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Landgericht Frankfurt am Main Urteil vom 08.03.2012 - 2-3 O 437/11 - Unzulässige Werbung mit Fantasie-Fachanwaltsbezeichnungen

LG Frankfurt am Main v. 08.03.2012: Wettbewerbsverstoß durch Verwendung von Fantasie-Fachanwaltstiteln bei der Suchfunktion auf einem Anwaltsportal im Internet


Das Landgericht Frankfurt am Main (Urteil vom 08.03.2012 - 2-3 O 437/11) hat entschieden:

   Der Betreiber eines Anwaltsportals im Internet handelt wettbewerbswidrig, wenn er im Rahmen einer Suchfunktion automatisierte Vorschlagslisten verwendet, die Rechtsanwälte mit Fachanwaltsbezeichnungen erzeugen, die nach § 1 FAO i. V. m. § 43c BRAO schlicht nicht existieren.




Siehe auch Rechtsanwälte - Anwaltswerbung und Stichwörter zum Thema Werbung


Tatbestand:


Beide Parteien betreiben Anwaltsportale im Internet, die Verfügungsklägerin (nachfolgend Klägerin) unter ..., die Verfügungsbeklagte (nachfolgend Beklagte) unter ... und ... Die Beklagte betreibt auch die Webseiten ... und ... .

Die Beklagte bietet auf ihren Webseiten eine Suchfunktion an, aufgrund der dem Nutzer "Vorschlagslisten" angeboten werden (Autovorschläge/Autocomplete-​Funktion), so beispielsweise "Fachanwalt für Vertragsangelegenheiten", "Fachanwalt für Markenrecht", "Fachanwalt für Domainrecht", wie auf Bl. 87 d. A. ersichtlich. Diese dort angebotenen "Vorschläge" an "Fachanwaltsbezeichnungen" existieren gemäß § 1 Fachanwaltsordnung (FAO) in Verbindung mit § 43 c BRAO jedenfalls größtenteils nicht.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 20.9.2011 mahnte die Klägerin die Beklagte ab.

Die Kammer hat – auf den klägerischen Antrag vom 27.09.2011 – es der Beklagten im Wege einer einstweiligen Verfügung – Beschluss – vom 6.10.2011 (Bl. 126 ff. d. A.)

   untersagt,

  1.  im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Fachanwaltstitel zu verwenden und/oder damit zu werben, welche nicht gemäß § 1 Fachanwaltsordnung in Verbindung mit § 43 c BRAO vergeben werden können (Fantasie-​Fachanwaltstitel), insbesondere die Titel "Fachanwalt für Internetrecht",

und/oder

  2.  im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs auf Webseiten eine Suchfunktion zu verwenden, welche dem Nutzer eine automatisierte Vorschlagsliste (Autocomplete-​Funktion) anbietet und dabei Vorschläge für Fachanwaltstitel vorgibt, welche nicht gemäß § 1 Fachanwaltsordnung in Verbindung mit § 43 c BRAO vergeben werden können (Fantasie-​Fachanwaltstitel), insbesondere die Titel "Fachanwalt für Vertragsangelegenheiten", "Fachanwalt für Markenrecht" und "Fachanwalt für Domainrecht"

wie dies beispielsweise zwischen dem 31.8.2011 und dem 20.9.2011 unter ... und ... geschah.

Aufgrund teilweiser Antragsrücknahmen durch die Klägerin wurden dieser und der Beklagten in der Beschlussverfügung die Verfahrenskosten je zur Hälfte auferlegt.

Nachdem die Beklagte zunächst auch teilweise gegen die Verbotsverfügung zu Ziffer 1) Widerspruch eingelegt hatte, beschränkt sie nunmehr – nach Rücknahme ihres Widerspruchs bzgl. Ziffer 1. – ihren Widerspruch auf die Verbotsverfügung zu Ziffer 2) der einstweiligen Verfügung.

Die Klägerin trägt vor, der Verfügungsanspruch resultiere aus §§ 3, 4 Nr. 11, 5, 8 III Nr. 1 UWG i. V. m. § 1 FAO und § 43 c BRAO. Durch die automatische Vorschlagsliste (Aotocomplete-​Funktion) führe die Beklagte in die Irre, da sie ein nahezu unerschöpfliches Repertoire an Fachanwälten vorgäbe, welches so weder existiere noch von ihr vorgehalten werde bzw. werden könne. Auch erschwere die Beklagte dem objektiven Nutzer durch die Vermischung von existenten und nichtexistenten Fachanwaltstiteln eine Unterscheidung und versuche so ihr Angebot größer erscheinen zu lassen und die Nichtexistenz von Titeln zu verschleiern. Die Beklagte forciere aktiv die Unterbreitung von Vorschlägen für nichtexistente Fachanwaltstitel mittels eines technischen Hilfsmittels. Es liege eine "Empfehlung" für Suchbegriffe mittels technischer Assistenz vor. Diese Empfehlungen gingen über den Unterlassungstenor zu Ziffer 1) hinaus, da die nichtexistenten Titel nicht lediglich aufgeführt würden, sondern dem Nutzer sogar im Sinne eines "Pushes" gewissermaßen in den Mund oder besser gesagt in die Tasten gelegt würden. Die von der Beklagten in Bezug genommenen Entscheidungen gingen an dem hier betrachteten Sachverhalt vorbei. Der Nutzer eines Anwaltsportals, welches Fachanwaltportal sei, erwarte und dürfe auch erwarten, dass bei Vorschlägen in Zusammenhang mit Fachanwaltsbezeichnungen lediglich solche Fachanwaltsbezeichnungen passiv vorgehalten und oder aktiv vorgeschlagen würden, die tatsächlich existierten. Die vorgeschlagenen Begriffskombinationen in Verbindung mit "Fachanwalt für" stellten keinen wertneutralen Inhalt dar, sondern eine fachliche Empfehlung, die sich die Beklagte vorhalten lassen müsse.

Die Klägerin beantragt,

   die einstweilige Verfügung – Beschluss – vom 6.10.2011 bezüglich Ziffer 2) zu bestätigen.

Die Beklagte beantragt,

   die einstweilige Verfügung des Landgerichts Frankfurt am Main vom 6.10.2011 bezüglich Ziffer 2) aufzuheben und insoweit den Antrag der Klägerin auf Erlass derselben zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, bei ihrer Anwaltsplattform ... handele es sich primär um eine Plattform für Rechtsanwälte, im Wege des Empfehlungsmanagements, und nur sekundär um eine, die sich an Rechtssuchende richte.

Die "AutoSuggestBox" biete dem Suchenden lediglich eine Vereinfachung der Eingabe unterschiedlicher Worte. An dieser Stelle werde noch keine reale Suche ausgeführt, sondern lediglich eine wertfreie Eingabehilfe angeboten. Die tatsächlichen Empfehlungen seien dann im Suchergebnis wiederzufinden. Der Nutzer könne Worte seiner Wahl in die Suchmaske eintragen. Dabei sei dem Nutzer klar, dass die Worte in keinem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis stünden, sondern lediglich die Parameter für die Suche darstellten. Lediglich die Benutzung einer Präposition wie bspw. "für" mache aus der Eingabe von Suchparametern noch keinen Titel. Es sei nur verboten mit einem nicht existenten Fachanwaltstitel zu werben, vorliegend erfolge aber keine Werbung mit einem derartigen Fachanwaltstitel.

Die Kostenquote der Beschlussverfügung sei nicht nachvollziehbar. Die wirtschaftliche Konsequenz für die Beklagte wäre hinsichtlich der Anträge zu 3) und 4) viel dramatischer gewesen, wohingegen die verbliebenen Anträge wirtschaftlich nahezu keine Relevanz hätten.

Der Unterlassungstenor zu 2) sei bereits von der vorgenannten Ziffer 1) umfasst.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.





Entscheidungsgründe:


Auf den Widerspruch der Beklagten war die einstweilige Verfügung auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Dies führte zu ihrer Bestätigung.

Der Verfügungsgrund der Eilbedürftigkeit ist gegeben. Gemäß § 12 II UWG wird die Dringlichkeit vermutet. Diese Vermutung ist nicht widerlegt.

Der Klägerin steht auch der Unterlassungsanspruch gemäß Ziffer 2) der einstweiligen Verfügung gemäß §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG i. V. m. § 1 FAO, § 43 c BRAO bzw. § 5 UWG zu.

Die Klägerin ist aufgrund § 8 III Nr. 1 UWG als Mitbewerberin aktivlegitimiert.

Die Beklagte handelt unlauter, da durch die Verwendung der "Autocomplete-​Funktion", so wie sie sich bspw. aus Anlage AS 2 (= Bl. 97 d. A.) ergibt, der Nutzer darüber getäuscht wird, dass er auf dem Portal der Beklagten einen Fachanwalt für bestimmte Rechtsgebiete finden könne, obwohl solche Fachanwaltsbezeichnungen wie beispielsweise "Fachanwalt für Vertragsangelegenheiten" oder "Fachanwalt für Markenrecht" nach § 1 FAO schlicht nicht existieren.

Der Nutzer geht auch hinsichtlich der Vorschläge, die in der AutoSuggest-​Box erscheinen, nicht davon aus, dass es sich lediglich um einzelne Parameter handelt, die in keinem Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen. Vielmehr wird er sie aufgrund der verwendeten Präposition "für" für tatsächliche Fachanwaltstitel halten und davon ausgehen, dass ein aufgrund dieses Vorschlags empfohlener Rechtsanwalt auch tatsächlich über einen solchen Fachanwaltstitel verfügt.

Durch diese Verknüpfung, von der der Nutzer ausgeht, entsteht für diesen der Eindruck eines nahezu unerschöpflichen Repertoires an Fachanwälten, die in dem Anwaltsportal der Beklagten gelistet werden, was im Verhältnis zu Wettbewerbern eine unzutreffende Alleinstellung suggeriert. Zudem erschwert dies dem Nutzer eine Unterscheidung zwischen existenten und nichtexistenten Fachanwaltstiteln. Der Verkehr ist vor einer solchen Gefahr der Verwirrung hinsichtlich von existenten und nichtexistenten Fachanwaltstiteln aber besonders zu schützen, da die Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung besondere Kenntnisse und Erfahrungen voraussetzt, die der jeweilige Rechtsanwalt nachzuweisen hat, bevor er diesen Fachtitel verliehen bekommt.




Soweit die Beklagte hinsichtlich der Zulässigkeit der Verwendung der Autocomplete-​Funktion in der streitgegenständlichen Form drei Urteile in Bezug nimmt, so ist diesen gemein, dass dort jeweils der Internetsuchmaschinenbetreiber Google verklagt worden war. Soweit man bei Google den Begriff "Fachanwalt" eingibt, wie dies die Kammer getan hat, fällt auf, dass dort nur existente Fachanwaltsbezeichnungen ergänzt wurden. Zudem handelt es sich bei den vorgelegten Entscheidungen nicht um solche, die im Bereich des Wettbewerbsrechts ergangen sind, sondern um andere zivilrechtliche Ansprüche. Soweit die Entscheidungen insbesondere darauf abstellen, dass der durchschnittlichen Nutzer einer Suchmaschine mit der Aneinanderreihung einzelner Wörter noch keine inhaltliche Aussage verbinde, so stellt sich dies im vorliegenden Fall gerade anders dar. Denn der Verkehr misst bspw. den Worte "fachanwalt für vertrags" einen besonderen Sinn, nämlich eine Titelbezeichnung bei. Soweit solche auf einem Anwaltsportal in Erscheinung treten und sei es auch nur in der AutoSuggest-​Box, erwartet der Nutzer hier, aufgrund der Tatsache, dass er es gerade nicht mit einer "allgemeinen" Suchmaschine zu tun hat, tatsächlich mehr als nur eine lose Aneinanderreihung von Worten. Vielmehr erwartet er die Empfehlung von existenten Fachanwälten. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die Beklagte für sich einen besonders strengen Qualitätsmaßstab hinsichtlich der bei ihr empfohlenen Rechtsanwälte ansetzt, was sie auch durch die vielseitige Verwendung von "Premium" zum Ausdruck bringt.

Der Eindruck des Nutzers, dass es sich bei den Vorschlägen in der Autosuggest-​Box nicht nur um eine Aneinanderreihung von Begriffen handelt, wird auch dadurch verstärkt, dass bspw. bei der Angabe "fachanwalt für vertrags" die verschiedenen vorgeschlagenen Begriffe alphabetisch erscheinen (Bl. 97 d. A.). Dies wird den Nutzer an ein Stichwortverzeichnis erinnern, nicht aber an eine Reihenfolge, die aufgrund vorangegangener Eingaben anderer Nutzer aufgerufen wird.

Daher wird der Nutzer aufgrund der Tatsache, dass es sich um ein Anwaltsportal handelt, und der Gestaltung des Portals wohl überwiegend davon ausgehen, dass bestimmte "Fachanwälte" von der Beklagten zur Auswahl gegeben werden. Dieser Eindruck wird auch nicht auf Aufruf eines Suchergebnisses korrigiert.

Soweit die Beklagte vorträgt, es handele sich primär um eine Plattform für Rechtsanwälte und nur sekundär um eine, die sich an Rechtssuchende richtet, so erschließt sich dies der Kammer nicht. Aus dem Internetauftritt ist dies jedenfalls so nicht ersichtlich. Insbesondere die in der AutoSuggest-​Box vorgeschlagenen Begriffe, die aufgrund vorangegangener Suchanfragen entstehen sollen, sprechen gegen eine Eingabe von Suchbegriffen, die von Rechtsanwälten eingegeben wurden.



Der Bestätigung des Verfügungstenors zu Ziffer 2) steht auch nicht der Verfügungstenor zu Ziffer 1) der einstweiligen Verfügung entgegen. Zwar wird der Beklagten in dieser Ziffer die Verwendung eines "Fantasie-​Fachanwaltstitels" untersagt. Jedoch ist in der Bereitstellung der Autocomplete-​Funktion eine andere Verletzungszielrichtung zu sehen, die so nicht von Ziffer 1) umfasst ist.

Es besteht auch die für den Unterlassungsanspruch notwendige Wiederholungsgefahr. Diese ist durch die erstmalige Rechtsverletzung indiziert und durch die Beklagte nicht durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt worden.

Die Entscheidung über die Androhung eines Ordnungsmittels beruht auf § 890 ZPO.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO. Die Kammer sieht keine Veranlassung, an der Kostenentscheidung in der teilweise angegriffenen einstweiligen Verfügung und der vorgenommenen Gewichtung der einzelnen Anträge etwas zu ändern. Insofern ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der von der Klägerin in ihrer Antragsschrift vorgenommenen Gewichtung der Streitwerte indizielle Bedeutung zukommt.

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