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Landgericht Paderborn Urteil v. 03.04.2007 - 7 O 20/07 - Rechtsmissbräuchlihckeit einer Abmahnung

LG Paderborn v. 03.04.2007: Zur Rechtsmissbräuchlihckeit einer Abmahnung


Das Landgericht Paderborn (Urt. v. 03.04.2007 - 7 O 20/07) hat entschieden:

   Eine auf Verletzung von Informationspflichten im Internethandel gestützte lauterkeitsrechtliche Abmahnung ist rechtsmissbräuchlich, wenn der Abmahnende augenscheinlich massenhaft Abmahnungen versendet und der Verdacht nahe liegt, er wolle nicht sein Gewerbe vor unlauterem Wettbewerb schützen, sondern von den Abmahnungen selbst profitieren.




Siehe auch Rechtsmissbrauch - die rechtsmissbräuchliche Geltendmachung eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs in Abmahnung und Prozess und Stichwörter zum Thema Abmahnung


Zum Sachverhalt:


Die Parteien bieten gewerblich im Internet Computerkomponenten und Computerzubehör an. In diesem Zusammenhang bot der Antragsgegner am 5. Februar 2007 auf der Website der Firma ebay unter dem Verkäufernamen ... einen14 Zoll Multisync TFT Monitor des Herstellers NEC zum Kauf an. In einem Scroll-Fenster dazu war zu Widerrufsrechten zu lesen:

   Als Verbraucher können sie ihre Vertragserklärung innerhalb von 2 Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (zum Beispiel Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der Sache widerrufen.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass der Antragsgegner mit dieser Widerrufsbelehrung unlauteren Wettbewerb im Sinne der §§ 3, 4 Ziffer 11 UWG betrieben habe. Da bei den Internetangeboten des Antragsgegners der Kaufvertrag schon durch einseitigen Tastendruck des Kaufinteressenten zustande komme, müsse in diesem Augenblick die Erstbelehrung zum Widerrufsrecht gemäß § 312 c Abs. 1 S. 1 BGB erfolgt sein, und zwar in der in § 126 b BGB definierten Textform. Im Lichte der Rechtsprechung insbesondere des Kammergerichts Berlin und des Hamburger Oberlandesgerichts genüge die Widerrufsbelehrung des Antragsgegners den Textformanforderungen nicht. Das bedeute, dass in Ermangelung einer ordnungsgemäßen Erstbelehrung gemäß § 355 Abs. 2 S. 2 BGB eine Widerrufsfrist von 1 Monat zum Zuge komme.

Die Antragstellerin hat den Antragsgegner selbst mit Schreiben vom 5. Februar 2007 abgemahnt. Dieser hat die beigefügte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung, die in Ziffer 3 einen Aufwendungserstattung in Höhe von 200,00 € zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer vorsieht, nicht unterzeichnet. Die Antragstellerin begehrt daher nunmehr im Wege des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung,

   den Antragsgegner zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs über die Internethandelsplattform www.XXX.de den Abschluss entgeltlicher Verträge über Computerzubehör oder Computerkomponenten mit Verbrauchern anzubieten und/oder anbieten zu lassen und dabei über die Dauer der Widerrufsfrist mit zwei Wochen zu belehren.

Der Antragsgegner beantragt,

   den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Der Antragsgegner ist der Ansicht, keinen unlauteren Wettbewerb im Sinne der genannten Bestimmungen betrieben zu haben. Er meint, dass seine Widerrufsbelehrung am 5. Februar 2007 dem Textformerfordernis entsprochen habe. Insoweit müsse nämlich berücksichtigt werden, dass Angebote im ebay-Shop 90 Tage gespeichert würden.




Im übrigen machte der Antragsgegner geltend, dass die Antragstellerin rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG handele. Bei der Antragstellerin handele es sich um eine Vielfachabmahnerin, die selbst oder deren Anwälte bei ihren Abmahnungen schon den Überblick verloren hätten.


Aus den Entscheidungsgründen:


"... Dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung konnte nicht entsprochen werden. Zwar ist das Landgericht Paderborn in örtlicher Hinsicht zur Entscheidung berufen. Diese Zuständigkeit folgt schon aus § 39 ZPO, da der Antragsgegner mündlich zur Hauptsache verhandelt hat, ohne die Zuständigkeit zu rügen. Im vorliegenden Fall kann daher offen bleiben, ob beim Warenverkauf über das Internet der fliegende Gerichtsstand aus § 14 Abs. 2 UWG zur Anwendung gelangt.




Dem Begehren der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war deshalb nicht zu entsprechen, weil der Antragsgegner zu Recht den Missbrauchseinwand aus § 8 Abs. 4 UWG erhebt.

Die Antragstellerin gehört offensichtlich zum Kreis der Unternehmen, die sich nach Aufkommen der Rechtsprechung des Kammergerichts Berlin und des Oberlandesgerichts Hamburg zum Thema Textform mit Rechtsanwälten verbündet haben, um Internetseiten bei ebay etc. auf eventuelle Belehrungsdefizite zu durchsuchen und durch Abmahnungen die eigenen Einkünfte zu erhöhen.

So ist auf der Internetseite http://www.... zu lesen, dass die die als recht abmahnfreudig bekannte Antragstellerin jetzt dazu übergegangen sei, auch Händler abzumahnen, die über www. ..;. Elektronikwaren verkaufen. Eine exakte Übersicht über die außergerichtlich erledigten Abmahnungen der Antragstellerin und über die von ihr anhängig gemachten Gerichtsverfahren ist der Kammer naturgemäß verwehrt. Das folgt nicht zuletzt daraus, dass die Methode der Antragstellerin entsprechend den allgemeinen Gebräuchen im Abmahnwesen zum Internethandel dahin geht, die Inanspruchnahmen der Landgerichte zu streuen. Um den getätigten Rechtsmissbrauch nicht von vornherein evident zu machen, wird insbesondere das Landgericht, in dem man den Betriebssitz hat, nicht oder nur zurückhaltend mit Verfahren bedacht. Auch im vorliegenden Fall ist es aus der Sicht eines wirtschaftlich denkenden Unternehmers, der seine Einnahmen nicht durch Abmahnungen erzielen will, nicht verständlich, warum man sich bei der Antragstellerin die immerhin 102 km/h weite Fahrt nach Paderborn zumutet, obwohl es zum Landgericht ... nur 26 km/h sind.

Der Kammer ist, wie gesagt, zwar ein genauer Überblick über die Abmahntätigkeit die Antragstellerin verwehrt. Eine ausreichende Einschätzung wird ihr allerdings bereits ermöglicht durch die Akte hier und das weitere Verfahren .... Landgericht Paderborn. Aus diesen Akten folgt, dass die Antragstellerin derzeit insgesamt drei Anwaltsbüros im Abmahnwesen beauftragt hat. Das sind:

Die Rechtsanwälte ...., die die Antragstellerin im Verfahren hier vertreten.



Weiterhin zu nennen sind die Rechtsanwälte die in der Anlage 1 des Antragsgegners auftauchen.

Letztlich zu nennen sind noch die Rechtsanwälte ...., von denen als Anlage 4 des Antragsgegners ein Schriftsatz zur Akte gereicht ist. Die Rechtsanwälte .... vertreten die Antragstellerin auch im Verfahren .... Landgericht Paderborn, einer negativen Feststellungsklage wegen angeblich unberechtigter Abmahnung.

Der Inhalt dieser Akte bestätigt auch die Behauptung der Beklagten, dass man bei der Antragstellerin und ihren Anwälten im Massengeschäft den Überblick verloren hat. So heißt es nämlich in dieser Sache in der Klageerwiderung der Rechtsanwälte vom 22. März 2007 dass man mit gleicher Post Hauptsacheklage vor dem Landgericht Berlin erhoben habe. Die beigefügte Abschrift der Unterlassungsklage ist freilich adressiert an das Landgericht Hamburg.

Ein nennenswertes wirtschaftliches oder wettbewerbspolitisches Interesse der Antragstellerin an der Rechtsverfolgung ist ebenfalls nicht ersichtlich. Bei einigem Nachdenken sollte es ihr klar sein, dass sie keine Grafikkarte und keine Festplatte mehr verkaufen wird, wenn der Antragsgegner, soweit nicht bereits geschehen, seine Widerrufsbelehrungen der Rechtsprechung des Kammergerichts Berlin oder des OLG Hamburg anpasst.

Einer Entscheidung dazu, ob diese Rechtsprechung zum Begriff Textform zutreffend ist, enthält sich die Kammer ausdrücklich unter Hinweis darauf, dass das in Abmahnerkreisen bekannt gewordene Urteil des Landgerichts Paderborn vom 28. November 2006 - .... - von der 1. Kammer für Handelssachen erlassen worden ist. ..."

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