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OLG Düsseldorf Urteil vom 14.03.2007 - I-18 U 163/06 - Zur Unwirksamkeit der Klausel, eine Warenlieferung im Fernabsatzhandel bei einem Nachbarn abzuliefern

OLG Düsseldorf v. 14.03.2007: Zur Unwirksamkeit der Klausel, eine Warenlieferung im Fernabsatzhandel bei einem Nachbarn abzuliefern


Das OLG Düsseldorf (Urteil vom 14.03.2007 - I-18 U 163/06) hat entschieden:

   Ein Frachtführer darf das Frachtgut nicht anstelle des bestimmungsgemäßen Empfängers bei einem Nachbarn abliefern. Eine Klausel in Beförderungsbedingungen, die "Ersatzzustellung" bzw. eine "alternative" Zustellung an einen Nachbarn zulässt, ist unwirksam, weil die Zustellung an einen Dritten nach Wahl des Frachtführers die berechtigten Interessen des jeweiligen Vertragspartners missachtet.



Siehe auch
Transportrisiko
und
AGB


Aus den Entscheidungsgründen:


"... 1. Die Überlassung der sechs Pakete an D. M. war keine Ablieferung an den vertragsmäßigen Empfänger S. C., sondern ein Güterverlust i.S.d. § 425 Abs. 1 HGB.

Die einzige denkbare Grundlage für eine Befugnis der Beklagten, ihre Ablieferungspflicht mittels Überlassung an den weder vertraglich als Empfänger bestimmten noch vom Empfänger bevollmächtigten D. M. zu erfüllen, ist die Passage betreffend "Nachbarn" in Ziff. 10 Abs. 1 Satz 2 ihrer "Beförderungsbedingungen". Diese führt jedoch nicht zu dem von der Beklagten angenommenen Ergebnis.

a) Erstens ist die Klausel unwirksam.



Das folgt bereits aus ihrer fehlenden Klarheit und Verständlichkeit (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Wer genau unter die "Nachbarn" in diesem Sinne fallen soll, ist nicht erkennbar. Eine eigene Definition enthält das Klauselwerk nicht. Die Rechts- sowie die Umgangssprache verhelfen ebenfalls zu keiner verlässlichen Begriffsbestimmung. Das deutsche Recht versteht unter einem Nachbargrundstück gelegentlich nur ein angrenzendes (z.B. § 1 Abs. 3 Satz 1 NachbG NRW); in anderen Vorschriften können auch andere, gegebenenfalls räumlich weit entfernte darunter fallen (z.B. § 907 BGB, s. Palandt-Bassenge, § 907 BGB Rz. 1). Alltagssprachlich wird als Nachbar regelmäßig der Bewohner des angrenzenden (Einfamilienhaus-) Grundstücks bezeichnet. In ländlichen Verhältnissen wird die "Nachbarschaft" traditionell darüber hinaus gefasst (Online-Enzyklopädie Wikipedia, Stichwort "Nachbar"; Meyers Lexikon, Stichwort "Nachbarschaft"). Auf der anderen Seite gelten in städtischen Miet- und Mehrfamilienhäusern nur die Bewohner einer anderen Wohnung im selben Haus als Nachbarn, in sehr großen Wohnanlagen sogar nur die Bewohner der nahegelegenen - insbesondere auf derselben Etage befindlichen - Wohnungen, aber nicht die Bewohner der angrenzenden Häuser und schon gar nicht der Inhaber eines dort betriebenen Geschäfts.

Zudem benachteiligt die Klausel, gleich wie eng oder weit man sie versteht, den Absender inhaltlich unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB). Auch der Nachbar im engsten Sinne, der Bewohner des angrenzenden Einfamilienhausgrundstücks oder der neben der eigenen gelegenen Miet- bzw. Eigentumswohnung, ist ein Dritter, den der frachtbriefmäßige Empfänger sich nicht aussuchen konnte und mit dem ihn keineswegs zwingend eine persönliche Beziehung oder ein besonderes Vertrauensverhältnis verbindet; vielmehr ist es sowohl allgemein als auch speziell gerichtsbekannt, dass Nachbarn untereinander nicht selten gleichgültig oder sogar verfeindet sind. Nach Wahl des Frachtführers an einen solchen Dritten statt an den Empfänger zuzustellen, missachtet die berechtigten Interessen des Vertragspartners in grober Weise.

Die Beklagte macht zu Unrecht geltend, dass jedenfalls die Überlassung an einen Nachbarn, der Kaufmann ist und den Empfang der Sendung quittiert, ausreichen müsse. Das scheitert bereits am Verbot der geltungserhaltenden Reduktion unwirksamer allgemeiner Geschäftbedingungen, denn der Wortlaut "Nachbarn" ist, sprachlich ungetrennt, weiter. Zum anderen ist nicht ersichtlich, weshalb bei Kaufleuten im Unterschied zur sonstigen Bevölkerung kriminelles und dabei ungeschicktes Verhalten ausgeschlossen sein soll.

b) Zweitens lässt sich nicht einmal feststellen, dass D. M. ein Nachbar im Sinne der Klausel war.

Ob einem Mitbewohner des vertragsmäßigen Empfängers die Eigenschaft als "Nachbar" zukäme, braucht nicht entschieden zu werden. Die Beklagte behauptet selbst nicht, dass D. M. ein Mitbewohner von S. C. gewesen sei, sondern nur, dass er sich ihrem Auslieferungsfahrer und später ihren nachforschenden Mitarbeitern gegenüber als Mitbewohner ausgegeben habe, und stellt auch nur dies unter Beweis. Dass sich jemand fälschlich eine bestimmte Beziehung zum vertragsmäßigen Empfänger zulegt, berechtigt den Frachtführer aber keinesfalls zur Zustellung an ihn.

Die behauptete Inhaberschaft eines neben dem von S. C. bewohnten Apartmenthaus belegenen Ladengeschäfts begründet keine Nachbareigenschaft im Sinne der Klausel. Wie oben a) im Einzelnen ausgeführt wurde, ist der Begriff des "Nachbarn" nicht genau definiert und sein Kreis dabei im städtischen Bereich einerseits, im Verhältnis zwischen Wohn- und Geschäftsnutzern andererseits besonders klein. Jedenfalls liegt hier eine Unklarheit, die zu Lasten der Beklagten als der Klauselverwenderin gehen muss (§ 305c Abs. 2 BGB). ..."

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