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Landgericht Düsseldorf Urteil vom 23.01.2008 - 12 O 246/07 - Ein Hostprovider muss sein Geschäftsmodell einstellen, wenn er anders Rechtsverletzungen nicht verhindern kann

LG Düsseldorf v. 23.01.2008: Ein Hostprovider muss sein Geschäftsmodell einstellen, wenn er anders Rechtsverletzungen nicht verhindern kann


Das Landgericht Düsseldorf (Urteil vom 23.01.2008 - 12 O 246/07) hat entschieden:

   Die Inanspruchnahme eines reinen Host-Providers setzt die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist. Entscheidend sind mithin die Umstände des Einzelfalles, wobei die betroffenen Rechtsgüter, der zu betreibende Aufwand und der zu erwartende Erfolg in die vorzunehmende Abwägung eingestellt werden müssen. Es ist zu fragen, inwieweit es dem als Störer in Anspruch Genommenen technisch und wirtschaftlich möglich und zumutbar ist, die Gefahren von Rechtsgutverletzungen zu vermeiden, welche Vorteile der Diensteanbieter aus seinen Diensten zieht, welche berechtigten Sicherheitserwartungen der betroffene Verkehrskreis hegen darf, inwieweit Risiken vorhersehbar sind und welche Rechtsgutverletzungen drohen. Wenn menschliche Kontrolle und eine Registrierungspflicht nicht ausreichen, um Rechtsverletzungen zu verhindern, muss der Unternehmer das Geschäftsmodell einstellen.



Siehe auch Betreiberhaftung und Internet-Service-Provider


Zum Sachverhalt:


Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Beklagte ihr gegenüber keinen urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch bezüglich der Veröffentlichung von 143 Musikstücken hat.

Die Beklagte ist die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte. Komponisten, Textdichter und Musikverleger können ihr ihre Urheberrechte durch sogenannte Berechtigungsverträge zur Verwertung übertragen. In § 3 dieser Verträge wird die Beklagte berechtigt, die ihr von den Rechteinhabern übertragenen Rechte im eigenen Namen auszuüben, die Benutzung zu untersagen sowie alle ihr zustehenden Rechte auch gerichtlich auf ihr zweckmäßig erscheinende Weise im eigenen Namen geltend zu machen.

Die Klägerin ist eine in der Schweiz ansässige Aktiengesellschaft, welche unter der Internet-Adresse "www..com" Speicherplatz im Internet (Webspace) zur Verfügung stellt. Dieser Dienst weist die folgenden Merkmale auf:

   Ein Nutzer wählt aus seinem eigenen Dateibestand auf dem Computer die Datei aus, welche auf dem Speicherplatz im Internet abgelegt werden soll. Anschließend kann er durch einen einzigen Klick auf der Seite "www.r....com" dafür sorgen, dass die ausgewählte Datei hochgeladen wird. Sie wird dann auf Servern, auf denen die Klägerin ihrerseits Speicherplatz angemietet hat, abgespeichert. Unmittelbar im Anschluss an diesen Upload übermittelt die Klägerin dem Nutzer einen Download-Link, mit dem dieser die abgelegte Datei jederzeit über seinen Browser aufrufen kann. Ihr selbst ist der Inhalt der hochgeladenen Dateien nicht bekannt.

Der Nutzer hat die Möglichkeit, die hochgeladene Datei dritten Personen zugänglich zu machen, indem er den empfangenen Download-Link an diese weitergibt. Ohne Kenntnis dieses Links ist das Abrufen der entsprechenden Datei zumindest deutlich erschwert. Ein Erraten der Adresse für eine bestimmte Datei ohne Kenntnis des Download-Links ist praktisch nicht möglich. Der Dienst der Klägerin enthält zudem kein Inhaltsverzeichnis über bereits hochgeladene Dateien; auch eine Suchfunktion, mit der man beispielsweise über Schlagwörter nach bestimmten Dateien suchen könnte, ist auf der Seite nicht vorhanden.

Das Hochladen von Dateien auf der streitgegenständlichen Internetseite ist stets kostenfrei. Eine Registrierung in irgendeiner Form ist ebenfalls nicht erforderlich. Es genügt ausschließlich die Auswahl der entsprechenden Datei und ein Klick auf eine bestimmte Schaltfläche unter der Adresse www.....com

Wird eine Datei durch Eingabe des Download-Links zum Herunterladen angefordert, hat der Nutzer zwei verschiedene Möglichkeiten.

Zum einen gibt es eine kostenfreie Variante, die keinerlei Registrierung erfordert. Diese weist jedoch mehrere Einschränkungen auf. So ist der Zugriff eines Nutzers auf eine bestimmte Datenmenge pro Stunde begrenzt und zwischen zwei Downloads müssen Wartezeiten eingehalten werden. Zudem kann immer nur eine Datei zur selben Zeit heruntergeladen werden und der Vorgang des Herunterladens ist zeitlich sehr langwierig.

Der Nutzer hat zum anderen die Möglichkeit, ein Premium-Konto einzurichten. Hierbei entstehen Kosten von bis zu 6,99 € monatlich; dafür entfallen jedoch auch die vorbeschriebenen Einschränkungen.

Bezüglich des Downloads einer einzelnen Datei gibt es keinerlei Begrenzung, so dass sie von beliebig vielen Nutzern abgerufen werden kann.

Die Klägerin umschreibt ihr Angebot auf der Seite "www.....com" wie folgt:

   "... Share - The easy way to share your files";

Des weiteren ist folgende Angabe zu finden:

   "Hoste deine Dateien KOSTENLOS bei RapidShare! 1. Datei auswählen und auf Upload klicken 2. Download-Link verteilen".

Im Rahmen des Dienstes der Klägerin gibt es auch die Möglichkeit, sogenannte Premium-Punkte zu erlangen. Diese werden einem Nutzer zugeteilt, wenn eine von ihm hochgeladene Datei von anderen Personen abgerufen wird und können in ein Premium-Konto oder die Verlängerung eines solchen Kontos eingetauscht werden.

Mit Hilfe der ebenfalls von der Klägerin kostenfrei bereitgestellten Software "RapidUploader" kann ein Nutzer beliebig viele Dateien in einem einzigen Arbeitsschritt auf die RapidShare-Seite hochladen.

In der Vergangenheit wurden von Nutzern des klägerischen Dienstes mehrfach Dateien mit urheberrechtlich geschütztem Material hochgeladen. Hierbei handelte es sich unter anderem um digitalisierte Musikstücke, bezüglich derer die Verwertungsrechte auf die Beklagte übertragen worden waren. Die entsprechenden Download-Links wurden von diesen Nutzern im Internet auf verschiedenen Seiten öffentlich gemacht, so dass eine unbestimmte Anzahl von dritten Personen auf die Dateien zugreifen konnte. So befanden sich beispielsweise auf verschiedenen Seiten, sogenannten "Link-Resources", umfangreiche Sammlungen von Links, mit denen unter anderem unter RapidShare gespeicherte Werke aufgefunden werden konnten.

Nach entsprechender Abmahnung erwirkte die Beklagte am 15.01.2007 eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln (Az. 28 O 19/07) gegen die Klägerin, worin dieser untersagt worden ist, zwei konkrete Musikstücke öffentlich zugänglich zu machen. Diese einstweilige Verfügung wurde vom Oberlandesgericht Köln mit Einschränkungen bestätigt.

Am 22.01.2007 mahnte die Beklagte die Klägerin erneut in Bezug auf 143 Musikstücke, welche ebenfalls zu ihrem Repertoire gehören, ab. Beigefügt war eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung, welche sich nicht auf entsprechende Dateien, sondern auf die Musikwerke als solche bezog. Die Klägerin unterzeichnete die Erklärung in der Folgezeit nicht.

Nach Ansicht der Klägerin stehe der Beklagten ein solcher Unterlassungsanspruch nicht zu.

Ihr Angebot sei nicht darauf ausgerichtet, hochgeladenen Dateien mit illegalem Inhalt öffentlich zugänglich zu machen. Sie wolle vielmehr ermöglichen, dass ein Nutzer entweder Dateien im Wege der Datensicherung bei ihr abspeichert oder sie durch Weitergabe des Download-Links Geschäftspartnern, Kollegen oder Freunden zugänglich macht. Dies sei aufgrund beschränkter Kapazitäten bei der Nutzung von Emails so nicht möglich. Durch diese Zweckbestimmung unterscheide sich der von ihr angebotene Dienst von sogenannten Filesharing-Diensten wie ... oder ... sowie von Internet-Plattformen wie YouTube, MySpace oder VideoTube, da diese gerade darauf ausgerichtet seien, die hochgeladenen Dateien der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Ausschließlich der Nutzer selbst entscheide, ob er den Download-Link und damit die hochgeladene Datei öffentlich zugänglich macht. Ohne Kenntnis des Links sei es Dritten nicht möglich, die Datei aufzufinden.

Sie selbst ergreife alle technisch möglichen und zumutbaren Maßnahmen, um diesen Missbrauch ihres Dienstes zu verhindern. So habe sie eine sogenannte Abuse-Abteilung eingerichtet, in der Mitarbeiter damit befasst seien, Urheberrechtsverstöße ausfindig zu machen und entsprechende Dateien zu löschen. Diese Personen würden regelmäßig einschlägig bekannte Internetseiten besuchen, in denen Links zu Dateien öffentlich gemacht werden. Auch würde ein Wortfilter eingesetzt, der verdächtige Dateinamen auffinden soll; bei entsprechenden Funden würden die Dateien unverzüglich entfernt. Zudem sei ein MD5-Filter im Einsatz, der verhindere, dass einmal gelöschte Dateien erneut hochgeladen werden. Des weiteren hätten Rechteinhaber die Möglichkeit, einen Lösch-Account eingerichtet zu bekommen, über den sie dann unzulässige Dateien selbst löschen könnten; dies sei von der Beklagten aber abgelehnt worden.

Nach Ansicht der Klägerin sei sie nicht als Täterin oder Teilnehmerin der Urheberrechtsverstöße anzusehen. Da sie zudem alles technisch Mögliche und Zumutbare unternommen habe, um den Missbrauch zu verhindern, hafte sie auch nicht als Störerin.

Die Klägerin hat daher negative Feststellungsklage erhoben.

Nach Ansicht der Beklagten, die Klageabweisung beantragte, sei das gesamte Angebot der Klägerin darauf gerichtet, ihren Nutzern die Verbreitung von Dateien in der Öffentlichkeit zu ermöglichen, wobei diese im Wesentlichen urheberrechtlich geschütztes Material enthielten. Bereits die von der Klägerin selbst gewählten Formulierungen zur Beschreibung ihres Dienstes wiesen darauf hin. Auch der Umstand, dass der Upload von Dateien stets kostenfrei und ohne Einschränkungen möglich sei, während der Download entweder nur mit Erschwerungen möglich oder kostenpflichtig sei, spreche gegen den von der Klägerin vorgetragenen Verwendungszweck. Die weiteren Elemente wie der Erwerb von Premium-Punkten oder die zur Verfügung gestellte Software "...Uploader" machten ebenfalls deutlich, dass ein großes Angebot an Dateien auf den Servern der Klägerin geschaffen und damit auch eine große Nachfrage bei den (gegebenenfalls kostenpflichtigen) Downloads geschaffen werden soll.

Auch die von der Klägerin ergriffenen Maßnahmen gegen die Verbreitung urheberrechtlich geschützten Materials seien weder substantiiert dargelegt worden noch ausreichend. Sie komme den ihr obliegenden Kontroll- und Prüfungspflichten nicht hinreichend nach.

Die Feststellungsklage blieb erfolglos.





Aus den Entscheidungsgründen:


"... I.

Die Klage ist zulässig.

1. Das angerufene Gericht ist örtlich zuständig. Bei Bestehen eines besonderen Gerichtsstands ist im Falle einer negativen Feststellungsklage auch das Gericht zuständig, welches bei einer entsprechenden Leistungsklage mit umgekehrtem Rubrum zuständig wäre (OLG Köln, Urt. v. 07.04.1978, Az. 6 U 179/77). Im vorliegenden Fall wäre das Landgericht Düsseldorf für den Unterlassungsanspruch der Beklagten gegen die Klägerin nach § 32 ZPO örtlich und nach Art. 5 Nr. 3 des Übereinkommens von Lugano international zuständig, da das angegriffene Internetangebot bestimmungsgemäß auch in Düsseldorf Dritten zur Kenntnis gebracht wird.

2. Die Klägerin hat auch ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass die Beklagte gegen sie keinen Unterlassungsanspruch aus § 97 UrhG hat. Die Beklagte hat sich ihr gegenüber des Bestehens eines solchen Anspruchs berühmt. Durch die Abmahnung und die damit verbundene Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung hat sie gegenüber der Klägerin deutlich zu erkennen gegeben, dass sie von der Einschlägigkeit des § 97 UrhG ausgeht. Von diesem Umstand geht auch eine Gefährdung der Rechtsposition der Klägerin aus, so dass diese ein Interesse an der gerichtlichen Klärung der zu Grunde liegenden Frage hat. So hat die Beklagte in Bezug auf zwei - nicht streitgegenständliche - Musikstücke bereits eine einstweilige Verfügung beim Landgericht Köln erwirkt; die Klägerin musste damit rechnen, dass dies auch bezüglich der 143 weiteren Stücke der Fall sein würde.

II.

Die Klage ist allerdings unbegründet.

Die Beklagte hat gegen die Klägerin einen Anspruch aus § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG dahingehend, dass diese es zu unterlassen hat, die in der Anlage A aufgelisteten 143 Musikwerke aus dem Repertoire der Beklagten über das Internet-Angebot "www.rapidshare.com" der Klägerin öffentlich zugänglich zu machen oder öffentlich zugänglich machen zu lassen.

1. Bei den in der Anlage A aufgezählten Musikstücken handelt es sich um Werke der Musik im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 UrhG. Außer Streit steht, dass diese jeweils schutzfähig im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG sind.

2. Es liegt auch eine öffentliche Zugänglichmachung dieser Musikstücke im Sinne des § 19a UrhG vor. Auf Grund der Tatsache, dass die streitgegenständlichen Titel in digitaler Form als Datei auf dem von der Klägerin zur Verfügung gestellten Speicherplatz abgelegt worden sind, konnte zumindest jeder, der Kenntnis von dem entsprechenden zugeteilten Download-Link hatte, auf diese Datei und damit auf das urheberrechtlich geschützte Musikwerk zugreifen. Nachdem die entsprechenden Download-Links auf verschiedenen "Link-Resources" für sämtliche Internet-Nutzer, die diese Seiten aufsuchen, sichtbar gemacht worden sind, wurden diese zum entsprechenden Zugriff in die Lage versetzt. Ab dem Moment der Veröffentlichung der Download-Links lag also eine öffentliche Zugänglichmachung gemäß der vorgenannten Vorschrift vor.

3. Die Aktivlegitimation der Beklagten bezüglich des Unterlassungsanspruchs beruht auf ihrer Eigenschaft als Wahrnehmungsgesellschaft für urheberrechtliche Nutzungsrechte, welche mit den einzelnen Urheberrechtsinhabern Berechtigungsverträge abgeschlossen hat. Das Bestehen solcher Verträge mit den einzelnen Künstlern ist vorliegend nicht bestritten worden. Nach § 3 der jeweiligen Berechtigungsverträge darf die Klägerin unter anderem die Rechte gegenüber Dritten ausüben, also auch etwaige Verletzer zur Unterlassung anhalten.

4. Die Klägerin ist des weiteren in Bezug auf den Anspruch aus § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG passivlegitimiert.

a) So ist sie zwar weder als Täterin noch als Teilnehmerin bezüglich des Urheberrechtsverstoßes anzusehen. Sie hat die streitgegenständlichen Musikwerke in digitaler Form nicht auf dem von ihr bereitgestellten Speicherplatz abgelegt und auch den jeweils dazugehörenden Download-Link nicht in einschlägigen Internet-Foren bekannt gegeben. Für eine Teilnahme fehlt es an dem erforderlichen Vorsatz bezüglich des konkreten Verstoßes durch den jeweils unterstützten Dritten, hier also den Nutzer, der die Datei hochlädt. So ist unwidersprochen geblieben, dass die Klägerin selbst keine Kenntnis vom Inhalt einer hochgeladenen Datei hat; demnach kann sie auch nicht wissen, ob die Datei im Einzelfall tatsächlich einen urheberrechtsrelevanten Inhalt hat.




b) Die Klägerin ist in Bezug auf den Unterlassungsanspruch jedoch als Störerin anzusehen.

Wer - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Gutes beiträgt, der kann grundsätzlich als Störer für eine Schutzrechtsverletzung auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt. So hat die Klägerin durch Bereitstellung ihres Angebots die Möglichkeit eröffnet, die streitgegenständlichen Werke als digitale Musikdatei der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Sie hat also die Infrastruktur zur Verfügung gestellt, mit deren Hilfe die eigentlichen Täter der Urheberrechtsverletzung ihre Tat vollendet haben.

c) Die Klägerin kann sich auch nicht auf ein etwaiges Haftungsprivileg aus § 10 S. 1 TMG berufen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, Urt. v. 11.03.2004, Az. I ZR 304/01) betrifft diese Vorschrift lediglich die strafrechtliche Verantwortlichkeit sowie die Schadensersatzhaftung des Diensteanbieters. Sie sagt dagegen nichts darüber aus, ob dieser unter anderem als Störer auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann. Diese Rechtsprechung ist kürzlich nochmals bestätigt worden (BGH, Urt. v. 19.04.2007, Az. I ZR 35/07).

d) Auch unter Berücksichtigung der nur eingeschränkten Haftung eines Störers kann die Klägerin in Anspruch genommen werden.

Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt eine Verpflichtung unter anderem zur Unterlassung die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (vgl. BGH, Urt. v. 11.03.2004, Az. I ZR 304/01 m.w.N.). Entscheidend sind mithin die Umstände des Einzelfalles, wobei die betroffenen Rechtsgüter, der zu betreibende Aufwand und der zu erwartende Erfolg in die vorzunehmende Abwägung eingestellt werden müssen. Dabei kann sich der Diensteanbieter nicht von vornherein auf den erheblichen Aufwand angesichts des massenhaften Datenverkehrs berufen noch kann jede Rechtsgutverletzung einen immensen Kontrollaufwand erfordern. Es ist vielmehr danach zu fragen, inwieweit es dem als Störer in Anspruch Genommenen technisch und wirtschaftlich möglich und zumutbar ist, die Gefahren von Rechtsgutverletzungen zu vermeiden, welche Vorteile der Diensteanbieter aus seinen Diensten zieht, welche berechtigten Sicherheitserwartungen der betroffene Verkehrskreis hegen darf, inwieweit Risiken vorhersehbar sind und welche Rechtsgutverletzungen drohen (OLG Düsseldorf, Urt. v. 07.06.2006, 15 U 21/06).

Auf den konkreten Fall übertragen bedeutet dies, dass die Klägerin im Hinblick auf den Upload und die Verbreitung der streitgegenständlichen 143 Musikwerke Prüfpflichten verletzt hat.

aa) Zunächst waren die von der Klägerin behaupteten Maßnahmen, die sie zur Unterbindung von Urheberrechtsverletzungen ergriffen haben soll, nicht geeignet, um den bestehenden Prüfungspflichten nachzukommen. Es kann daher dahinstehen, ob sie diese tatsächlich alle angewandt hat; sie konnten den Urheberrechtsverstoß von vornherein nicht verhindern.

So war der Einsatz eines MD5-Filters nicht ausreichend, um entsprechende Verstöße zu verhindern. Bei diesem ist zu beachten, dass er nur das Hochladen einer absolut identischen Datei verhindern kann, nicht aber zum Auffinden eines bestimmten Werkes geeignet ist. Nachdem die Beklagte ihren Unterlassungsanspruch nicht mehr auf konkrete Dateien, sondern ausdrücklich auf die darin gespeicherten Werke bezogen hat, versprach der Filtereinsatz keinen ausreichenden Erfolg mehr. Dies folgt aus dem Umstand, dass bei einer anderen Aufnahme des selben Liedes alleine wegen geringster Abweichungen (z.B. der Lautstärke) ein völlig anderer Hash-Wert ermittelt werden würde. Demnach konnte der Filter möglicherweise auch dann keinen Treffer liefern, wenn das abgespeicherte Werk bereits in der Suchliste vorhanden war.

Die Suche entsprechender Dateien mit Hilfe eines Wortfilters konnte ebenfalls keine abschließende Sicherheit schaffen, da dieses System spätestens dann, wenn der Nutzer einen nicht mit dem Songtitel korrespondierenden Dateinamen wählt, nicht mehr funktioniert. Diese Möglichkeit hat ein Raubkopierer jedoch, da für eine Verbreitung seiner Datei lediglich der von ihm veröffentlichte Download-Link mit dem Namen des gespeicherten Werkes verknüpft werden muss; der Dateiname kann dagegen frei gewählt und bei Bedarf auch nach dem Herunterladen durch den Nutzer wieder geändert werden.

Auch der Einsatz von menschlichen Kräften, die in einer Abuse-Abteilung illegale Dateien auffinden und löschen sollen, war nicht geeignet, um das Verbreiten geschützter Werke zu verhindern. Zunächst hat die Klägerin nicht hinreichend substantiiert dargelegt, welchen Umfang diese Sucharbeiten hatten. Sie hat lediglich pauschal vorgebracht, dass mehrere Mitarbeiter regelmäßig ihr bekannte Link-Resources auf unzulässige Inhalte überprüfen und bei Funden unverzüglich eine Löschung vornehmen würden. Diese Angaben sind nicht spezifiziert genug, um sie auf eine generelle Geeignetheit dieser Methode zu überprüfen. Bei der unstreitig sehr hohen Zahl an täglich hochgeladener Dateien und den ständig wechselnden Internetadressen von Link-Sammlungen ist jedoch offensichtlich, dass eine solche Abuse-Abteilung lediglich vereinzelte Verstöße verhindern beziehungsweise beenden kann; diese Maßnahme ist daher ebenfalls als ungeeignet anzusehen.



bb) Es war des weiteren auch nicht unmöglich, diese Verstöße zu verhindern. Es existieren effektivere Maßnahmen, mit denen die Klägerin die Verbreitung der streitgegenständlichen Musikwerke im Speziellen und das Begehen von Urheberrechtsverstößen über ihre Plattform im Allgemeinen hätte verhindern können.

So hätte unter anderem eine Registrierungspflicht für sämtliche Nutzer des Dienstes eingerichtet werden können. Erfahrungsgemäß wird jemand, der nicht anonym im Internet surft, wesentlich größere Hemmung bezüglich der Begehung von Rechtsverstößen haben als der nicht angemeldete Nutzer. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Identität mittels der gespeicherten IP-Adresse in Verbindung mit dem Zeitpunkt des Verstoßes herausgefunden werden könnte. Zum einen fühlt sich der Nutzer in der Regel dennoch anonym, zum anderen ist diese Rückverfolgung nur während der Speicherdauer der Verbindungsdaten durch den Provider möglich. Soweit die berechtigte Befürchtung geäußert wird, dass Nutzer im Rahmen einer Anmeldung Falschangaben machen, gibt es mehrere Überprüfungsmöglichkeiten bezüglich der Daten. Hier ist an einen Datenabgleich mit der Schufa (wie unstreitig bei Ebay praktiziert) oder sogar an die Nutzung des PostIdent-Verfahrens zu denken.

Als letztes Mittel zur Verhinderung von weiteren Urheberrechtsverstößen wäre zudem die Einstellung des klägerischen Dienstes in Betracht gekommen.

cc) Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass ihr das Ergreifen von solchen weitergehenden Maßnahmen nicht zumutbar wäre.

aaa) Eine Abwägung der im vorliegenden Fall gegebenen Umstände führt dazu, dass die Klägerin im Vergleich zu anderen Dienstanbietern im Internet sehr hohe Prüfpflichten treffen.

(1) Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin positive Kenntnis davon hatte, dass in der Vergangenheit unzulässige Dateien über ihr Internet-Angebot verbreitet worden sind. So war ihr Geschäftsführer, Herr Bobby Chang, aufgrund der Abmahnung im Vorfeld zum vergleichbaren Verfahren vor dem Landgericht Köln darüber informiert, dass zwei konkrete musikalische Werke unter Verstoß gegen Urheberrechte hochgeladen und verbreitet worden sind. Auch aus den Tatbeständen von zur Akte gereichten Urteilen anderer Gerichte ist ersichtlich, dass die Klägerin grundsätzlich Kenntnis von der Problematik mit urheberrechtlich geschützten Inhalten hatte. Des weiteren ist es unstreitig geblieben, dass der Dienst der Klägerin in einer unbestimmten Anzahl weiterer Fälle für das Verbreiten solchen Materials genutzt worden ist.

Nach diesen gegebenen Umständen musste die Klägerin redlicherweise davon ausgehen, dass über ihren Dienst auch in Zukunft solche Dateien - unter anderem die streitgegenständlichen Musikwerke - verbreitet werden. Insbesondere ist die Existenz sogenannter "Link-Ressources", also Sammlungen mit Download-Links, über die die Nutzer die gewünschten Musikdateien problemlos finden können, nicht in Abrede gestellt worden; vielmehr hat die Klägerin selbst vorgetragen, zahlreiche solcher Seiten zu beobachten.

(2) Bei der konkreten Bemessung des Umfangs der Prüfungspflichten kommt es auch auf die Eigenschaften des von der Klägerin geschaffenen Angebots an.

So ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin einen Dienst eingerichtet hat, der für eine urheberrechtsverletzende Nutzung besonders gut geeignet ist, weil das Angebot ersichtlich gerade auf die massenhafte Verbreitung der hochgeladenen Dateien ausgerichtet ist. Bereits die von der Klägerin selbst gewählte Eigenbeschreibung des Dienstes auf ihrer Homepage ("the easy way to share your files"; "2. Download-Link verteilen") verdeutlicht, dass die breite Veröffentlichung des Download-Links über einen kleinen Bekanntenkreis hinaus nicht unerwünscht, sondern vielmehr gewollt ist. Die Nutzer werden zur Schaffung eines ansprechenden Angebots an Dateien durch verschiedene Maßnahmen sogar animiert. So ist das Hochladen der Dateien mit keinen nennenswerten Beschränkungen verbunden und kann mit Hilfe der Software "RapidUploader" auch bei zahlreichen Dateien automatisiert werden. Es ist keinerlei Registrierung im Vorfeld erforderlich und es fallen auch keine Kosten an. Die Möglichkeit, "Premium-Punkte" für das Herunterladen der eigenen Datei durch andere zu sammeln und diese dann gegen Premium-Accounts einzutauschen, schafft eine Belohnung für diejenigen, die Dateien mit einem interessanten Inhalt hochladen, den Download-Link einer möglichst großen Zahl an Internetnutzern zugänglich machen und damit eine hohe Trefferzahl erreichen.

(3) Bei der Bemessung des Umfangs der Prüfungspflichten ist des weiteren mit einzubeziehen, dass die Klägerin (zumindest auch) vom rechtswidrigen Verhalten der Nutzer profitiert; dies beruht zudem gerade auf der Art und Weise, wie die Klägerin ihren Dienst ausgestaltet hat.




Zwar geht die Schlussfolgerung, aufgrund dieser Merkmale stünde fest, dass die Klägerin sich mit ihrem Angebot bewusst an die Raubkopierer-Szene wende, zu weit. Hierfür spricht zunächst nicht der Umstand, dass das Hochladen der Dateien kostenfrei ist. So sind Angebote im Internet, welche zunächst kostenfrei sind, keine Seltenheit, sondern eher der Regelfall, um potentielle Kunden für verbesserte - und dann meist kostenpflichtige - Leistungen zu werben. Gleiches gilt auch für das Angebotsmerkmal, dass eine Registrierung nicht erforderlich ist. Zudem ist zu berücksichtigen, dass sich das klägerische Angebot auch für zahlreiche legale Nutzungsmöglichkeiten eignet. Hier ist insbesondere auf die Möglichkeit der Verbreitung großer (legaler) Dateien abzustellen, was beim Versand per Email oftmals an Größenbeschränkungen der Postfächer scheitern würde.

Die Klägerin kann allerdings einen finanziellen Nutzen aus ihrem Angebot nur dann erzielen, wenn für den Kunden ein möglichst starker Anreiz geschaffen wird, eine Vielzahl von großen Dateien zur gleichen Zeit abzurufen. Nur dann ist zu erwarten, dass Nutzer sich für den kostenpflichtigen Dienst entscheiden.

Für denjenigen, der Dateien selbst hochladen und verteilen möchte, ist der Anreiz für die Wahl des Bezahlangebots gering. Wie bereits dargelegt, ist es für einen Anbieter von illegalen Dateien äußerst einfach und zudem kostenfrei, geschützte Werke einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die einzige Einschränkung der kostenfreien Variante ist die Beschränkung der Vorhaltezeit auf 90 Tage; dies fällt jedoch angesichts der Tatsache, dass regelmäßig die bezweckte Verbreitung in diesem Zeitraum bereits erfolgt sei dürfte, kaum ins Gewicht.

Demgegenüber ist das Herunterladen von Dateien zumindest dann kostenpflichtig, wenn es ohne gravierende Einschränkungen erfolgen soll. Dieser Aspekt betrifft, wenn auch nicht ausschließlich, so doch insbesondere den Bereich des Austauschs von Raubkopien. Viele Internetnutzer, die solche Dateien herunterladen möchten, beschränken sich erfahrungsgemäß nicht nur auf ein einzelnes Musikstück oder eine CD, sondern laden zahlreiche Dateien gleichzeitig auf ihren Rechner; dieser Vorgang wird umgangssprachlich auch "aus dem Netz saugen" genannt. Gerade dieses Verhalten, welches auch bei Nutzern von Filesharing-Systemen wie eDonkey oder Gnutella zu finden ist, würde jedoch an die Grenzen des kostenlosen Downloads bei der Klägerin stoßen; hier liegt dann ein Fall vor, in dem der Nutzer an dem kostenpflichtigen Angebot der Klägerin Interesse haben könnte. Hieran ändert auch die Tatsache nichts, dass es unstreitig Möglichkeiten gibt, um die Einschränkungen beim Download ohne Bezahlung zu umgehen. Entsprechende Spezialsoftware ist bei weitem nicht allen Nutzern bekannt; zudem werden solche Umgehungsmöglichkeiten im System erfahrungsgemäß nach einiger Zeit geschlossen.

Dagegen sind im Rahmen der - unstreitig vorhandenen - legalen Nutzungsmöglichkeiten nicht viele Anreize für die Nutzer, die kostenpflichtige Variante des Dienstes zu wählen, zu erkennen. Die meisten der von der Klägerin vorgetragenen Beispiele, in denen ihr Angebot in nicht zu beanstandender Weise zu verwenden ist, zeigen auf, dass lediglich einzelne Dateien heruntergeladen werden müssen. Dagegen ist es eher unwahrscheinlich, dass ein Anwender so viele Dateien in kurzer Zeit bei der Klägerin abrufen möchte, dass die Download-Beschränkungen eine wirkliche Beeinträchtigung darstellen. Schließlich muss der herunterladende Anwender durch Übermittlung des Download-Links gewissermaßen eingeladen werden, eine einzelne Datei abzurufen. Dagegen ist nicht ersichtlich, dass es - ähnlich wie bei "Raubkopien" - umfangreiche Linksammlungen mit legalen Inhalten gäbe; nur dann kämen auch hier die Beschränkungen zum Tragen.



bbb) Diese besonders hohen Prüfpflichten führen dazu, dass die Klägerin verpflichtet ist, auch solche Maßnahmen zu ergreifen, welche die Gefahr beinhalten, dass ihr Geschäftsmodell deutlich unattraktiver wird oder sogar vollständig eingestellt werden muss. Demnach sind auch die unter bb) genannten Maßnahmen zumutbar.

Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine Maßnahme zur Unterbindung von Rechtsverstößen zumindest dann nicht mehr zumutbar ist, wenn eine entsprechende Obliegenheit das gesamte Geschäftsmodell in Frage stellen würde (vgl. BGH, Urt. v. 11.03.2004, I ZR 304/01; Urt. v. 19.04.2007, I ZR 35/04).

Im vorliegenden Fall ergibt sich jedoch die Besonderheit, dass der Dienst der Klägerin nicht hauptsächlich für legale Aktivitäten genutzt wird, wie dies beispielsweise bei der Auktionsplattform Ebay unstreitig der Fall ist. Wie bereits dargelegt, ist das Angebot auf www.rapidshare.com vielmehr besonders gut geeignet, um urheberrechtlich geschützte Inhalte zu verbreiten; ferner wurde erläutert, dass ein finanzieller Vorteil der Klägerin in nicht unerheblicher Weise gerade auf diesen Aktivitäten beruht. In diesem Zusammenhang kommt es dann auch nicht mehr entscheidend darauf an, welchen Anteil Dateien mit legalem Inhalt am Gesamtbestand der Klägerin tatsächlich haben.

In solchen Fällen ist die Grenze der Zumutbarkeit nicht mehr zwingend spätestens dort zu sehen, wo eine Gefährdung des Geschäftsmodells im Raume steht. Sie ist nicht schematisch und unabhängig von der Gestaltung und der Ausrichtung des jeweils in Frage stehenden Angebots zu ziehen. Anderenfalls würden die von der Rechtsprechung aufgestellten Prüfungspflichten und damit auch der grundsätzlich bezweckte Schutz der Rechte des Urhebers bald ins Leere laufen. Eine andere Beurteilung hätte nämlich zur Folge, dass ein Anbieter seinen Dienst lediglich so gestalten müsste, dass er keine effektiven Eingriffs- oder Kontrollmöglichkeiten vorsieht; bei auftretenden Verstößen könnte er sich dann einfach darauf berufen, dass eine effektive Prüfung sein Geschäftsmodell in Frage stellen würde.

5. Die Wiederholungsgefahr wird durch den bereits vorliegenden Verstoß gegen das Urheberrecht indiziert. ..."

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