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BGH Urteil vom 18.12.1986 - I ZR 111/84 - Prüfungspflicht des Handels im Hinblick auf die sogenannte Markenpiraterie

BGH v. 18.12.1986: Prüfungspflicht des Handels im Hinblick auf die sogenannte Markenpiraterie und Fälschungsindizien - Chanel No. 5 I


Der BGH (Urteil vom 18.12.1986 - I ZR 111/84) hat entschieden:

  1.  Bei unberechtigter, aber schuldloser Nutzung eines fremden Warenzeichens können dem Inhaber des Warenzeichens Bereicherungsansprüche gegen den Verletzer zustehen. Das aus der Warenzeichenverletzung Erlangte ist dabei der Gebrauch des Warenzeichens. Da dieser vom Verletzer nicht herausgegeben werden kann, ist Wertersatz zu leisten, für dessen Bestimmung der objektive Wert des Erlangten maßgeblich ist. Dieser Wert besteht in der für den Gebrauch des Zeichenrechts angemessenen und üblichen Lizenzgebühr. Ein Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns besteht nicht.

  2.  Zur Prüfungspflicht des Handels im Hinblick auf die sogenannte Markenpiraterie.

  3.  Wird eine Ware außerhalb des vom Hersteller organisierten Vertriebsweges und/oder zu einem verhältnismässig günstigen Preis erworben, so ist damit in der Regel noch nicht das Vorliegen einer Fälschung der Originalware indiziert mit der Folge einer gesteigerten Nachprüfungspflicht.

  4.  Der Händler, der ein von einem Dritten gefälschtes Produkt vertreibt, verletzt mit dem Vertrieb jedenfalls nicht die Vertriebsbindung des Herstellers der Originalware.




Siehe auch Produkt-Piraterie - Fälschung von Markenwaren und Markenrechtsschutz - Einzelfälle von Markenrechtsverletzungen bzw. erlaubter Markenbenutzung


Tatbestand:


Die in Frankreich ansässige Klägerin vertreibt ein Parfum unter der Marke "Chanel No. 5". Das Warenzeichen ist für die Klägerin auch in der Bundesrepublik Deutschland geschützt. Der Vertrieb im Inland erfolgt auf Grund vertraglicher Vereinbarung über einen Alleinimporteur, der seinerseits nur "autorisierte Depositäre" beliefert. Die Beklagte zu 1) gehört nicht zu diesen Unternehmen. Sie betreibt einen Großmarkt für gewerbliche Verbraucher. Die Beklagte zu 2) (im folgenden: die Beklagte) ist die geschäftsführende Gesellschafterin der Beklagten zu 1).

Anfang 1983 bot die Beklagte zu 1 Parfum unter der genannten Marke an und verkaufte davon neun Einheiten zum Preis von 80,-​- DM zuzüglich Mehrwertsteuer. Es handelte sich um täuschend ähnliche Fälschungen. Die Beklagte stellte den Vertrieb alsbald ein und erkannte den Unterlassungsanspruch der Klägerin an. Die Parteien streiten, nachdem die Beklagte den Auskunftsanspruch anerkannt und Auskunft über den Lieferanten, die bezogene und verkaufte Menge und den Ein- und Verkaufspreis erteilt hatten, darüber, ob die Beklagten der Klägerin zum Schadensersatz, hilfsweise zur Herausgabe des Gewinnes oder zur Zahlung einer angemessenen Lizenz verpflichtet sind.

Die Beklagte hatte die Ware zum Preis von 56,38 DM je Einheit von einer Firma D. erworben, zu der sie seit längerer Zeit Geschäftsverbindungen unterhielt. Diese hatte das imitierte Produkt von einer Drogerie H. bezogen. Beide Unternehmen gehörten nicht zu den Depositären der Klägerin.

Sowohl das Parfum wie auch das Flacon und die Verpackung der Fälschung sind dem Original sehr ähnlich. Der weiße Umkarton mit schwarzem Aufdruck ist jeweils mit einer Cellophanverpackung versehen. Diese Umhüllung ist bei den von der Klägerin vorgelegten Originalen auf der Rückseite unten mit einer kleinen dreistelligen Zahlen-​Buchstaben-​Kombination bedruckt, die auch auf einem auf dem Boden des Originalflakons aufgeklebten Klarsichtstreifen wiederkehrt. Dieser Aufdruck auf der Umhüllung und der Klarsichtstreifen auf dem Flakonboden fehlen den Fälschungen. Die gläsernen Parfumflakons haben die gleiche äußere Form; der Stopfen des Originalflakons ist aus Glas, der der Fälschung hingegen aus durchsichtigem, aber gegenüber Glas etwas trüberem Kunststoff. Der Boden des Originalflakons schließlich ist (unter dem Klebestreifen) mit einem erhabenen Schriftzug "Chanel" versehen, der den Fälschungen fehlt.

Die Klägerin hat behauptet, die Beklagten hätten das widerrechtlich mit dem Warenzeichen der Klägerin versehene Parfum schuldhaft in den Verkehr gebracht, weil die Fälschung für sie - die Beklagten - leicht zu erkennen gewesen sei. Da die Beklagten unter Umgehung der ihnen bekannten Vertriebsbindung der Klägerin das Parfum auf dem "grauen Markt" gekauft hätten und da allgemein bekannt sei, dass Luxusartikel wie Parfums vielfach gefälscht würden, da die Beklagten das Parfum weiterhin zu einem ungewöhnlich niedrigen Preis erworben hätten, hätte die Lieferung besonders sorgfältig geprüft werden müssen. Zudem habe den Beklagten auffallen müssen, dass die Fälschungen wegen des Fehlens der Chargen-​Nummer, nämlich der beschriebenen Zahlen-​Buchstaben-​Kombination, nicht verkehrsfähig gewesen seien. Schließlich müssten sich die Beklagten das Verschulden der M.-​International KG, des für den Zentraleinkauf der M.-​Gesellschaften zuständigen Unternehmens, zurechnen lassen, die die später von den Beklagten verkauften Fälschungen unter Umständen geordert habe, die Zweifel an der Seriosität des Vorlieferanten hätten begründen müssen: die genannte Drogerie unterhalte ein nur etwa 30 qm großes Ladenlokal und habe keinen eigenen Telexanschluss. Wenn aber ein Verschulden der Beklagten nicht festgestellt werden könne, dann seien diese jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung zur Herausgabe des Verletzergewinns verpflichtet.

Einen von der Klägerin zunächst angekündigten Auskunftsantrag haben die Parteien im Anschluss an die von den Beklagten im Verfahren gemachten Angaben übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt und wechselseitig um Kostenbelastung gebeten.

Die Klägerin hat beantragt, festzustellen, dass die Beklagten wie Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihr durch den Erwerb und die Veräußerung des gefälschten Parfums entstanden ist und noch entstehen wird, hilfsweise, festzustellen, dass die Beklagten wie Gesamtschuldner verpflichtet sind, an die Klägerin den Gewinn herauszugeben, der ihnen durch den Verkauf des gefälschten Parfums entstanden ist.

Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt mit der Begründung, das rechtswidrig mit dem Warenzeichen der Klägerin versehene Parfum sei nicht als Fälschung erkennbar gewesen. Die angelieferte Ware sei von außen überprüft worden und insoweit unauffällig gewesen; die behauptete Vertriebsbindung der Klägerin - da nicht lückenlos - und der niedrige Einkaufspreis - da auch die Alleinimporteurin der Klägerin von ihrem an sich höheren Preis noch Rabatte gewähre - hätten nicht auf eine Fälschung des außerhalb des Systems der Klägerin bezogenen Parfums schließen lassen müssen. Zu einer Öffnung der einzelnen Verpackungen und zu einer Prüfung, ob die Chargen-​Nummer dort vorhanden sei, seien sie - die Beklagten - bei derart hochwertigen Erzeugnissen nicht verpflichtet gewesen.

Das Landgericht hat nach dem Hauptantrag erkannt und der Klägerin die Kosten auferlegt, soweit der Rechtsstreit für erledigt erklärt worden war. Dagegen haben die Beklagten Berufung und hat die Klägerin Anschlussberufung eingelegt. Das Oberlandesgericht hat die Anschlussberufung zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten die vom Landgericht getroffene Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten dahin abgeändert, dass die Beklagten wie Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin den Gewinn herauszugeben, den sie durch den Verkauf des nicht von der Klägerin stammenden, jedoch als Markenartikel der Klägerin aufgemachten und als Chanel No. 5 widerrechtlich gekennzeichneten Parfums erzielt haben. Die weitergehende Klage hat das Oberlandesgericht abgewiesen.

Gegen diese Entscheidung richten sich die Revision der Klägerin und die Anschlussrevision der Beklagten zu 1) und 2). Die Klägerin verfolgt ihren zurückgewiesenen Antrag auf Feststellung einer Schadensersatzverpflichtung weiter und stellt ferner folgenden Hilfsantrag:

   Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin eine angemessene Lizenz dafür zu zahlen, dass sie Waren, die als Markenartikel der Klägerin aufgemacht und als Chanel No. 5 widerrechtlich gekennzeichnet waren, in den Verkehr gebracht haben.

Die Beklagten beantragen,

  1.  das Berufungsurteil insoweit aufzuheben, als es festgestellt hat, dass die Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin den durch den Verkauf des streitigen Parfums erzielten Gewinn herauszugeben, ohne diesen Anspruch auf die Zahlung einer angemessenen Lizenz zu begrenzen;

  2.  die Feststellungsklage auch insoweit abzuweisen, als sie auf Zahlung des eine angemessene Lizenz übersteigenden Betrages gerichtet ist.

Beide Parteien beantragen die Zurückweisung der gegnerischen Revisionsanträge.





Entscheidungsgründe:


I.

1. Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch der Klägerin unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt verneint, da sich ein Verschulden der Beklagten nicht feststellen lasse. Dass es sich bei dem von den Beklagten bezogenen und als "Chanel No. 5" gekennzeichneten Parfum um eine Fälschung gehandelt habe, sei aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes der Verpackung und des Flacons nicht zu erkennen gewesen. Die geringfügigen Unterschiede zwischen Original und Fälschung seien überhaupt nur zu erkennen, wenn man beide Produkte genauestens miteinander vergleiche; eine solche Vergleichsmöglichkeit hätten die Beklagten unstreitig zum Zeitpunkt des Bezugs der Fälschungen nicht gehabt. Ein Anlass zu einer besonderen Untersuchung der Lieferung auf Verstöße gegen warenzeichenrechtliche Bestimmungen habe nicht bestanden, denn weder der Bezug außerhalb des von der Klägerin organisierten Vertriebsweges noch der verhältnismäßig günstige Einkaufspreis hätten eine Warenzeichenverletzung nahegelegt. Da die Beklagten bereits 1982 von einem Außenseiter mit Originalerzeugnissen der Klägerin beliefert worden seien, hätten sie von einem lückenlosen selektiven Vertriebssystem nicht ausgehen müssen. Auch die Preisdifferenz von 13,22 DM je Flacon zum Abgabepreis der Alleinimporteurin sei nicht verdachtsbegründend gewesen; Außenseiter unterböten nicht selten den marktüblichen Preis von vertriebsgebundener Ware, die sie unter Ausnutzung von Lücken des Systems beschafft hätten, um so ihre Gewinne schneller realisieren zu können. Ob die Beklagten gegen § 4 Abs. 1 KosmetikVO verstoßen hätten, weil sie unstreitig das Vorhandensein der Chargen-​Nummer nicht überprüft und deshalb deren Fehlen auf den Fälschungen gar nicht erst bemerkt hätten, könne dahinstehen; da § 4 Abs. 1 KosmetikVO nur dem Schutz der Volksgesundheit diene und nicht dem Schutz des Warenzeicheninhabers vor Fälschungen, könne die Klägerin aus einem möglichen Verstoß der Beklagten gegen § 4 Abs. 1 KosmetikVO keine Rechte für sich herleiten.

2. Die dagegen gerichtete Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.

a) Der Revision ist darin zuzustimmen, dass angesichts der in neuerer Zeit bekanntgewordenen Fälle sog. Markenpiraterie gewerbliche Einkäufer gerade beim Bezug weithin bekannter Markenwaren gehalten sind, der Prüfung der Echtheit der Waren im Sinne der Herkunft vom Inhaber der Marke besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Ergeben sich Anhaltspunkte, die ernsthafte Zweifel an der Herkunft der Waren begründen können, so folgen daraus für den Käufer besondere Nachforschungspflichten. Wann solche Anhaltspunkte gegeben sind, lässt sich jedoch nicht allgemein bestimmen, bedarf vielmehr der Prüfung der im Einzelfall vorliegenden besonderen Umstände. Davon ist ersichtlich auch das Berufungsgericht ausgegangen. Die von der Revision gegen seine Würdigung des Streitfalls erhobenen Angriffe erweisen sich nicht als durchgreifend.

b) Die Revision rügt als rechtsfehlerhaft, dass das Berufungsgericht auf Grund eigener Sachkunde die Frage der etwaigen Fahrlässigkeit des Handelns der Beklagten beurteilt habe. Maßgeblich dafür, ob die im Verkehr übliche Sorgfalt gewahrt worden sei, sei die Auffassung der für Einkauf und Vertrieb hochwertiger Parfüme zuständigen Verkehrskreise, also der damit in Drogerien, Fachabteilungen usw. beschäftigten Personen. Über diese Auffassung hätte sich das Berufungsgericht nach Auffassung der Revision durch geeignete Beweismittel Gewissheit verschaffen müssen.

Die Rüge ist unter den hier festgestellten Umständen nicht begründet. Das Berufungsgericht hat beide Produkte im Vergleich genau untersucht und festgestellt, dass die äußeren Unterschiede geringfügig seien und die Nachahmung als solche nur zu erkennen sei, wenn man beide Produkte genauestens vergleiche. Das ist eine im wesentlichen tatrichterliche Würdigung. Sie kann aus Rechtsgründen nicht beanstandet werden. Sie lässt es aber auch als rechtlich vertretbar erscheinen, dass das Berufungsgericht ohne Heranziehung spezieller Sachkunde den Vorwurf der Fahrlässigkeit jedenfalls im Hinblick darauf aus eigenem Wissen verneint hat, dass die Beklagte zur Zeit der Annahme und des Weitervertriebs der Ware einen derart eingehenden Vergleich schon deshalb nicht anstellen konnte, weil ihr echte Packungen, wie unstreitig, zu dieser Zeit nicht zur Verfügung standen.

c) Die Revision macht ferner geltend, die Beklagte habe jedenfalls deshalb fahrlässig gehandelt, weil sie nicht eine der Packungen geöffnet, sondern sich mit der Prüfung der äußeren Verpackung begnügt habe. Ob hier eine derartige Untersuchungspflicht zu bejahen wäre, obwohl die äußere Verpackung nach der Feststellung des Berufungsgerichts keine Zweifel an der Echtheit hervorrufen musste, kann dahingestellt bleiben. Denn das Berufungsgericht hat festgestellt, dass auch an dem Flacon selbst die Hinweise auf eine etwaige Fälschung nur bei einer vergleichenden Untersuchung, für die bei der Beklagten kein Material bereitstand, und auch dann nur bei einer so eingehenden Untersuchung zu erkennen gewesen seien, wie sie im Verkehr ohne einen aus anderen Gründen bereits entstandenen Verdacht nicht üblich sei.

d) Eine solche gesteigerte Sorgfaltspflicht will die Revision deshalb zugrunde gelegt wissen, weil die Beklagte die Ware nicht von einem autorisierten Depositär der Klägerin bezogen hat. Es ist aber kein Rechtsfehler, wenn das Berufungsgericht den Umstand, dass die Beklagte die Ware außerhalb des von der Klägerin organisierten Vertriebsweges bezogen hatte, nicht als ein Indiz für eine Fälschung des Produkts angesehen hat, das zu einer weitergehenden Nachprüfung hätte zwingen müssen. Es hat dazu angeführt, dass das Vorliegen einer lückenlosen Vertriebsbindung nicht dargelegt sei und die Beklagte angesichts einer früheren unautorisierten Lieferung von Originalware auch keinen Anlass gehabt habe, von der Lückenlosigkeit des Vertriebssystems der Klägerin auszugehen. Das lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

e) Es ist entgegen der Ansicht der Revision auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den verhältnismäßig günstigen Einkaufspreis der Beklagten nicht als Hinweis auf eine mögliche Fälschung beurteilt hat, den die Beklagten hätten beachten müssen. Es verstieß nicht gegen rechtliche Gesichtspunkte, wenn das Berufungsgericht die Differenz (etwa 20% gegenüber dem üblichen Einkaufspreis, Rabatte nicht berücksichtigt) als nicht unbeachtlich, aber auch nicht als derart hoch angesehen hat, dass Misstrauen angebracht gewesen wäre. Im übrigen hat das Berufungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass auch ein sehr günstiger Preis nicht unbedingt auf eine Fälschung hinweisen muss, wenn vorher solche Fälschungen noch nicht bekannt geworden sind.

f) Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe die vorgetragenen Beziehungen zwischen der M.-​International KG und der von der Beklagten als zuverlässig bezeichneten Lieferantin D. bei der Beurteilung der Fahrlässigkeit nicht hinreichend gewürdigt, ist unbegründet, weil auch dann, wenn die Firma D. tatsächlich nur als "Abwicklungsstelle für Parfümerie" der M.-​International KG fungierte, das nicht die Unzuverlässigkeit dieses Unternehmens bedeutete, dessen Lieferungen deshalb von der Beklagten jeweils hätten besonders eingehend geprüft werden müssen.

g) Die Revision wendet sich ferner gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, die Beklagte habe zwar möglicherweise die ihr gemäß § 4 Abs. 1 KosmetikVO obliegende Untersuchungspflicht hinsichtlich des Vorhandenseins einer Chargen-​Nr. an der Ware verletzt, dies sei aber nicht entscheidungserheblich, weil diese Vorschrift nicht den Schutz des Warenherstellers oder Warenzeicheninhabers gegen Fälschungen oder Warenzeichenverletzungen zum Zweck habe. Die Revision meint, die Warenzeichenverletzung sei Folge der Verletzung des § 4 Abs. 1 KosmetikVO und der Schaden aus der Warenzeichenverletzung damit ein Folgeschaden der Verletzung der aus der Verordnung sich ergebenden Prüfungspflicht. Der Folgeschaden sei auch dann zu ersetzen, wenn er vom Schutzzweck der Norm der Kosmetikverordnung unmittelbar nicht erfasst würde, weil er sich von deren Verletzung weder ursächlich noch tatbestandlich trennen lasse.

Von einem Folgeschaden kann aber nicht gesprochen werden. Die schadensstiftende Handlung, die die Klägerin ihrer Ersatzforderung zugrundelegt, ist ausweislich des Klageantrags der Verkauf des gefälschten Parfums. Diese Handlung verstieß objektiv in Tateinheit sowohl gegen § 24 WZG wie gegen § 4 Abs. 1 KosmetikVO, nicht aber war die Warenzeichenverletzung verursacht durch den Verstoß gegen die Kosmetikverordnung. Dieser Verstoß kann im vorliegenden Zusammenhang nur Bedeutung gewinnen im Hinblick auf den Vorwurf, die Beklagte hätte das Fehlen der Chargen-​Nr. bemerken und daraus auf das Vorliegen einer Fälschung schließen müssen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Maßstab der Fahrlässigkeit nicht schlechthin, sondern immer nur auf den in Frage stehenden Tatbestand bezogen bestimmt werden kann. Die in Bezug auf Warenzeichenverletzungen typischerweise zu stellenden Sorgfaltsanforderungen gebieten es nicht, mit Warenzeichen versehene kosmetische Mittel auf das Vorhandensein der Chargen-​Nr. hin zu untersuchen, denn im Regelfall kann und muss ein Händler nicht damit rechnen, dass bei Fälschungen gerade die Chargen-​Nr. fehlt.

h) Die Revision beanstandet schließlich, dass das Berufungsgericht den Anspruch nicht auf der Grundlage des § 1 UWG zugesprochen habe. Dies sei jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der schuldhaften Verletzung der Vertriebsbindung der Klägerin geboten gewesen. Soweit das Berufungsgericht die Lückenlosigkeit ihres Vertriebssystems als nicht hinreichend dargetan angesehen habe, sei dies unrichtig, jedenfalls habe das Berufungsgericht insoweit seine Fragepflicht gemäß § 139 ZPO verletzt. Bei deren Erfüllung würde sie, die Klägerin, die in der Revisionsschrift niedergelegten Darlegungen bereits vor dem Berufungsgericht in den Prozess eingeführt haben.

Es kommt jedoch auf die Lückenlosigkeit der Vertriebsbindung der Klägerin im vorliegenden Zusammenhang nicht an, weil der Anspruch auch bei lückenloser Vertriebsbindung nicht aus diesem Gesichtspunkt begründet werden könnte. Die Verletzung einer Vertriebsbindung durch einen Außenseiter setzt voraus, dass es sich um Originalware handelt, hinsichtlich deren Absatz eine Vertriebsbindung besteht. Nur bezüglich solcher Ware ist eine Verleitung eines gebundenen Händlers zum Vertragsbruch, ein Schleichbezug des Verletzers oder eine wettbewerbswidrige Ausnutzung fremden Vertragsbruchs denkbar. Der Händler, der ein von einem Dritten gefälschtes Produkt vertreibt, verletzt mit dem Vertrieb jedenfalls nicht die Vertriebsbindung des Herstellers der Originalware.

Den Hauptantrag der Klägerin hat das Berufungsgericht danach ohne Rechtsfehler zurückgewiesen.



II.

Die Anschlussrevision hat Erfolg.

1. Sie wendet sich dagegen, dass das Berufungsgericht der Klägerin einen Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns zugesprochen hat, ohne diesen Anspruch der Höhe nach, wie sie formuliert, auf eine angemessene Lizenzgebühr zu begrenzen.

Das Berufungsgericht hat diesen Anspruch auf der Grundlage des § 812 BGB zuerkannt. Es hat ausgeführt, wie bei der Verletzung von Patent-​, Gebrauchsmuster- oder Urheberrechten anerkannt, müsse auch bei der rechtswidrigen Benutzung von Warenzeichen dem Rechtsinhaber ein Anspruch nach § 812 BGB, und zwar auf Herausgabe des Verletzergewinns, zugestanden werden. Voraussetzung sei, dass sich dieser Gewinn gerade und erst durch die Benutzung des ausschließlich dem Inhaber des Warenzeichens zustehenden Rechts verwirklicht habe. Das sei hier der Fall, da die Fälschungen, wären sie als namenloses Parfum angeboten worden, überhaupt nicht, zumindest aber nicht zu dem verlangten Preis verkäuflich gewesen wären.

Die Anschlussrevision zieht nicht in Zweifel, dass im Falle schuldloser Warenzeichenverletzung ein Bereicherungsanspruch gegeben sein kann, meint aber, das Berufungsgericht habe dabei der Klägerin zuviel zugesprochen, indem es den Anspruch auf die Herausgabe des erzielten Gewinns erstreckt habe. Der Bereicherungsanspruch sei auf die Zahlung einer angemessenen Lizenz zu begrenzen, was sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum gleichliegenden Fall der schuldlosen Verletzung von Gebrauchsmusterrechten ergebe. Beide Parteien gehen, wie ihre Anträge ergeben, davon aus, dass der Verletzergewinn über dem Betrag einer angemessenen Lizenz liegt.




2. Dieser Einwand ist begründet.

a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass dem Warenzeicheninhaber gegen den schuldlosen Verletzer seines Rechts grundsätzlich ein Anspruch aus dem Gesichtspunkt des § 812 BGB zustehen kann. In der Rechtsprechung des Reichsgerichts ist das, entsprechend auch für Patent- und Gebrauchsmusterverletzungen (RGZ 15, 121, 132; 21, 68, 72 st. Rspr.), mit der Begründung verneint worden, die Anwendung der Vorschriften über die Bereicherung scheide grundsätzlich aus, da das Warenzeichengesetz im Gegensatz zu den Urheberrechtsgesetzen die Schadensersatzpflicht ausschließlich regele und auf die Fälle wissentlicher und grob fahrlässiger Zeichenverletzung beschränke (vgl. RGZ 108, 1, 6). Zwar enthält § 24 WZG, darin anders als (heute) § 97 Abs. 3 UrhG (1965) keinen Vorbehalt dahin, dass Ansprüche aus anderen gesetzlichen Vorschriften unberührt bleiben. Daraus folgt aber nicht zwingend, dass der in § 24 WZG gewährte Schadensersatzanspruch andere Ansprüche ausschließt. Die Gesetzesgeschichte des Warenzeichengesetzes gibt dafür, soweit ersichtlich, keinen Anhaltspunkt. Angesichts der funktionalen Verschiedenheiten des Schadensersatz- und des Bereicherungsanspruchs (vgl. dazu im einzelnen BGHZ 68, 90, 94 - Kunststoffhohlprofil I) könnte daher ein Ausschluss bereicherungsrechtlicher Ansprüche nur dann angenommen werden, wenn dies ausdrücklich angeordnet wäre. Dementsprechend ist der Bundesgerichtshof auch in der vorgenannten Entscheidung für den Fall der Patent- und der Gebrauchsmusterverletzung von der Rechtsprechung des Reichsgerichts abgewichen und hat ausgesprochen, dass gegen die Anwendung der allgemeinen Vorschriften des Bereicherungsrechts im Patent- und Gebrauchsmusterrecht keine durchgreifenden Bedenken bestehen.

Das muss aus den gleichen Gründen auch für den Fall der Warenzeichenverletzung gelten. Soweit in der Literatur gegen die überwiegende Meinung (Zusammenstellungen bei Storch, GRUR 1963, 9, 10; Ullmann GRUR 1978, 615, 616; MünchKomm/Lieb, BGB, 2. Aufl., § 812 Rdz. 212; Delahaye, GRUR 1985, 856, 857) die Auffassung vertreten wird, dass Bereicherungsansprüche gegen den schuldlosen Zeichenverletzer ausgeschlossen seien (Mestmäcker, JZ 1958, 521, 525; Raiser, JZ 1961, 465, 468; Bälz, Anm. zu BGH JZ 1977, 517, 521), wird diese Meinung nicht auf den Gesichtspunkt einer abschließenden Regelung in § 24 WZG, sondern auf die materiell-​rechtlichen Besonderheiten des Warenzeichens als eines Kennzeichnungsrechts im Gegensatz zu den technischen Schutzrechten und zum Urheberrecht gestützt. Während Patent- und Immaterialgüterrechte einer ausschließlichen Benutzungsbefugnis des jeweiligen Rechtsinhabers unterlägen, habe das Warenzeichenrecht als bloßes Ausschlussrecht keinen substantiellen Kern, der einer Verwertung zuführbar und dem Berechtigten zur ausschließlichen Nutzung zugewiesen sei. Dementsprechend könne auch bei einem Dritten eine Wertbereicherung nicht eintreten (Bälz aaO.).

Dem kann nicht zugestimmt werden. Zwar bestehen zwischen dem Warenzeichenrecht als einem Kennzeichnungsrecht und den genannten Immaterialgüterrechten gewisse Unterschiede, auch in dem Umfang des Ausschließlichkeitsrechts. Sie rechtfertigen es jedoch nicht, dem Warenzeichenrecht einen substantiellen, wirtschaftlich verwertbaren, Inhalt abzusprechen und die Möglichkeit einer Bereicherung durch Verletzung eines Warenzeichenrechts zu verneinen. Dem steht entgegen, dass der Rechtsinhaber, wenn auch in Grenzen, Dritten entgeltlich jedenfalls eine obligatorische Lizenz gewähren kann, und dass davon im Rechtsverkehr in nicht unerheblichem Maße Gebrauch gemacht wird. In der Rechtsprechung des Senats ist daraus bereits gefolgert worden, dass bei schuldhafter Verletzung von Warenzeichenrechten der Verletzer zur Entrichtung einer angemessenen Lizenzgebühr als Schadensersatz verpflichtet ist, weil er zu Unrecht eine dem Rechtsinhaber ausschließlich vorbehaltene Befugnis in Anspruch genommen habe (BGHZ 44, 372, 376 - Meßmer-​Tee II). Unter dem Gesichtspunkt des Zuweisungsgehalts im Sinne des Bereicherungsrechts kann das in Übereinstimmung mit der in der genannten Literatur vertretenen Meinung nicht anders beurteilt werden.



b) Der warenzeichenrechtliche Bereicherungsanspruch richtet sich nicht, wie das Berufungsgericht angenommen hat, auf die Herausgabe des Verletzergewinns, ist vielmehr auf die Zahlung einer angemessenen Lizenz begrenzt. Das folgt aus dem, was bei einer Schutzrechtsverletzung als das vom Verletzer im Sinne des § 812 BGB Erlangte anzusehen ist. Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat dazu in einem die schuldlose Verletzung eines Gebrauchsmusters betreffenden Fall (BGHZ 82, 299, 306ff. - Kunststoffhohlprofil II) unter eingehender Auseinandersetzung mit den in der Literatur dazu vertretenen Meinungen ausgeführt, dass als das Erlangte weder die Nutzungsmöglichkeit noch die Marktchance noch die Lizenzersparnis angesehen werden könne. Vielmehr sei als das, was der Schutzrechtsverletzer aus der geschützten Sphäre entnommen habe, im Hinblick auf die rechtliche Grundlage der Eingriffskondiktion der Gebrauch des immateriellen Schutzgegenstandes anzusehen. Dem schließt sich der Senat für den Fall der Warenzeichenverletzung aus den auch für diesen Bereich zutreffenden Gründen des zuletzt genannten Urteils an.

Da der Gebrauch eines Warenzeichens nicht herausgegeben werden kann, ist Wertersatz zu leisten (§ 818 Abs. 2 BGB). Nach der in ständiger Rechtsprechung und überwiegender Lehre vertretenen Auffassung ist für diese Wertbestimmung der objektive Wert des Erlangten maßgeblich (BGHZ 55, 128, 135; BGHZ 82, 299 - Kunststoffhohlprofil II m.w.N.; von Caemmerer, Festschrift für Rabel I, 333; Kraßer, GRUR Int 1980, 259, 267 m.w.N.; a.A. Koppensteiner NJW 1971, 588; ders. NJW 1971, 1769, dagegen s. BGHZ 82, 299, 308).

Bei der Verletzung eines Warenzeichens ist danach maßgeblich der Verkehrswert des Gebrauchs dieses Warenzeichens durch Dritte. Dieser Wert findet seinen Ausdruck in der angemessenen und üblichen Lizenzgebühr, denn deren Höhe korrespondiert mit der Werteinschätzung, die die beteiligten Verkehrskreise dem Gebrauch des Warenzeichens entgegenbringen (BGHZ 44, 372, 381 - Meßmer- Tee II). Der Gewinn des Verletzers, den der Einzelne möglicherweise bei Gebrauch des Warenzeichens erzielt, ist dagegen nicht Bestandteil dieser Einschätzung und kann deshalb bei der Wertfestsetzung nach § 818 Abs. 2 BGB nicht herangezogen werden.

III.

Danach erweist sich die Anschlussrevision, unbeschadet des im Wortlaut lediglich auf eine Begrenzung des Verletzergewinns gerichteten Antrages, mit dem Inhalt als begründet, dass die Beklagten zur Zahlung einer für das verletzte Warenzeichenrecht angemessenen und üblichen Lizenzgebühr verpflichtet sind. Die darüber hinausgehende Klage auf Herausgabe eines weiteren Verletzergewinns war demgemäß abzuweisen.

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