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OLG Köln Urteil vom 08.10.2010 - I-6 U 69/10 - Haftung für unverlangt versandte E-Mail-Werbung

OLG Köln v. 08.10.2010: Haftung für unverlangt versandte E-Mail-Werbung durch verbundene Unternehmensteile


Das OLG Köln (Urteil vom 08.10.2010 - I-6 U 69/10) hat entschieden:

  1.  Werden unverlangt Werbenachrichten per E-mail versandt, so haften sowohl der Domaininhaber, der Betreiber der Internetseite und sein Geschäftsführer im Rahmen des von ihnen eingerichteten Internet-Vertriebssystems vor allem wegen des Unterlassens zumutbarer Überprüfungsmaßnahmen als auch derjenige, der die Werbung in Auftrag gegeben hat.

  2.  Unabhängig davon besteht eine verschuldensunabhängige Erfolgshaftung für Verstöße "ausgelagerter" Mitarbeiter oder Beauftragter des Unternehmens gemäß § 8 Abs. 2 UWG. In arbeitsteiligen Unternehmen und Unternehmensverbünden haftet der Unternehmensträger ohne Entlastungsmöglichkeit für wettbewerbswidriges Verhalten auch der Leiter abgrenzbarer Unternehmensteile und selbstständiger Werbepartner, wenn diese so in die betriebliche Organisation eingegliedert sind, dass der Erfolg ihrer Geschäftstätigkeit ihm zu Gute kommt.




Siehe auch E-Mail-Marketing - Werbe-E-Mails und Stichwörter zum Thema Werbung


Gründe:


I.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstand wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen. Das Landgericht hat die nicht anwaltlich vertretenen Beklagten zu 1.) und 2.) - nach vorauslaufendem Verfügungsverfahren vor dem Landgericht Rostock - im Wesentlichen antragsgemäß zu Unterlassung und Auskunft verurteilt und ihre Schadensersatzpflicht festgestellt, den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch und die gesamte gegen die Beklagten zu 3.) und 4.) gerichtete Klage dagegen abgewiesen. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin den abgewiesenen Teil ihrer Anträge in vollem Umfang weiter. Die Beklagten zu 3.) und 4.) verteidigen das Urteil, soweit es sie betrifft.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache überwiegend Erfolg.

1. Der auf §§ 3, 7 Abs. 1 und 2 Nr. 3, 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1 UWG gestützte Unterlassungsantrag der Klägerin orientiert sich, um den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu genügen, an den Umständen der beiden am 26.03.2009 und 21.04.2009 an Herrn G per E-​Mail versandten Werbenachrichten als konkreter Verletzungsform (vgl. BGH, MMR 2010, 183 [Rn. 12]), was der Senat in Bezug auf alle vier Beklagten durch Einblendung der betreffenden Werbenachrichten (Anlagen K 18 und 22) redaktionell klargestellt hat; eine Teilabweisung des Petitums der Klägerin ist damit nicht verbunden.

2. Für die - jedenfalls in zweiter Instanz unstreitige - Übermittlung der beiden Werbenachrichten an Herrn G ohne seine vorherige ausdrückliche Einwilligung nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG und ohne Vorliegen einer der Ausnahmen des § 7 Abs. 3 UWG haften der Klägerin als aktiv legitimierter Mitbewerberin neben dem tatsächlichem Absender - dem Beklagten zu 1.) - und dessen Auftraggeberin und namentlich bezeichneter Werbeverantwortlichen - der Beklagten zu 2.) - auch die Beklagten zu 3.) und 4.).

Wie vom Landgericht im Ansatz zutreffend erkannt, kommt es für die Verantwortlichkeit der Beklagten zu 3.) und 4.) als Träger wettbewerbsrechtlicher Verkehrspflichten (nicht als "Störer", vgl. BGHZ 173, 188 = GRUR 2007, 890 [Rn. 36 ff.] - Jugendgefährdende Medien bei eBay; BGHZ 180, 134 = GRUR 2009, 597 [Rn. 16] - Halsband; Senat, Urt. v. 27.08.2010 - 6 U 43/10; Köhler / Bornkamm, UWG, § 8 Rn. 2.5a-​5b, 2.12-​14a) im Rahmen des von ihnen eingerichteten Internet-​Vertriebssystems vor allem auf das Unterlassen zumutbarer Überprüfungsmaßnahmen an.

Unabhängig davon besteht indessen eine verschuldensunabhängige Erfolgshaftung für Verstöße "ausgelagerter" Mitarbeiter oder Beauftragter des Unternehmens gemäß § 8 Abs. 2 UWG. In arbeitsteiligen Unternehmen und Unternehmensverbünden haftet der Unternehmensträger ohne Entlastungsmöglichkeit für wettbewerbswidriges Verhalten auch der Leiter abgrenzbarer Unternehmensteile (vgl. BGH, GRUR 2000, 907 [909] = WRP 2000, 1258 - Filialleiterfehler) und selbständiger Werbepartner, wenn diese so in die betriebliche Organisation eingegliedert sind, dass der Erfolg ihrer Geschäftstätigkeit ihm zu Gute kommt und er entweder einen bestimmenden, durchsetzbaren Einfluss auf die Tätigkeit der Partner hat, in deren Bereich das beanstandete Verhalten fällt, oder er sich einen solchen Einfluss sichern konnte und musste; denn er soll sich bei seiner Haftung nicht hinter abhängigen Dritten verstecken können und das von ihm in gewisser Weise beherrschte Risiko der ihm zu Gute kommenden Erweiterung des Geschäftsbetriebs tragen (BGH, GRUR 2009, 1167 [21, 25] = WRP 2009, 1520 - Partnerprogramm m.w.N. zu § 14 Abs. 7 MarkenG). Der weite Begriff der Betriebsorganisation umfasst unter anderem selbständige Handelsvertreter, Werbeagenturen und Mitglieder von Absatzorganisationen ( Köhler / Bornkamm, a.a.O., Rn. 2.41 ff.; Götting / Nordemann / Schmitz-​Fohrmann / Schwab, UWG, § 8 Rn. 87 ff.).




Die Beklagte zu 2.) ist im vorgenannten Sinn in die Betriebsorganisation der Beklagten zu 3.) eingegliedert. Sie tritt unter Verwendung ihres Unternehmensschlagworts als "TMG Reisevermittler" auf und nutzt für ihre Kontaktdaten "on-​tour.reisepreisvergleich.de" und "on-​tour@reisepreisvergleich.de" die vom Beklagten zu 4.) gehaltene Domain "reisepreisvergleich.de", unter der im Impressum der Internetseite die Beklagte zu 3.) und der Beklagte zu 4.) als ihr Geschäftsführer erscheinen. Nach der Berufungserwiderung ist die Beklagte zu 2.) zudem provisionsberechtigte Handelsvertreterin der mit dem Absatz ihrer Reiseleistungen betrauten Konzernschwester der Beklagten zu 3.), der TMG Vertrieb GmbH, deren 49-​%-iger Gesellschafter der Beklagte zu 4.) ist und die ihrerseits auf Provisionsbasis für die Beklagte zu 3.) tätig wird, so dass die Beklagte zu 2.) mit der Beklagten zu 3.) jedenfalls über ein mehrstufiges Auftragsverhältnis verbunden ist.

Bei der zweiten Werbenachricht vom 21.04.2009 kommt hinzu, dass die Beklagte zu 3.) in der Person des Beklagten zu 4.) als ihres Geschäftsführers zuvor durch Herrn G auf das Fehlverhalten der Beklagten zu 2.) aufmerksam gemacht worden waren (Anlage K 01). Vor diesem Hintergrund belegt die erneut gegen § 7 UWG verstoßende Werbenachricht - unabhängig von der ohnehin und schon in Bezug auf die erste Werbenachricht vom 26.03.2009 bestehenden Verantwortlichkeit der Beklagten aus § 8 Abs. 2 UWG - eine schuldhafte Verletzung zumutbarer Überprüfungs- und Instruktionspflichten, da sich die Beklagten nicht darauf beschränken durften, wie in ihrer Antwort vom 06.04.2009 den beschwerdeführenden Herrn G auf die Verantwortlichkeit ihrer freien Mitarbeiterin zu verweisen, sondern aus gegebenem Anlass spätestens jetzt auch selbst auf sie hätten einwirken und auf die Beachtung der Regeln des Wettbewerbs hätten dringen müssen.

3. Die Annexansprüche auf vorbereitende Auskunft und Schadensersatzfeststellung sind aus § 9 UWG, § 242 BGB, § 256 ZPO zulässig und begründet.

4. Ersatz der Abmahnkosten kann die Klägerin gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG von allen Beklagten verlangen. Die Abmahnung vom 29.05.2009 war berechtigt. Wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt, lag ihr eine Wiederholungsgefahr begründende Verletzung des Wettbewerbsrechts zu Grunde, die nicht durch strafbewehrte Unterlassungserklärung der Beklagten entfallen war. Sie war auch nicht offenkundig entbehrlich (vgl. Köhler / Bornkamm , UWG, § 12 Rn. 1.43-​45; 1.55; 1.81-​82), nachdem die Beklagten zuvor von Herrn G (lediglich) mit nicht-​wettbewerbsrechtlicher Begründung abgemahnt worden waren. Die daneben von den Beklagten zu 1.) und 2.) verlangten Kosten des Abschlussschreibens vom 14.08.2009 sind zur Vorbereitung der Hauptsacheklage entstanden und analog § 12 Abs. 1 S. 2 UWG ersatzfähig.



Der Höhe nach begegnet der Ansatz je einer 1,3-​Gebühr keinen Bedenken. Abweichend von der Berechnung der Klägerin war es allerdings ausreichend und angemessen, für den Unterlassungsanspruch gegenüber jedem der Beklagten einen Gegenstandswert von 6.000,00 € anzusetzen, woraus sich ein Wert von 24.000,00 € für die Abmahnung und von 12.000,00 € (geringfügig mehr als vom Landgericht Rostock im Verfügungsverfahren angenommen) für das Abschlussschreiben ergibt. Damit ergeben sich Kosten der Abmahnung von (891,80 € + 20,00 € ./. 315,90 € =) 595,90 € und des Abschlussschreibens von (683,80 € + 20,00 € =) 703,80 €. Die weitergehende Klage und Berufung ist unbegründet.

5. Den Gegenstandswerten der vorgerichtlichen Tätigkeit entspricht bei den Unterlassungsansprüchen die von Amts wegen geänderte Streitwertfestsetzung für das gerichtliche Verfahren beider Instanzen (§ 63 Abs. 3 GKG); das den Wert der Annexansprüche bestimmende Interesse der Klägerin schätzt der Senat auf 2.000,00 €. Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Kosten bleibt daneben außer Ansatz (§ 43 Abs. 1 GKG).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 100 Abs. 1 und 4 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO war nicht veranlasst.

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