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Landgericht Hannover Urteil vom 13.05.2009 - 6 O 102/08 - Zum Unterlassungsanspruch hinsichtlich einer Negativbewertung bei eBay

LG Hannover v. 13.05.2009: Zum Unterlassungsanspruch hinsichtlich einer Negativbewertung in einem Bewertungsportal bei eBay


Das Landgericht Hannover (Urteil vom 13.05.2009 - 6 O 102/08) hat entschieden:

   Die Äußerung
   „Handy als „Neu“angeboten - Handy + Zubehör gebraucht - das nenne ich Betrug!!!!“

im eBay-Bewertungsportal ist als Meinungsäußerung zulässig und verletzt nicht das Persönlichkeitsrecht des Händlers.




Siehe auch
Bewertungsseiten und Bewertungssysteme im Internet
und
Unterlassungsanspruch - Unterlassungsklage


Tatbestand:


Die Klägerin macht Ansprüche wegen Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts geltend.

Die Beklagte erwarb von der Klägerin über die Internetplattform eBay im August 2007 ein Mobiltelefon als Neugerät. Im Bewertungsportal von eBay bewertete die Beklagte die Klägerin negativ. Ferner stellte sie folgenden Wertungskommentar ein:

   „Handy als „Neu“angeboten-Handy + Zubehör gebraucht - das nenne ich Betrug!!!!“

Die Klägerin meint, es handele sich bei dieser Bewertung um die Behauptung unwahrer Tatsachen. Sie verkaufe im Fernabsatz ausschließlich neue Geräte. Bei dem an die Beklagte ausgelieferten Mobiltelefon handele es sich um ein neues Gerät. Es könne sich jedoch bei dem der Beklagten übersandten Gerät auch um ein retourniertes Gerät gehandelt haben bzw. um ein Gerät, bei dem das Originalsiegel der Verpackung bereits geöffnet war.

Die Klägerin beantragt,

  1.  die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, in jedweder Form durch Verlautbarung in öffentlich zugänglichen Quellen, insbesondere im Internet, wörtlich oder sinngemäß zu behaupten, die Firma würde gebrauchte Ware als Neuware verkaufen.

  2.  Die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, in jedweder Form durch Verlautbarung in öffentlich zugänglichen Quellen, insbesondere im Internet, wörtlich oder sinngemäß zu behaupten, die Firma würde Betrug begehen.

Die Beklagte beantragt,

   die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, es habe sich um ein gebrauchtes Gerät gehandelt, das schon Gebrauchsspuren aufgewiesen habe. Die Originalverpackung sei bereits geöffnet gewesen. Es hätten am Außen-und Innendisplay die bei Neugeräten üblichen Folien gefehlt. Unterhalb des Innendisplays hätten sich kleine Kratzspuren befunden. Sämtliche Plastiktütchen des Zubehörs seien aufgeschnitten gewesen. Am Headset seien bereits die Schaumstoffschoner aufgezogen gewesen und das Kabel habe entwirrt werden müssen. Der Akku des Geräts sei bereits nach 10 Minuten vollständig geladen gewesen. Die CD mit der Software habe gefehlt. Die Bedienungsanleitung sei bereits mehrfach durchgeblättert worden.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.





Entscheidungsgründe:


Die Klage ist nicht begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Unterlassung der streitgegenständlichen Äußerungen wegen einer Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts.

Denn bei der Äußerung der Beklagten in ihrem Bewertungskommentar handelt es sich um eine zulässige Meinungsäußerung. Die hier vorzunehmende Abwägung des Rechts der Beklagten auf freie Meinungsäußerung gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin führt dazu, dass die Klägerin diese Äußerung hinzunehmen hat.

1. Tatsachenbehauptungen unterscheiden sich von Werturteilen dadurch, dass bei diesen die subjektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit im Vordergrund steht, während für jene die objektive Beziehung der sich Äußernden zum Inhalt seiner Äußerung charakteristisch ist (vgl. BverfG, NJW 2000, 199, 200). Für die Einstufung als Tatsachenbehauptung kommt es wesentlich darauf an, ob die Aussage einer Prüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist, was bei Meinungsäußerungen ausscheidet, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet werden und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen (BGH NJW 2003, 1308). Enthält eine Äußerung einen rechtlichen Fachbegriff, so deutet dies darauf hin, dass sie als Rechtsauffassung und damit als Meinungsäußerung einzustufen ist (BGH NJW 2005, 279). Als Tatsachenmitteilung ist eine solche Äußerung hingegen dann zu qualifizieren, wenn die Beurteilung nicht als bloße Rechtsauffassung kenntlich gemacht ist, sondern beim Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorruft, die als solche einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich sind, wofür der Kontext entscheidend ist, in dem der Rechtsbegriff verwendet wird (BGH NJWRR 1995, 1252). Sofern eine Äußerung, in der sich Tatsachen und Meinungen vermengen, in entscheidender Weise durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, wird sie als Werturteil und Meinungsäußerung in vollem Umfang vom Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützt. Im Fall einer derart engen Verknüpfung der Mitteilung von Tatsachen und ihrer Bewertung darf der Grundrechtsschutz der Meinungsfreiheit nicht dadurch verkürzt werden, dass ein tatsächliches Element aus dem Zusammenhang gerissen und isoliert betrachtet wird (vgl. BGH, Urteil vom 30. Januar 1996 – VI ZR 386/94 –).




Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt hier eine Meinungsäußerung vor.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Äußerung, d. h. der Bewertungskommentar im Zusammenhang mit der negativen, durch ein „-“Zeichen kenntlich gemachten Bewertung der Klägerin steht. Diese negative Bewertung enthält eine Meinungsäußerung, da sie nicht dem Beweis zugänglich ist, sondern vielmehr von der Beurteilung durch die Beklagte abhängig ist.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Bewertungskommentar das Verhalten der Klägerin mit dem rechtlichen Begriff des Betruges verbindet. Dies indiziert, dass die Äußerung als Rechtsauffassung und damit als Meinungsäußerung einzustufen ist. Dabei ist es auch nicht so, dass hier beim Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorgerufen wird, die als solcher einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich sind. Denn die Beklagte hat hinsichtlich der Tatsachengrundlage dieser Bewertung lediglich ausgeführt, dass ihr bei dem Kauf eines neuen Mobiltelefons ein gebrauchtes Telefon übersandt worden sei. Mit dieser Darstellung des Gegenstandes als „gebraucht“ hat sie jedoch nicht die Vorstellung von konkreten, dem Beweis zugänglichen Vorgängen hervorgerufen. In welchem konkreten Zustand sich das Telefon befunden haben soll, wird aus diesem Bewertungskommentar nicht deutlich. Es sind gerade nicht die zahlreichen von der Beklagten angeführten Einzelpunkte – etwa das Vorliegen einer geöffneten Originalverpackung, fehlende Display-Folien oder geöffnete Plastiktütchen des Zubehörs etc.– konkret behauptet worden. Daher wurde mit der Äußerung bei dem Empfänger keine konkrete Vorstellung bestimmter Vorgänge hervorgerufen.

Hinzu kommt, dass es sich auch bei dem verwendeten Begriff „gebraucht“ um eine Würdigung handelt, die der Meinungsfreiheit unterliegt. Allein über den Zustand des Telefons als „gebraucht“ ließe sich kein Beweis erheben. Der Meinungscharakter einer solchen Äußerung wird bereits ohne Weiteres dadurch deutlich, dass es durchaus unterschiedlich bewertet werden kann, ob etwa die Lieferung eines zuvor von einem anderen Kunden retournierten Gerätes oder auch eines Präsentationsgerätes als Lieferung von Neuware oder von Gebrauchtware zu sehen ist. Dabei bedarf es hierzu keiner abschließenden Entscheidung. Entscheidend ist allein, dass es durchaus möglich ist, hierzu unterschiedliche Auffassungen zu vertreten.



2. Schließlich scheidet ein Anspruch der Klägerin selbst dann aus, wenn man die Äußerung der Beklagten hinsichtlich des Äußerungsteils, es sei ein Gebrauchtgerät übersandt worden, als Tatsache einstufen würde.

Denn auch dann kann im vorliegenden Fall nicht davon ausgegangen werden, dass es sich hierbei um eine falsche Tatsache handelt. Dabei kann hier offen bleiben, ob die Klägerin oder die Beklagte die diesbezügliche Beweislast zu tragen hat, was insbesondere davon abhängt, ob sich der den Vertragspartner im Rahmen von eBay-Geschäften Bewertende auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen gem. § 193 StGB berufen kann.

Hier hat die Klägerin den konkreten Vortrag der Beklagten hinsichtlich des Zustands des Mobiltelefons nicht konkret in Abrede gestellt, worauf sie mit Verfügung vom 06.08.2008 hingewiesen worden ist. Darüber hinaus hat sie hierzu vorgetragen, dass es sich um ein retourniertes Gerät gehandelt haben könnte und dass auch das Originalsiegel bereits geöffnet gewesen sein könnte. Damit fehlt ihrem Vorbringen die erforderliche Substanz, um den diesbezüglichen Vortrag der Beklagten als streitig stellen ansehen zu können.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 709 S. 1 und 2, 711 ZPO.

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