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Amtsgericht Karlsruhe Urteil vom 12.10.2007 - 12 C 169/07 - Zum Widerrufsrecht bei Abgabe eines subventionierten Handys bei Abschluss eines Telefonprovidervertrages

AG Karlsruhe v. 12.10.2007: Zur Subventionierung eines Mobilfunkvertrages durch Erlass des Kaufpreises für ein Handy


Das Amtsgericht Karlsruhe (Urteil vom 12.10.2007 - 12 C 169/07) hat entschieden:

   Zwar liegt in der konkreten Vertragsgestaltung (Erlass des Kaufpreises mit Blick auf die während der Vertragslaufzeit des Mobilfunkvertrages auflaufenden Grundgebühren) weder ein Verbraucherdarlehensvertrag im Sinne des § 491 BGB noch eine sonstige Finanzierungshilfe im Sinne des § 499 BGB oder ein Teilzahlungsgeschäft im Sinne des § 501 BGB. Jedoch erstreckt sich in Vertragsgestaltungen wie der vorliegenden das auf den Kaufvertragsteil bezogene Teil-Widerrufsrecht nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB auch auf den Mobilfunk-Teil. Denn im Regelfall hat der Verbraucher - erkennbar - am Mobilfunkvertrag nur in Verbindung mit dem zugleich geschlossenen, subventionierten Handy-Kaufvertrag Interesse.

Siehe auch
Widerrufsrecht
und
Mobiltelefone


Zum Sachverhalt:

Die Klägerin machte Vergütungsansprüche für Telekommunikationsdienstleistungen geltend. Die Klägerin bietet Mobilfunkverträge an. Anfang Mai 2006 schloss der Beklagte zwei Mobilfunkverträge mit der Klägerin zu einer Laufzeit von jeweils 24 Monaten ab, vermittelt über die Internet-Händlerin G. Die Mobilfunkverträge wurden am 15.05.2006 freigeschaltet und der Beklagte nahm sie für Telefonverbindungen in Anspruch. Am 26.05.2006 widerrief der Beklagte sowohl gegenüber der G. als auch gegenüber der Klägerin seine Vertragserklärungen.

Die Klägerin akzeptierte den Widerruf nicht und stellte Gesprächsgebühren sowie die monatlichen Grundgebühren in Rechnung; nachdem der Beklagte über mehrere Monate nicht zahlte, stellte sie auch die Gebühren für die Vertragsrestlaufzeit in Rechnung. Insgesamt ergab sich ein Betrag von 1 000,83 €.

Die Klägerin machte geltend, der Beklagte sei zur Zahlung der Rechnungen verpflichtet. Das Widerrufsrecht des Beklagten hinsichtlich der Mobilfunkverträge sei durch Freischaltung und Inanspruchnahme von Kommunikationsdienstleistungen erloschen. Es liege auch kein Fall eines verbundenen Geschäftes vor.

Die Klägerin hat beantragt,

   den Beklagten zu verurteilt, an die Klägerin 1 000,83 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.03.2007 sowie 15,00 € vorgerichtliche Mahnkosten und 75,25 € Verzugsschaden und 0,55 € Auskunftskosten zu zahlen.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Er machte geltend, er sei zum Widerruf berechtigt gewesen, weil die Mobilfunkverträge mit einem Kaufvertrag verbunden gewesen seien. Er habe zugleich mit den Mobilfunkverträgen bei der Firma G. ein Notebook sowie zwei Mobilfunktelefone zum Preis von insgesamt 757,- € gekauft; der Kaufpreis sei mit Blick auf die Monatsgebühren der Mobilfunkverträge auf Null reduziert worden.

Die Klage blieb bis einen geringen Betrag für vermittelte Telefonate erfolglos.





Aus den Entscheidungsgründen:


"Die zulässige Klage ist nur zu einem geringen Teil begründet. Die Klägerin kann nach Bereicherungsrecht Ersatz für die bis zum Widerruf angefallenen Grund- und Gesprächsgebühren verlangen, §§ 812, 816 BGB. Weitere Gebühren stehen der Klägerin nicht zu, weil der Beklagte die Mobilfunkverträge wirksam widerrufen hat, §§ 312d, 139 BGB.

Zwar war das für die Mobilfunkverträge gesondert bestehende Widerrufsrecht durch Freischaltung nach § 312d Abs. 3 Nr. 2 BGB erloschen; dies stellt auch der Beklagte nicht in Frage. Jedoch ergab sich aus dem zugleich abgeschlossenen Kaufvertrag mit der Firma G. über ein Notebook und zwei Mobilfunktelefone ein eigenes Widerrufsrecht, das sich nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB auch auf das hier streitgegenständliche Mobilfunkverhältnis erstreckte.

Das Gericht ist zunächst überzeugt davon, dass der Beklagte die beiden streitgegenständlichen Mobilfunkverträge zusammen mit einem Kaufvertrag über ein Notebook und zwei Mobilfunktelefone bei der Firma G. abschloss. Dies ergibt sich aus den vom Beklagten vorgelegten Vertragsunterlagen, insbesondere dem Lieferschein vom 09.05.2006 (AS 75), der sowohl die Kaufgegenstände als auch die Mobilfunkverträge einheitlich aufführt. Ohnehin durfte sich die Klägerin insoweit nicht auf ein - prozessual unzulässiges - Bestreiten mit Nichtwissen beschränken, § 138 ZPO, weil die Mobilfunkverträge auch nach dem Vortrag der Klägerin über die Firma G. als Vertreterin der Klägerin abgeschlossen wurden (vgl. Anlage K 1 zu Ziffer 8 „Händlerangaben“ = AS 29), sodass sich die Klägerin deren Wissen zurechnen lassen muss, § 166 BGB.



Für den Kaufvertrag bestand ein eigenes Widerrufsrecht, das der Beklagte am 26.05.2006 ausgeübt hat. Dieser Widerruf erstreckte sich auch auf die streitgegenständlichen Mobilfunkverhältnisse. Zwar liegt in der konkreten Vertragsgestaltung (Erlass des Kaufpreises mit Blick auf die während der Vertragslaufzeit des Mobilfunkvertrages auflaufenden Grundgebühren) weder ein Verbraucherdarlehensvertrag im Sinne des § 491 BGB noch eine sonstige Finanzierungshilfe im Sinne des § 499 BGB oder ein Teilzahlungsgeschäft im Sinne des § 501 BGB (vgl. Köhler JR 2006, 489/491 f.; Graf von Westphalen/Grote/Pohle, Telefondienstvertrag, 2001, Seite 193; anders - für eine unmittelbare Anwendung der §§ 491 ff. BGB - Limbach ZGS 2006, 332). Jedoch erstreckt sich in Vertragsgestaltungen wie der vorliegenden das auf den Kaufvertragsteil bezogene Teil-Widerrufsrecht nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB auch auf den Mobilfunk-Teil (vgl. Münchner Kommentar zum BGB/Wendehorst, 5. Aufl., § 312d Rdnr. 102; Palandt, 66. Aufl., § 139 BGB Rdnr. 6; Schöpflin BB 1997, 106/111 f.; im Ergebnis ebenso: Graf von Westphalen/Grote/Pohle, aaO. Seite 252 mwN.; AG Staufen CR 1999, 234; AG Osnabrück MMR 1998, 520; anders AG Düsseldorf MMR 2000, 177). Denn im Regelfall hat der Verbraucher - erkennbar - am Mobilfunkvertrag nur in Verbindung mit dem zugleich geschlossenen, subventionierten Handy-Kaufvertrag Interesse. Auch der BGH geht - im wettbewerbsrechtlichen Zusammenhang der Zugabeverordnung - von einer „Funktionseinheit“ von Mobiltelefon-Kauf und Netzzugang aus; auch wenn es möglich ist, Mobiltelefone ohne Kartenvertrag zu erwerben und Kartenverträge ohne gleichzeitigen Erwerb eines Mobiltelefons zu schließen, müssen doch die meisten Erwerber eines Mobiltelefons einen Netzkartenvertrag abschließen, um das Telefon überhaupt in der beabsichtigten Weise einsetzen zu können. Dies hat in der Praxis dazu geführt, dass in der Regel das eine nicht ohne das andere angeboten wird. Unter diesen Umständen liegt die Annahme einer Gesamtleistung bestehend aus dem Mobiltelefon und dem für den Betrieb notwendigen Netzzugang nahe. Ohne Bedeutung ist dabei die Aufspaltung in zwei Rechtsgeschäfte (auch mit zwei verschiedenen Vertragspartnern); denn mit rechtlichen Erwägungen hält sich der Verkehr nicht auf. Da dem Publikum geläufig ist, dass Mobiltelefone einen nicht unerheblichen Wert haben und ein Kaufmann ein solches Gerät nicht ohne weiteres verschenkt, erkennt es auch, dass der Erwerb des Mobiltelefons letztlich mit den Gegenleistungen finanziert werden muss, die im Rahmen des Netzkartenvertrags zu erbringen sind ( BGHZ 139, 368; Steinhöfel GRUR 1998, 27/29). Im vorliegenden Fall wird dies besonders deutlich, weil der Lieferschein vom 09.05.2006 (AS 75) einheitlich sowohl die Kaufgegenstände als auch die Mobilfunkverträge aufführt und einen gemeinsamen Kaufpreis nennt. Selbst in der Widerrufsbestätigung der Firma G. vom 07.06.2006 (AS 77) wird der Beklagte zur “Rückgabe“ auch der Mobilfunkverträge aufgefordert. Ferner ist nach Ziffer 4.3.2 der AGB der Firma G. (Anlage zum Schriftsatz vom 13.08.2007 = AS 115) der Widerruf des Mobilfunkvertrages, wenn die Ware nur im Zusammenhang mit einem Mobilfunkvertrag geliefert wurde, gleichzeitig ein Widerruf der Vertragserklärung zum Abschluss des Kaufvertrages. Wenn aber schon nach den Vertragsbedingungen der Kaufvertrag auf diese Weise an den Mobilfunkvertrag gekoppelt wird, muss umgekehrt dasselbe gelten: Auch der Mobilfunkvertrag ist an den Kaufvertrag gekoppelt.

Die Klägerin kann insoweit auch nicht geltend machen, dass der Einheitlichkeitswille für sie nicht erkennbar gewesen sei: Denn da sie sich zum Abschluss der Mobilfunkverträge der Firma G. als Händlerin bediente, muss sie sich deren Wissen zurechnen lassen, § 166 BGB.

Rechtsfolge des Gesamt-Widerrufs ist, dass die bereits erbrachten Teilleistungen nach Bereicherungsrecht, §§ 812 ff. BGB, abzuwickeln sind (Münchner Kommentar/Wendehorst aaO.). Der Beklagte muss daher die Grund- und Gesprächsgebühren bis zum Widerruf am 26.05.2006 ausgleichen. Er schuldet damit die Positionen aus den beiden Rechnungen vom 22.05.2006 (AS 31 und 33), hinsichtlich der monatlichen Grundgebühr allerdings jeweils nur den auf die Zeit vom 22. bis 26.05.2006 entfallenden Anteil von 2,75 € netto; daraus ergibt sich für die Rechnung für das Telefon mit der Nummer -51 ein Bruttobetrag von 14,81 € und für das Telefon mit der Nummer -52 14,47 €. Ferner schuldet der Beklagte die Gesprächsgebühren aus den Rechnungen vom 22.06.2006 (AS 35 und 37) von 7,98 € bzw. 1,86 € brutto. Dies ergibt insgesamt den ausgeurteilten Betrag von 39,12 €. ..."

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