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OLG Hamburg Urteil vom 04.08.2010 - 5 U 152/09 - Getarnte Werbung in einer Boulevard-Zeitschrift

OLG Hamburg v- 04.08.2010: Wettbewerbsverstoß durch getarnte Werbung in einer Boulevard-Zeitschrift - Anzeige in redaktioneller Gestalt


Das OLG Hamburg (Urteil vom 04.08.2010 - 5 U 152/09) hat entschieden:

   Für die Beantwortung der Frage, ob ein Leser eines redaktionellen Beitrages (hier: mit Geschichten über Adelige) erkennt, dass darin eine (Werbe-)Anzeige (hier: für ein pflanzliches Arzneimittel) eingebettet ist, ist nicht nur auf die Gestaltung der Anzeige selbst abzustellen, sondern gerade auch auf die Einbettung in ein redaktionelles Umfeld. Wenn die Werbung in Farbgebung und Gestaltung und auch thematisch deutlich von dem darum gruppieren redaktionellen Inhalt abweicht, ist eine besondere Kennzeichnung nicht zu verlangen.



Siehe auch Redaktionelle Schleichwerbung und Stichwörter zum Thema Werbung


Gründe:


I.

Die Parteien streiten um die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit von zwei bezahlten Werbeanzeigen in der von der Antragsgegnerin verlegten Zeitschrift „N... P...“, Heft Nr. 8 vom 11.2.2009 (Anlage AS 1). Der Antragsteller ist ein Verband zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen im Sinne von § 8 III Nr. 2 UWG.

Der Antragsteller ist der Auffassung, dass die Werbeanzeige für das pflanzliche Arzneimittel „U...®“ auf Seite 15 der Zeitschrift „N... P...“ in ihrem rechten Teil eine redaktionell gestaltete Produktwerbung darstelle. Mangels konkreter Erkennbarkeit bzw. Kennzeichnung als Werbeanzeige sei diese Anzeige wettbewerbswidrig. Bei der Werbung für „U...®“ sei nur der linke Teil der zweigeteilten Anzeige als solche erkennbar, während der rechte Teil unter der Überschrift „Wichtig zu wissen – Akute Bronchitis hat viele Symptome!“ in dem pinkumrandeten Kasten redaktionell gestaltet sei. Bezüglich der Einzelheiten der Werbeanzeige wird auf die folgende Einblendung

   [folgt eine Abbildung]

sowie zur näheren Darstellung des Anzeigenumfeldes auf das von dem Antragsteller zur Akte gereichte Exemplar der streitgegenständlichen „N... P...“-​Ausgabe (Anlage AS 1) verwiesen.

Die auf Seite 41 der Zeitschrift befindliche Werbeanzeige für das Mittel „V...“ sei mit der Überschrift „Was tun bei Kniearthrose?“ und dem darüber stehenden rubrikartigen Balken „Gelenk-​Tipps“ sowie durch den in zwei Spalten mit roter Zwischenüberschrift abgedruckten Text ebenfalls redaktionell gestaltet. Die Abbildung des Produkts sei relativ neutral gehalten. Auch diese Anzeige, die sich im Gesundheitsteil der Zeitschrift befinde, erkenne der Leser nicht sofort als Werbung. Die Kennzeichnung mit dem Wort „ANZEIGE“ befinde sich auf einem unruhigen Hintergrund und sei nicht sofort erkennbar. Die Einzelheiten dieser Anzeige ergeben sich aus der folgenden Einblendung:

   [folgt eine Abbildung]

Zur näheren Darstellung des Anzeigenumfeldes wird auf die Anlage AS 1 verwiesen.

Die Antragsgegnerin hält beide Anzeigen für nicht wettbewerbswidrig. Die „U...®“-​Anzeige sei optisch vom oberen redaktionellen Teil der Seite getrennt. Sie werde vom durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Leser aufgrund der Darstellung auch nicht in zwei Teile getrennt. Die Werbung für das Produkt „V...“ sei eindeutig und gut erkennbar als „ANZEIGE“ gekennzeichnet. Der Charakter einer Werbeanzeige ergebe sich auch aus der häufigen Nennung des Produktnamens, aus den für Anzeigen typischen Kasten mit Produkterläuterungen wie Einnahmeempfehlungen und Hinweise zur Wirkung sowie den in der Anzeige enthaltenen Medikament- und Herstellerhinweisen. Die Anzeige entspreche nicht dem „Look and Feel“ der Zeitschrift, es fehle an der für den redaktionellen Teil typischen Seitenmarquette oben und der Seitenzahl einschließlich des Zeitschriftentitels unten. Nach einer als Anlage AG 4 vorgelegten Verkehrsbefragung von 202 Frauen zwischen 30 und 59 Jahren, einer relevanten Zielgruppe der Zeitschrift „N... P...“, hätten 54, 95% die „U...®“-​Anzeige „ganz sicher“ für Werbung und 25,25% „eher für Werbung“ gehalten. Sie trägt weiter vor, dass sich aus der Befragung für die „V...“-​Anzeige entsprechende Zahlen von 50,99% und 22,77% ergäben. Nur ein verschwindend geringer Teil der Befragten sei sich sicher gewesen, dass redaktionelle Beiträge vorgelegen hätten.

Der Antragsteller hat die einstweilige Verfügung des Landgerichts vom 25.3.2009 erwirkt, mit der der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten worden ist,

Das Landgericht hat auf den Widerspruch der Antragsgegnerin diese einstweilige Verfügung mit Urteil vom 30.6.2009 bestätigt. Auf die Einzelheiten dieses Urteils wird verwiesen.

Mit ihrer fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung gegen das landgerichtliche Urteil wiederholt und vertieft die Antragsgegnerin ihr erstinstanzliches Vorbringen. Soweit die wettbewerbsrechtlichen Vorschriften überhaupt auf sie als Zeitschriftenverlegerin anwendbar seien, müsse berücksichtigt werden, dass die Zeitschrift zu einem wesentlichen Teil über das Anzeigengeschäft finanziert werde. Der Presse stehe im Rahmen der bei der Gesetzesauslegung zu berücksichtigenden Pressefreiheit das Recht zu, „Art und Ausrichtung, Inhalt und Form“ der Publikation frei zu bestimmen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

   unter Abänderung des am 30.6.2009 verkündeten Urteils des Landgerichts Hamburg zum Aktenzeichen 312 O 159/09 die einstweilige Verfügung vom 25.3.2009 aufzuheben und den Antrag auf deren Erlass zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

   die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens das landgerichtliche Urteil.





II.

Die Berufung der Antragsgegnerin ist zulässig, aber nur hinsichtlich der „U...“-​Anzeige begründet.

1. Der Antragsteller besitzt im Hinblick auf die „U...®“-​Anzeige auf Seite 15 der Zeitschrift „N... P...“, Heft 8 2009, keinen Verfügungsanspruch auf Unterlassung.

a. Ein Anspruch des nach § 8 I 1, III Nr.2 UWG aktiv legitimierten Antragstellers gegen die Antragsgegnerin auf Unterlassung folgt nicht aus § 3 III i.V.m. Nr.11 des Anhangs UWG.

aa. Hiernach ist eine geschäftliche Handlung gegenüber Verbrauchern stets unzulässig, wenn redaktionelle Inhalte in Medien zu Zwecken der Verkaufsförderung eingesetzt werden, der Unternehmer diese Verkaufsförderung finanziert hat und dies weder aus dem Inhalt noch aus klar erkennbaren Bildern oder Tönen eindeutig hervorgeht. Ein Beitrag hat einen redaktionellen Inhalt, wenn er seiner Gestaltung nach als objektive neutrale Berichterstattung durch das Medienunternehmen selbst erscheint (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., Anh zu § 3 III Rz. 11.2). Bewertungsmaßstab hierfür ist die Auffassung eines durchschnittlich informierten, (situationsadäquat) aufmerksamen und verständigen Verbrauchers. Die erforderlichen Feststellungen kann der Senat insoweit selbst treffen, da seine Mitglieder zu den von der Zeitschrift „N... P...“ angesprochenen Verkehrskreisen gehören.

bb. Einen redaktionellen Inhalt weist der zwischen den Parteien in der Bewertung allein in Streit stehende rechte Teil der unstreitig von dem Hersteller des beworbenen Produkts bezahlten Werbeanzeige aber nicht auf; eine „als Information getarnte Werbung“ im Sinne der Nr. 11 des Anhangs zu § 3 III UWG liegt somit nicht vor. Die „U...®“-​Anzeige auf Seite 15 der Zeitschrift erscheint schon ihrer Gestaltung nach nicht als objektiv-​neutrale Berichterstattung durch die Redaktion selbst, so dass beim situationsadäquat aufmerksamen Durchschnittsleser der Zeitschrift kein Zweifel an dem werblichen Charakter des Beitrags aufkommen kann.



Der nach Einschätzung des Senats eindeutig werbliche Charakter des rechten Teils der Anzeige resultiert vor allem aus der der Einbettung in das textliche Umfeld der Zeitschrift, insbesondere der Doppelseite 14/15, aus der konkreten Anordnung innerhalb der Werbeanzeige sowie aus deren Inhalt.

Im Einzelnen ist auszuführen:

(1) Die Werbeanzeige befindet sich in dem Teil der Zeitschrift „N... P...“, der sich unter der Überschrift „N... P...: Adel exklusiv“ mit Geschichten um Adelige befasst (S. 12 – 17). Der durchschnittlich informierte, situationsadäquat aufmerksame und verständige Leser erwartet in diesem Abschnitt sicher keinen redaktionellen Beitrag über ein gesundheitsförderndes pflanzliches Medikament unter dem Titel: „Wichtig zu wissen 2. Akute Bronchitis hat viele Symptome!“. Der Leser weiß bereits aus der Inhaltsangabe der Zeitschrift (S. 2), dass der sich mit Gesundheitsfragen befassende Teil der Zeitschrift, in dem er redaktionelle Beiträge zum Thema Gesundheit erwarten kann, erst auf den Seite 34 bis 41 zu finden ist.

Somit entspricht bereits der Inhalt der streitigen Anzeigenteils „Wichtig zu wissen 2. Akute Bronchitis hat viele Symptome!“ im rechten Teil der Werbung auf den ersten Blick nicht thematisch dem in der Kopfzeile der Doppelseite deutlich ausgewiesenen Themenbereich „Adel exklusiv“. Hierdurch wird eine Abgrenzung zu dem redaktionellen Teil der Seiten deutlich. Durch diesen dem verständigen Leser offen entgegen tretenden Umstand wird insgesamt klar der Eindruck vermittelt, dass es sich bei dem gesamten unteren Bereich der Seite 15 um eine Werbeanzeige handelt.

(2) Der situationsadäquat aufmerksame Leser kann zudem ohne Weiteres erkennen, dass der die Werbung enthaltene untere Teil der S. 15 von dem sonstigen redaktionellen Inhalt der Doppelseite 14/15 durch einen deutlich auf weißem Untergrund befindlichen, über die gesamte Breite der Seite 15 geführte Trennungsbalken abgetrennt ist.

(3) Die durch den Balken vorgenommene Trennung von redaktionellem Inhalt und Werbung wird zusätzlich dadurch verstärkt, dass die die Werbeanzeige enthaltene untere Hälfte der Seite 15 eine deutlich andere farbliche Gestaltung als der redaktionelle Teil der Seiten 14/15 aufweist. Der redaktionelle Schriftbereich der Doppelseite 14/15 mit dem Themenbereich „Adel exklusiv“ besitzt einen weiß gehaltenen Hintergrund. Der linke Teil der Werbeanzeige zeigt in klarer Abgrenzung hierzu kräftige, von dunkel-​orange über rot ins schwarz gehende Farben. Der rechte Anzeigenteil befindet sich auf beige-​gelblichem Hintergrund, der sich ebenfalls von dem weiß gehaltenen Hintergrund des redaktionellen Teils klar abhebt. Hierin eingebettet befindet sich die streitgegenständliche, pinkfarben umrahmte Anzeige „Wichtig zu wissen 2“, deren Text wiederum sich auf weißem Untergrund befindet.

(4) Auch wenn sich der linke und der rechte Teil der Werbeanzeige durch die eingesetzten gestalterischen Mittel deutlich voneinander unterscheiden, wird dem Leser gleichwohl unmittelbar und klar bewusst, dass beide Teile aufeinander bezogen und Teile einer einheitlichen Werbeanzeige für das Produkt „U...®“ sind. Während der linke Teil in gefälliger Form eine afrikanische Landschaft und das Produkt „U...®“ („U...“ bedeutet in der Zulu-​Sprache so viel wie „schwerer Husten“) , die Produktverpackung und die Blüte des Wirkmittels, der Kappland-​Pelargonie abbildet, werden im rechten Teil Informationen zu dem Produkt in Textform gegeben. Ein Bezug zwischen den beiden Anzeigenhälften und ihren jeweiligen Inhalten wird für den Leser deutlich durch die Produktmarke „U...®“ hergestellt, die nicht nur in der linken Anzeigenhälfte prominent, sondern auch in der rechten Anzeigenhälfte in dem Fließtext und daneben bei den Angaben zur Marke, zur Website des Herstellers, zu den Inhalts- und Wirkstoffen, dem Anwendungsgebiet bzw. den Pflichtangaben nach § 4 I Heilmittelwerbegesetz wiederholt augenfällig in Fettdruck auftaucht. Ein weiteres, die Anzeigenteile verbindendes Element ist der Umstand, dass in beiden Teilen der Werbeanzeige, im rechten Teil innerhalb des streitgegenständlichen Textes, die Aussagen mit Fußnoten versehen sind, die einheitlich im rechten Teil unterhalb des pinkfarben umrandeten Fließtextes aufgelöst werden.

cc. An der Bewertung des Senats der „U...®“-​Anzeige als Bestandteil einer klar erkennbaren Werbeanzeige und nicht als Information getarnte Werbung ändert auch nichts, dass das OLG München eine in der Zeitschrift „die aktuelle“ erschienene „U...“-​Werbeanzeige mit Urteil vom 17.9.2009 (29 U 2945/09) (WRP 2010, 433; Anlage AS 6, AS 7) verboten hat. Die dem OLG München vorgelegte Werbeanzeige ist mit der hier streitgegenständlichen Anzeige sehr ähnlich, wenn nicht vollständig identisch. Zu berücksichtigen sind bei der rechtlichen Bewertung, ob eine Werbeanzeige vorliegt oder ob bei einer Veröffentlichung der Werbecharakter verschleiert wird, aber immer und entscheidend die Umstände des Einzelfalles. Bereits geringfügige Abweichungen in der Werbung selbst bzw. ihrer Einbettung in den übrigen Seiteninhalt der Veröffentlichung können zu beachtlichen Unterschieden der Betrachtung und zu einem anderen Ergebnis führen. Der Senat hält nach nochmaliger Beratung an seiner vom OLG München abweichenden, oben dargestellten Auffassung ausdrücklich fest (vgl. bereits Senat, Urteil vom 17.2.2010, 5 U 94/09).

dd. Nach Auffassung des Senates kann keine der Parteien sich auf die von der Antragsgegnerin als Anlage AG 4 vorgelegte Befragung von 202 Frauen in der Altersstufe zwischen 30 und 59 Jahren für ihre jeweilige Auffassung berufen. Hiernach haben die „U...“-​Anzeige 54,95 % „ganz sicher als Werbung“, 25,25% „eher als Werbung“, 15,84% „ eher“ und 3,96% „ganz sicher“ als einen redaktionellen Beitrag eingeschätzt. Die Zahlen besitzen bereits deshalb keinerlei Aussagekraft, da nicht ersichtlich ist, wie die Auswahl der Befragten erfolgte, welche Anzeige in welcher Form den Befragten vorgelegt worden ist und auf welcher wissenschaftlich/systematischen Grundlage die Befragung erfolgte.

b. Ein Anspruch des Antragstellers ergibt sich auch nicht aus den §§ 3 I, 4 Nr.3, 8 I 1, III Nr.2 UWG, da nach den obigen Ausführungen der Werbecharakter des rechten Teils der Anzeige nicht verschleiert wird, sondern eindeutig ist.




c. Im Übrigen ergibt sich auch aus den §§ 8 I 1, II Nr.2, 3 I, 4 Nr.11 UWG i.V.m. § 10 Hamburgisches PresseG kein abweichendes Ergebnis. Insbesondere bedurfte es bei der streitigen Veröffentlichung nicht des Wortes „Anzeige“, da deren Werbecharakter sich schon aus der Anordnung und Gestaltung in der erforderlichen Weise dem Leser erschließt.

2. Dagegen hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht einen Verfügungsanspruch in Bezug auf die „V...“-​Anzeige bejaht.

a. Der Unterlassungsanspruch folgt bereits aus dem vorrangig zu prüfenden §§ 3 III i.V.m. Nr.11 des Anhangs UWG.

aa. Bei der unstreitig bezahlten Werbeanzeige für das Mittel V... auf S. 41 der Zeitschrift „N... P...“ handelt es sich um eine geschäftliche Handlung der Antragsgegnerin gegenüber Verbrauchern im Sinne von §§ 2 I Nr. 1, 3 III UWG. Mit dieser Anzeige fördert die Antragsgegnerin den Absatz oder den Bezug von Waren der in Frage stehenden Art zugunsten eines Dritten, hier des Herstellers des Präparates. Dieses geschieht auch gegenüber Verbrauchern (§ 13 BGB), da die Zeitschrift bestimmungsgemäß von Verbrauchern gekauft und gelesen wird. Der Anwendungsbereich des UWG ist somit in Bezug auf die Antragsgegnerin eröffnet.

bb. Die Anzeige ist unstreitig bezahlt und somit „vom Unternehmer finanziert“ worden (Nr. 11 Anlage zu § 3 III UWG).

cc. Dem Leser wird eine bezahlte Anzeige als redaktioneller Beitrag präsentiert, ohne dass sich dieser Zusammenhang eindeutig aus dem Inhalt oder der optischen Darstellung eindeutig ergibt. Vielmehr entsteht bei dem durchschnittlich informierten und situationsgemäß aufmerksamen Leser der Eindruck eines redaktionellen Beitrags.

(1) Die „V...“-​Anzeige findet sich auf S. 41 in dem Teil der Zeitschrift, der sich nach dem Inhaltsverzeichnis mit Fragen der Gesundheit beschäftigt (Seite 34 – 41). Die Seiten 40, 41 enthalten unter der Überschrift „N... P...: Medizin-​Reportage“ einen redaktionellen Beitrag zu dem Thema Hörsturz, der mit Bildern einer Patientin und des behandelnden Arztes angereichert sind. Daneben findet sich -durch einen durchgehenden vertikalen Strich getrennt- die streitgegenständliche Anzeige. Diese zeigt im oberen Drittel ein Bild, welches eine bei der Gartenarbeit kniende Frau darstellt. Das Foto ist neutral gehalten und gibt dem Betrachter keinerlei Hinweis auf eine bezahlte Werbung. Über dem Text des Beitrags wird in einem roten Balken darauf hingewiesen, dass hier „Gelenk-​Tipps“ gegeben werden. Darunter befindet sich in roten Großbuchstaben die Überschrift „Was tun bei Kniearthrose?“. Unterhalb der Titelüberschriften findet sich ein zweispaltiger Fließtext, der optisch ganz im Stil eines redaktionellen Beitrags gehalten ist. Hierzu gehört eine rotfarbene Zwischenüberschrift („Fehlbelastungen vermeiden“), welche sich in ähnlicher Weise in dem auf den S. 40, 41 befindlichen redaktionellen Bericht findet. Das Produkt „V...“ wird in dem zweispaltigen Fließtext nur einmal und ohne jegliche Hervorhebung genannt. Der Text selbst gibt in einer neutralen Ausdrucksweise Bewegungstipps und erläutert diese. Der in schwarzen Buchstaben gehaltene Text befindet sich wie die nebenstehenden redaktionellen Texte auf weißem Untergrund.

Bereits aus dieser Darstellung ergibt sich, dass der durchschnittlich aufmerksame Leser bei dem unter den Überschriften „Gelenk-​Tipps“ und „Was tun bei Kniearthrose?“ von einem ebenfalls redaktionellen Beitrag über gesundheitliche Fragen ausgeht.

(2) Dieser Eindruck wird auch nicht dadurch richtig gestellt, dass in die rechte Spalte des Fließtextes integriert, wenn auch farblich hervorgehoben, die Produktverpackung gezeigt und gesagt wird: „So wirkt V...“. Denn die hier aufgeführten Wirkungs- und Anwendungshinweise sind wiederum neutral gehalten und lassen für sich nicht erkennen, dass es sich bei der Anzeige um eine Werbung handelt. Der Senat stimmt dem Landgericht darin zu, wenn es ausführt, dass derartig gestaltete Informationskästchen auch in redaktionellen Beiträgen enthalten sein können (LGU 8).

Auch die Tatsache, dass hier die Produktverpackung in vergleichsweise kleiner Darstellung gezeigt wird, reicht für den Leser nicht aus, um in dem Beitrag eindeutig und klar eine bezahlte Werbung zu erkennen. Auch in redaktionellen Beiträgen können Produktabbildungen zu finden sein, soweit sich der Artikel mit dem Produkt auseinandersetzt.

Der Werbecharakter ergibt sich auch nicht mit der erforderliche Eindeutigkeit und Klarheit aus dem Umstand, dass sich am unteren Ende der Anzeige in sehr kleiner Schrift Produktinformationen und Hinweise nach dem HWG finden. Der Senat hat bereits Zweifel, ob der durchschnittliche Leser einer Publikation des vorliegenden Charakters diese Hinweise wegen der Darstellungsweise überhaupt zur Kenntnis nimmt. Jedenfalls enthält dieser Teil der Anzeige für sich gesehen ebenfalls neutral gehaltene Informationen, die auch in einem redaktionellen Beitrag enthalten sein könnten und nicht den Schluss in eindeutiger Weise auf eine bezahlte Werbung zulassen.



(3) Der Werbecharakter der Anzeige folgt für den durchschnittlich informierten und aufmerksamen Leser auch nicht aus dem Umstand, dass sich die Seitenzahl 41 nicht am rechten Rand, sondern mittig auf der Seite befindet. Dieses „Verrutschen“ der Seitenzahl wird von diesem Leser nicht wahrgenommen bzw. nicht mit der von der Antragsgegnerin gewünschten Bedeutung belegt. Das Landgericht weist zudem zutreffend darauf hin, dass auch bei Seiten mit redaktionellen Inhalten die Seitenzahlen vollständig fehlen (LGU 6). Ein Unterschied im „Look and Feel“ der Publikation ist ebenfalls für den Leser in Bezug auf die streitgegenständliche Anzeige nicht wahrnehmbar. Der Unterschied der in der Anzeige verwendeten Schrifttypen im Vergleich zu dem nebenstehenden redaktionellen Beitrag ist marginal und wird im Hinblick auf den Umstand, dass in der Zeitschrift insgesamt eine Fülle verschiedener Schrifttypen auch in den redaktionellen Beiträgen verwendet werden, nicht wahrgenommen. Jedenfalls erhellt sich für den Leser aus diesem geringfügigen Unterschied nicht die Tatsache, dass es sich vorliegend um Werbung handelt.

(4) Die in der oberen rechten Ecke befindliche Kennzeichnung „ANZEIGE“ wird nur einem sehr aufmerksamen Leser auffallen. Das Wort „Anzeige“ ist oben rechts auf der farblich sehr unruhigen Fotografie mit Mühe zuerkennen. Sie kann von dem durchschnittlich aufmerksamen Leser übersehen werden, zumal dieser durch die farblich dominierenden Überschriften und die auf dem Foto befindlichen, farblich stark in den Vordergrund tretenden Einzelheiten und den sonstigen farblichen Anteilen der Anzeige abgelenkt wird. Ergänzend wird auch insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts (LGU 8) verwiesen. Die formale Kennzeichnung des Textes als Anzeige reicht allein nicht aus, wenn sie so gestaltet ist, dass der Leser sie übersieht oder nicht dem Text zuordnet. Vielmehr muss die Kennzeichnung nach Schriftart, Schriftgröße, Platzierung und Begleitumständen so eindeutig sein, dass eine Irreführung vermieden wird (vgl. Köhler/Bornkamm a.a.O. § 4 Rz. 3.21a m.w.N.).

(5) Soweit sich die Antragsgegnerin zur Begründung ihrer Auffassung auf die Verkehrsbefragung gemäß Anlage AG 4 beruft, vermag auch dieser Einwand kein anderes Ergebnis zu rechtfertigen. Der Senat kann insoweit auf die obigen Ausführungen unter II. 1 a dd verweisen. dd. Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr wird vermutet.

b. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich auch, dass ein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 3 I, 4 Nr. 3 UWG begründet ist, da die Antragsgegnerin mit der Anzeige deren Werbecharakter verschleiert hat. Diese unlautere geschäftliche Handlung ist geeignet, die Interessen der Verbraucher, der Mitbewerber und sonstiger Marktteilnehmer spürbar zu beeinträchtigen.

c. Ein Unterlassungsanspruch ist weiterhin aus dem Gesichtspunkt der §§ 3 I, 4 Nr. 11 UWG iVm § 10 Hamburgisches PresseG begründet. Weder durch Anordnung und Gestaltung ist der Werbecharakter der Anzeige allgemein zu erkennen, noch war die damit erforderliche Kennzeichnung mit dem Wort „Anzeige“ deutlich im Sinne von § 10 Hamburgisches PresseG. 3. Der erforderliche Verfügungsgrund wird vermutet (§ 12 II UWG).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 I, 97 I ZPO.

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