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BGH Urteil vom 30.03.2006 - I ZR 24/03 - Bei Wettbewerbsverletzungen im Internet ist der Erfolgsort im Inland belegen, wenn sich der Internet-Auftritt bestimmungsgemäß dort auswirken soll

BGH v. 30.03.2006: Bei Wettbewerbsverletzungen im Internet ist der Erfolgsort im Inland belegen, wenn sich der Internet-Auftritt bestimmungsgemäß dort auswirken soll


Der BGH (Urteil vom 30.03.2006 - I ZR 24/03) hat entschieden:

   Nach Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, in einem anderen Vertragsstaat vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichsteht, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Unter die Zuständigkeit des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung nach Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ fallen Klagen aufgrund unerlaubter Wettbewerbshandlungen. Der Ort des schädigenden Ereignisses i.S. des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ ist neben dem Handlungsort auch der Erfolgsort, d.h. der Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist. Bei Wettbewerbsverletzungen im Internet ist der Erfolgsort im Inland belegen, wenn sich der Internet-Auftritt bestimmungsgemäß dort auswirken soll. Die Zuständigkeit hängt allerdings nicht davon ab, dass tatsächlich eine Verletzung des nationalen Rechts erfolgt ist. Es reicht vielmehr aus, dass eine Verletzung behauptet wird und diese nicht von vornherein ausgeschlossen ist.




Siehe auch Nationale und internationale Gerichtszuständigkeit und alternative Streitbeilegung und Stichwörter zum Thema Wettbewerb


Aus den Entscheidungsgründen:


"... 1. Anders als die Revision meint, ist im Streitfall eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gegeben. Die unter der Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfende internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte (vgl. BGH, Urt. v. 27.5.2003 - IX ZR 203/02, WM 2003, 1542; Urt. v. 20.11.2003 - I ZR 102/02, TranspR 2004, 74, 75 = MDR 2004, 761) ergibt sich aus Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ. Das EuGVÜ ist vorliegend anwendbar, weil die Klage am 7. September 2001 und damit vor Geltung der EuGVVO, die am 1. März 2002 in Kraft getreten ist (Art. 76 Abs. 1 EuGVVO), erhoben worden ist (§ 253 Abs. 1, § 261 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2 ZPO; vgl. auch BGH, Urt. v. 24.2.2005 - I ZR 101/02, GRUR 2005, 519 = WRP 2005, 735 - Vitamin-Zell-Komplex).

Nach Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, in einem anderen Vertragsstaat vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichsteht, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Unter die Zuständigkeit des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung nach Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ fallen Klagen aufgrund unerlaubter Wettbewerbshandlungen (BGH, Urt. v. 11.2.1988 - I ZR 201/86, GRUR 1988, 483, 485 = WRP 1988, 446 - AGIAV; BGHZ 153, 82, 91). Der Ort des schädigenden Ereignisses i.S. des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ ist neben dem Handlungsort auch der Erfolgsort, d.h. der Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist (EuGH, Urt. v. 7.3.1995 - Rs. C-68/93, Slg. 1995, I-415 = GRUR Int. 1998, 298 Tz. 20 - Shevill). Bei Wettbewerbsverletzungen im Internet ist der Erfolgsort im Inland belegen, wenn sich der Internet-Auftritt bestimmungsgemäß dort auswirken soll (BGH, Urt. v. 13.10.2004 - I ZR 163/02, GRUR 2005, 431, 432 = WRP 2005, 493 - HOTEL MARITIME; zu § 32 ZPO, § 24 UWG a.F.: OLG Frankfurt CR 1999, 450; OLG Bremen CR 2000, 770, 771; Harte/Henning/Retzer, UWG, § 14 Rdn. 64; weitergehend zu § 32 ZPO, § 24 UWG a.F.: OLG München CR 2002, 449, 450). Die Zuständigkeit hängt allerdings nicht davon ab, dass tatsächlich eine Verletzung des nationalen Rechts erfolgt ist. Es reicht vielmehr aus, dass eine Verletzung behauptet wird und diese nicht von vornherein ausgeschlossen ist (vgl. BGH GRUR 2005, 431, 432 - HOTEL MARITIME).

Der Ort des schädigenden Ereignisses liegt im Streitfall in Deutschland. Der Internet-Auftritt der in den Niederlanden ansässigen Beklagten war international ausgerichtet und auch in deutscher Sprache gehalten und an deutschsprachige Europäer gerichtet. Die Verkaufspreise waren zudem in DM angegeben. Soweit die Beklagte in ihrem Internet-Auftritt den Hinweis auf "deutschsprachige Europäer" mit dem Zusatz "aber nicht an deutsche Adressen" und der österreichischen Nationalflagge versehen hat, ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass dadurch Deutschland von dem Internet-Auftritt nicht ausgeschlossen worden ist. Allerdings kann ein sogenannter Disclaimer, mit dem der Werbende ankündigt, Adressaten in einem bestimmten Land nicht zu beliefern, ein Indiz für eine Einschränkung des Verbreitungsgebiets sein (vgl. OLG Frankfurt CR 1999, 450, 451; KG GRUR Int. 2002, 448, 449 f.; Fezer/Hausmann/Obergfell, UWG, Einl. I Rdn. 369; Hoeren, WRP 1997, 993, 998; Mankowski, GRUR Int. 1999, 909, 919; Ubber, Markenrecht im Internet, S. 214; enger: Harte/Henning/Retzer aaO § 14 Rdn. 64). Ein wirksamer Disclaimer setzt aber voraus, dass er klar und eindeutig gestaltet und aufgrund seiner Aufmachung als ernst gemeint aufzufassen ist. Erheblich ist der Disclaimer zudem nur, wenn ihn der Werbende auch tatsächlich beachtet und nicht entgegen seiner Ankündigung gleichwohl in das vom Vertrieb ausgenommene Absatzgebiet liefert. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Der Disclaimer ist ersichtlich nicht ernst gemeint, weil die Beklagte beim Vertrieb ihrer Produkte neben Preisen in Euro auch DM-Preise bei der Produktwerbung angegeben hat. Hätte die Beklagte von ihrem an deutschsprachige Europäer gerichteten Angebot tatsächlich inländische Abnehmer ausnehmen wollen, hätte es wesentlich näher gelegen, statt der deutschen Währung die österreichische oder die schweizerische Währung anzugeben. Den Disclaimer hat die Beklagte auch selbst nicht beachtet. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist sie den Lieferersuchen nach Deutschland jedenfalls in zwei Fällen nachgekommen.

Entgegen der Ansicht der Revision stellt es auch keine unzulässige Einschränkung der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 28 EG dar, dass ein Disclaimer bei der Frage, an wen sich der Internet-Auftritt bestimmungsgemäß richtet, nur Beachtung finden kann, wenn er widerspruchsfrei und ernst gemeint aufgemacht ist und wenn sich der Werbende zu dem Disclaimer nicht in Widerspruch setzt. ..."

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