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OLG Zweibrücken Urteil vom 15.11.2007 - 4 U 98/07 - Zur Aufklärung des Verbrauchers über die Wertersatzpflicht beim Widerruf

OLG Zweibrücken v. 15.11.2007: Zur Aufklärung des Verbrauchers über die Wertersatzpflicht beim Widerruf


Das OLG Zweibrücken (Urteil vom 15.11.2007 - 4 U 98/07) hat entschieden:

   Gemäß § 312 c BGB i. V. m. § 1 Abs. 1 Zf. 10 BGB-InfoVO sind die Verbraucher bei den Fernabsatzverträgen über sämtliche Rechtsfolgen eines ausgeübten Widerrufsrechts zu belehren. Der Verbraucher soll durch die Belehrung in der Lage sein, die Vor- und Nachteile einer Rückabwicklung eines Vertrages beurteilen zu können. Dazu gehört auch, dass der Verbraucher beim Widerruf Wertersatz zum Ausgleich für die Verschlechterung der Ware zu leisten hat, die durch einen nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch eingetreten ist (§ 346 Abs. 2 BGB). Die Unterlassung dieses Hinweises ist wettbewerbswidrig.



Siehe auch
Widerrufsrecht
und
Widerrufsausschluss


Zum Sachverhalt:


Die Parteien streiten um einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch.

Der Verfügungskläger vertreibt unter dem Namen "a…_s…" regelmäßig Produkte aus dem Computersegment im Internet auf der Handelsplattform e….

Die Verfügungsbeklagte vertreibt ebenfalls regelmäßig solche Produkte unter dem Namen "g…-s…" auf der e…-Plattform. So veröffentlichte sie am 14. April 2007 das Angebot für ein Notebook unter der e…-Artikelnummer …. Dieses Angebot enthielt eine Widerrufsbelehrung, die aber keine Angaben über eine mögliche Verpflichtung des Käufers zur Leistung von Wertersatz im Falle der Verschlechterung oder des Unterganges des empfangenen Gegenstandes enthielt.

Der Verfügungskläger hat wegen dieses Umstandes nach erfolgloser Abmahnung im Wege der einstweiligen Verfügung mit Schriftsatz vom 21. Mai 2007 beim Landgericht Unterlassung dieser Werbung begehrt.

Mit Urteil vom 18. Juni 2007 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Der Schutz der Verbraucher sei auch ohne Belehrung ausreichend gewährleistet. Außerdem sei die Erheblichkeitsschwelle des § 3 UWG nicht überschritten.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung des Verfügungsklägers. Seiner Ansicht nach habe das Landgericht verkannt, dass die Waren – zumindest was die Verpackung angehe – nach Widerruf durch den Käufer so gut wie nie unbeschädigt zurück geschickt werden. Schon deshalb könne nicht von einer nur unerheblichen Beeinträchtigung von Verbraucherinteressen gesprochen werden.

Zudem sei in vergleichbaren Fällen von der OLG Rechtsprechung durchaus von einer relevanten Unlauterkeit ausgegangen worden (vgl. OLG Hamburg, Beschl. v. 26.03.07 – 5 W 58/07; Bl. 136 d. A.). Der Verbraucher mache vor allem regelmäßig erst dann von seinem Widerrufsrecht Gebrauch, wenn er zuvor vollständig über die Rückabwicklung des Kaufvertrages informiert worden sei.

Zudem ergebe sich ein Nachteil für Mitbewerber, die vollständig informieren, da sich Kunden eher für diejenigen Anbieter entschieden, bei denen eine Wertersatzpflicht nicht angegeben sei.

Weiterhin ergebe sich aus der rechtlichen Wertung des § 355 II BGB, wonach bei unvollständiger Belehrung die Widerrufsfrist nicht zu laufen beginnt, dass ein Verstoß gegen die Informationspflicht nicht unter die Erheblichkeitsschwelle des § 3 UWG "rutschen" könne.

Der Verfügungskläger hat in der Berufungsinstanz unter anderem beantragt,

   unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils,

   den Antragsgegnern wird untersagt, so wie geschehen in ihrem Verkaufsangebot vom 14. April 2007 auf der Handelsplattform e… mit der Adresse www.e....de unter der Artikelnummer …, im geschäftlichen Verkehr mit dem Endverbraucher auf der Handelsplattform e… Angebote von Waren aus dem Sortiment Computer zu veröffentlichen oder zu unterhalten, wenn bei den nach § 312c Abs.1 BGB i.V.m. § 1 Abs.1 Nr. 10 BGB-InfoVO erforderlichen Informationen (nämlich das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufs- oder Rückgaberechtes sowie die Bedingungen, Einzelheiten der Ausübung, insbesondere Namen und Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist, und die Rechtsfolge) nicht auf eine bestehende Wertersatzpflicht des Käufers hingewiesen wird, die lediglich eine Verschlechterung der Sache durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme ausnimmt.



Die Verfügungsbeklagte Zurüdckweisung der Berufung beantragt. Sie vertritt die Auffassung, eine – wie im Antrag beschriebene – Belehrung über Wertersatzansprüche sei bei Fernabsatzverträgen gar nicht gesetzlich vorgesehen.

Die Berufung hatte Erfolg.





Aus den Entscheidungsgründen:


"... Die Berufung ist zulässig, §§ 511 Abs. 1 und 2 Nr. 1, 517, 519 ZPO. In der Sache führt sie zum Erfolg. Das Landgericht hat das Vorliegen eines Unterlassungsanspruchs zu Unrecht abgelehnt.

1. Der Verfügungskläger ist gemäß §§ 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG aktivlegitimiert. Er steht als gewerblicher Anbieter von Computerprodukten auf der Handelsplattform e… in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zu der Beklagten. Die Parteien bieten Waren aus demselben Sortiment an.

2. Das Verhalten der Verfügungsbeklagten ist unlauter im Sinne der §§ 3 ff UWG und ist auch geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und der Verbraucher nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen.

a) Die Unterlauterkeit des Verhaltens der Verfügungsbeklagten ergibt sich entgegen der Auffassung des Landgerichts aus § 4 Nr. 11 UWG im Zusammenhang mit § 312 c BGB i. V. m. § 1 Abs. 1 Zf. 10 BGB–InfoVO.




Nach § 4 Nr. 11 UWG handelt unlauter im Sinne der Generalklausel des § 3 UWG, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die zumindest auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

Als solche Marktverhaltensregelungen kommen u. a. geschäftsbezogene Regelungen, die sich auf das Verhalten eines Unternehmens bei Vertragsabschluss beziehen, in Betracht (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 4 UWG Rn. 11). Eine solche Marktverhaltensregel ist § 312 c Abs. 2 BGB. Diese Vorschrift regelt unter Bezugnahme auf die BGB-InfoVO für Fernabsatzverträge im Sinne des § 312 b BGB bestimmte Informationspflichten eines Unternehmers gegenüber dem Verbraucher.

b) Gegen die in den §§ 312 b, 312 c BGB i. V. m. § 1 der BGB-InfoVO festgelegten Informationspflichten hat die Verfügungsbeklagte verstoßen.

Es handelt sich bei dem am 14. April 2007 von der Verfügungsbeklagten veröffentlichten Angebot um die Andienung eines Fernabsatzvertrages im Sinne des § 312 b BGB. Das auf der Internetplattform an die Verbraucher gerichtete Angebot soll per Sofort-Kauf oder aber durch Ersteigerung zum Abschluss eines Kaufvertrages über Computerartikel führen.

Gemäß § 312 c BGB i. V. m. § 1 Abs. 1 Zf. 10 BGB-InfoVO sind die Verbraucher bei den Fernabsatzverträgen über sämtliche Rechtsfolgen eines ausgeübten Widerrufsrechts zu belehren. Der Verbraucher soll durch die Belehrung in der Lage sein, die Vor- und Nachteile einer Rückabwicklung eines Vertrages beurteilen zu können (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 66. Aufl., BGB-InfoVO, § 1 Rn. 7). Die danach erforderliche Belehrung ist durch die Verfügungsbeklagte nicht erfolgt. Die Verfügungsbeklagte hat nicht darauf hingewiesen, dass der Verbraucher beim Widerruf Wertersatz zum Ausgleich für die Verschlechterung der Ware zu leisten hat, die durch einen nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch eingetreten ist (§ 346 Abs. 2 BGB). Der Rechtsbruchstatbestand ist damit erfüllt.

3. Der Ansicht des Landgerichts, dass hier nur eine unerhebliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs zum Nachteil der Verbraucher oder der Mitbewerber vorliegt, ist nicht zu folgen.



Beeinträchtigt sind durch die gegebene Wettbewerbshandlung die Mitbewerber und die Verbraucher.

Auch ein verständiger und informierter Durchschnittsverbraucher wird bei seiner Kaufentscheidung regelmäßig den Unternehmer bevorzugen, der über die Möglichkeit des Widerrufs belehrt, aber keine Aussagen über mögliche Wertersatzverpflichtungen trifft. Durch die entsprechende Werbung werden die Verbraucher zu der Annahme verleitet, dass der Unternehmer, der entgegen den gesetzlichen Vorschriften nicht über die für den Verbraucher nachteiligen Folgen eines ausgeübten Widerrufs belehrt, auch nicht berechtigt ist, entsprechende Ansprüche geltend zu machen und somit gegenüber dem Unternehmer, der den gesetzlichen Vorschriften entsprechend belehrt, als der Unternehmer erscheint, der zu schlechteren Konditionen anbietet. Nach § 346 Abs. 2 c Nr. 3 BGB verhält es sich aber so, dass bei nicht bestimmungsgemäßem Gebrauch die Haftung des Widerrufsberechtigten unabhängig von einer erfolgten Belehrung besteht.

In der unterlassenen Belehrung liegt dann auch eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs zum Nachteil der Unternehmer, die sich rechtstreu verhalten und zum Nachteil der Verbraucher, die nicht mit Wertersatzansprüchen rechnen.

Diese Beeinträchtigungen sind schon allein wegen der damit verbundenen Nachahmungsgefahr erheblich; wenn das rechtswidrige Verhalten sanktionslos bliebe, wären die Mitbewerber geradezu aufgefordert, nachzuahmen, um den Wettbewerbsvorsprung einzuholen; der Rechtsverstoß würde zur Regel werden. ..."

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