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BGH (Beschluss vom 17.09.2008 - III ZR 71/08 - Bei einer Ausrichtung auf den deutschen Markt sind deutsche Gerichte international zuständig

BGH v. 17.09.2008: Bei einer Ausrichtung auf den deutschen Markt sind deutsche Gerichte international zuständig


Der BGH (Beschluss vom 17.09.2008 - III ZR 71/08) hat entschieden:

   Die Zugänglichkeit einer nur passiven Website als solche und der Umstand, dass sich der Verbraucher des Angebots einer Dienstleistung oder der Möglichkeit, Waren zu kaufen, durch eine solche in seinem Mitgliedstaat zugängliche Website bewusst wird, ist nicht ausreichend, um den in einem anderen Vertragsstaat wohnenden Vertragspartner vor einem deutschen Gericht in Anspruch zu nehmen. Vielmehr ist erforderlich, dass diese Website auch zum Vertragsschluss im Fernabsatz auffordert, und dass tatsächlich ein Vertragsschluss im Fernabsatz erfolgt ist.




Siehe auch
Nationale und internationale Gerichtszuständigkeit und alternative Streitbeilegung
und
Rechtswahl - Internationales Privatrecht - Kollisionsrecht


Zum Sachverhalt:


Der in Deutschland wohnhafte Kläger beabsichtigte im Jahr 2001, zwei auf der Insel K.… gelegene Eigentumswohnungen zu erwerben. Anlässlich der Besichtigung der Wohnungen kam er mit der Eigentümerin auf deren Vorschlag überein, dass der Beklagte, ein ortsansässiger griechischer Rechtsanwalt, der über deutsche Sprachkenntnisse verfügt, bei der Abwicklung des Geschäfts Hilfe leisten sollte. Der Kaufvertrag scheiterte, weil die Eigentümerin die Eigentumswohnungen nicht mehr verkaufen wollte und der Beklagte es daraufhin ablehnte, von der ihm seitens der Eigentümerin erteilten Vollmacht zum Verkauf der Objekte Gebrauch zu machen.

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch, weil dieser es pflichtwidrig unterlassen habe, die Vollmacht zu nutzen. Er hält die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für gegeben, weil es sich um eine Verbrauchersache im Sinne des Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO handele; insbesondere habe der Beklagte dadurch, dass er auf der Internetseite der deutschen Botschaft in Athen, auf der Website des „immobilien-k. …“ sowie auf der Homepage dreier deutscher Rechtsschutzversicherungen als in Griechenland tätiger Rechtsanwalt aufgeführt sei, seine Tätigkeit auch auf die Bundesrepublik ausgerichtet.

Die Vorinstanzen haben die Klage als unzulässig abgewiesen, weil die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nicht begründet sei. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde.

Der Rechtsbehelf blieb erfolglos.





Aus den Entscheidungsgründen:


"Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Revisionsgerichts.

Beide Vorinstanzen haben im Ergebnis zu Recht die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte verneint.

1. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ist vorliegend nach Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO und nicht nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 EuGVÜ zu beurteilen. Maßgeblich für die Anwendbarkeit der jeweiligen Bestimmung ist gemäß Art. 66 Abs. 1 EuGVVO nicht der Zeitpunkt des Vertragsschlusses (hier: April 2001), sondern der Zeitpunkt der Klageerhebung (hier: Dezember 2005).

2. Zugunsten des Klägers kann unterstellt werden, dass zwischen den Parteien ein Geschäftsbesorgungsvertrag zustande gekommen ist, bei dem die anwaltliche Tätigkeit durch den Beklagen einen Schwerpunkt darstellte. Jedoch kann das für die Anwendbarkeit dieser Vorschrift erforderliche „Ausrichten“ der Betätigung des Beklagten als Rechtsanwalt auf die Bundesrepublik Deutschland nach den Umständen des Streitfalls nicht angenommen werden.




a) Kernstück der Neuregelung in Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO ist der Begriff des Ausrichtens einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers. Hierdurch sollte neben der gezielt auf den Wohnsitzstaat des jeweiligen Verbrauchers gerichteten Werbung vor allem auch der so genannte elektronische Handel über das Internet erfasst werden, bei dem ein Vertragsschluss auf ausschließlich elektronischem Wege zustande kommt. Insbesondere bei der Verwendung einer interaktiven Website, bei der der Verbraucher auf einer Website des Vertragspartners die von ihm gewünschten Leistungen bestellt, etwa durch Anklicken eines dort enthaltenen Symbols, besteht das Problem, dass oftmals kaum oder gar nicht zu klären wäre, wo diese Handlung vorgenommen worden ist. Zudem ist sie rechtlich nicht relevant für die Schaffung einer Verbindung zwischen dem Vertrag und dem Staat des Verbrauchers. Deshalb kommt es, anders als nach dem bisherigen Recht (Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. b EuGVÜ), auf den Ort des Vertragsschlusses oder der Vornahme der dafür erforderlichen Rechtshandlungen nicht an; nach Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO wird die notwendige Verbindung zum Staat des Verbrauchers schon dadurch geschaffen, dass dessen Vertragspartner seine Tätigkeit auf diesen Staat ausrichtet (vgl. Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 8. Aufl. 2005, Art. 15 EuGVVO, Rn. 23).

Allerdings sind die Zugänglichkeit einer nur passiven Website als solche und der Umstand, dass sich der Verbraucher des Angebots einer Dienstleistung oder der Möglichkeit, Waren zu kaufen, durch eine solche in seinem Mitgliedstaat zugängliche Website bewusst wird, nicht ausreichend, um den Kompetenztatbestand zu erfüllen (vgl. BGHZ 167, 83, 90 Rn. 28; BR-Drucks. 543/99, S. 16; Kropholler aaO, Rn. 23-25; MünchKommZPO/Gottwald, 3. Aufl. 2008, Art. 15 EuGVVO, Rn. 5; Hk-ZPO/Dörner, 2. Aufl. 2007, Art. 15 EuGVVO, Rn. 16; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl. 2004, Art. 15 EuGVVO, Rn. 38; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, 6. Aufl. 2007, § 3 Rn. 115; Hausmann EuLF 2000, 40, 45; a.A. Baumbach/Lauterbach, ZPO, 66. Aufl. 2008, Art. 15 EuGVVO Rn. 4). So heißt es auch in der zu Art. 15 EuGVVO abgegebenen gemeinsamen Erklärung des Rates und der Kommission (abgedruckt in IPRax 2001, 259, 261) ausdrücklich: „… In diesem Zusammenhang betonen der Rat und die Kommission, dass die Zugänglichkeit einer Website allein nicht ausreicht, um die Anwendbarkeit von Art. 15 zu begründen; vielmehr ist erforderlich, dass diese Website auch zum Vertragsschluss im Fernabsatz auffordert, und dass tatsächlich ein Vertragsschluss im Fernabsatz erfolgt ist, mit welchem Mittel auch immer …“.

Im Streitfall hat der Beklagte keine eigene Website unterhalten, sondern seine Kontaktadresse wird lediglich durch Dritte auf deren Homepage als Serviceleistung für die eigenen Kunden bzw. Staatsangehörigen mitgeteilt. Auch wenn er auf der Internetseite der deutschen Botschaft in Athen als deutschsprachiger, im Amtsbezirk der Botschaft niedergelassener Rechtsanwalt verzeichnet ist, auf der Internetseite des „immobilien-k.“ sowie auf der Homepage von drei deutschen Rechtsschutzversicherern aufgeführt ist, und die Annahme nahe liegt, dass seine Erwähnung jedenfalls auf der Homepage der deutschen Botschaft nicht ohne seine Kenntnis und Zustimmung erfolgt ist, bleibt diese Fallgestaltung noch hinter der des Unterhaltens einer (eigenen) passiven Website zurück.



b) Darüber hinaus ist für die Erfüllung des Merkmals des „Ausrichtens“ der gewerblichen Tätigkeit auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers erforderlich, dass er dort zum Vertragsschluss zumindest motiviert worden ist, auch wenn der Vertragsschluss selbst nicht in dem Wohnsitzstaat erfolgt (vgl.z.B. Dörner aaO Rn. 15). Anwendbar ist die Vorschrift, gerade im Hinblick auf ihren Ausnahmecharakter und die Notwendigkeit einer autonomen und engen Auslegung ihrer Voraussetzungen (vgl. hierzu EuGH NJW 1993, 1251; 2005, 653, 654, Rn. 32; jew. zu Art. 13 Abs. 1 EuGVÜ; Kropholler, aaO, Rn. 3; Dörner, aaO, Rn. 8) deshalb ersichtlich nicht, wenn ein Verbraucher auf Auslandsreisen „zufällig“ Verträge mit einem „Unternehmer“ abschließt (vgl. Schlosser, EUZivilprozessrecht, 2. Aufl. 2003, Art. 15 EuGVVO, Rn. 8a).

Danach kann auch deshalb kein Ausrichten im Sinne des Art. 15 Abs. 1 lit. c EuGVVO angenommen werden, weil der Kläger unstreitig nicht in Deutschland oder über das Internet auf den Beklagten aufmerksam geworden ist; er kannte nicht einmal die von ihm nunmehr in den Vordergrund gestellten Websites, auf denen der Beklagte verzeichnet ist. Der behauptete Vertrag mit dem Beklagten kam vielmehr zustande, weil die auf K. wohnende Eigentümerin ihn als Anwalt empfohlen, der Kläger nur dadurch gelegentlich seines Besuches in Griechenland von dem Beklagten erfahren hatte und unmittelbar nach einer Wohnungsbesichtigung vor Ort mit ihm zusammengetroffen ist. Würde man selbst bei dieser Sachlage noch ein „Ausrichten“ bejahen, würde diese Zuständigkeitsvorschrift ihren Ausnahmecharakter vollständig verlieren.

3. Die Nichterfüllung des Tatbestandmerkmals „Ausrichten“ ist so offensichtlich, dass weder die Zulassung der Revision zur Klärung der Rechtsfrage noch eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (vgl. dazu BGHZ 167, 83, 90, Rn. 30; 174, 273, 287, Rn. 34) geboten ist. ..."

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