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OLG Stuttgart Urteil vom 24.1.2008 - 2 U 91/07 - Zur unzulässigen Werbung eines Rechtsanwalts mit der Bezeichnung "Spezialist für Mietrecht"

OLG Stuttgart v. 24.1.2008: Zur unzulässigen Werbung eines Rechtsanwalts mit der Bezeichnung "Spezialist für Mietrecht.


Das OLG Stuttgart (Urteil vom 24.1.2008 - 2 U 91/07) hat entschieden:

   Die in Werbung verwendete Bezeichnung eines Rechtsanwaltes als "Spezialist für Mietrecht" verstößt gegen §§ 7 I 2 BORA i.V.m. 4 Nr.11 UWG, wenn der Rechtsanwalt nicht nachweisen ka§ss er - der dadurch ausgelösten Verkehrserwartung entsprechend - im Mietrecht über den Durchschnitt weit übersteigende Kenntnisse verfügt und in erheblichem Umfang tätig gewesen ist.

Siehe auch
Anwaltswerbung
und
Werbung

Gründe:


A.

Die Verfügungsklägerinnen machen gegen die Verfügungsbeklagten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend.

1. Die Verfügungsklägerinnen betreiben jeweils eine Rechtsanwaltskanzlei in S.H., die Verfügungsbeklagte Ziff. 1 eine solche in ö. Letztere eröffnete am 01.10.2007 eine Niederlassung in S.H. in Bürogemeinschaft mit dem Verfügungsbeklagten Ziff. 2.

Die Verfügungsbeklagten schalteten zwei gleichlautende, am 26.09. und 29.09.2007 in der örtlichen Presse erschienene Anzeigen, in denen die Kanzleibezeichnung der Verfügungsbeklagten Ziff. 1 sowie darunter die Namen der in dieser tätigen Partner und sonstigen Rechtsanwälte sowie der Name des Verfügungsbeklagten Ziff. 2 aufgeführt waren. Den Namen der Rechtsanwälte waren dabei bis auf Rechtsanwältin A.B. (im Folgenden: Rechtsanwältin B.), die seit 01.01.2007 bei der Verfügungsbeklagten Ziff. 1 als angestellte Rechtsanwältin tätig ist, die von diesen jeweils geführten Fachanwaltsbezeichnungen beigefügt. Rechtsanwältin B. wurde als „Spezialistin für Mietrecht“ bezeichnet.

Die Verfügungsklägerinnen haben vorgetragen, die Bezeichnung von Rechtsanwältin B. als „Spezialistin für Mietrecht“ verstoße gegen § 7 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (im Folgenden: BORA) und sei auch irreführend i. S. v. § 5 UWG. Die Kenntnisse eines „Spezialisten“ müssten über die eines Fachanwalts noch deutlich hinausgehen; zudem sei von diesem zu erwarten, dass er eine Inanspruchnahme auf anderen Rechtsgebieten weitgehend ablehne. Diese Anforderungen erfülle Rechtsanwältin B. nicht. Zudem führe die gewählte Bezeichnung zu einer unzulässigen Verwechslungsgefahr mit der Bezeichnung „Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht“.

Die Verfügungsbeklagten haben hingegen die Auffassung vertreten, die von Rechtsanwältin B. insbesondere während ihrer gut fünfjährigen Tätigkeit als Leiterin der Rechtsabteilung mit Anwaltszulassung für ein großes, in erheblichem Umfang Mietverhältnisse verwaltendes Unternehmen rechtfertigten die Führung der beanstandeten Bezeichnung. Rechtsanwältin B. sei damit i. S. v. § 7 Abs. 1 Satz 2 BORA sowohl in erheblichem Umfang auf dem Gebiet des Mietrechts tätig gewesen und habe in diesem auch besondere theoretische Kenntnisse erworben.

Im übrigen wird auf die Feststellungen des angegriffenen Urteils Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

2. Der Vorsitzende der 3. Kammer für Handelssachen beim Landgericht Heilbronn hat die Anträge mit der Begründung zurückgewiesen, die Angabe in den beanstandeten Anzeigen, Rechtsanwältin B. sei „Spezialistin für Mietrecht“, stelle keine unlautere und irreführende Werbung i. S. v. § 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG dar. Es liege auch kein Verstoß gegen § 7 BORA und damit kein Fall des § 4 Nr. 11 UWG vor.

Es bestehe keine Verwechslungsgefahr mit einer Fachanwaltsbezeichnung, die nach § 7 Abs. 2 BORA zur Unzulässigkeit des Qualifizierungshinweises führen würde. Dies sehe auch die Rechtsanwaltskammer Stuttgart so, wenn wie hier der qualifizierende Hinweis nicht den vollständigen Inhalt einer Fachanwaltschaft abdecke. Es wäre schwer verständlich, wenn man annähme, dass Anwälte, die den Ratschlägen der Standesvertretung folgten, wettbewerbswidrig handeln würden. Einem kundigen Rechtssuchenden sei auch zuzutrauen, dass er einen einschlägig definierten Begriff wie den des Fachanwalts nicht mit einem anderen wie etwa dem des „Spezialisten“ gleichsetze.

Wenn das OLG Nürnberg in der von den Verfügungsklägerinnen zitierten Entscheidung vom 20.03.2007 - 3 U 2675/06 (NJW 2007, 1984) meine, von einem „Spezialisten“ werde erwartet, dass er über herausragende Kenntnisse und Fähigkeiten, die über diejenigen eines Fachanwalts hinausgehen, verfügen müsse, sei dem nicht zu folgen. Dies könne letztlich ebenfalls wie die Frage, ob ein „Spezialist“ seine Berufstätigkeit auf bestimmte Gebiete unter Abwehr der Inanspruchnahme für andere Rechtsmaterien einengen müsse, offen bleiben. Denn jedenfalls könne dies im vorliegenden Verfügungsverfahren ohnehin nicht abschließend beurteilt werden. Nach den Angaben der Rechtsanwältin B. in ihrer eidesstattlichen Versicherung, an deren Richtigkeit zu zweifeln kein Anlass bestehe, könne die Werbeaussage „Spezialistin für Mietrecht“ nicht von vornherein untersagt werden.

3. Die Berufungen der Verfügungsklägerinnen wenden sich in vollem Umfang gegen die Zurückweisung ihrer Anträge.

Sie tragen zur Begründung vor, die angesprochenen Verkehrskreise verstünden unter einem Spezialisten eine Person, die sich auf einem speziellen Rechtsgebiet Kenntnisse und Erfahrungen angeeignet habe, die über diejenigen eines Fachanwalts hinausgingen. Das Landgericht begründe nicht, warum es insoweit von der bisherigen Rechtsprechung abweiche. Es werde nur gesagt, ein „Spezialist“ müsse keine herausragenden Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen. Im angegriffenen Urteil fehlten aber Ausführungen dazu, welche Anforderungen an die Führung des Zusatzes „Spezialist“ zu stellen seien.

Die angesprochenen Verkehrskreise würden über die Qualifikation des Beworbenen irregeführt, auch weil die Selbstanpreisung als „Spezialist“ einer überprüfbaren Begründung entbehre. Die frühere Tätigkeit von Rechtsanwältin B. als Leiterin der Rechtsabteilung eines Immobilienunternehmens weise sie noch nicht als „Spezialistin für Mietrecht“ aus. Das Landgericht habe auch verkannt, dass Rechtsanwältin B. einen Nachweis für ihr „Spezialistentum“ erbringen müsse. Dieser Nachweis sei nicht erbracht, auch nicht durch ihre Angaben in ihrer eidesstattlichen Versicherung, zumal sie als Leiterin der Rechtsabteilung eines Immobilienunternehmens keinesfalls mit einem anwaltstypischen Aufgabenbereich befasst gewesen sei.

Sie erfülle auch die in der Fachanwaltsordnung (FAO) gestellten Anforderungen nicht. Sie habe keine entsprechenden Qualifikationen nachgewiesen, welche die von § 4 FAO geforderten theoretischen Kenntnisse vermuten ließen. Die vorgelegten Belege ergäben ein „Spezialistentum“ allenfalls für die Vergangenheit.

„Spezialist“ könne außerdem nur sein, wer eine Inanspruchnahme anderer Rechtsgebiete weitgehend ablehne. Es müsse ein ausschließlicher Bezug zum Mietrecht vorliegen. Daran fehle es schon ausweislich der Internet-Präsentation der Rechtsanwältin B., wonach sie überwiegend in den Bereichen „Gewerbliches Miet- und Pachtrecht, Wohnraummietrecht, Gesellschaftsrecht, Insolvenzrecht“ tätig sei.

Das Landgericht verkenne auch die rechtliche Bedeutung der BORA und der Aussagen der Rechtsanwaltskammer Stuttgart auf deren Homepage. Letztere hätten keinerlei präjudizielle Aussagekraft für die Frage eines Wettbewerbsverstoßes. Diese habe die ordentliche Gerichtsbarkeit nach dem UWG zu prüfen. Entgegen der Ansicht des Landgerichts sei es dem durchschnittlichen Rechtssuchenden gerade nicht zuzutrauen, dass er Begriffe wie „Spezialist“ oder „Experte“ von der Bezeichnung „Fachanwalt“ abschichten könne.

Der Sachverhalt, welcher der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.07.2004 (1 BvR 159/04; NJW 2004, 2656) zugrunde gelegen habe, sei nicht mit dem vorliegenden Fall vergleichbar, zumal es damals um die Bezeichnung „Spezialist für Verkehrsrecht“ gegangen sei und das Bundesverfassungsgericht auch darauf abgestellt habe, dass es (damals) keinen Fachanwalt für Verkehrsrecht gegeben habe.



Die Verfügungsbeklagten verteidigen das landgerichtliche Urteil.

Die Verfügungsklägerinnen würden verkennen, dass § 7 Abs. 1 Satz 2 BORA keinerlei Angaben darüber enthalte, wie die „besonderen theoretischen Kenntnisse“ erlangt werden müssten. Aus den vorgelegten Unterlagen ergebe sich im übrigen, dass Rechtsanwältin B. „auf dem benannten Gebiet (Mietrecht) in erheblichem Umfang tätig gewesen“ sei. Im Rahmen ihrer Tätigkeit als Leiterin der Rechtsabteilung habe sie mehr Fälle im Bereich des Mietrechts bearbeitet, als ein werdender Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht bei der Stellung des Antrags auf Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung nachweisen müsse.

Außerdem sei Rechtsanwältin B. bis in die jüngste Zeit überwiegend auf dem Gebiet des Mietrechts tätig gewesen. Ca. 60 % ihrer Ganztagstätigkeit bei der Verfügungsbeklagten Ziff. 1 verwende sie auf gewerbliches und privates Mietrecht.

Ferner habe sie außer an den bereits in erster Instanz vorgetragenen Fortbildungsveranstaltungen zwischenzeitlich an weiteren teilgenommen. Auch seien durch die von ihr damals als Leiterin der Rechtsabteilung zweimal jährlich abgehaltenen Fortbildungsveranstaltungen zwangsläufig theoretische Kenntnisse erworben und weitergegeben worden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens im Berufungsverfahren wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.




B.

Die zulässigen, insbesondere fristgerecht eingegangenen Berufungen der Verfügungsklägerinnen sind begründet. Ihnen stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1; 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3; 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BORA zu. Der Verfügungsgrund ergibt sich aus § 12 Abs. 2 UWG.

Soweit die Verfügungsklägerin Ziff 1 beantragt hat, den Verfügungsbeklagten die Schaltung von „Werbung“ mit dem beanstandeten Inhalt zu untersagen, während die Verfügungsklägerin Ziff. 2 „Werbungen bzw. Anzeigen“ formuliert hat, ergibt sich kein sachlicher Unterschied. Die „Anzeige“ ist in dem Oberbegriff „Werbung“ enthalten.

Der Senat kann daher wie geschehen in den Verbotstenor gem. § 938 ZPO die Formulierung „Werbung, insbesondere Anzeigen“ aufnehmen, ohne in der Sache über die gestellten Anträge hinauszugehen (§ 308 ZPO) oder hinter diesen zurückzubleiben.


I.

Die Verfügungsklägerinnen sind - wie das Landgericht zu Recht unangegriffen festgestellt hat - als Mitbewerber der Verfügungsbeklagten aktiv legitimiert (§§ 8 Abs. 3 Nr. 1, 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG). Unterlassungsansprüche sind gegen beide Verfügungsbeklagten begründet, da nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts beide die angegriffenen Anzeigen geschaltet haben.





II.

Die Bezeichnung von Rechtsanwältin B. als „Spezialistin für Mietrecht“ durch die Verfügungsbeklagten ist sowohl unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen das Marktverhalten der Marktteilnehmer regelnde Vorschriften (§ 4 Nr. 11 UWG) als auch des Verbots irreführender Werbung (§ 5 UWG) wettbewerbswidrig.

1. Die Bezeichnung als „Spezialistin für Mietrecht“ stellt einen Verstoß gegen § 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BORA dar, so dass ein Fall des § 4 Nr. 11 UWG gegeben ist.

a) Zwar handelt es sich bei den anwaltsrechtlichen Vorschriften der BRAO und der BORA nicht durchweg um Marktverhaltensregelungen i. S. v. § 4 Nr. 11 UWG (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 26. Aufl., § 4 Nr. 11 UWG Rn. 11.59), bei der Werbebeschränkung des § 43b BRAO und den dieses konkretisierenden Vorschriften der §§ 6 bis 10 BORA ist dies aber der Fall (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 4 UWG Rn. 1.185). Nachdem es sich bei der BORA um autonomes Satzungsrecht handelt, weist diese auch Rechtsnormcharakter auf; ihre Regelungen sind daher gesetzliche Vorschriften i. S. v. § 4 Nr. 11 UWG (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., Rn. 11.24).

b) Bei der Bezeichnung „Spezialistin für Mietrecht“ handelt es sich um einen qualifizierenden Zusatz i. S. v. § 7 Abs. 1 Satz 2 BORA (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., Rn. 11.100 und Hartung-Römermann, Anwaltliche Berufsordnung, 3. Aufl., § 7 BerufsO Rn. 74), dessen Führung voraussetzt, dass der Betreffende über entsprechende theoretische Kenntnisse verfügt und auf dem benannten Gebiet in erheblichem Umfang tätig gewesen ist. Diese muss der die Bezeichnung führende Anwalt nachweisen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Satz 1).

Auch nach der eigenen Darstellung der Verfügungsbeklagten genügt Rechtsanwältin B. im Hinblick auf die Bezeichnung „Spezialist“ diesen Anforderungen nicht.

aa) Die Anforderungen, die § 7 Abs. 1 Satz 2 BORA stellt, sind dabei nicht generell oder abstrakt für alle möglichen qualifizierenden Bezeichnungen zu bestimmen. Vielmehr ist für die jeweils geführte Bezeichnung zu entscheiden, welche Anforderungen sowohl hinsichtlich des Umfangs der bisherigen Tätigkeit als auch der „besonderen theoretischen Kenntnisse“ zu stellen sind. Entscheidend sind die mit der Führung der Bezeichnung beim rechtsuchenden Publikum geweckten Erwartungen.

bb) Die Bezeichnung „Spezialist“ löst beim rechtsuchenden Publikum hohe Erwartungen aus. Von einem Spezialisten wird erwartet, dass er sich nicht nur vom Durchschnitt (hier dem durchschnittlichen Anwalt) abhebt, sondern den Durchschnitt weit übersteigende Kenntnisse und Erfahrungen besitzt.

Dies vermag der Senat aus eigener Sachkunde zu beurteilen, nachdem die Verfügungsbeklagten ihre Dienste an das gesamte rechtsuchende Publikum richten und aufgrund dessen auch die Senatsmitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören und überdies der Senat als spezialisierter Spruchkörper ständig mit Wettbewerbssachen befasst ist (vgl. zur Irreführung i. S. v. § 5 UWG Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 5 UWG Rn. 3.11ff).

Mit diesen Anforderungen bewegt sich der Senat auch im Rahmen des allgemeinen Sprachgebrauchs. Wird bei verkürzter Definition ein „Spezialist“ einem „Fachmann“ gleichgesetzt (vgl. etwa Duden, Band 8, Sinn- und sprachverwandte Wörter, überarb. 2. Aufl. (1997); Duden, Band 5, Fremdwörterbuch, 6. Aufl. (1997) und Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Band 22, 1978), so erweist sich bei genauerer Definition, dass „Spezialist“ (nur) jemand ist, der „besondere Kenntnisse, Fähigkeiten auf einem Gebiet hat, der in einem bestimmten Fach spezielle Fähigkeiten erworben hat“ (so Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in sechs Bänden, Band 6 (1981)), der „in einem bestimmten Fach genaue Kenntnisse hat, der auf einem bestimmten Gebiet spezielle Fähigkeiten erworben hat“ (so Der Große Duden Band 10 - Bedeutungswörterbuch (1970)) bzw. (u. a.) ein bestimmtes Fachgebiet besonders eingehend studiert hat (vgl. Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch in sechs Bänden (1983), Stichwort „Spezialist“ i.V.m. „sich spezialisieren“).

cc) Den so zu definierenden Anforderungen an einen „Spezialisten“ entspricht Rechtsanwältin B. nicht.

Zwar ist nach den unbestrittenen und den durch die eidesstattliche Versicherung von Rechtsanwältin B. sowie durch vorgelegte Unterlagen glaubhaft gemachten Angaben der Verfügungsbeklagten davon auszugehen, dass Rechtsanwältin B. sowohl Kenntnisse aufweist als auch praktische Erfahrungen in einem Umfang nachgewiesen hat, die mit Sicherheit diejenigen eines durchschnittlichen Rechtsanwalts übersteigen. Den Durchschnitt weit übersteigende Kenntnisse und Erfahrungen mit der Folge des Erwerbs „spezieller“ und „besonderer“ Kenntnisse und Erfahrungen sind jedoch weder konkret vorgetragen noch glaubhaft gemacht:




(1) Die vierzig Jahre alte Rechtsanwältin B. ist danach seit 10 Jahren als Anwältin zugelassen und seit 8 Jahren bevorzugt auf dem Gebiet des Mietrechts (Wohnraum- und Gewerberaummietrecht) tätig.

Dabei war sie vom 01.01.1999 bis zum 29.02.2004 als Leiterin der zentralen Rechtsabteilung eines Immobilienunternehmens, das u. a. als Mietverwaltungsunternehmen mehrere tausend Mietverhältnisse betreut hat, darunter etwa zur Hälfte Fremdverwaltungen, nahezu ausschließlich im Bereich des Mietrechts (zu ca. 70 % Wohnraummiete und zu ca. 30 % Gewerberaummiete) tätig. Sie beriet dabei u. a. die Mietsachbearbeiter in sämtlichen mietrechtlichen Fragestellungen und gestaltete die Mietverträge ihrer Arbeitgeberin (einschließlich der Erarbeitung und überarbeitung der Mietvertragsformulare), wobei sie hinsichtlich der Gewerberaummietverhältnisse sowohl ausschließlich für den Abschluss dieser Verträge und die vorausgehenden Verhandlungen zuständig war. In dieser Zeit bearbeitete sie ca. 800 Fälle, wovon ca. 1/3 auf gerichtliche Verfahren entfiel.

Zu den geforderten „besonderen theoretischen Kenntnissen“ verweisen die Verfügungsbeklagten ferner darauf, dass Rechtsanwältin B. zweimal jährlich gemeinsam mit dem weiteren in der Rechtsabteilung beschäftigten Juristen Fortbildungsveranstaltungen für die Mietsachbearbeiter ihrer Arbeitgeberin abgehalten hat. Sie haben ferner Teilnahmebescheinigungen vorgelegt, wonach Rechtsanwältin B. in den Jahren 1999, 2000 und 2001 je einmal und im Jahr 2007 nach Beendigung des erstinstanzlichen Verfahrens zweimal an eintägigen Fortbildungen im Mietrecht für Juristen teilgenommen hat.

(2) Danach ist bereits nicht zweifelsfrei, ob Rechtsanwältin B. in einem Umfang auf dem Gebiet des Mietrechts tätig gewesen ist, den der Verkehr von einem „Spezialisten“ erwartet. Zwar geht die Zahl der von ihr während ihrer Tätigkeit als Leiterin der Rechtsabteilung gerichtlich und außergerichtlich bearbeiteten Fälle weit über diejenige hinaus, die von einem Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht verlangt wird (120 Fälle in drei Jahren, davon 60 gerichtliche Verfahren, vgl. § 5j FAO). Es liegt jedoch andererseits nicht fern, dass trotz der unter (1) geschilderten Aufgabenkreise die Tätigkeit für einen Arbeitgeber zu einer Einengung der zu behandelnden Problemstellungen führt, Rechtsanwältin B. also das (Raum-)Mietrecht nicht in der gesamten Breite durchdrungen hat, die von einem „Spezialisten“ erwartet wird. Zudem handelt es sich um einen zwar nicht kurzen, aber doch überschaubaren Zeitraum (vgl. LG Dortmund, NJW-RR 2006, 345), der überdies bereits einige Jahre zurückliegt, so dass sich die Frage stellt, ob das „Spezialistentum“ noch aktuell ist und bei ihr tatsächlich „besondere Erfahrungen“ (wie es das Bundesverfassungsgericht bei der Bezeichnung von ärzten als „Spezialisten“ formuliert hat, BVerfG NJW 2002, 1331, 1332) vorliegen.

(3) Dies kann aber letztlich dahinstehen, da jedenfalls keine den Durchschnitt weit übersteigenden Kenntnisse dargelegt sind, wie sie der Verkehr nach dem oben unter aa) Gesagten von einem Spezialisten erwartet.

Anders als nach der Fachanwaltsordnung (die zur Erlangung des Fachanwalts notwendigen theoretischen Kenntnisse können nicht allein durch praktische Tätigkeit erlangt werden, vgl. Hartung-Scharmer, a.a.O., § 4 FAO Rn. 43) können zwar die „theoretischen Kenntnisse“ i. S. v. § 7 Abs. 1 Satz 2 BORA grundsätzlich auch durch „Berufstätigkeit“ erlangt werden. (vgl. Hartung-Römermann, a.a.O., § 7 BerufsO Rn. 79) und kann für deren Erlangung auch die Zahl der bearbeiteten Mandate ein Indiz sein (Hartung-Römermann, a.a.O., Rn. 65).

Doch erfordert die an einen „Spezialisten“ gestellte Erwartung nach dem oben unter aa) Gesagten den Durchschnitt weit übersteigende Kenntnisse und eine theoretische Durchdringung des Fachgebiets, welche sich aus den Angaben der Verfügungsbeklagten und der Rechtsanwältin B. nicht ergibt. Ihre geschilderte jetzige und frühere Tätigkeit und die dargelegten Fortbildungen zeigen lediglich, dass Rechtsanwältin B. sich hinsichtlich aktueller Fragen des Raummietrechts „auf dem Laufenden“ gehalten hat. Kann damit zwar davon ausgegangen werden, dass sie infolge ihrer Tätigkeit über dem Durchschnitt liegende Kenntnisse erworben hat, so fehlt es doch an den von einem „Spezialistin“ erwarteten „besonderen“, „genauen“ Kenntnissen auf dem Fachgebiet, das sie „besonders eingehend studiert“ haben muss.

cc) Erfüllt aufgrund dessen Rechtsanwältin B. nicht die Anforderungen, die sich aus § 7 Abs. 1 BORA an die Führung der Bezeichnung „Spezialistin für Mietrecht“ ergeben, so kann dahinstehen, ob - wie die Verfügungsklägerinnen in übereinstimmung mit dem OLG Nürnberg (NJW 2007, 1984, 1985; ebenso LG Dortmund a.a.O. und LG Regensburg NJW-RR 2004, 1044, 1045) meinen - die Befähigung eines „Spezialisten“ generell über diejenige eines vergleichbaren Fachanwalts hinausgehen müsse, weil das rechtsuchende Publikum diese Erwartungen hege.

b) Ruft nach dem Gesagten die Bezeichnung „Spezialistin für Mietrecht“ bei den angesprochenen Verkehrskreisen Vorstellungen über die Qualifikation von Rechtsanwältin B. hervor, die diese tatsächlich nicht erfüllt, erweist sich aufgrund dessen ihre Führung auch als irreführend i. S. v. § 7 Abs. 2 BORA (die inhaltlichen Anforderungen an eine nicht irreführende Angabe werden ja gerade in § 7 Abs. 1 BORA aufgestellt, vgl. Hartung-Römermann, a.a.O., § 7 BerufsO Rn. 86).

2. Die Bezeichnung von Frau Rechtsanwältin B. als „Spezialistin für Mietrecht“ stellt auch eine irreführende Werbung i. S. v. § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 UWG dar.

a) Auch im Rahmen des § 5 UWG haben die Verfügungsbeklagten darzulegen und im Bestreitensfall glaubhaft zu machen, dass Rechtsanwältin B. die Qualifikation aufweist, die das rechtsuchende Publikum von einem Spezialisten erwartet. Zwar trifft grundsätzlich den Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der Annahme einer Irreführung (vgl. nur BGH GRUR 2007, 251, 253) und damit auch für die Unrichtigkeit der beanstandeten Angaben (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 5 UWG Rn. 1.18), letzteres gilt aber dann nicht uneingeschränkt, wenn es um Tatsachen geht, die in den Verantwortungsbereich des Werbenden gehören. Dann trifft diesen eine sekundäre Darlegungslast, etwa bei innerbetrieblichen Vorgängen (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 5 UWG Rn. 3.23f und § 12 UWG Rn. 2.92), und dies gilt auch hier, da nur die Verfügungsbeklagten und nicht die Verfügungsklägerinnen in der Lage sind, die tatsächliche Qualifikation von Rechtsanwältin B. darzutun (vgl. auch OLG Nürnberg, a.a.O., 1986).

b) Aus den Darlegungen der Verfügungsbeklagten ergibt sich aber nicht, dass Rechtsanwältin B. die (hohen) Erwartungen erfüllt, die bei dem angesprochenen Verkehrskreis des rechtsuchenden Publikums durch die Bezeichnung „Spezialistin“ geweckt werden. Hierzu kann auf die Ausführungen zu § 7 Abs. 1 Satz 2 BORA (s. o. 1.a)) verwiesen werden, denn aus § 7 BORA und § 5 UWG ergeben sich keine unterschiedlichen Maßstäbe, vielmehr wurde mit § 7 Abs. 2 BORA in der Sache lediglich das Irreführungsverbot des § 5 UWG in die BORA übernommen (vgl. Kleine-Cosack, AnwBl. 2005, 275, 277; Hartung-Römermann, a.a.O., § 7 BerufsO Rn. 85 und 43).

3. Die wettbewerbsrechtliche Untersagung der beanstandeten Bezeichnung ist auch verfassungsrechtlich unbedenklich. Das Grundrecht der Berufsfreiheit in Verbindung mit dem übermaßverbot steht einem Verbot von Angaben über spezielle Qualifikationen nicht entgegen, wenn diese irreführend sind (BVerfG NJW 2004, 2656, 2657f und BVerfG NJW 2002, 1331 - zu ärzten; jeweils m.w.N.). Dies ist nach dem Gesagten der Fall.

Auch soweit nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts (NJW 2005, 2656, 2658) eine Irreführungsgefahr nur angenommen werden kann, wenn der Betreffende „im allgemeinen Wortsinn kein Spezialist wäre“, hält sich vorliegend die Untersagung im Rahmen des übermaßverbots, denn genau dies ist bei Rechtsanwältin B. nach dem oben zu 1. a) aa) Gesagten der Fall.




III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich um vom Landgericht gem. § 147 ZPO verbundene Verfahren zweier Verfügungsklägerinnen handelt. Bei mehreren Klägern ist von dem Beteiligten mit dem höchsten Interesse auszugehen und ein Zuschlag zu machen, der dem Interesse der übrigen Kläger entspricht, den titulierten Anspruch ggf. selbständig geltend machen zu können (BGH GRUR 1998, 958 und GRUR 2003, 358, 359; Senat, Beschluss vom 25.04.1988 - 2 W 2/88, Kurzwiedergabe in WRP 1988, 632; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 12 UWG Rn. 5.11; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kap. 49 Rn. 24). Hier erscheint es angemessen, einen Zuschlag zu einem der jeweils gleich zu bewertenden Anträge eines der Verfügungsklägerinnen von 50 % zu machen.

Den Streitwert für die erste Instanz hat der Senat gem. § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG entsprechend abgeändert.

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