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BGH (Beschluss vom 02.10.2008 - I ZB 96/07 - Keine Erstattung der Reisekosten eines auswärtigen Anwalts bei Beauftragung durch Wettbewerbsverein
BGH v. 02.10.2008: Keine Erstattung der Reisekosten eines auswärtigen Anwalts bei Beauftragung durch Wettbewerbsverein
Der BGH (Beschluss vom 02.10.2008 - I ZB 96/07) hat entschieden:
Beauftragt ein rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG; § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UKlaG) oder eine qualifizierte Einrichtung, die in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen ist (§ 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG; § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UKlaG), einen nicht am Ort des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalt mit der Verfolgung eines Wettbewerbsverstoßes (§ 3 UWG) bzw. eines Verstoßes gegen die §§ 307 bis 309 BGB (§ 1 UKlaG) oder gegen Verbraucherschutzgesetze (§ 2 UKlaG), zählen die Reisekosten dieses Rechtsanwalts zum Prozessgericht nicht zu den notwendigen Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.
Siehe auch Abmahnkosten - Streitwert - Beauftragung eines Rechtsanwalts und Stichwörter zum Thema Abmahnung
Aus den Entscheidungsgründen:
"I.
Der Kläger ist ein in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung wahrzunehmen. Der Kläger nahm die Beklagte in einem wettbewerbsrechtlichen Streit gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3, § 3 UWG auf Unterlassung in Anspruch. Im Termin vor dem Landgericht Bonn war der in Potsdam ansässige Kläger durch einen in Berlin niedergelassenen Prozessbevollmächtigten vertreten. Nachdem die Beklagte den Unterlassungsanspruch anerkannt hatte, erging ein Anerkenntnisurteil, in dem das Landgericht der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegte.
Im Kostenfestsetzungsverfahren hat der Kläger - soweit im Rechtsbeschwerdeverfahren von Bedeutung - beantragt, auch die Reisekosten seines Berliner Prozessbevollmächtigten zum Verhandlungstermin in Bonn einschließlich eines Tage- und Abwesenheitsgeldes in Höhe von insgesamt 421,26 € festzusetzen. Das Landgericht hat insoweit lediglich 25 € ersparte Kosten für die sonst notwendige Unterrichtung eines Rechtsanwalts am Prozessort als erstattungsfähig anerkannt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Kläger weiterhin die Festsetzung der Reisekosten seines Prozessbevollmächtigten in der von ihm geltend gemachten Höhe.
II.
Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch ansonsten zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
1. Das Beschwerdegericht hat ebenso wie das Landgericht lediglich fiktive Kosten in Höhe von 25 € für die Information eines Prozessbevollmächtigten am Sitz des Prozessgerichts als erstattungsfähig anerkannt, die sonst notwendig gewesen wäre. Hierzu hat es ausgeführt:
Die Reisekosten des auswärtigen Rechtsanwalts zum Prozessgericht stellten keine notwendigen Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dar. Der Kläger müsse als Verbraucherverband im Sinne des § 4 UKlaG in der Regel wie ein Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung in der Lage sein, einen Prozessbevollmächtigten am Sitz des Prozessgerichts schriftlich oder telefonisch zu instruieren. Der Kläger könne seine satzungsgemäße Aufgabe, Verbraucher rechtlich zu beraten, nur durch juristisch entsprechend ausgebildete Mitarbeiter erfüllen und beschäftige neben einem Diplom-Juristen und einem weiteren juristischen Mitarbeiter zwei Volljuristen mit zweitem Staatsexamen. Unter diesen Umständen könne er sich nicht darauf berufen, dass diesen Mitarbeitern andere Aufgaben zugewiesen seien und er deshalb entgegen den gesetzlichen Anforderungen personell nicht in der Lage sei, seine satzungsgemäßen Aufgaben sachgerecht zu erfüllen.
2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Die Erstattungsfähigkeit der Reisekosten hängt davon ab, ob es für den Kläger notwendig war, einen Rechtsanwalt mit der Prozessvertretung zu beauftragen, der nicht am Ort des Prozessgerichts, sondern in Berlin ansässig ist (§ 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO). Diese Frage hat das Beschwerdegericht zutreffend verneint.
a) Allerdings handelt es sich im Allgemeinen um notwendige Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung, wenn eine vor einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei einen an ihrem Wohn- oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragt. Eine Ausnahme besteht indessen, wenn schon im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts feststeht, dass ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozessführung nicht erforderlich sein wird (BGH, Beschl. v. 18.12.2003 – I ZB 18/03, GRUR 2004, 448 = WRP 2004, 495 - Auswärtiger Rechtsanwalt IV; Beschl. v. 21.9.2005 - IV ZB 11/04, NJW 2006, 301, 303).
aa) Dies ist unter anderem regelmäßig dann der Fall, wenn es sich bei der fraglichen Partei um ein gewerbliches Unternehmen handelt, das über eine eigene, die Sache bearbeitende Rechtsabteilung verfügt. In einem solchen Fall ist davon auszugehen, dass die sachkundigen Mitarbeiter der Rechtsabteilung den Rechtsstreit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vorbereiten und die Partei daher in der Lage sein wird, einen am Sitz des Prozessgerichts ansässigen Prozessbevollmächtigten umfassend schriftlich zu instruieren. Anders verhält es sich allerdings dann, wenn das gewerbliche Unternehmen über keine Rechtsabteilung verfügt oder zwar über eine Rechtsabteilung verfügt, diese aber für den Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung nicht mit der schriftlichen Instruktion auswärtiger Rechtsanwälte betraut hat. Solche Unternehmen müssen sich nicht so behandeln lassen, als ob sie eine Rechtsabteilung hätten oder als ob ihre Betriebsorganisation auf die schriftliche Unterrichtung wechselnder Rechtsanwälte am jeweiligen Gerichtssitz eingerichtet wäre. Für ein Unternehmen besteht keine Obliegenheit oder gar Verpflichtung, eine entsprechende interne Organisation vorzusehen oder vorzuhalten. Die Verfolgung von Rechtsverstößen - auch solchen gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb - gehört nicht zu den originären Aufgaben eines kaufmännischen Unternehmens (vgl. BGH NJW 2006, 301, 303; Beschl. v. 28.6.2006 - IV ZB 44/05, NJW 2006, 3008 Tz. 9 ff.; Beschl. v. 23.1.2007 - I ZB 42/06, GRUR 2007, 1289 Tz. 15 = WRP 2007, 957 - Auswärtiger Rechtsanwalt VI; Urt. v. 8.5.2008 - I ZR 83/06, GRUR-RR 2008, 928 Tz. 13 ff. = WRP 2008, 1188 - Abmahnkostenersatz; Urt. v. 17.7.2008 - I ZR 219/05, GRUR 2008, 1449 Tz. 36 = WRP 2008, 1449 - Clone-CD).
bb) Rechtsfähige Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG; § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UKlaG) und qualifizierte Einrichtungen, die - wie der Kläger - in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen sind (§ 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG; § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG), sind wie Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung zu behandeln. Solche Verbände und Einrichtungen müssen personell, sachlich und finanziell so ausgestattet sein, dass sie auch ohne anwaltlichen Rat in der Lage sind, in typischen und durchschnittlich schwierigen Fällen Wettbewerbsverstöße (§ 3 UWG) bzw. Verstöße gegen die §§ 307 bis 309 BGB (§ 1 UKlaG) und gegen Verbraucherschutzgesetze (§ 2 UKlaG) zu erkennen und zu verfolgen. Sie müssen daher regelmäßig in der Lage sein, einen Prozessbevollmächtigten am Sitz des Prozessgerichts schriftlich und telefonisch zu instruieren (BGH GRUR 2004, 448 - Auswärtiger Rechtsanwalt IV; BGH NJW 2006, 301, 303). Solchen Verbänden und Einrichtungen steht - anders als gewerblichen Unternehmen - insoweit nicht frei, wie sie sich intern organisieren. Die Verfolgung von Gesetzesverstößen im Sinne der § 3 UWG, §§ 1, 2 UKlaG gehört zu den ihnen vom Gesetz zugewiesenen Aufgaben. Ihre Klage- und Anspruchsbefugnis hängt davon ab, dass sie nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, in typischen und durchschnittlich schwierigen Fällen derartige Gesetzesverstöße zu erkennen und zu verfolgen. Ihnen ist es daher zwar unbenommen, einen Prozessbevollmächtigten mit der Verfolgung solcher Verstöße zu betrauen. Sie können sich aber im Rahmen der Kostenerstattung regelmäßig nicht darauf berufen, es sei ihnen nicht möglich gewesen, einen Prozessbevollmächtigten am Sitz des Prozessgerichts schriftlich oder telefonisch zu instruieren. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Verband oder die Einrichtung sich zu einer solchen Unterrichtung eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten nicht in der Lage sieht, weil hierfür keine qualifizierten Mitarbeiter beschäftigt oder die hierfür an und für sich qualifizierten Mitarbeiter anderweitig eingesetzt werden (a.A. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.12.2006 - 20 W 86/06, juris Tz. 9).
cc) Diese Beurteilung des Regelfalls schließt es allerdings nicht aus, die Mehrkosten, die durch die Zuziehung eines am Sitz des Verbandes oder der Einrichtung ansässigen Rechtsanwalts entstehen, ausnahmsweise dann als notwendig anzuerkennen, wenn dargetan wird, dass zum Zeitpunkt der Beauftragung des Anwalts eine persönliche Kontaktaufnahme unverzichtbar erschien (BGH GRUR 2004, 448 - Auswärtiger Rechtsanwalt IV; NJW 2006, 301, 303).
b) Nach diesen Maßstäben ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht die im Zusammenhang mit der Reise zum Prozessgericht in Bonn entstandenen Auslagen des Berliner Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht als notwendige Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung anerkannt hat. Der Kläger verfügt, wie auch die Rechtsbeschwerde einräumt, über juristische Mitarbeiter, die zur schriftlichen oder telefonischen Information auswärtiger Prozessbevollmächtigter in der Lage sind. Diese Mitarbeiter sind nach Lage der Dinge auch mit der Prüfung von Wettbewerbsverstößen befasst. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass im Streitfall ausnahmsweise ein persönliches Gespräch der Mitarbeiter des Klägers mit dem Prozessbevollmächtigten erforderlich gewesen wäre. Unter diesen Umständen ist es kostenrechtlich nicht zu billigen, dass der Kläger nicht einen am Ort des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalt mit der Prozessvertretung beauftragt hat. ..."