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Landgericht Berlin Urteil vom 19.01.2010 - 27 O 962/09 - Entbehrlichkeit einer vorherigen Abmahnung nach unmissverständlicher Erklärung des Unterlasungsschuldners

LG Berlin v. 19.01.2010: Entbehrlichkeit einer vorherigen Abmahnung nach unmissverständlicher Erklärung des Unterlasungsschuldners


Das Landgericht Berlin (Urteil vom 19.01.2010 - 27 O 962/09) hat entschieden:

   Wenn trotz einer unmissverständlichen Erklärung des Verfahrensbevollmächtigten einer Betroffenen gegenüber dem Redakteur die Unzulässigkeit einer Veröffentlichung erklärt wird, diese aber dennoch erfolgt, ist vor Einleitung prozessualer Handlungen eine Abmahnung nicht mehr erforderlich.



Siehe auch Einstweilige Verfügung und Stichwörter zum Thema Abmahnung


Tatbestand:


Die Antragsgegnerin ist Verlegerin der "..."-Zeitung, in deren Ausgabe vom 8. Oktober 2009 ein Artikel erschien, der sich mit einem von der Antragstellerin geführten Schadensersatzprozess gegen einen Berliner Filmkaufmann befasst, in dem die Antragstellerin von diesem 500.000,00 € fordert. Rechtsanwalt Dr. ... , der die Antragstellerin ständig vertritt, wurde einen Tag vor der Veröffentlichung von einem Redakteur der Antragsgegnerin angerufen und hierzu befragt. Dr. ... erklärte ihm, dass er eine identifizierende Berichterstattung über diesen Zivilrechtsfall nicht wünsche und insofern eine Unterlassungserklärung fordern würde. Der Redakteur wies darauf hin, dass seiner Auffassung nach berichtet werden dürfe, da es ein öffentlicher Prozess sei, der in einer öffentlichen Verhandlung stattfinden würde. Dr. ... erklärte daraufhin, dass dieser Umstand eine Berichterstattung über eine öffentliche Verhandlung nicht rechtfertige. Nachdem gleichwohl berichtet wurde, hat die Antragstellerin – ohne die Antragsgegnerin vorher abzumahnen – eine einstweilige Unterlassungsverfügung erwirkt, gegen die sich die Antragsgegnerin mit ihrem Kostenwiderspruch wendet.

Sie ist der Auffassung, eine Abmahnung sei vorliegend nicht entbehrlich gewesen. Ein Redakteur verfüge nicht über die erforderliche Rechtskenntnis, um die Zulässigkeit einer Veröffentlichung beurteilen zu können. Aus diesem Grunde würden an sie gerichtete Abmahnungen auch von ihrer Rechtsabteilung geprüft, die mit großer Wahrscheinlichkeit – ebenso wie ihr Tochterunternehmen ... GmbH & Co. KG, das abgemahnt wurde – eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hätte. Dr. ... habe außerdem in dem Telefongespräch angekündigt, dass er eine Unterlassungserklärung fordern würde. Da er dies nicht getan habe, habe sie davon ausgehen dürfen, dass die Antragstellerin ihren Rechtsstandpunkt nicht länger aufrechterhalten würde und die Veröffentlichung nicht mehr für unzulässig halte. Da die Antragstellerin ihr Tochterunternehmen abgemahnt habe, sei davon auszugehen, dass eine Abmahnung ihr gegenüber versehentlich unterblieben sei.

Die Antragsgegnerin beantragt,

   die einstweilige Verfügung im Kostenpunkt aufzuheben und der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Antragstellerin beantragt,

   die einstweilige Verfügung im Kostenpunkt zu bestätigen.

Sie macht geltend:

Eine Abmahnung sei entbehrlich gewesen, da ihr diese angesichts des Verhaltens des Redakteurs der Antragsgegnerin, der eindeutig darauf hingewiesen worden sei, dass eine Veröffentlichung unzulässig wäre, nicht zuzumuten gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.





Entscheidungsgründe:


Die einstweilige Verfügung vom 8. Oktober 2009 war im Kostenpunkt zu bestätigen, da sie insoweit zu Recht ergangen ist (§§ 936, 925 ZPO). Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens gemäß § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen. Die Voraussetzungen des § 93 ZPO, unter denen der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen wären, liegen nicht vor.

Zwar hat die Antragsgegnerin den geltend gemachten Unterlassungsanspruch durch den auf ihren eindeutig auf die Kosten beschränkten Widerspruch sofort i. S. d. § 93 ZPO anerkannt. Sie hat aber Anlass zur Einleitung des Verfahrens gegeben.

Veranlassung zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens wird durch ein Verhalten gegeben, das vernünftigerweise den Schluss auf die Notwendigkeit eines solchen Verfahrens rechtfertigt. Das ist im Bereich der Äußerungsdelikte auch im einstweiligen Verfügungsverfahren in der Regel nur der Fall, wenn der in Anspruch Genommene einer vorherigen vorgerichtlichen Abmahnung nicht nachgekommen ist, es sei denn, dass eine vorherige Abmahnung aus Zeitgründen nicht mehr möglich erscheint oder der Verletzte aufgrund des bisherigen Verhaltens des Schädigers oder sonstiger Umstände davon ausgehen durfte, er werde ohne Inanspruchnahme des Gerichts ohnehin nicht zu seinem Recht kommen (vgl. Kammergericht NJW-RR 2000, 516). So liegt es hier.



Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin hat dem Redakteur der Antragsgegnerin unmissverständlich erklärt, dass eine Berichterstattung unzulässig sei, auch unter dem Aspekt, dass es um einen öffentlichen Prozess gehe, der in einer öffentlichen Verhandlung stattfinden würde. Unabhängig davon, dass der Redakteur über genügend Rechtskenntnisse verfügen dürfte, um die auf der Hand liegende unzulässige Berichterstattung über einen privaten Zivilrechtsstreit erkennen zu können, hätte er jedenfalls die Rechtsabteilung der Antragsgegnerin konsultieren können und müssen, um sich ggf. sachkundig zu machen. Die gleichwohl erfolgte Veröffentlichung einen Tag nach dem Telefongespräch kann nur als vorsätzliche Rechtsverletzung verstanden werden, aufgrund derer es der Antragstellerin nicht mehr zugemutet werden konnte, die Antragsgegnerin jetzt auch noch abzumahnen (vgl. auch Prinz/Peters, Medienrecht, Rdz. 363). Zwar lehrt die Erfahrung, dass auch der vorsätzlich handelnde Verletzer, also derjenige, der sowohl weiß, was er tut, als auch weiß, dass er hierzu nicht berechtigt ist in aller Regel eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt, wenn er durch eine außergerichtliche Abmahnung mit entsprechendem Nachdruck darauf hingewiesen wird, dass er mit einer gerichtlichen Auseinandersetzung rechnen müsse, falls er sich nicht unterwirft (vgl. OLG Düsseldorf WRP 1982, 317; OLG Oldenburg WRP 1991, 193). Vorliegend war die Antragsgegnerin über ihren Redakteur aber bereits nachdrücklich durch einen Rechtsanwalt darüber informiert worden, dass eine Veröffentlichung rechtswidrig wäre und Konsequenzen hätte. Bei dieser Sachlage noch eine Abmahnung zu fordern, wäre nicht veranlasst.

Die weitere Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

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