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BGH (Beschluss vom 24.02.2005 - III ZB 36/04 - Unternehmereigenschaft eines Existenzgründers
BGH v. 24.02.2005: Unternehmereigenschaft eines Existenzgründers
Der BGH (Beschluss vom 24.02.2005 - III ZB 36/04) hat entschieden:
Unternehmer- (§ 14 BGB) und nicht Verbraucherhandeln (§ 1031 Abs. 5 Satz 1 ZPO i.V.m. § 13 BGB) liegt schon dann vor, wenn das betreffende Geschäft im Zuge der Aufnahme einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit (sogenannte Existenzgründung) geschlossen wird.
Siehe auch Wettbewerbsverstöße - Unlauterer Wettbewerb - Wettbewerbsverbote und Verbrauchereigenschaft - Unternehmereigenschaft
Aus den Entscheidungsgründen:
"I.
Die Antragstellerin war angestellte Ärztin an einem Krankenhaus. Sie wollte sich als Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe selbständig machen. Zu diesem Zweck erwarb sie am 23. April 2002 einen Praxisanteil von Dr. K., der zusammen mit dem Antragsgegner eine Gemeinschaftspraxis betrieb. Ferner schloß sie am 29. Mai 2002 einen Gemeinschaftspraxisvertrag mit dem Antragsgegner. Die Antragstellerin war damals - bis zum 30. Juni 2002 - noch angestellte Assistenzärztin; sie wurde zum 1. Juli 2002 als Vertragsärztin zugelassen.
Im Juni 2003 kündigte der Antragsgegner den mit der Antragstellerin bestehenden Gemeinschaftspraxisvertrag und verlangte die Zahlung einer Abfindung. Die Antragstellerin war dazu nicht bereit. Der Antragsgegner leitete wegen dieser Streitigkeit ein Schiedsverfahren ein. Er stützt sich auf § 29 des Gemeinschaftspraxisvertrages, wonach alle Streitigkeiten aus dem Vertrag unter Ausschluß des ordentlichen Rechtsweges von einem Schiedsgericht entschieden werden. Die Antragstellerin hält das Schiedsverfahren für unzulässig. Die Schiedsklausel im Gemeinschaftspraxisvertrag sei unwirksam. Sie, die Antragstellerin, sei bei Abschluß des Gemeinschaftspraxisvertrages Verbraucherin gewesen. Der Schiedsvertrag habe deshalb nicht - wie hier - in einer Klausel in einem Vertrag, sondern in einer besonderen, von den Parteien eigenhändig unterzeichneten Urkunde, die nur sich auf das schiedsrichterliche Verfahren bezogene Vereinbarungen habe enthalten dürfen, getroffen werden können.
Die Antragstellerin hat beantragt,
festzustellen, daß das von dem Antragsgegner nach § 29 des Gemeinschaftspraxisvertrages eingeleitete Schiedsverfahren unzulässig ist. Das Oberlandesgericht hat diesen Antrag zurückgewiesen und - auf Antrag des Antragsgegners - festgestellt, daß die zwischen den Parteien mit Gemeinschaftspraxisvertrag vom 29. Mai 2002 unter § 29 vereinbarte Schiedsklausel wirksam ist. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren Antrag weiter.
II.
1. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 1065 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Denn die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
2. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Oberlandesgericht (veröffentlicht in NJW 2004, 3192) hat ohne Rechtsfehler die Zulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens festgestellt (§ 1032 Abs. 2 ZPO). Die Parteien haben in § 29 des - beiderseits unterzeichneten, schriftlichen - Gemeinschaftspraxisvertrages vom 29. Mai 2002 eine formwirksame Schiedsvereinbarung in Gestalt einer Schiedsklausel getroffen (§ 1029 Abs. 1, 2 Fall 2, § 1031 Abs. 1 Fall 1 ZPO). Die bei Beteiligung eines Verbrauchers geltenden strengeren Formvorschriften (vgl. § 1031 Abs. 5 ZPO) - die hier unstreitig nicht erfüllt sind - greifen nicht Platz. Denn die Antragstellerin war bei Abschluß des Gemeinschaftspraxisvertrages nicht Verbraucher im Sinne des § 1031 Abs. 5 Satz 1 ZPO; für den Antragsgegner ist dies ohnehin außer Streit.
a) Verbraucher im Sinne des § 1031 Abs. 5 Satz 1 ZPO (geltender Fassung) i.V.m. § 13 BGB ist eine natürliche Person, die bei dem Geschäft, das Gegenstand der Streitigkeit ist, zu einem Zweck handelt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. So lautete auch die ursprünglich in § 1031 Abs. 5 Satz 3 ZPO - in der Neufassung durch das am 1. Januar 1998 in Kraft getretene Gesetz zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts (Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz) vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3224) - bestimmte Legaldefinition. Der Wortlaut ging auf einen Vorschlag des Bundesrates zurück, der sich seinerseits an dem Verbraucherbegriff des Art. 2 lit. b der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABlEG Nr. L 95 vom 21. April 1993 S. 29: "Verbraucher: Eine natürliche Person, die bei Verträgen, die unter diese Richtlinie fallen, zu einem Zweck handelt, der nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann") orientierte (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts BT-Drucks. 13/5274 S. 73 und S. 76 ).
§ 1031 Abs. 5 Satz 3 ZPO in der Fassung des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes wurde zwar durch Art. 9 Nr. 7 des Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro vom 27. Juni 2000 (BGBl. I S. 897) mit Wirkung vom 30. Juni 2000 aufgehoben. Die Vorschrift wurde zugunsten der durch dieses Gesetz (Art. 2 Abs. 1 Nr. 1) neu in das BGB eingefügten Verbraucherdefinition (§ 13 BGB), die grundsätzlich Gültigkeit für das gesamte Zivil- und Zivilverfahrensrecht haben sollte (vgl. Schmidt-Räntsch in Bamberger/Roth, BGB 2003 § 13 Rn. 12), aufgegeben (vgl. Begründung der Bundesregierung zu dem Entwurf eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro BT-Drucks. 14/2658 S. 29, 47 f ; Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem vorgenannten Gesetzentwurf BT-Drucks. 14/3195 S. 27 f, 37). Inhaltliche Änderungen sollten sich dadurch aber nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers nicht ergeben (vgl. BT-Drucks. 14/3195 S. 37).
b) Unternehmer- (§ 14 BGB) und nicht Verbraucherhandeln (§ 1031 Abs. 5 Satz 1 ZPO i.V.m. § 13 BGB) liegt schon dann vor, wenn das Geschäft, das Gegenstand der Streitigkeit ist, im Zuge der Aufnahme einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit (sogenannte Existenzgründung) geschlossen wird (h.M.: OLG Rostock OLGR 2003, 505, 506 ff ; OLG Oldenburg NJW-RR 2002, 641 f ; s. auch BGH, Urteil vom 4. Mai 1994 - XII ZR 24/93 - NJW 1994, 2759 f ; Staudinger/Weick, BGB Neubearb. 2004 § 13 Rn. 55 ff <60>; Soergel/Pfeiffer, BGB 13. Aufl. 2002 § 13 Rn. 35; Erman/Saenger, BGB 11. Aufl. 2004 § 13 Rn. 16 und § 14 Rn. 14; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz 9. Aufl. 2001 § 24a Rn. 25; in diesem Sinne auch MünchKommZPO/Münch 2. Aufl. 2001 § 1031 Rn. 23; a.A. OLG Koblenz NJW 1987, 74 ; OLG Nürnberg OLGR 2003, 335 f ; s. auch OLG München NJW-RR 2004, 913, 914 ; MünchKommBGB/Micklitz 4. Aufl. 2001 § 13 Rn. 38 ff und § 14 Rn. 22; Palandt/Heinrichs, BGB 64. Aufl. 2005 § 13 Rn. 3; Wolf in Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz 4. Aufl. 1999 Art. 2 RiLi Rn. 7).
aa) Nach dem Wortlaut der Verbraucherdefinition des § 13 BGB (i.V.m. § 1031 Abs. 5 Satz 1 ZPO) ist die - objektiv zu bestimmende - Zweckrichtung des Verhaltens entscheidend. Das Gesetz stellt nicht auf das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein geschäftlicher Erfahrung, etwa aufgrund einer bereits ausgeübten gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit, ab (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 1994 aaO S. 2760; OLG Rostock aaO S. 506 f; abweichend OLG Koblenz aaO). Es kommt vielmehr darauf an, ob das Verhalten der Sache nach dem privaten - dann Verbraucherhandeln - oder dem gewerblich-beruflichen Bereich - dann Unternehmertum - zuzuordnen ist (vgl. Schmidt-Räntsch in Bamberger/Roth aaO § 13 Rn. 9 und § 14 Rn. 10). Rechtsgeschäfte im Zuge einer Existenzgründung, z.B. die Miete von Geschäftsräumen, der Abschluß eines Franchisevertrags oder der Kauf eines Anteils an einer freiberuflichen Gemeinschaftspraxis, wie er hier vorlag, sind nach den objektiven Umständen klar auf unternehmerisches Handeln ausgerichtet.
bb) Es besteht ferner kein Anlaß, demjenigen Verbraucherschutz zu gewähren, der sich für eine bestimmte gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit entschieden hat und diese vorbereitende oder unmittelbar eröffnende Geschäfte abschließt. Denn er begibt sich damit in den unternehmerischen Geschäftsverkehr. Ein Existenzgründer agiert nicht mehr "von seiner Rolle als Verbraucher her" (so aber MünchKommBGB/Micklitz aaO § 13 Rn. 41). Er gibt dem Rechtsverkehr zu erkennen, daß er sich nunmehr dem Recht für Unternehmer unterwerfen und dieses seinerseits auch in Anspruch nehmen will (vgl. Staudinger/Weick aaO Rn. 60; OLG Oldenburg aaO S. 642).
cc) § 507 BGB bestimmt, daß die Vorschriften über Verbraucherdarlehen usw. auch für entsprechende Geschäfte zum Zweck der Aufnahme einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit gelten, allerdings nur bis zur Höhe von 50.000 €. Damit werden die Existenzgründer in dieser Beziehung und innerhalb dieser Begrenzung Verbrauchern gleichgestellt. Daraus ergibt sich im Umkehrschluß, daß der Gesetzgeber den Existenzgründer grundsätzlich nicht als Verbraucher ansieht (vgl. Soergel/Pfeiffer aaO § 13 Rn. 35 unter Hinweis auf die Materialien zur Schuldrechtsreform 2001 BT-Drucks. 14/6857 S. 32 f und 64 f ; Erman/Saenger aaO § 13 Rn. 16 und § 14 Rn. 14; OLG Rostock aaO S. 507 f; s. auch BGHZ 128, 156, 163 ; AnwKomm-BGB-Reiff, 2001 § 507 Rn. 1 f; a.A. Palandt/Heinrichs aaO; vgl. zudem Staudinger/Weick aaO Rn. 59).
dd) Die Auffassung, daß Existenzgründer nicht Verbraucher im Sinne des § 1031 Abs. 5 Satz 1 ZPO sind, steht schließlich in Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu vergleichbaren europarechtlichen Vorschriften. Dieser hat entschieden, daß die Art. 13 Abs. 1 und 14 Abs. 1 des Übereinkommens vom 27. September 1968 (BGBl. 1972 II S. 773) über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) in der Fassung des Übereinkommens vom 9. Oktober 1978 (BGBl. 1983 II S. 802) dahin auszulegen sind, daß ein Kläger, der einen Vertrag zum Zweck der Ausübung einer nicht gegenwärtigen, sondern zukünftigen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit geschlossen hat, nicht als Verbraucher angesehen werden kann (Urteil vom 3. Juli 1997 - C 269/95 Benincasa/Dentalkrit Srl. - JZ 1998, 896, 897 m. Anm. Mankowski). Das europarechtliche Verständnis des Verbraucherbegriffs kann für die Auslegung des § 1031 Abs. 5 Satz 1 ZPO herangezogen werden, weil diese Bestimmung - wie schon dargelegt - eine gemeinschaftsrechtliche Vorschrift zum Vorbild hatte (vgl. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit 6. Aufl. 2000 Kap. 5 Rn. 16; s. auch OLG Rostock aaO S. 506 f und OLG Oldenburg aaO S. 641).
c) Die Antragstellerin war Existenzgründerin im vorbeschriebenen Sinn. Mit Vertrag vom 23. April 2002 hatte sie den "Praxisanteil" von Dr. K., des früheren Sozius des Antragsgegners, erworben und sich damit entschieden, selbständig tätig zu sein. Der dann mit dem Antragsgegner geschlossene Gemeinschaftspraxisvertrag vom 29. Mai 2002 eröffnete der Antragstellerin die bald darauf begonnene freiberufliche - und damit unternehmerische (§ 14 BGB) - Tätigkeit als Ärztin. Sie kann daher bereits bei Abschluß dieses Vertrags nicht mehr als Verbraucherin angesehen werden; die Schiedsklausel in § 29 des Gemeinschaftspraxisvertrags unterlag nicht den verbraucherschützenden Formerfordernissen des § 1031 Abs. 5 ZPO. ..."