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OLG Düsseldorf Urteil vom 27.02.2015 - I-17 U 125/14 - Beginn des Laufs der Widerrufsfrist beim Verbraucherdarlehensvertrag

OLG Düsseldorf v. 27.02.2015: Zum Beginn des Laufs der Widerrufsfrist beim Verbraucherdarlehensvertrag


Das OLG Düsseldorf (Urteil vom 27.02.2015 - I-17 U 125/14) hat entschieden:

   Haben Darlehensnehmer unstreitig kein gesondertes Vertragsangebot mit einer Widerrufsbelehrung, sondern mit den Widerrufsbelehrungen sogleich die allseits unterzeichneten Vertragsurkunden erhalten, kann es für den Beginn des Laufs der Widerrufsfrist nur auf den ihnen ausgehändigten Vertrag ankommen. Hat der Darlehensgeber den Verbraucher zutreffend über den Fristbeginn belehrt, ist es aus Verbraucherschutzgesichtspunkten nicht geboten, dem Darlehensnehmer das Widerrufsrecht über die gesetzlich vorgesehene Frist von zwei Wochen hinaus zu erhalten.



Siehe auch Die Widerrufsbelehrung im Onlinehandel und Stichwörter zum Thema Widerrufsrecht


Gründe:


I.

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigungen aus §§ 495 Abs. 1, 355 Abs. 1 S. 1, 357 Abs. 1 S. 1, 346 Abs. 1 BGB jeweils in der Ende 2005 geltenden Fassung.

Grundlage der Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigungen waren die Darlehensverträge vom 23.12.2005, nach deren Allgemeinen Darlehensbedingungen unter Nr. 4.2 (vgl. Bl. 10/16 GA) die Beklagte die Zahlung der Entschädigungen für den Fall der vorzeitigen Rückzahlung der Darlehen beanspruchen konnte. Eines Rückgriffs auf besondere Vereinbarungen zwischen den Eheleuten und der Beklagten bedarf es dem Grunde nach nicht. Diese sind nur über die Höhe der Entschädigungen getroffen worden.

Zu Recht hat das Landgericht darauf abgestellt, dass dem Kläger im Jahr 2013 wegen Ablaufs der Widerrufsfrist von zwei Wochen kein Widerrufsrecht mehr zustand. Nach § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. beginnt die Frist mit dem Zeitpunkt, zu dem dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht, die ihm seine Rechte deutlich macht, in Textform mitgeteilt worden ist, die auch Namen und Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist, und u.a. einen Hinweis auf den Fristbeginn enthält. Ist der Vertrag schriftlich (vgl. hierzu für Verbraucherdarlehensverträge § 492 Abs. 1 S. 1 BGB a.F.) abzuschließen, so beginnt die Frist nicht zu laufen, bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt werden (§ 355 Abs. 2 S. 3 BGB a.F.).




Entgegen der Ansicht des Klägers sind die Widerrufsbelehrungen im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden. Es ist zwar zutreffend, dass der Bundesgerichtshof (ZIP 2009, 952 ff.) eine Widerrufsbelehrung mit zur Frage des Fristbeginns ähnlich lautendem Text ("schriftlicher Darlehensantrag") wie den hier vorliegenden Belehrungen (schriftlicher Vertragsantrag"), als dem Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. nicht entsprechend angesehen hat. Indessen war für diese Wertung des Bundesgerichtshofs nicht allein der Text der Widerrufsbelehrung von Bedeutung, sondern sie ergab sich aus einem Zusammenspiel des Textes der Widerrufsbelehrung mit den Umständen des konkret zur Entscheidung anstehenden Falls. Denn in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hatte der Darlehensnehmer nicht nur den mit einer Widerrufsbelehrung versehenen Darlehensvertrag erhalten, sondern ihm war zuvor bereits ein Darlehensangebot der Darlehensgeberin übermittelt worden, das seinerseits ebenfalls von einer Widerrufsbelehrung begleitet war. Hierzu hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass die Widerrufsbelehrung das unrichtige Verständnis nahelege, die Widerrufsfrist beginne bereits einen Tag nach Zugang des mit der Widerrufsbelehrung versehenen Darlehensangebots der Darlehensgeberin zu laufen. Durch die Formulierung der in dem von der Darlehensgeberin übersandten Vertragsangebot enthaltenen Belehrung, die Widerrufsfrist beginne "einen Tag" nach Mitteilung "dieser" Belehrung und Zurverfügungstellung einer Vertragsurkunde, entstehe aus der Sicht eines unbefangenen durchschnittlichen Kunden, auf den abzustellen sei, der Eindruck, diese Voraussetzungen seien bereits mit der Übermittlung des die Widerrufsbelehrung enthaltenden Vertragsantrags der Darlehensgeberin erfüllt, und die Widerrufsfrist beginne ohne Rücksicht auf eine Vertragserklärung des Verbrauchers bereits am Tag nach Zugang des Angebots der Darlehensgeberin zu laufen (BGH, a.a.O., Tz. 16).

Eine derartige Fehlvorstellung konnte hier beim Kläger und seiner damaligen Ehefrau jedoch nicht aufkommen, weil sie unstreitig kein gesondertes Vertragsangebot mit einer Widerrufsbelehrung, sondern mit den Widerrufsbelehrungen sogleich die allseits unterzeichneten Vertragsurkunden erhalten haben. Aus ihrer Sicht konnte es damit für den Beginn des Laufs der Frist nur auf den ihnen ausgehändigten Vertrag ankommen, während die als Teil eines vorformulierten Textbausteins enthaltene Variante des Erhalts eines Vertragsantrags offensichtlich auf andere Fälle zielte. Der Ansicht des Klägers dahin, dass es auf die Umstände des konkreten Falls nicht ankomme, sondern der Text der Widerrufsbelehrung als sozusagen abstrakt gefährdend niemals den Fristbeginn auszulösen vermöge, ist nicht zu folgen. Zum Schutz des Verbrauchers soll der Darlehensgeber diesen über den Fristbeginn zutreffend belehren, damit er in die Lage versetzt wird, sein Widerrufsrecht auszuüben. Ist dies unter den konkreten Umständen des Einzelfalls gegeben, ist es aus Verbraucherschutzgesichtspunkten nicht geboten, dem Darlehensnehmer das Widerrufsrecht über die gesetzlich vorgesehene Frist von zwei Wochen hinaus zu erhalten.

Auch unter dem Gesichtspunkt einer Inhaltsprüfung der Widerrufsbelehrung als allgemeiner Geschäftsbedingung der Beklagten (vgl. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB) ergibt sich nichts anderes, weil bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen sind.



Die Widerrufsbelehrungen sind ebenso nicht aufgrund der Angabe der Internetadresse der Beklagten fehlerhaft. Während der Kläger erstmals im Berufungsrechtszug vorträgt, über die Internetadresse der Beklagten sei die Übermittlung einer Widerrufserklärung nicht möglich, entgegnet die Beklagte, hierfür stehe das Kontaktfeld auf ihrer Internetseite zur Verfügung. Der Vortrag des Klägers ist schon unerheblich, weil es nicht darauf ankommt, welche Möglichkeiten die Internetseite heute bietet, sondern auf den Zeitpunkt Ende 2005/Anfang 2006 abzustellen ist. Hierzu macht der Kläger keinerlei Angaben. Im Übrigen kann dieser erstmals im Berufungsrechtszug geltend gemachte streitige Vortrag gem. §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO nicht berücksichtigt werden.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10 S. 1 und 2, 713 ZPO.

Es besteht keine Veranlassung zur Zulassung der Revision.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 16.321,13 EUR festgesetzt.

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