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Landgericht Hamburg Urteil vom 21.12.2000 - 310 O 425/00 - Auch bei begonnenen Dienstleistungen muss auf das Widerrufsrecht hingewiesen werden

LG Hamburg v. 21.12.2000: Auch bei begonnenen Dienstleistungen muss auf das Widerrufsrecht hingewiesen werden


Das Landgericht Hamburg Urteil vom 21.12.2000 - 310 O 425/00) hat entschieden:

  1.  Bietet ein Internetprovider auf seiner Homepage den Abschluß von Providerverträgen an, liegt ein Fernabsatzgeschäft iSv FernAbsG § 1 Abs 1 vor. Die Ausnahmevorschrift des FernAbsG § 1 Abs 3 Nr 7 Buchst a für die Verwendung von automatisierten Geschäftsräumen kommt nicht zur Anwendung. Der Internetdienstleister muß daher auf das Widerrufsrecht nach FernAbsG § 3 Abs 1 hinweisen.

  2.  Beginnt der Internetanbieter aufgrund des Providervertrags noch vor Ablauf der Widerrufsfrist mit der Erbringung von Dienstleistungen, erlischt das Widerrufsrecht des Kunden gemäß FernAbsG § 3 Abs 1 S 3 Nr 2 Buchst b, wenn der Kunde dem zeitnahen Beginn zugestimmt hat. Durch die Zustimmung des Kunden entfällt jedoch nicht die Pflicht, auf das Widerrufsrecht hinzuweisen.




Siehe auch
Widerrufsrecht
und
Widerrufsausschluss


Zum Sachverhalt:


Der Verfügungskläger ist ein in die Liste qualifizierter Einrichtungen gemäß § 22 a AGBG eingetragener Verein.

Die Verfügungsbeklagte ist ein Internet-Provider. Auf ihrer Homepage www.....de bot sie den Abschluss von Verträgen, insbesondere Providerverträgen an, ohne Angaben über das Bestehen eines Widerrufsrechts nach § 3 Abs. 1 FernAbsG i.V.m. § 361 a BGB zu machen.

Auf die Abmahnung des Verfügungsklägers mit Schreiben vom 4. Oktober 2000 ließ die Verfügungsbeklagte am 2. November 2000 nach einer ihr gewährten Fristverlängerung mitteilen, dass eine Unterwerfungserklärung nicht in Betracht käme.

Am 14. November 2000 hat das Gericht auf Antrag des Verfügungsklägers eine einstweilige Verfügung erlassen, durch die der Verfügungsbeklagten untersagt wurde, gegenüber Verbrauchern auf ihrer Homepage www.... .de und allen darunter vorzufindenden Seiten den Abschluss von Verträgen, insbesondere Providerverträgen anzubieten, ohne an deutlicher Stelle und in klarer und verständlicher Weise Angaben über das Bestehen eines Widerrufsrechts nach § 3 Abs. 1 FernAbsG i.V.m. § 361 a BGB zu machen. Dagegen hat die Verfügungsbeklagte Widerspruch eingelegt.

Der Verfügungskläger war der Ansicht, das Verhalten der Verfügungsbeklagten verstoße gegen §§ 2 und 3 FernAbsG, die die Verfügungsbeklagte verpflichteten, den Verbraucher vor Abschluss eines Vertrags auch über sein Widerrufsrecht nach § 3 FernAbsG zu belehren, so dass der Verfügungskläger gemäß § 22 AGBG von der Verfügungsbeklagten Unterlassung verlangen könne.

Die Verfügungsbeklagte war der Auffassung, es bestünde weder ein Verfügungsanspruch noch ein Verfügungsgrund. Das Fernabsatzgesetz finde gemäß § 1 Abs. 3 Ziff. 7 a FernAbsG, der u.a. den Abschluss von Verträgen unter Verwendung automatisierter Geschäftsräume regelt und der zumindest analog angewandt werden müsse, keine Anwendung.

Außerdem sei ein Hinweis auf das Widerrufsrecht nach § 3 FernAbsG nicht erforderlich, da das Widerrufsrecht nicht erst in dem Zeitpunkt erlösche, in dem – wie hier – der Unternehmer mit der Ausführung der Dienstleistung mit Zustimmung des Verbrauchers vor Ende der Widerrufsfrist begonnen habe, sondern bei Vorliegen der Bedingungen gar nicht erst bestehe. Der Beginn der Dienstleistung der Verfügungsbeklagten lege darin, dass für den Kunden nach dessen Anmeldung ein eigener Vorgang angelegt, ein Postfach für elektronische Nachrichten eingerichtet und die Email-Adresse vergeben, die Einwahlnummer des Kunden registriert, ein Passwort generiert und weitere technische Notwendigkeiten für die Nutzung des Internets veranlasst würden. Deshalb bestünde ggf. ein Widerrufsrecht in der Praxis auch nur für Sekunden, so dass der Hinweis darauf einen bloßen Formalismus darstelle.

Es bestünde auch kein Anlass, aus Verbraucherschutzgründen auf ein Widerrufsrecht hinzuweisen. Ein Widerruf des Kunden sei nicht notwendig, da die Verfügungsbeklagte keine Grundgebühr für die Vorhaltung ihrer technischen Leistungen verlange, sondern lediglich ein Entgelt für die Zeit des tatsächlichen Zugangs zum Internet.





Aus den Entscheidungsgründen:


"Die einstweilige Verfügung ist zu bestätigen.

I.

Der Verfügungskläger kann von der Verfügungsbeklagten gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 AGBG verlangen, es zu unterlassen, auf ihrer Homepage Verträge anzubieten, ohne auf das Bestehen eines Widerrufsrechts nach § 3 Abs. 1 FernAbsG i.V.m. § 361 a BGB hinzuweisen.

1. Der Verfügungskläger ist als unstreitig nach § 22 a AGBG eingetragene qualifizierte Einrichtung im Sinne des § 22 Abs. 3 Ziff. 1 AGBG nach dieser Vorschrift anspruchsberechtigt.

2. Die Verfügungsbeklagte hat auch gegen das Fernabsatzgesetz als Verbraucherschutzgesetz (vgl. § 22 Abs. 2 Ziff. 4 AGBG) zuwidergehandelt.

a) Das Fernabsatzgesetz ist anwendbar. Die Ausschlussvorschrift des § 1 Abs. 3 Ziff. 7 a FernAbsG greift auch nicht unter dem Gesichtspunkt des automatisierten Geschäftsraums ein.

aa) Die mit der Verfügungsbeklagten geschlossenen Verträge werden nicht unter Verwendung von automatisierten Geschäftsräumen, sondern unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln (vgl. § 1 Abs. 1 FernAbsG) geschlossen.




Auch wenn unklar ist, was genau der Gesetzgeber mit "automatisierten Geschäftsräumen" gemeint hat, ergibt doch die Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 14/2658, B, zu § 1, zu Nr. 7), wonach unter Verwendung von Warenautomaten oder automatisierten Geschäftsräumen geschlossene Verträge aus dem Anwendungsbereich des Fernabsatzgesetzes u.a. deswegen herausgenommen worden sind, weil bei solchen Verträgen Informationspflichten nur rudimentär erfüllt werden können, dass über das Internet abgeschlossene Verträge – wie hier – nicht unter Verwendung von automatisierten Geschäftsräumen abgeschlossen sind, da bei über das Internet geschlossenen Verträgen Informationspflichten vollen Umfangs nachgekommen werden kann.

bb) Eine analoge Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 1 Abs. 3 Ziff. 7 a FernAbsG in den Grenzen ihres Gesetzeszwecks (vgl. Palandt-Heinrichs, Einl. vor § 1 Rz. 40) scheidet aus dem zuvor (unter A.I.2. a) aa)) genannten Grund ebenfalls aus.

Soweit die Verfügungsbeklagte auf die weitere Begründung für die Vorschrift des § 1 Abs. 3 Ziff. 7 a FernAbsG abstellt, wonach bei Automatenverträgen ein Widerrufsrecht gar nicht durchgeführt werden könne (BT-Drucksache, a.a.O.), verkennt sie, dass bei den mit ihr abgeschlossenen Verträgen ein Widerrufsrecht sehr wohl vollzogen werden kann, und zwar dann, wenn die Verfügungsbeklagte entweder bis zum Ablauf der Widerrufsfrist den Versand der Zugangsdaten zurückhält, was ihr ohne weiteres möglich ist (vgl. eidesstattliche Versicherung der Simone Alten vom 1. Dezember 2000), oder bis zum Ablauf der Widerrufsfrist mit der Freischaltung wartet.

Warum die von der Verfügungsbeklagten genannten spezialgesetzlichen Regeln die Anwendung des Fernabsatzgesetzes ausschließen sollen, ist nicht ersichtlich, im Gegenteil: das Fernabsatzgesetz ist gerade auf Sachverhalte wie den vorliegenden zugeschnitten, wie § 1 Abs. 1 FernAbsG zeigt.

Die von der Verfügungsbeklagten angeführten Kostengesichtspunkte können eine erweiterte Anwendung des § 1 Abs. 3 Ziff. 7 a FernAbsG ebensowenig rechtfertigen.

b) Nach § 2 Abs. 2 Ziff. 8 FernAbsG ist die Verfügungsbeklagte verpflichtet, auf das Bestehen eines Widerrufsrechts nach § 3 FernAbsG (i.V.m. § 361 a BGB) hinzuweisen.

aa) Diese Pflicht ist nicht etwa wegen § 3 Abs. 1 Ziff. 2 b) FernAbsG ausgeschlossen. Diese Vorschrift sieht lediglich ein Erlöschen des Widerrufsrechts unter den darin genannten Voraussetzungen vor, geht also selbst bei Vorliegen dieser Voraussetzungen von einem vorherigen Bestehen des Widerrufsrechts aus.

Dass der deutsche Gesetzgeber dabei die entsprechende EG-Richtlinie falsch umgesetzt hat, lässt sich der Richtlinie nicht entnehmen, da der Wortlaut der deutschen Fassung, wonach das Widerrufsrecht bei Verträgen zur Erbringung von Dienstleistungen, deren Ausführung mit Zustimmung des Verbrauchers vor Ende der Frist ... gemäß Abs. 1 begonnen hat, nicht ausgeübt werden kann, eine Nichtausübung des Widerrufsrechts wegen Erlöschens zulässt.

bb) Der Hinweis auf ein Widerrufsrecht stellt auch keinen bloßen Formalismus dar.



Denn selbst wenn zwischen dem Abschicken der Kundendaten an die Verfügungsbeklagte und dem Beginn der Dienstleistungshandlung nur eine geringe Zeitspanne liegen sollte, hätte dies seinen Grund allein darin, dass die Verfügungsbeklagte mit der Bearbeitung des Kundenwunsches vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt, obwohl sie damit bis zum Ablauf der Widerrufsfrist warten könnte (s.o. A.I.2. a) bb)). Statt dessen könnte sie auch sich zusammen mit der Anmeldung des Verbrauchers dessen Zustimmung zum Beginn der Ausführung ihrer Dienstleistung vor Ende der Widerrufsfrist im Sinne des § 3 Abs. 1 Ziff. 2 b) FernAbsG erteilen lassen, um den Bestimmungen des Fernabsatzgesetzes Genüge zu tun und den Kundenwunsch alsbald zu erfüllen.

cc) Der Hinweis auf ein Widerrufsrecht ist auch nicht deshalb überflüssig, weil Verbraucherschutzgründe ihn nicht erfordern.

Eine Widerrufsmöglichkeit ist schon deshalb notwendig, damit der Verbraucher nach einer Überlegungszeit während der Widerrufsfrist die Gelegenheit hat, sich vom Vertrag mit dem Unternehmer zu lösen, ohne die Zeit bis zur Vertragsbeendigung aufgrund einer ordentlichen Kündigung durch ihn abwarten zu müssen.

c) Der nach § 2 Abs. 2 Ziff. 8 FernAbsG bestehenden Verpflichtung zum Hinweis auf ein Widerrufsrecht nach § 3 FernAbsG (i.V.m. § 361 a BGB) hat die Verfügungsbeklagte zuwidergehandelt, indem sie einen solchen Hinweis beim Angebot zum Abschluss von Verträgen, insbesondere Providerverträgen, unterließ. ..."

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