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BGH Urteil vom 07.11.1996 - I ZR 138/94 - Hinweis "Irrtümer sind vorbehalten" in einem Werbeprospekt

BGH v. 07.11.1996: Hinweis "Irrtümer sind vorbehalten" in einem Werbeprospekt


Der BGH (Urteil vom 07.11.1996 - I ZR 13) hat entschieden:

   Der in einem mehrseitigen Werbeprospekt für Möbel neben sonstigen Vorbehalten ua zu Maßangaben und zur Liefermöglichkeit enthaltene kleingedruckte Hinweis "Irrtümer sind vorbehalten" ist wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden.




Siehe auch
Werbeaussagen
und
Wettbewerb


Zum Sachverhalt:


Die Beklagte ließ im Oktober 1992 als Beilage zur H. Zeitung einen zwölfseitigen Werbeprospekt verteilen, in dem sie hauptsächlich Eßzimmer-, Wohnzimmer- und Schlafzimmermöbel anbot. Auf der letzten Seite befand sich in kleiner Schrift am rechten Blattrand quer zur normalen Leserichtung folgender einzeiliger Hinweis:

   Alle Maße sind ca-Angaben. Modellabweichungen, Irrtümer und Liefermöglichkeiten sind vorbehalten.

Die klagende Z. hält den Hinweis "Irrtümer sind vorbehalten" für irreführend, weil die Gefahr bestehe, daß die so angesprochenen Verbraucher insbesondere auf ihre Rechte nach § 13 a Abs. 1 UWG und auf Gewährleistungsansprüche verzichten könnten.

Die Klägerin hat beantragt,

   der Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken in Werbeprospekten oder sonstigen Mitteilungen, welche für einen größeren Personenkreis bestimmt sind, den Hinweis "Irrtümer sind vorbehalten" aufzunehmen.

Die Beklagte hat dagegen vorgebracht, der im gesamten deutschen Möbelhandel übliche Hinweis enthalte keine Täuschung über geschäftliche Verhältnisse. Durch den Werbeprospekt würden Kunden lediglich zur Abgabe eines Angebots aufgefordert. Sofern der Prospekt versehentlich unrichtige Angaben enthalte, würden die Käufer darüber im Rahmen eines Beratungs- und Verkaufsgesprächs aufgeklärt. Der Hinweis "Irrtümer sind vorbehalten" sei für die Kunden mithin ohne Bedeutung. Sie würden ihn deshalb auch nicht als Haftungsausschluß oder unrichtige Belehrung verstehen.

Das Landgericht hat die Beklagte entsprechend dem Klageantrag verurteilt.

Mit der (Sprung-)Revision verfolgte die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Die Revision hatte Erfolg.






Aus den Entscheidungsgründen:


"I.

Das Landgericht hat in dem Hinweis "Irrtümer sind vorbehalten" einen Verstoß gegen § 3 UWG erblickt. Dazu hat es ausgeführt:

Der beanstandete Hinweis sei geeignet, Kunden bei unzutreffenden Angaben im Werbeprospekt davon abzuhalten, etwaige ihnen zustehende Rechte aus § 13 a UWG geltend zu machen. Da das Rücktrittsrecht aus § 13 a Abs. 1 UWG unabhängig davon bestehe, ob der Werbende die Unwahrheit seiner Werbeangaben gekannt habe, komme es nicht darauf an, ob der Prospekt bewußt oder nur versehentlich falsche Angaben enthalte.

Aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers erwecke der Hinweis ferner den Eindruck, die Beklagte hafte nicht für Schäden, die durch unzutreffende Angaben im Prospekt verursacht würden. Es könne jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, daß Kunden aufgrund des Vermerkes beeinflußt würden, in Verkennung der Rechtslage ihnen zustehende Ansprüche nicht zu verfolgen.

Zwar enthielten Angaben in einem Werbeprospekt nur die Aufforderung zu einem Angebot. Für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung sei dies jedoch irrelevant, weil werbliche Aussagen grundsätzlich einen rechtlich verbindlichen Charakter hätten. Der beanstandete Hinweis diene auch Wettbewerbszwecken. Verzichte nämlich ein Kunde - beeinflußt durch den Hinweis - auf Rücktritts- bzw. Anfechtungs- oder Gewährleistungsrechte, so kämen andere Mitbewerber nicht zum Zuge.




II.

Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Zutreffend und von der Revision unbeanstandet ist das Landgericht von der Klagebefugnis der Klägerin im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG ausgegangen. Der Senat sieht keine Anhaltspunkte, die zu Zweifeln am Prozeßführungsrecht der Klägerin Anlaß geben könnten (vgl. BGH, Urt. v. 29.9.1994 - I ZR 138/92, GRUR 1995, 122 = WRP 1995, 104 - Laienwerbung für Augenoptiker).

2. Die Annahme des Landgerichts, die Beklagte verstoße mit dem Hinweis "Irrtümer sind vorbehalten" gegen § 3 UWG, weil Kunden unzutreffend über die ihnen zustehenden Rechte belehrt würden, ist nicht frei von Rechtsfehlern.

Nach der Feststellung des Landgerichts verstehen nicht unbeachtliche Teile des Verkehrs die beanstandete Angabe dahin, daß die Beklagte etwaige Rücktritts- und Gewährleistungsrechte habe ausschließen wollen. Diese Annahme ist zwar im Verfahren der Sprungrevision nur in den durch § 566 a Abs. 3 Satz 2 ZPO gezogenen engen Grenzen revisionsrechtlich nachprüfbar, insbesondere ob die aus den getroffenen Feststellungen gezogenen Schlußfolgerungen mit Denkgesetzen und Erfahrungssätzen vereinbar sind (vgl. dazu BGHZ 106, 101, 104 ff. - Dresdner Stollen I; MünchKommZPO/Walchshöfer, § 566 a Rdn. 17). Sie hält jedoch einer solchen Überprüfung nicht stand.

a) Die Revision weist zutreffend darauf hin, daß die Angabe ihrem Wortsinn nach zunächst nur besagt, daß auf menschlichem Irrtum beruhende Druckfehler nicht ausgeschlossen werden können. Darin liegt an sich eine Selbstverständlichkeit. Das werbende Unternehmen muß auf sie aber vorsorglich hinweisen können, ohne sich allein deswegen dem Vorwurf einer wettbewerbswidrigen Irreführung auszusetzen. Dies schließt allerdings nicht aus, daß der Verkehr dem Hinweis auch eine weitergehende Bedeutung entnimmt, die wettbewerbsrechtlich beachtlich sein kann.

b) Das vom Landgericht zugrunde gelegte weitergehende Verkehrsverständnis ist jedenfalls nicht in dem von ihm angenommenen Umfang mit der allgemeinen Lebenserfahrung vereinbar. Es ist schon zweifelhaft, ob der Käufer - wenn er die eher versteckt in weitere Hinweise wie "ca-Angaben, Modellabweichungen ... und Liefermöglichkeiten sind vorbehalten" eingebettete Angabe überhaupt wahrnimmt - daran denkt, daß ihm Rücktrittsrechte aus § 13 a Abs. 1 UWG oder Gewährleistungsansprüche zustehen könnten, die durch die beanstandete Irrtumsklausel ausgeschlossen worden seien. Die Klausel ist so vage formuliert, daß sie jedenfalls nicht auf eine bestimmte Rechtsbeschränkung hinweist. Es heißt nicht, "für Irrtümer wird keine Gewähr übernommen", sondern "Irrtümer ... sind vorbehalten". Das Landgericht hat auch nicht dargelegt, an welche Schäden oder Ansprüche der Kunde aufgrund unrichtiger Prospektangaben denken könnte. Daß solche Ansprüche in Betracht kommen, schließt es allein aus dem Umstand, daß der Hinweis andernfalls überflüssig und das Festhalten der Beklagten daran nicht verständlich wäre.

Unter den hier gegebenen Umständen, insbesondere auch aufgrund der unauffälligen Gestaltung und der Einbettung in andere Angaben, widerspricht die Annahme des Landgerichts danach der allgemeinen Lebenserfahrung, daß der Verkehr durch den Hinweis davon abgehalten werden könnte, Rücktritts- und Gewährleistungsrechte geltend zu machen; sie ergibt sich nicht aus den Feststellungen des Tatrichters.

c) Das Landgericht hat überdies ungeprüft gelassen, ob der beanstandete Hinweis für die Kaufentscheidung eines nicht unbeachtlichen Teils des Verkehrs überhaupt von Bedeutung ist (vgl. BGH, Urt. v. 10.11.1994 - I ZR 201/92, GRUR 1995, 125, 126 = WRP 1995, 183 - Editorial I m.w.N.). Der Hinweis erscheint jedenfalls dann, wenn der umworbene Kunde ihn beim Betrachten des Werbeprospekts vor einem Aufsuchen der Geschäftsräume der Beklagten - was die Regel sein wird - zur Kenntnis nimmt, bei Zugrundelegung des vom Landgericht angenommenen Verkehrsverständnisses objektiv eher geeignet, potentielle Kunden von einem Kauf abzuhalten (so auch OLG Oldenburg, Urt. v. 17.3.1994 - 1 U 165/93 -). Denn erfahrungsgemäß wird der Kaufentschluß mehr negativ als positiv beeinflußt, wenn der Käufer befürchten muß, ihm könnten Rechte, die ihm an sich zustehen, verkürzt werden.

3. Auch ein Verstoß gegen § 1 UWG, auf den sich die Revisionserwiderung ergänzend beruft und den das Landgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht geprüft hat, ist zu verneinen. Die Revisionserwiderung beruft sich ohne Erfolg darauf, der Hinweis "Irrtümer sind vorbehalten" enthalte eine unzutreffende Belehrung über die Rechte der Kunden.



a) Dem Urteil des Landgerichts lassen sich keine Feststellungen entnehmen, die darauf schließen lassen, der Verkehr könnte den Hinweis im Sinne einer Belehrung über ihm zustehende Rechte verstehen. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die für die Annahme eines solchen Verkehrsverständnisses sprechen könnten. Sie wird vor allem nicht durch den sehr allgemein gehaltenen Wortlaut (vgl. dazu vorstehend unter II. 2 b) nahegelegt.

b) Ein Verstoß gegen § 1 UWG käme aber selbst dann nicht in Betracht, wenn man in dem Hinweis eine Belehrung über Käuferrechte sehen wollte.

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats verstößt eine unrichtige oder fehlende Belehrung der Kunden über die ihnen zustehenden Rechte gegen § 1 UWG, wenn eine solche - etwa nach dem Verbraucherkreditgesetz oder dem Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften - gesetzlich vorgeschrieben ist (BGHZ 121, 52, 54 - Widerrufsbelehrung; BGH, Urt. v. 8.7.1993 - I ZR 202/91, GRUR 1994, 59, 60 = WRP 1993, 747 - Empfangsbestätigung). Im Streitfall hat für die Beklagte keine gesetzliche Verpflichtung bestanden, den umworbenen Kunden in dem Werbeprospekt über seine Rechte im Falle eines Kaufes zu belehren.

bb) Außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle besteht dagegen grundsätzlich keine Verpflichtung, den Vertragspartner - praktisch vorbeugend - über seine Rechte und Pflichten zu belehren. Ein Verkäufer braucht den Kaufinteressenten nicht von sich aus über alle Umstände aufzuklären, die für dessen Willensbildung von Bedeutung sein können. Vielmehr muß der gegenläufige Grundsatz berücksichtigt werden, daß derjenige, der einen Vertrag schließt, sich selbst darüber zu vergewissern hat, ob dieser für ihn von Vorteil ist oder nicht (vgl. BGH, Urt. v. 13.7.1988 - VIII ZR 224/87, NJW 1989, 763, 764).

Eine andere Beurteilung könnte sich nur bei Vorliegen besonderer Unlauterkeitsmerkmale ergeben. Diese sind im Streitfall jedoch nicht ersichtlich. Die beanstandete Irrtumsklausel hat auf die Kaufentscheidung des umworbenen Kunden eher negative als positive Auswirkungen. Es ist deshalb nicht ersichtlich, daß die Beklagte sich einen Wettbewerbsvorsprung gegenüber ihren Mitbewerbern verschaffen könnte. Der beanstandete Hinweis sagt zudem nicht, daß im Falle eines Irrtums keine Gewähr übernommen werde. ..."

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