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OLG Düsseldorf Urteil vom 07.07.2010 - VI-U (Kart) 12/10 - Haftung des Betreibers eines Ticketportals

OLG Düsseldorf v. 07.07.2010: Haftung des Betreibers eines Ticketportals nur bei Kenntnis von einer Rechtsverletzung oder Hinweis auf eine solche


Das OLG Düsseldorf (Urteil vom 07.07.2010 - VI-U (Kart) 12/10) hat entschieden:

   Die wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht eines Telediensteanbieters konkretisiert sich als Prüfungspflicht. Eine lauterkeitsrechtliche Handlungspflicht entsteht erst, wenn und soweit der Betreiber des Internetportals auf eine klare Rechts- oder Vertragsverletzung hingewiesen wird. - Erhält der Betreiber eines Internetportals frühestens nach einem Ticketverkauf von Eintrittskarten für die 1. Bundesliga Kenntnis von dem betreffenden Geschäft, schließt dies die Annahme aus, er leiste zu konkreten gewerblichen oder kommerziellen Weiterverkäufen wissentlich und willentlich dadurch Hilfe, dass er ein Internetportal bereit stellt.



Siehe auch Ticketverkauf im Internet und Portale / Internetplattform


Gründe:


I.

Die Klägerin unterhält eine Lizenzfußballmannschaft der 1. Bundesliga. Eintrittskarten für die Spiele ihrer Mannschaft vertreibt sie im Direktverkauf, über Call-Center, über das Internet und über autorisierte Vorverkaufsstellen. Zur Vermeidung von Gewalttätigkeiten und Straftaten im Zusammenhang mit dem Stadionbesuch, zur Durchsetzung von Stadionverboten, zur Unterbindung des gewerblichen und kommerziellen Weiterverkaufs von Eintrittskarten zu überhöhten Preisen und um die Anhänger der aufeinandertreffenden Mannschaften im Stadion trennen zu können, schränkt die Klägerin den Verkauf und die Weitergabe der Eintrittskarten ein. An private Abnehmer verkauft sie pro Spiel maximal vier und bei sog. Top-Spielen höchstens zwei Eintrittskarten pro Besteller. In ihren Allgemeinen Ticket-Geschäftsbedingungen (ATGB) verpflichtet sie den Erwerber zudem, die Eintrittskarten nur persönlich und für private Zwecke zu nutzen und die Tickets im Falle der persönlichen Verhinderung nur an Familienangehörige und gute Bekannte weiterzugeben. In den ATGB heißt es dazu auszugsweise weiter:

   "Dem Erwerber und /oder Inhaber eines Tickets ist es insbesondere untersagt:
   Tickets ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Veranstalters via Internetauktionen, z.B. über "eB.", zum Verkauf anzubieten;

Tickets ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Veranstalters gewerblich und/oder kommerziell, d.h. mit Gewinn, zu veräußern;

Tickets zu einem höheren Preis als den, der auf den Tickets angegeben ist, zu verkaufen;

..."

Die Beklagte betreibt die Internet-Plattformen www.v....de und www.v....com. Nutzer können auf diesen Plattformen nach einer vorherigen Registrierung unter einem Benutzernamen (u.a.) Eintrittskarten für Sportveranstaltungen anbieten und erwerben, und zwar auf der Internetseite www.v....com Eintrittskarten für internationale Wettkämpfe und Spiele europäischer Profiligen sowie auf der Internetseite www.v....de Tickets für die Spiele der 1. Fußballbundesliga. Auf der Plattform www.v....de können die Eintrittskarten zu einem beliebigen Festpreis, im Rahmen einer Auktion oder zu einem fallenden Preis angeboten und erworben werden. Die Beklagte zieht vom Ticketkäufer den Kaufpreis zuzüglich Lieferkosten und eine .. %ige Bearbeitungsgebühr ein und leitet den Betrag nach Abzug einer .. %igen Provision an den Verkäufer weiter. Nach ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen bemüht sich die Beklagte bei Nichtlieferung der angebotenen Eintrittskarten um Ersatztickets und zieht vom Verkäufer gegebenenfalls den Mehrbetrag in Form einer sog. Ersatzgebühr ein.

Die Klägerin behauptet, dass über die Internetportale der Beklagten nicht nur die in ihren ATGB zugelassenen Privatverkäufe, sondern auch gewerbliche und kommerzielle Weiterverkäufe von Eintrittskarten für Spiele ihrer Bundesligamannschaft abgewickelt werden. Die Klägerin nimmt die Beklagte deswegen auf Unterlassung in Anspruch. Zur Darlegung gewerblicher und kommerzieller Weiterverkäufe verweist die Klägerin darauf, dass - wie unstreitig ist - in der Vergangenheit auf den Internetportalen der Beklagten des Öfteren Karten bereits vor dem Beginn des offiziellen Vorverkaufs oder in einer Stückzahl von mehr als vier Karten angeboten worden seien.

Das Landgericht hat der Klage unter Abweisung im Übrigen teilweise stattgegeben und die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verurteilt,

   es zu unterlassen, im Geschäftsverkehr, insbesondere im Internet und dort insbesondere unter der Internetseite www.v....de und www.v....com gewerblich handelnden Dritten die Möglichkeit zu geben, Eintrittskarten zu Spielen der Lizenzspielermannschaften der Klägerin anzubieten und/oder an dem Verkauf in sonstiger Weise mitzuwirken, sofern die auf der Internetseite der Beklagten ihre Angebote einstellenden Dritten die Karten von der Klägerin oder von durch die Klägerin autorisierten Dritten unter Verschleierung der Wiederverkaufsabsicht erworben haben.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie hält die in den ATGB der Klägerin enthaltenen Weiterverkaufsbeschränkungen für kartellrechtswidrig und bestreitet überdies mit Nichtwissen, dass ihre Internet-Plattformen zu einem gewerblichen oder kommerziellen Weiterverkauf von Tickets der Klägerin benutzt werden.

Die Beklagte beantragt,

   das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 12. Februar 2010 im Verfahren 13 O 46/08 Kart aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

   die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt dem Vorbringen der Beklagten im Einzelnen entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils und die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.





II.

Die zulässige Berufung hat Erfolg. Das Landgericht hat der Beklagten zu Unrecht verboten, ihre Internetportale www.v....de und www.v....com auch für solche Nutzer bereitzustellen, die von der Klägerin Eintrittskarten für Bundesligaspiele ihrer Lizenzmannschaften unter Verschleierung der Weiterverkaufsabsicht erworben haben.

1. Der landgerichtliche Untersagungstenor entbehrt bereits der hinreichenden Bestimmtheit. Weder aus dem Urteilsausspruch noch aus den Entscheidungsgründen ist zu entnehmen, welche konkreten Nutzer oder konkreten Verkaufsangebote die Beklagte von ihren Internet-Plattformen auszuschließen haben soll. Für die Beklagte, die an dem Kartenerwerb ihres Internetverkäufers nicht beteiligt ist, bleibt naturgemäß verborgen, ob die Klägerin beim Ticketverkauf über eine tatsächlich bestehende Weiterverkaufsabsicht des Bestellers getäuscht worden ist oder nicht. Aus dem angefochtenen Urteil ist ebenso wenig zu erkennen, ob und gegebenenfalls welche charakteristischen Kennzeichen auf ein Internetangebot von im Schleichbezug erlangten Eintrittskarten hinweisen sollen. Die Parteien streiten vielmehr darüber, wann für die Beklagte ein Verkauf von im Schleichbezug erlangten Eintrittskarten der Klägerin erkennbar sein soll. Die Klägerin verweist zum Beleg gewerblicher und kommerzieller Weiterverkäufe auf den Umstand, dass Karten auf der Internet-Plattform der Beklagten bereits vor dem Beginn des offiziellen Vorverkaufs oder in einer Stückzahl von mehr als vier Karten angeboten worden seien. Die Beklagte hält dem entgegen, dass es sich bei den vor Beginn des Kartenvorverkaufs platzierten Internetangeboten um solche von Jahreskartenbesitzern handeln könne, die bereits frühzeitig wissen, ein bestimmtes Ligaspiel nicht besuchen und die betreffende Karte deshalb privat verkaufen zu wollen. Das Angebot von mehr als vier (bzw. zwei) Eintrittskarten kann darauf beruhen, dass - wie der Testkauf der Klägerin auf erste Sicht nahe legen könnte - der Internetverkäufer nicht nur seine eigenen Eintrittskarten anbietet, sondern zugleich auch für Familienangehörige deren Tickets unter eigenem Namen zum Kauf offeriert. Unter diesen Umständen hätte die Klägerin für eine hinreichend bestimmte Fassung ihres Klagebegehrens die diesbezüglichen Erkennungsmerkmale hinreichend konkret beschreiben und gegebenenfalls mit Beispielen verdeutlichen müssen (BGH, GRUR 2008, 702, 704 - Internet-Versteigerung III). In der stattdessen gewählten verallgemeinernden Form ist der Unterlassungsantrag unzulässig und der Unterlassungsausspruch des Landgerichts unbestimmt.

2. Die Klage ist darüber hinaus auch in der Sache nicht berechtigt. Die Beklagte ist der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet, solche Nutzer ihrer Internetportale www.v....de oder www.v....com auszuschließen, die von der Klägerin Tickets für ein Bundesligaspiel unter Verschleierung ihrer Weiterverkaufsabsicht erlangt haben. Dabei kann es auf sich beruhen, ob die Vertragsklausel, mit welcher die Klägerin in ihren ATGB den Weiterverkauf von Tickets einschränkt, in allen Punkten der kartellrechtlichen Prüfung und der Inhaltskontrolle standhält. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, scheidet eine Inanspruchnahme der Beklagten aus. Diese hat nämlich - entgegen der Ansicht des Landgerichts - durch die Bereitstellung ihrer Internetportale nicht gegen Vorschriften des Lauterkeitsrechts verstoßen.



a) Die Beklagte ist nicht Täter eines Vertragsbruchs zum Nachteil der Klägerin, weil sie selbst bei der Klägerin keine Eintrittskarten im Schleichbezug unter Verschleierung einer Weiterverkaufsabsicht bezogen hat oder bezieht.

b) Die Beklagte ist ebenso wenig Teilnehmer von Vertragsverstößen derjenigen Portalnutzer, die auf den Internetseiten www.v....de oder www.v....com unter Verstoß gegen ihre vertraglichen Bindungen durch die Klägerin Eintrittskarten gewerblich oder kommerziell zum Weiterverkauf anbieten. Es fehlt in jedem Falle an dem erforderlichen Gehilfenvorsatz der Beklagten. Er setzt zumindest einen bedingten Vorsatz voraus, der das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit einschließen muss (BGH, GRUR 2007, 890, 892 - Jugendgefährdende Schriften bei eBay m.w.N.; GRUR 2009, 597, 598 - Halzband). Ein solcher Beihilfevorsatz lässt sich nicht feststellen. Die Beklagte nimmt die auf ihren Internetportalen platzierten Verkaufsangebote vor ihrer Veröffentlichung nicht zur Kenntnis. Die Verkaufsofferte wird nach Ziffern 2.3 und 2.4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten (Anlage B 5, GA 117) vielmehr von dem Nutzer selbst unter einem Benutzernamen platziert. Zwar muss sich jeder Nutzer der Plattform bei der Beklagten unter Angabe seines Namens, der Anschrift, der Telefonnummer und der E-Mail-Adresse registrieren lassen, bevor ihm die Plattform zur Nutzung zur Verfügung steht. Dies vermittelt der Beklagten indes lediglich die Kenntnis von der Identität ihrer (potenziellen) Portalnutzer, aber nicht das Wissen von konkret drohenden Haupttaten. Die Verkaufsangebote werden im Rahmen des Registrierungsverfahrens automatisch - d.h. ohne irgendeine Beteiligung oder Kenntnisnahme seitens der Beklagten - durch den Anbieter ins Internet gestellt. Die Beklagte ist erst nach Abschluss eines Kaufvertrages in die Vertragsabwicklung eingeschaltet, indem sie den Kaufpreis einzieht und an den Verkäufer weiterleitet und sich ferner bei Nichtlieferung der Tickets um Ersatzkarten bemüht. Sie erhält mithin frühestens nach dem Zustandekommen eines Ticketverkaufs Kenntnis von dem betreffenden Geschäft. Das schließt die Annahme aus, die Beklagte leiste zu konkreten gewerblichen oder kommerziellen Weiterverkäufen wissentlich und willentlich dadurch Hilfe, dass sie ein Internetportal bereit stellt.

c) Die Beklagte hat durch den Betrieb ihrer Internet-Plattformen die Anbieter von Bundesliga-Eintrittskarten der Klägerin auch nicht unlauter zum Vertragsbruch verleitet. Ein unlauteres Verleiten zum Vertragsbruch liegt nur vor, wenn gezielt und bewusst darauf hingewirkt wird, dass ein anderer eine ihm obliegende Vertragspflicht verletzt. An die Allgemeinheit gerichtete Anzeigen zum Kauf von Tickets reichen für das Tatbestandsmerkmal des Verleitens in aller Regel nicht aus (BGH, GRUR 2009, 173, 175 - bundesligakarten.de). Dementsprechend erfüllt auch die Bereitstellung eines Internetportals zum Verkauf von Eintrittskarten nicht den Lauterkeitstatbestand. Alleine die Zurverfügungstellung des Verkaufsmediums und die Mitwirkung bei der Abwicklung des aus dem geschlossenen Vertrag resultierenden Zahlungsverkehrs ist zielt nicht darauf ab, den Verkäufer zum Bruch seiner vertraglich eingegangenen Verpflichtungen (hier: des Verbots eines gewerblichen oder kommerziellen Weiterverkaufs) zu veranlassen.

d) Die Beklagte hat ebenso wenig einen fremden Vertragsbruch ausgenutzt. Das bloße Ausnutzen eines fremden Vertragsbruchs, zu dem nicht verleitet worden ist, ist grundsätzlich nur unlauter, wenn besondere die Unlauterkeit begründenden Umstände hinzutreten. Solche Umstände liegen nicht vor. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass derjenige nicht unlauter handelt, der sich zwecks gewerblichen Weiterverkaufs in Anzeigen an die Allgemeinheit um den Ankauf von Eintrittskarten zu Sportveranstaltungen (konkret: von Tickets für Fußball-Bundesligaspiele) bemüht, auch wenn er weiß, dass potenziellen Verkäufern der Weiterverkauf der Karten nach dem Geschäftsbedingungen des Veranstalters untersagt ist und mit Hilfe dieses Weiterverkaufsverbots legitime Interessen wie die Gewährleistung der Stadionsicherheit oder ein sozial verträgliches Preisgefüge verfolgt werden (BGH, GRUR 2009, 173, 176 - bundesligakarten.de). Nichts anderes kann für den vorliegend zur Entscheidung stehenden Fall gelten, dass der Betreiber eines Internetportals seine Plattform auch zum Verkauf von solchen Tickets zur Verfügung stellt, deren gewerblicher oder kommerzieller Weiterverkauf formularmäßig untersagt ist.

e) Die Beklagte ist der Klägerin schließlich nicht unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht zur Unterlassung verpflichtet.

aa) Wer durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr die Gefahr schafft, dass Dritte durch das Wettbewerbsrecht geschützte Interessen von Marktteilnehmern verletzten, ist lauterkeitsrechtlich dazu verpflichtet, diese Gefahr im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu begrenzen. Die wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht eines Telediensteanbieters konkretisiert sich als Prüfungspflicht. Dabei ist allerdings zu beachten, dass ein Telediensteanbieter nach § 7 Abs. 2 Telemediengesetz nicht verpflichtet ist, die von ihm übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. Demzufolge kann die Bereitstellung der Internetportale www.v....de oder www.v....com für sich alleine noch keine Prüfungspflicht der Beklagten auslösen. Eine lauterkeitsrechtliche Handlungspflicht entsteht vielmehr erst, wenn und soweit die Beklagte auf eine klare Rechts- oder Vertragsverletzung hingewiesen wird. Ab Kenntniserlangung kann sie sich nicht mehr auf ihre medienrechtliche Freistellung berufen, sondern muss das rechts- oder vertragsverletzende Angebot umgehend sperren sowie im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren Vorsorge dafür treffen, dass es nicht zu weiteren gleichartigen Verstößen kommt (BGH, GRUR 2007, 890, 893 f. - Jugendgefährdende Schriften bei eBay; GRUR 2008, 702, 706 - Internet-Versteigerung III). Aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Schlagwort "Halzband" (GRUR 2009, 597) ergibt sich - anders als die Klägerin meint - nichts Gegenteiliges. Das Judikat befasst sich mit einer gänzlich anderen Fallgestaltung, nämlich mit der wettbewerbsrechtlichen Verantwortlichkeit eines eB.-Nutzers, dessen Mitgliedskonto zu Schutzrechtsverletzungen und Wettbewerbsverstößen benutzt wird, nachdem der Dritte an die Zugangsdaten dieses Mitgliedskonto gelangt ist, weil der Inhaber sie nicht hinreichend vor fremdem Zugriff gesichert hat. Ausschließlich für diese Fallgestaltung hat der Bundesgerichtshof angenommen, dass sich der Inhaber des Mitgliedskontos wegen der von ihm geschaffenen Gefahr einer Unklarheit darüber, wer unter dem betreffenden Mitgliedskonto gehandelt hat und im Falle einer Vertrags- oder Schutzrechtsverletzung in Anspruch genommen werden kann, auch ohne den vorherigen Nachweis eines klaren Rechtsverstoßes so behandeln lassen muss, als ob er selbst gehandelt hätte.

bb) Im Streitfall lässt sich nicht feststellen, dass die Beklagte gegen ihre wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht verstoßen hat. Voraussetzung dafür wäre, dass sie in der Vergangenheit Kenntnis von einem Verkaufsangebot auf ihren Internetportalen www.v....de oder www.v....com erlangt hat, das klar und eindeutig gegen ein dem Verkäufer rechtswirksam auferlegtes Weiterverkaufsverbot der Klägerin verstoßen hat, und die Beklagte ihrer dadurch ausgelösten Verkehrspflicht zur Sperrung des betreffende Angebots und Vornahme zumutbarer Kontrollmaßnahmen nicht nachgekommen ist. Die Darlegungslast für den pflichtenauslösenden klaren Vertragsverstoß obliegt dabei in vollem Umfang der Klägerin (vgl. BGH, GRUR 2008, 702, 705 - Internet-Versteigerung III). Eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten besteht - anders als die Klägerin meint - nicht. Denn sie würde der Beklagten im Ergebnis eine Nachforschungs- und Überprüfungspflicht auferlegen, die § 7 Abs. 2 TMG gerade ausschließt. Der Klägerin obliegt überdies die Darlegung, dass es in der Folgezeit zu einem erneuten gleichartigen Verstoß gekommen ist, den die Beklagte bei Vornahme der ihr möglichen und zumutbaren Anstrengungen hätte vermeiden können. Lediglich in diesem Kontext trifft den Internetportalbetreiber regelmäßig eine sekundäre Darlegungslast dahin, welche Schutzmaßnahmen er angesichts des ihm nachgewiesenen klaren Vertragsverstoßes ergreifen kann und weshalb ihm, falls die besagten Maßnahmen keinen lückenlosen Schutz gewährleisten, weitergehende Anstrengungen nicht zugemutet werden können (BGH, GRUR 2008, 1097, 1098 - Namensklau im Internet; GRUR 2008, 702, 705 - Internet-Versteigerung III). Denn der Gläubiger verfügt im Allgemeinen weder über das erforderliche Wissen noch kann er sich diese Kenntnis zu den Prüf- und Kontrollmöglichkeiten des Internetportalbetreibers beschaffen.

Die Klägerin hat dieser Darlegungslast nicht genügt. Ihr Vorbringen trägt nicht die Feststellung, dass die Beklagte im Sinne eines klaren Verletzungsfalles auf ein Verkaufsangebot hingewiesen worden ist, mit dem Eintrittskarten der Klägerin unter Verstoß gegen ein rechtswirksam auferlegtes Weiterverkaufsverbot gewerblich oder kommerziell auf www.v....de oder www.v....com zum Kauf angeboten worden sind, und es in der Folgezeit auf den genannten Internetportalen der Beklagten zu einem weiteren gleichartigen Verstoß gekommen ist, den die Beklagte mit zumutbarem Aufwand hätte verhindern können.

(1) Die Tatsache, dass in der Vergangenheit auf den Internetportalen der Beklagten Eintrittskarten bereits zu einem Zeitpunkt zum Kauf angeboten worden sind, zu dem der offizielle Kartenvorverkauf noch nicht eröffnet gewesen ist, belegt keine klare Rechtsverletzung. Denn es ist denkbar, dass es sich bei den betreffenden Anbietern um Besitzer von Jahreskarten handelt, die bereits weit im Vorhinein wissen, dass sie ein bestimmtes Ligaspiel nicht besuchen können und die betreffende Karte umgehend privat zum Kauf anbieten.




(2) Ein klarer Verletzungsfall ist gleichfalls nicht dadurch belegt, dass auf www.v....de in zahlreichen Fällen unter einem Benutzernamen mehr als zwei bzw. vier Eintrittskarten der Klägerin zum Kauf angeboten worden sind. Das Angebot von Tickets in einer größeren Anzahl als sie die Klägerin an einen einzelnen Besteller abgibt, weist nicht zwingend auf einen gewerblichen oder kommerziellen Weiterverkauf. Das gilt schon deshalb, weil sich die Klägerin in Ziffer 2.2 Satz 2 ATGB (Anlage zum Schriftsatz vom 10.12.2009, GA 681) ausdrücklich das Recht vorbehält, die Ticketzahl nach eigenem Ermessen zu erhöhen, so dass auch ein Privatverkauf mehr als vier Eintrittskarten umfassen kann. Möglich ist ferner, dass der Verkäufer unter seinem Namen nicht nur die eigenen Karten, sondern der Einfachheit halber zugleich auch die Tickets eines Familienangehörigen oder Bekannten anbietet, der am Spieltag ebenfalls verhindert ist. Denkbar ist ebenso, dass der Verkäufer zwar ausschließlich eigene Karten zu gewerblichen Zwecken zum Kauf anbietet, er aber dem formularmäßigen Weiterverkaufsverbot der Klägerin überhaupt nicht unterliegt, weil die ATGB - aus welchen Gründen auch immer - nicht wirksam einbezogen worden sind. Die Möglichkeit, dass Eintrittskarten in einer erheblichen Anzahl ohne die rechtsgültige Einbeziehung der ATGB verkauft worden sind, liegt im Streitfall besonders nahe. Denn die Klägerin setzt nach eigenen Angaben .. % ihrer Tickets - und somit mehrere tausend Stück pro Spiel - über Call-Center ab, ohne dass nachvollziehbar vorgetragen oder sonst ersichtlich ist, auf welche Weise den Kartenerwerbern im Rahmen der telefonischen Bestellung gemäß § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB die Möglichkeit verschafft werden soll, von dem mehr als 5-seitigen Regelungswerk der Klägerin Kenntnis zu nehmen. Die über Call-Center verkauften Karten übersteigt die Zahl derjenigen Tickets, bei denen nach dem Prozessvortrag der Klägerin die Höchstabgabezahl von vier bzw. zwei Eintrittskarten überschritten wurde, bei weitem. Vor diesem Hintergrund lässt sich auch aus der Anzahl der in Rede stehenden Fälle nicht schließen, dass es sich bei zumindest einem Fall um einen vertragswidrigen Weiterverkauf gehandelt haben muss.

(3) Ohne hinreichenden Aussagewert ist ebenso, dass die Beklagte in Ziffer 2.5 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Anlage K 24, GA 515) die Nutzer der Plattform www.v....de darauf hinweist, sie selbst seien für die Beachtung und Einhaltung der umsatzsteuerrechtlichen Vorschriften verantwortlich. Schon mit Rücksicht auf die zahlreichen Ticketverkäufe über Call-Center, bei denen das in den ATGB vorgesehene Weiterverkaufsverbot nicht Vertragsbestandteil wird und ein gewerblicher oder kommerzieller Kartenverkauf deshalb wettbewerbsrechtlich unbedenklich ist, lässt die Vertragsklausel nicht den Rückschluss zu, der Beklagten müsse bekannt sein, dass über das Portal www.v....de (auch) vertragswidrige Kartenverkäufe angeboten werden. Es kommt hinzu, dass nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten (Anlage K 24, GA 515) über die Internetseite www.v....de nicht nur Tickets der Klägerin, sondern Eintrittskarten für eine Vielzahl unterschiedlicher Sportveranstaltungen (Fußball, Motorsport, Boxen, Handball, Tennis, Leichtathletik, Basketball usw.), ferner für Musikveranstaltungen zahlreicher moderner Musikrichtungen sowie schließlich für Kunst- und Theatervorstellungen (Musicals, Comedy, Klassisch, Ballett und Tanz, Oper, Show usw.) angeboten werden können. Dass sämtliche Veranstalter ihren Kartenkäufern formularvertraglich ein gewerbliches und kommerzielles Weiterverkaufsverbot auferlegen, behauptet die Klägerin selbst nicht.

(4) Der Testkauf, den die Klägerin im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens veranlasst und vorgetragen hat, hat der Beklagten ebenfalls keine Kenntnis von einem klaren vertragswidrigen Weiterverkauf vermittelt.

(4.1) Nach den dazu vorgelegten Unterlagen (Anlagen K 25 - K 28, GA 576 - 590) hat die von der Klägerin vorgeschobene A. GmbH am 9. März 2008 insgesamt 10 Eintrittskarten der Klägerin für das Bundesliga-Spiel … gegen … erworben. Jeweils 4 dieser Tickets waren von einem F. S., wohnhaft "H.-R.-Straße .. in B.", und einem S. S., wohnhaft ebenfalls "H.-R.-Straße .. in B.", bei der Klägerin gekauft worden; die restlichen 2 Karten stammten von einer I. S. aus M.. Aufgrund des vorgelegten Gewerberegisterauszugs des Bezirksamtes P. von B. (Anlage K 31, GA 599) steht zudem fest, dass ein F. S. S., wohnhaft "H.-R.-Straße .. in B.", seit dem 1. Juni 2007 ein Gewerbe (u.a.) zum Verkauf und zur Vermittlung von Eintrittskarten für Konzerte, Veranstaltungen und Sportveranstaltungen angemeldet hat. Durch Vorlage eines entsprechenden Internetausdrucks vom 7. Juni 2009 (Anlage K 30, GA 593) ist schließlich dargetan, dass ein F. S. unter der Anschrift "H.-R.-Straße .. in B." auf einer noch im Aufbau befindlichen Homepage unter der Bezeichnung "e..de" den Verkauf von "Karten für nahezu alle ausverkauften Spiele in der Fußball-Bundesliga, insbesondere des … in der …" in Aussicht stellt.



(4.2) Zu Unrecht hat das Landgericht angenommen, dass die Beklagte durch Vorlage der genannten Unterlagen auf einen klaren vertragswidrigen Weiterverkauf hingewiesen worden ist. Zwar ist davon auszugehen, dass den Internetverkäufern S. ein gewerblicher oder kommerzieller Weiterverkauf der Eintrittskarten verboten war. Denn sie haben ihre Tickets von der Klägerin per Internet bezogen, und bei einer Online-Bestellung ist durch entsprechende Voreinstellungen auf der Homepage der Klägerin sichergestellt, dass eine Kartenbestellung erst aufgegeben werden kann, wenn der Besteller den ATGB zugestimmt hat. Das ist dem von der Klägerin mit Schriftsatz vom 10.12.2009 vorgelegten Internetausdruck (GA 689) zu entnehmen. Nicht zutreffend ist jedoch die weitere Annahme des Landgerichts, der Kartenverkauf an die A. GmbH sei ein gewerblicher Weiterverkauf gewesen und der Beklagten auch als klarer Verletzungsfall nachgewiesen worden. Die hierzu gezogenen Schlussfolgerungen sind nicht belastbar. Der von der Klägerin vorgelegte Gewerberegisterauszug für F. S. S. mag den Verdacht nahelegen, dass es sich bei den Internetverkäufern F. S. und S. S. um ein und dieselbe Person handelt. Nachgewiesen ist eine solche Personenidentität indes nicht. Das gilt nicht zuletzt auch deshalb, weil auf der Homepage "e..de" nicht F. S. S., sondern ein F. S. Bundesligatickets zum Kauf anbietet. Unter den gegebenen Umständen wäre die Identität zwischen F. S., S. S. und F. S. S. erst dann hinreichend belegt gewesen, wenn durch Vorlage einer Auskunft aus dem Melderegister zusätzlich bewiesen wäre, dass unter der Anschrift "H.-R.-Straße .. in B." nur ein F. S. S. gemeldet ist. Eine Auskunft des Einwohnermeldeamtes hat die Klägerin indes nicht vorgelegt. Zugunsten der Beklagten ist mithin davon auszugehen, dass die A. GmbH ihre 10 Eintrittskarten von einem F. S., einem S. S. und einer I. S. erworben hat. Dass es sich dabei um einen gewerblichen Weiterverkauf gehandelt hat, lässt sich aufgrund des erstinstanzlichen Vorbringens nicht feststellen. Für die Internetverkäuferin I. S. fehlt es an jedwedem Hinweis auf einen entsprechenden Geschäftsbetrieb. Auch für den Verkäufer F. S. ist ein gewerblicher Weiterverkauf nicht nachgewiesen. Nach dem vorgelegten Internetausdruck befand sich seine Homepage "e..de" nämlich im Juni 2009 - und folglich auch noch nach dem streitbefangenen Testkauf der Klägerin - im Aufbau. Dies lässt Raum für die Annahme, dass die Anfang März 2009 abgewickelten Kartenverkäufe privat getätigt worden sind. Dass ausweislich des als Anlage K 29 (GA 591) vorgelegten Internetausdrucks am 3. Juni 2009 bei der Klägerin unter der E-Mail-Adresse f.s.@e..de Eintrittskarten erworben worden sind, zwingt zu keinen gegenteiligen Schlüssen. Ähnliches gilt für den Verkäufer S. S.. Selbst wenn dieser personenidentisch mit dem F. S. S. sein sollte, belegt alleine die Gewerberegisteranmeldung keinen gewerblichen Verkauf der Tickets. Denn eine Gewerbeanmeldung besagt nicht, dass das Gewerbe auch ausgeübt wird (vgl. BVerwG, NVwZ 2004, 103).

(4.3) Im Übrigen würde es der Klage selbst dann nicht zu Erfolg verhelfen, wenn man der Würdigung des Landgerichts folgen und annehmen wollte, der Testkauf vom 9. März 2009 belege einen klaren Verletzungsfall. In diesem Fall wäre nämlich lediglich die wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht der Beklagten ausgelöst. Sache der Klägerin wäre es sodann, einen nachfolgenden gleichartigen Verletzungsfall aufzuzeigen, bei dem die Beklagte ihre Verkehrspflicht missachtet haben kann. Einen solchen weiteren gewerblichen Weiterverkauf hat die Klägerin indes erstinstanzlich nicht aufgezeigt und er war in erster Instanz auch nicht ersichtlich.

(5) In der Berufungserwiderung hat die Klägerin ihr diesbezügliches Vorbringen ergänzt und zu umfangreichen Ticketverkäufen vorgetragen, die auf eB. unter dem Benutzernamen "e..de" verzeichnet sind (Anlagen K 32 - K 34). Eine rechtliche Würdigung dieses Sachvortrags erübrigt sich allerdings. Denn es handelt sich um verspätetes Vorbringen, mit dem die Klägerin nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO im Berufungsrechtszug präkludiert ist. Nichts ist dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass der betreffende Prozessstoff nicht bereits in erster Instanz hätte vorgetragen werden können.

Im Übrigen ist auch der in Rede stehende Sachvortrag nicht geeignet, der Beklagten Kenntnis von einem klaren Verletzungsfall zu vermitteln. Sämtliche diesbezüglichen Angaben der Klägerin verhalten sich über Ticketangebote auf der Internet-Plattform eB. und nicht über Vorgänge auf den Internetportalen der Beklagten www.v....de oder www.v....com. Unklar ist ebenso die Identität derjenigen Person, die über eB. unter dem Benutzernamen "e..de" in erheblichem Umfang Eintrittskarten zu Bundesligaspielen zum Kauf angeboten hat. Dass es sich um F. S. handelt, der im Juni 2009 die im Aufbau befindliche Homepage "e..de" betrieben hat, ist möglich, aber durch Nichts belegt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die streitentscheidenden Rechtsfragen des Falles sind bereits höchstrichterlich geklärt.

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