweit ein Inhalteanbieter gegenüber einem Suchmaschinenbetreiber Anspruch auf Verbreitung seiner Inhalte haben kann. Denn es geht in dieser Konstellation nicht darum, ob der Suchmaschinenbetreiber zu einem Nachweis verpflichtet werden kann, sondern ob ihm gegen seinen Willen verboten werden kann, die von einem Inhalteanbieter bereitgestellten Beiträge zu verbreiten. In einem solchen Verbot kann zugleich eine eigenständige Einschränkung der Freiheit des Inhalteanbieters als Äußerndem aus Art. 11 GRCh liegen. Denn diesem wird dadurch ein bereitstehender Dienstleister genommen und so in Teilen zugleich ein wichtiges Medium für die Verbreitung seiner Berichte.

Soweit über das Verbot gegenüber dem Suchmaschinenbetreiber in Ansehung des von dem Inhalteanbieter verantworteten konkreten Inhalts der streitigen Seiten zu entscheiden ist, ist die Einwirkung auf diesen auch nicht etwa ein bloßer Reflex einer Anordnung gegenüber dem Suchmaschinenbetreiber. Vielmehr knüpft die Entscheidung unmittelbar an die Äußerung und an den Gebrauch der Meinungsfreiheit an (vgl. Spiecker genannt Döhmann, CMLR 2015, S. 1033 <1046>; Fabbrini, in: de Vries/Bernitz/Weatherill, The EU Charter of Fundamental Rights as a Binding Instrument, 2015, S. 261 <284>; Peguera, JETLaw 2016, S. 507 <555 f.>; Tambou, RTDE 2016, S. 249 <266 f.>; Jonason, ERPL 2018, S. 213 <219>). Es geht in der Entscheidung gezielt darum, die Verbreitung des Beitrags wegen seines Inhalts zu beschränken. In dieser Konstellation kann über den Antrag eines Betroffenen auf Unterlassung des Bereitstellens von Suchnachweisen gegenüber einem Suchmaschinenbetreiber nicht ohne Berücksichtigung der Frage entschieden werden, ob und wieweit der Inhalteanbieter gegenüber den Betroffenen nach Art. 11 GRCh zur Verbreitung der Information berechtigt ist.

d) In die Abwägung sind ebenfalls die Zugangsinteressen der Internetnutzer einzustellen (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Mai 2014, Google Spain, C-131/12, EU:C:2014:317, Rn. 81; Urteil vom 24. September 2019, GC u.a., C-136/17, EU:C:2019:773, Rn. 53, 57, 59, 66, 68 und 75 ff.; Urteil vom 24. September 2019, Google [Portée territoriale], C-507/17, EU:C:2019:772, Rn. 45; High Court of Justice [Queen’s Bench Division], Entscheidung vom 13. April 2018, [2018] EWHC 799 [QB], Rn. 133 f.; Korkein hallinto-oikeus [Oberstes Verwaltungsgericht Finnland], Entscheidung vom 17. August 2018, Nr. 3580/3/15, FI:KHO:2018:112; Hoge Raad, Entscheidung vom 24. Februar 2017, Nr. 15/03380, NL:HR:2017:316, Rn. 3.5.1 ff.; Artikel-29-Datenschutzgruppe, Leitlinien für die Umsetzung des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache C-131/12 „Google Spanien und Inc / Agencia Española de Protección de Datos (AEPD) und Mario Costeja-González” vom 26. November 2014, 14/EN WP 225, S. 6; dazu auch Frantziou, HRLR 2014, S. 761 <769>; Spiecker genannt Döhmann, CMLR 2015, S. 1033 <1046>; Fabbrini, in: de Vries/Bernitz/Weatherill, The EU Charter of Fundamental Rights as a Binding Instrument, 2015, S. 261 <284>). Der Europäische Gerichtshof verlangt insoweit die Berücksichtigung des Interesses einer breiten Öffentlichkeit am Zugang zu Information als Ausdruck des in Art. 11 GRCh verbürgten Rechts auf freie Information. Rechnung zu tragen ist dabei auch der Rolle, die der Presse in einer demokratischen Gesellschaft hierbei zukommt. Insoweit stehen allerdings nicht individuelle Rechte der Nutzerinnen und Nutzer aus Art. 11 GRCh auf Informationszugang zu der konkret betroffenen Internetseite in Frage, sondern die Informationsfreiheit als im Wege der Abwägung zu berücksichtigendes Prinzip, dem bei der Einschränkung des Art. 16 GRCh Rechnung zu tragen ist.



II.

Das Bundesverfassungsgericht prüft nicht die richtige Anwendung des einfachen Rechts, sondern ist im Rahmen der Verfassungsbeschwerde auf eine Kontrolle der Beachtung der Grundrechte, hier der Unionsgrundrechte, beschränkt (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>; 142, 74 <101 Rn. 82 f.>; stRspr). Demnach prüft es vorliegend weder die richtige Anwendung der zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung geltenden Datenschutzrichtlinie 95/46/EG noch die richtige Auslegung der damals maßgeblichen Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes. Zu prüfen ist allein, ob die Fachgerichte den Grundrechten der Charta hinreichend Rechnung getragen und zwischen ihnen einen vertretbaren Ausgleich gefunden haben (vgl. zu den hier betroffenen Grundrechten BVerfGE 7, 198 <205 ff.>; 85, 1 <13>; 114, 339 <348>; stRspr).

1. Grundlage hierfür ist die Würdigung des Vorgehens der Suchdienste des Beklagten als für sich stehender Akt der Datenverarbeitung, der folglich auch hinsichtlich der damit verbundenen Grundrechtseinschränkungen eigenständig zu beurteilen ist. Insbesondere geht die Frage seiner Rechtmäßigkeit nicht in der Frage der Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung des Beitrags seitens des Inhalteanbieters auf. Da die betroffenen Rechte, Interessen und Belastungen bei einem Vorgehen des Betroffenen gegen den Suchmaschinenbetreiber andere sein können als bei einem Vorgehen gegenüber dem Inhalteanbieter, bedarf es einer eigenen Abwägung. Damit ist ein Vorgehen gegenüber dem Suchmaschinenbetreiber auch nicht subsidiär zu einem solchen gegenüber dem Inhalteanbieter (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Mai 2014, Google Spain, C-131/12, EU:C:2014:317, Rn. 83 ff.; Urteil vom 24. September 2019, GC u.a., C-136/17, EU:C:2019:773, Rn. 36 f.; Urteil vom 24. September 2019, Google [Portée territoriale], C-507/17, EU:C:2019:772, Rn. 44; siehe auch BGHZ 217, 350 <368 f. Rn. 45>). Innerstaatliche Regelungen des Fachrechts, die für die Haftung von Intermediären einen grundsätzlichen Nachrang anordnen (vgl. § 59 Abs. 3, 4 RStV in den jeweils am 25. Mai 2018 in Kraft getretenen Landes- fassungen), sind nicht entsprechend anwendbar.

Der Eigenständigkeit der Grundrechtsabwägung tragen die Fachgerichte Rechnung, indem sie Ansprüche auf Schutz vor der Verbreitung eines Textes gegenüber einem Suchmaschinenbetreiber unter andere Anforderungen stellen als gegenüber einem Inhalteanbieter. Danach trifft etwa einen Suchmaschinenbetreiber eine Pflicht zur Auslistung grundsätzlich nur nach dem Grundsatz des „notice and take down“, also nach Erhalt eines entsprechenden Auslistungsbegehrens. Anders als ein Inhalteanbieter bei erstmaligem Einstellen seines Beitrags in das Netz ist der Suchmaschinenbetreiber nicht von sich aus zur Prüfung des Inhalts der Nachweise verpflichtet (vgl. BGHZ 217, 350 <361 f. Rn. 34>; dazu auch EuGH, Urteil vom 13. Mai 2014, Google Spain, C-131/12, EU:C:2014:317, Rn. 94 ff.; Urteil vom 24. September 2019, GC u.a., C-136/17, EU:C:2019:773, Rn. 48, 66, 68 und 77). Auch materiell gelten verschiedene Haftungsvoraussetzungen, wie sie vom Bundesgerichtshof etwa in Anknüpfung an die das Haftungsrecht auch sonst durchziehende Unterscheidung der mittelbaren und unmittelbaren Störerhaftung entwickelt wurden und insbesondere unterschiedliche Prüf- oder Darlegungspflichten der Datenverarbeiter zur Folge haben können (vgl. BGHZ 217, 350 <360 ff. Rn. 32 ff.>). In Ausfüllung der konkretisierungsbedürftigen einfachrechtlichen Regelungen des Fachrechts tragen die Fachgerichte damit den verschiedenen Situationen, in denen die Datenverarbeiter den Betroffenen gegenüberstehen, Rechnung und konkretisieren die Anforderungen der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG oder heute der Datenschutz-Grundverordnung im Lichte der sich je gegenüberstehenden Grundrechte.

2. Die für die Grundrechtsabwägung erforderliche Unterscheidung zwischen den verschiedenen Datenverarbeitern stellt nicht in Frage, dass es hierbei Wechselwirkungen geben kann und für ein Unterlassungsbegehren gegenüber einem Suchmaschinenbetreiber unter Umständen auch die Situation des Betroffenen gegenüber dem Inhalteanbieter mit in den Blick genommen werden muss. Wie dargelegt kann bei der Entscheidung über das Verbot eines Suchnachweises insbesondere eine darin liegende mögliche Einschränkung des Grundrechts des Inhalteanbieters auf Verbreitung seiner Beiträge mit bereitstehenden Mitteln zu prüfen sein.

a) Grundsätzlich ergibt sich allerdings auch insoweit kein automatischer Gleichklang zwischen der Zulässigkeit der Bereitstellung eines Beitrags im Netz und der Zulässigkeit des Nachweises durch eine Suchmaschine. So kann der Schutzanspruch gegenüber einem Suchmaschinenbetreiber weiter reichen als gegenüber dem Inhalteanbieter, wenn im Verhältnis zwischen Betroffenen und Inhalteanbieter nach innerstaatlichem Fachrecht allein die inhaltliche Richtigkeit eines Beitrags ohne Berücksichtigung seiner Verbreitungswirkungen im Internet maßgeblich ist und deshalb der hierdurch entstehende Schutzbedarf der Betroffenen auf dieser Ebene noch nicht erfasst wird. Insbesondere in Fällen, in denen veränderte Umstände durch Zeitablauf gegenüber den Inhalteanbietern nicht geltend gemacht wurden oder werden konnten, kann ein Vorgehen gegenüber dem Suchmaschinenbetreiber den Betroffenen weiterreichenden Schutz bieten.

So lag es in dem Fall, der der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs Google Spain (Urteil vom 13. Mai 2014, C-131/12, EU:C:2014:317) zugrunde lag. Dort war von den spanischen Fachgerichten entschieden worden, dass Schutzansprüche des Betroffenen gegenüber der fortdauernden Bereithaltung der streitigen Anzeige seitens der Presse wegen deren ursprünglicher Rechtmäßigkeit nicht gegeben waren; die veränderten zeitlichen Umstände waren hierbei nicht in den Blick genommen worden. Die insoweit gleiche Situation lag der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs GC (Urteil vom 24 September 2019, C-136/17, EU:C:2019:773) zugrunde. Auch für die dortigen Fälle ist nicht ersichtlich, dass nach dem insoweit maßgeblichen innerstaatlichen Recht für die Bestimmung der Reichweite des Rechts der Inhalteanbieter zur Verbreitung von Beiträgen gegenüber den Betroffenen auch die Kommunikationsbedingungen des Internets, insbesondere deren Auffindbarkeit durch Suchmaschinen, einzubeziehen waren.

Entsprechend können eigenständige Schutzansprüche gegenüber einem Suchmaschinenbetreiber geltend gemacht werden, wenn sich Betroffene wegen der veränderten Wirkung einer Berichterstattung in der Zeit von vornherein nur gegen einen bestimmten Nachweis und dessen Verlinkung durch den Suchmaschinenbetreiber wenden. Die ursprüngliche Rechtmäßigkeit der Bereitstellung des Berichts im Internet besagt dann nicht, dass der Suchmaschinenbetreiber diese auch fortdauernd auf jede Art von Suchabfrage nachweisen darf. Wenn einem Suchmaschinenbetreiber in einem derartigen Fall der Nachweis eines bestimmten Berichts untersagt wird, liegt hierin auch nicht automatisch eine Verletzung der Grundrechte des Inhalte- anbieters, da dieser aus der ursprünglich rechtmäßigen Veröffentlichung seinerseits nicht das Recht gegenüber den Betroffenen darauf ableiten kann, die Berichte dauerhaft in jeder beliebigen Form weiterhin zu verbreiten und verbreiten zu lassen (vgl. für das deutsche Recht BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom selben Tag - 1 BvR 16/13 -, Rn. 114 ff.).

b) Soweit demgegenüber – wie in der Regel im deutschen Recht nach §§ 823, 1004 BGB analog – bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verbreitung eines Berichts seitens des Inhalteanbieters dessen Wirkung für den Betroffenen im Internet in der Abwägung mitberücksichtigt wird (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom selben Tag - 1 BvR 16/13 -, Rn. 101 ff., 114 ff.), muss regelmäßig die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit solcher Verbreitung auch die Entscheidung gegenüber den Suchmaschinenbetreibern anleiten. Soweit ein Inhalteanbieter sowohl unter Berücksichtigung der Verbreitungsbedingungen im Internet (und damit zugleich der namensbezogenen Auffindbarkeit durch Suchmaschinen) als auch unter Berücksichtigung des Zeitfaktors im Verhältnis zu den Betroffenen zur Verbreitung eines Berichts berechtigt ist, kann für den Nachweis einer solchen Seite durch einen Suchmaschinenbetreiber diesbezüglich nichts anderes gelten.

c) Unberührt bleibt hiervon, dass die Abwägung zwischen Betroffenen und Suchmaschinenbetreibern stets im Spannungsfeld der Zumutbarkeit möglicher Schutzmaßnahmen seitens des Suchmaschinenbetreibers und der Zumutbarkeit anderweitig zu erlangender Schutzmöglichkeiten seitens der jeweils Betroffenen steht und auch unter diesem Gesichtspunkt der Ausgang der Abwägung gegenüber verschiedenen Datenverarbeitern unterschiedlich ausfallen kann und gegebenenfalls muss. Im Rahmen der von den Fachgerichten entwickelten Differenzierungen (siehe oben Rn. 113) können dabei auch Unterschiede zu beachten sein, die sich etwa aus der verschieden leichten Erreichbarkeit von Schutz ergeben oder die die Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen betreffen. So mag eine Inanspruchnahme eines Suchmaschinenbetreibers als mittelbarer Störer weiter reichen, wenn ein Inhalteanbieter im Ausland rechtlich kaum greifbar ist, als wenn er innerhalb der Europäischen Union ohne weiteres rechtlich in Anspruch genommen werden kann. Sie kann auch weiter reichen, wenn – etwa angesichts von Spiegelungen eines Beitrags in verschiedenen Internetforen – ein Vorgehen gegenüber einem Suchmaschinenbetreiber effizienter ist. Die Konkretisierung dieser Anforderungen obliegt in erster Linie den Fachgerichten. Das Bundesverfassungsgericht überprüft sie auf ihre grundrechtliche Vertretbarkeit.

3. Für die Beurteilung des Schutzbegehrens gegenüber einem Suchmaschinenbetreiber kommt es danach auf eine umfassende Abwägung der sich gegenüberstehenden Grundrechte der durch den Nachweis betroffenen Person und des Suchmaschinenbetreibers an, einschließlich der Grundrechte des Inhalteanbieters und des Informationsinteresses der Öffentlichkeit. Dabei ist das Gewicht allein der wirtschaftlichen Interessen des Suchmaschinenbetreibers grundsätzlich nicht hinreichend schwer, um den Schutzanspruch Betroffener zu beschränken (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Mai 2014, Google Spain, C-131/12, EU:C:2014:317, Rn. 81; Urteil vom 24. September 2019, GC u.a., C-136/17, EU:C:2019:773, Rn. 53; Urteil vom 24. September 2019, Google [Portée territoriale], C-507/17, EU:C:2019:772, Rn. 45). Demgegenüber haben das Informationsinteresse der Öffentlichkeit sowie vor allem die hier einzubeziehenden Grundrechte Dritter größeres Gewicht.

Vorliegend ist die Meinungsfreiheit des durch die Entscheidung belasteten, insoweit grundrechtsberechtigten (vgl. zur Grundrechtsberechtigung vom Staat unabhängiger öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten EuGH, Urteil vom 26. April 2012, DR und TV2 Danmark, C-510/10, EU:C:2012:244, Rn. 12, 57 - für Art. 16 GRCh; Jarass, in: ders., EU-Grundrechte-Charta, 3. Aufl. 2016, Art. 11 Rn. 19 - für Art. 11 Abs. 2 GRCh; EGMR, RTBF v. Belgien, Urteil vom 29. März 2011, Nr. 50084/06, §§ 5, 94 - für Art. 10 EMRK; so auch BVerfGE 31, 314 <321 f.>; 59, 231 <254>; 74, 297 <317 f.>; 78, 101 <102 f.>; 107, 299 <310>) Inhalteanbieters als unmittelbar mitbetroffenes Grundrecht – und nicht nur als zu berücksichtigendes Interesse – in die Abwägung einzubeziehen. Daher gilt hier keine Vermutung eines Vorrangs des Schutzes des Persönlichkeitsrechts, sondern sind die sich gegenüberstehenden Grundrechte gleichberechtigt miteinander abzuwägen. Ebensowenig wie Einzelne gegenüber den Medien einseitig darüber bestimmen können, welche Informationen im Rahmen der öffentlichen Kommunikation über sie verbreitet werden (vgl. hierzu nach deutschem Recht BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom selben Tag - 1 BvR 16/13 -, Rn. 107), haben sie eine solche Bestimmungsmacht gegenüber den Suchmaschinenbetreibern.

Wenn sich Betroffene – wie hier – nicht schon gegen die Ermöglichung namensbezogener Suchabfragen überhaupt, sondern gegen deren Wirkung hinsichtlich einzelner sie nachteilig betreffender Beiträge wenden, kommt es für die Gewichtung ihrer Grundrechtseinschränkung maßgeblich auf die Wirkung ihrer Verbreitung an. Bezugspunkte sind dabei – eingebunden in die an Zumutbarkeitskriterien anknüpfenden allgemeinen Haftungsvoraussetzungen der Zivilgerichte – die Wirkungen der Verbreitung des streitbefangenen Beitrags für die Persönlichkeitsentfaltung, wie sie sich spezifisch aus den Suchnachweisen ergeben, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit namensbezogener Suchabfragen. Hierfür reicht nicht eine Würdigung der Berichterstattung in ihrem ursprünglichen Kontext, sondern ist auch die leichte und fortdauernde Zugänglichkeit der Informationen durch die Suchmaschine in Rechnung zu stellen. Insbesondere ist auch der Bedeutung der Zeit zwischen der ursprünglichen Veröffentlichung und deren späterem Nachweis Rechnung zu tragen, wie es nach der aktuellen Rechtslage auch in Art. 17 DSGVO nach dem Leitgedanken eines „Rechts auf Vergessenwerden“ normiert ist (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Mai 2014, Google Spain, C-131/12, EU:C:2014:317, Rn. 92 ff.; Urteil vom 24. September 2019, GC u.a., C-136/17, EU:C:2019:773, Rn. 53, 74 und 77; Urteil vom 24. September 2019, Google [Portée territoriale], C-507/17, EU:C:2019:772, Rn. 45 ff.; dazu für die Auslegung des Grundgesetzes vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom selben Tag - 1 BvR 16/13 -, Rn. 105 f.); zum „Recht auf Vergessen“ vgl. Diesterhöft, Das Recht auf medialen Neubeginn, 2014, S. 24 ff.; Frantziou, HRLR 2014, S. 761 ff.; Spiecker genannt Döhmann, CMLR 2015, S. 1033 ff.; Sartor, IDPL 2015, S. 64 ff.; Tambou, RTDE 2016, S. 249 ff.; Auger, RDP 2016, S. 1841 ff.; Jonason, ERPL 2018, S. 213 ff.; Becker, Das Recht auf Vergessenwerden, 2019, S. 49 ff.).




III.

Die angegriffene Entscheidung ist danach im Ergebnis nicht zu beanstanden.

1. Das Oberlandesgericht sieht zutreffend in dem namensbezogenen Auffinden, Indexieren, vorübergehenden Speichern und in der Anzeige des Links zu dem streitigen Beitrag des Norddeutschen Rundfunks eine Verarbeitung personenbezogener Daten. Auch erkennt es an, dass die Beschwerdeführerin damit gegenüber dem Suchmaschinenbetreiber eigene Schutz- und Löschungsansprüche haben kann, über die nach Maßgabe einer Abwägung zu entscheiden ist. Das Gericht stellt dabei sowohl den Schutz des Persönlichkeitsrechts auf Seiten der Beschwerdeführerin als auch die unternehmerische Freiheit des Beklagten in die Abwägung ein, letztere zu Recht in Verbindung mit der Meinungsfreiheit des Norddeutschen Rundfunks als Inhalteanbieter sowie dem Zugangsinteresse der Internetnutzer. Damit hat es die materiellen Grundrechtspositionen der Parteien sowie die zu berücksichtigenden Interessen Dritter erkannt und berücksichtigt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Gericht zutreffend zwischen den Grundrechten der Charta und denjenigen des Grundgesetzes differenziert. Wenn die materiellen verfassungsrechtlichen Wertungen sachgerecht eingestellt werden, ist den Anforderungen des Grundrechtsschutzes genügt. Vorliegend hat das Oberlandesgericht Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 7, Art. 8 GRCh nebeneinander genannt und sie miteinander abgewogen. Damit ist vom Ausgangspunkt den grundrechtlichen Anforderungen Genüge getan.

2. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts ist vor der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 217, 350) ergangen, mit der dieser die Haftung von Suchmaschinenbetreibern in das Haftungsrecht einordnet und näher konkretisiert, und knüpft damit nicht – wie es dem Stand der gegenwärtigen Zivilrechtsprechung entspräche – zunächst an der Unterscheidung zwischen mittelbarer und unmittelbarer Störerhaftung an, sondern tritt unmittelbar in eine Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen ein. Das Bundesverfassungsgericht, dem nicht die Durchsetzung des allgemeinen Zivilrechts obliegt, hat dies zum Ausgangspunkt seiner Kontrolle zu nehmen und dabei die hinreichende Beachtung der Grundrechte zu prüfen.

Im Ergebnis hält sich die angegriffene Entscheidung im fachgerichtlichen Wertungsrahmen.

a) Zu Recht stellt das Oberlandesgericht zunächst auf die Kriterien ab, die für die Zulässigkeit der Ausstrahlung des in Streit stehenden Beitrags des Norddeutschen Rundfunks und dessen weitere Bereitstellung im Netz gegenüber der Beschwerdeführerin entscheidend sind. Zutreffend berücksichtigt es hierbei auch die Auffindbarkeit des Beitrags durch Suchmaschinen, insbesondere auch mittels namensbezogener Abfragen.

Zu kurz greift es allerdings, wenn das Oberlandesgericht dabei die Beschwerdeführerin nur als in ihrer Sozialsphäre betroffen ansieht. Die Auffindbarkeit und Zusammenführung von Informationen mittels namensbezogener Suchabfragen führt heute dazu, dass für deren Auswirkungen zwischen Privat- und Sozialsphäre kaum mehr zu unterscheiden ist. Die Beschwerdeführerin macht das auch für ihren Fall nachdrücklich geltend. Tragfähig legt das Oberlandesgericht demgegenüber dar, dass es sich bei dem Beitrag über die praktische Wirksamkeit des Kündigungsschutzes um ein Thema von allgemeinem Interesse handelt. Der Beitrag bezieht sich auf ein in die Gesellschaft hineinwirkendes Verhalten der Beschwerdeführerin und des von ihr geführten Unternehmens, nicht aber allein auf ihr Privatleben und ist in Hinblick hierauf durch ein hier noch fortdauerndes, wenn auch mit der Zeit abnehmendes öffentliches Informationsinteresse gerechtfertigt. Diesbezüglich muss die Beschwerdeführerin belastende Wirkungen – auch in ihrem privaten Umfeld – weitergehend hinnehmen als gegenüber Beiträgen über ihr privates Verhalten. Als Kriterium für die Einordnung des Gegenstands des Beitrags, nicht der Auswirkungen auf die Betroffenen, behält die Unterscheidung zwischen Sozial- und Privatsphäre auch heute ihre Aussagekraft.

Ergänzend konnte dabei das Oberlandesgericht auch darauf abstellen, dass die Beschwerdeführerin zu dem Interview, das Gegenstand des streitigen Beitrags war, ihre Zustimmung gegeben hatte. Zwar kommt es bei der Beurteilung der Bedeutung einer solchen Zustimmung auch auf die Umstände an, unter denen diese erteilt wird. Wie sich jedoch aus der Bezugnahme der angegriffenen Entscheidung auf diesbezügliche Tatsachenfeststellungen einer Entscheidung des Landgerichts Hamburg ergibt, erteilte die Beschwerdeführerin die Einwilligung ohne unzumutbaren Druck als bewussten Schritt in die Öffentlichkeit und wurde dabei nicht von den Journalisten getäuscht oder „überrumpelt“.

Zu Recht beurteilt die angegriffene Entscheidung den Bericht und den hierauf verweisenden Link auch nicht als Schmähung. Auch wenn der Titel „Die fiesen Tricks der Arbeitgeber“ im Rahmen eines personenbezogenen Suchnachweises ein negatives Bild der Beschwerdeführerin hervorrufen mag, liegt hierin ersichtlich keine von vornherein unzulässige Schmähung. Das ist nur der Fall, wenn es ohne Sachbezug allein um die Verunglimpfung der Person geht (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>). Davon kann hier keine Rede sein. Vielmehr steht der Beitrag in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Auseinandersetzung der Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin einer Arbeitgeberin mit der Belegschaft. Der Beitrag unterfällt damit ohne Zweifel als Werturteil der Meinungsfreiheit, so dass über die Rechtmäßigkeit der Äußerung im Wege der Abwägung zu entscheiden ist. Wenn das Oberlandesgericht dabei die Verbreitung dieses Beitrags einschließlich der Benennung persönlicher Verantwortlichkeit auch unter den Bedingungen des Internets – und damit auch angesichts dessen Auffindbarkeit im Rahmen namensbezogener Suchabfragen – grundsätzlich für gerechtfertigt hält, ist das verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

b) Das Oberlandesgericht hat auch den Zeitfaktor in seine Abwägung eingestellt und geprüft, ob die Weiterverbreitung des Beitrags auch unter Namensnennung angesichts der inzwischen verstrichenen Zeit noch gerechtfertigt ist. Der Zeitablauf kann sowohl das Gewicht des öffentlichen Interesses als auch das der Grundrechtsbeeinträchtigung modifizieren (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom selben Tag - 1 BvR 16/13 -, Rn. 120 ff.).

Das Gericht berücksichtigt dabei auf der einen Seite, dass an dem Thema ein fortdauerndes öffentliches Interesse besteht. Zutreffend erkennt es, dass der Gesichtspunkt der „Zweckerreichung“ in Bezug auf die Verbreitung von Beiträgen, die der öffentlichen Meinungsbildung dienen, in der Regel kein geeignetes Kriterium ist, um die Dauer ihrer rechtmäßigen Verbreitung zu bestimmen. Denn bei solchen Beiträgen stützt sich die Verbreitung nicht auf eine spezifische Erlaubnis für einen bestimmten Zweck, sondern wurzelt in den Kommunikationsfreiheiten und dem sich hieraus ergebenden Recht, Zwecke der Kommunikation selbst setzen, ändern oder in Bezug auf das weitere Kommunikationsgeschehen auch offenlassen zu können.

Auf der anderen Seite hat das Gericht nicht ausgeschlossen, dass durch Zeitablauf die identifizierende Verbreitung solcher Beiträge durch Suchmaschinen unzumutbar und damit unzulässig werden kann. Es erkennt vielmehr, dass die belastende Wirkung der Verbreitung kritischer Beiträge zum Verhalten einzelner Personen im Laufe der Zeit – insbesondere wenn die Beiträge auf namensbezogene Abfrage hin auch viele Jahre später noch prioritär kommuniziert werden – für die Betroffenen erheblich wachsen und immer weniger gerechtfertigt sein kann. Damit trägt es der grundlegenden Bedeutung, die die Chance eines In-Vergessenheit-Geratens belastender Informationen für die freie Persönlichkeitsentfaltung hat, vom Grundsatz her Rechnung.

Letztlich sieht es einen solchen Anspruch auf Auslistung im vorliegenden Fall aber als jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht gegeben an. Maßgeblich stellt es insoweit darauf ab, dass die Beschwerdeführerin mit dem Interview selbst in die Öffentlichkeit getreten ist, an dem Thema ein fortdauerndes öffentliches Interesse besteht, sie nach wie vor als Geschäftsführerin unternehmerisch tätig ist und der Zeitraum von sieben Jahren in Bezug auf die fortdauernde Aktualität des Themas nicht übermäßig lang ist. Dies trägt den Garantien der Grundrechtecharta hinreichend Rechnung; es lässt eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von Bedeutung und Tragweite der berührten Grundrechte nicht erkennen und ist als fachrechtlich vertretbar vom Bundesverfassungsgericht nicht zu beanstanden.

c) Da das Oberlandesgericht die Klage der Beschwerdeführerin abgewiesen hat und damit auch gegenüber dem Inhalteanbieter die Verbreitung des Beitrags nicht eingeschränkt wird, musste dieser in Blick auf seine Grundrechte weder gehört noch sonst mit eigenen Rechtsschutzmöglichkeiten in das Verfahren einbezogen werden.

d) Im Ergebnis hält sich die angegriffene Entscheidung damit im fachgerichtlichen Wertungsrahmen. Die Verfassungsbeschwerde ist folglich zurückzuweisen.

IV.

Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht geboten. Die Anwendung der Unionsgrundrechte auf den vorliegenden Fall wirft keine Auslegungsfragen auf, die nicht schon aus sich heraus klar oder durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs – unter ergänzender Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. Art. 52 Abs. 3 GRCh) – hinreichend geklärt sind.

1. Geklärt ist zunächst, dass die Tätigkeit einer Suchmaschine eigenständig an Art. 7, Art. 8 GRCh zu messen ist, dass diese nicht unter das sogenannte Medienprivileg fällt und dass sich ein Betroffener für Schutzansprüche nicht vorrangig zunächst auf den Inhalteanbieter verweisen lassen muss. Geklärt ist auch, dass es für die Frage, wann der Suchmaschinenbetreiber einen Nachweis löschen muss, auf eine Abwägung im Einzelfall ankommt, die nicht identisch mit der Abwägung der Rechte von Inhalteanbieter und Betroffenen ist, sondern eine Berücksichtigung der jeweils verschiedenen Situationen verlangt (vgl. zu alledem EuGH, Urteil vom 13. Mai 2014, Google Spain, C-131/12, EU:C:2014:317, Rn. 35 ff. und 74; Urteil vom 24. September 2019, GC u.a., C-136/17, EU:C:2019:773, Rn. 68 und 77; Urteil vom 24. September 2019, Google [Portée territoriale], C-507/17, EU:C:2019:772, Rn. 44).

2. Keiner Klärung bedarf auch, dass in die diesbezügliche Abwägung die Grundrechte der Inhalteanbieter einzubeziehen sind. Dass bei der Abwägung zwischen verschiedenen Grundrechten alle hierdurch im Ergebnis betroffenen Grundrechte berücksichtigt werden müssen, ergibt sich nicht nur ohne weiteres aus dem der Charta unterliegenden Grundsatz der umfassenden Grundrechtsbindung selbst, sondern entspricht auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. nur EuGH, Urteil vom 29. Januar 2008, Promusicae, C-275/06, EU:C:2008:54, Rn. 65 ff.; Urteil vom 7. August 2018, Renckhoff, C-161/17, EU:C:2018:634, Rn. 41 f.; EGMR [GK], von Hannover v. Deutschland, Urteil vom 7. Februar 2012, Nr. 40660/08 und 60641/08, § 106 m.w.N.).



Dies steht auch in Einklang mit den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs Google Spain, GC und Google – Portée territoriale – (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Mai 2014, C-131/12, EU:C:2014:317, Rn. 21 ff.; Urteil vom 24. September 2019, C-136/17, EU:C:2019:773, Rn. 53, 57, 59, 66 ff., 75 ff.; Urteil vom 24. September 2019, C-507/17, EU:C:2019:772, Rn. 40 ff.). Wenn der Europäische Gerichtshof dort aus Art. 11 GRCh unter Berufung auf die Informationsfreiheit für die Abwägung das Erfordernis einer Berücksichtigung schon der nicht individualisierten Interessen einer mittelbar betroffenen Öffentlichkeit ableitet (vgl. EuGH, Urteil vom 24. September 2019, GC u.a., C-136/17, EU:C:2019:773, Rn. 75 f.), muss das erst recht für die durch eine Auslistungsentscheidung individuell und unmittelbar in ihrer Meinungsfreiheit betroffenen Inhalteanbieter gelten. Dementsprechend führt der Gerichtshof unter Berufung auf die Rechte der Grundrechtecharta uneingeschränkt auch in Bezug auf Suchmaschinen aus, dass die Rechtmäßigkeit einer Datenverarbeitung nach der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG eine Abwägung der jeweiligen einander gegenüberstehenden Rechte und Interessen erfordert (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Mai 2014, Google Spain, C-131/12, EU:C:2014:317, Rn. 74). Danach muss die Entscheidung über das Verbot eines Suchnachweises die Grundrechte des Inhalteanbieters mit in Betracht ziehen. Soweit diesem hierbei in Ansehung des konkreten Inhalts seiner Veröffentlichung teilweise ein wichtiges Medium zu deren Verbreitung entzogen wird, das ihm anderweitig zur Verfügung stehen würde, werden seine Grundrechte durch eine Auslistungsentscheidung auch unmittelbar eingeschränkt.

Entsprechend berührt es auch keine zunächst durch den Europäischen Gerichtshof klärungsbedürftigen Auslegungsfragen, dass für die vorliegende Konstellation nicht – wie in jenen Entscheidungen (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Mai 2014, Google Spain, C-131/12, EU:C:2014:317, Rn. 81; Urteil vom 24. September 2019, GC u.a., C-136/17, EU:C:2019:773, Rn. 53 und 66) – die Vermutung eines Vorrangs des Persönlichkeitsschutzes für die Abwägung zugrunde gelegt wird. Auch diese Vermutung war bestimmt von der spezifischen Konstellation jener Verfahren. So war in der Entscheidung Google Spain die Meinungsfreiheit der betroffenen Inhalteanbieter gar nicht erst einzustellen, weil es sich um eine behördliche Verlautbarung handelte (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Mai 2014, C-131/12, EU:C:2014:317, Rn. 14, 16). In der Entscheidung GC kam von vornherein dem Persönlichkeitsschutz besonderes Gewicht zu, weil besonders persönlichkeitsrelevante Daten im Sinne von Art. 8 Abs. 1 und 5 DSRL 95/46/EG betroffen waren (vgl. EuGH, Urteil vom 24. September 2019, C-136/17, EU:C:2019:773, Rn. 24 ff., 39 f., 44, 67 ff.). Demgegenüber gibt es weder in der Grundrechtecharta selbst noch in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Anhaltspunkte, dass sich bei einer Abwägung zwischen dem Schutz des Persönlichkeitsrechts einerseits und der Meinungsfreiheit andererseits diese nicht grundsätzlich gleichberechtigt gegenüberstünden. Vielmehr lässt sich auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs durchgehend entnehmen, dass er die Meinungsfreiheit dort, wo sie einschlägig ist, in die Abwägung einstellt und ihr kein grundsätzlicher Nachrang gegenüber anderen Grundrechten zukommt. Entsprechend führt auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte aus, dass die in Art. 10 und Art. 8 EMRK garantierten Rechte prinzipiell („as a matter of principle“) die gleiche Beachtung verdienen (vgl. EGMR [GK], von Hannover v. Deutschland, Urteil vom 7. Februar 2012, Nr. 40660/08 und 60641/08, § 106 m.w.N.; Delfi v. Estland, Urteil vom 16. Juni 2015, Nr. 64569/09, § 139). Folgerichtig verlangt er auch im Rahmen eines Rechtsstreits gegenüber Intermediären eine offene Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht und der Meinungsfreiheit der Äußernden (vgl. EGMR, Kucharczyk v. Polen, Entscheidung vom 24. November 2015, Nr. 72966/13, §§ 25 ff.).


D.

Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.

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