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Landgericht Hamburg Urteil vom 11.05.2016 - 416 HKO 47/16 - Irreführende Zigarettenwerbung durch den Begriff "mild"

LG Hamburg v. 11.05.2016: Irreführende Zigarettenwerbung bei Suggerieren gesundheitlicher Unbedenklichkeit durch den Begriff "mild" für Lucky Strike


Das Landgericht Hamburg (Urteil vom 11.05.2016 - 416 HKO 47/16) hat entschieden:
Die vom Rauchen ausgehenden Gefahren für die Gesundheit werden verharmlost, wenn eine Zigarette in der Werbung als „mild“ bezeichnet wird ohne den Zusatz, dass diese Aussage ausschließlich als geschmacksbezogen zu verstehen ist. Hierin liegt sowohl eine Irreführung der Verbraucher als auch eine verbotene Aussage, weil die gesundheitliche Unbedenklichkeit des Rauchens suggeriert wird.




Siehe auch Der Online-Handel mit Tabakwaren und Stichwörter zum Thema Werbung


Tatbestand:

Der Kläger, der Bundesverband der Verbraucherzentralen und -verbände, verlangt von der Beklagten, welche u.a. Zigaretten vertreibt, die Unterlassung bestimmter Plakatwerbung für die Marke Lucky Strike.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Werbung mit den Begriffen „MILD THING" (K1), „TAKE A WALK ON THE MILD SIDE" (K 2) sowie "LUCKIES MIT EXTRA MILDEM GESCHMACK" (K 3) verstoße gegen §§ 17 Nr. 5, 22 Abs. 2 Nr. 1 C VTabakG.

Der Kläger beantragt,
die Beklagte bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen,
im Rahmen geschäftlicher Handlungen für Tabakerzeugnisse mit den Begriffen "mild" und/oder „mildem" zu werben oder werben zu lassen, wie geschehen in den Anlagen K1, K 2 und K 3.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht die angegriffene Werbung verstoße nicht gegen die Vorschriften des VTabakG.

Nicht nur bei der Aussage "mit extra mildem Geschmack" sondern auch im Hinblick auf die anderen beiden Aussagen werde der Begriff "mild" von den angesprochenen Verkehrskreisen vordergründig geschmacksbezogen verstanden. Aussagen über sonstige Produkteigenschaften, insbesondere, dass das so beworbene Produkt weniger schädlich sein soll als andere, könnten diesen Formulierungen nicht entnommen werden. Hierfür hätte "mild" vielmehr in Verbindung mit einem niedrigeren Teergehalt beworben werden müssen.


Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

1. Im Hinblick auf die Aussagen "MILD THING" und "TAKE A WALK ON THE MILD SIDE" handelt es sich nach Auffassung des Gerichts um eine Irreführung i.S.d. § 17 Nr. 5 VTabakG sowie eine verbotene Aussage i.S.d. § 22 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG.

Auch wenn die Beklagte mit Werten von 0,6 mg Nikotin und 8 mg Kohlenmonoxid (Kondensat) die Grenzwerte des „Mild-Abkommens" von 1980 nicht überschritten hat, sind diese Aussagen bedenklich. Die vom Rauchen ausgehenden Gefahren der Gesundheitsschädigung werden verharmlost, wenn eine Zigarette in der Werbung als "mild" bezeichnet wird ohne den Zusatz, dass diese Aussage ausschließlich als geschmacksbezogen zu verstehen ist. Der Zusatz, dass die Zigaretten einen neuen Flow Filter enthalten, genügt insoweit nicht, um eine reine Geschmacksbezogenheit zu begründen. Zwar gibt es kaum einen Raucher, dem die Gefahren des Rauchens gänzlich unbekannt sind. Die Werbung mit "mild" ist jedoch geeignet, Bedenken gegen das Rauchen zu zerstreuen und den Eindruck zu erwecken, bei einer so beworbenen Zigarette könnten eher als bei anderen die Gesundheitsgefahren vernachlässigt werden. Soweit der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung geäußert hat, "mild" werde von den angesprochenen Verkehrskreisen im Zusammenhang mit Lebensmitteln bzw. vergleichbaren, vom Verbraucher zu konsumierenden Produkten immer geschmacksbezogen verstanden, vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Das Attribut "mild" führt direkt zur Assoziation mit "harmlos", was das Rauchen nun einmal nicht ist. Auch die soeben aufgrund der Richtlinie 2014/40/EU in Kraft getretene Änderung des Tabakerzeugnisgesetzes impliziert eine restriktive Werbung mit dem Begriff "mild". Der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung wird demgemäß gefördert, wenn das Wort "mild" in der Werbung vom Grundsatz her nicht mehr zur Beschreibung von Zigaretten verwendet wird. Ein Verbot dieser Bezeichnung steht in Einklang damit, dass der menschlichen Gesundheit nach allgemeiner Auffassung besondere Bedeutung zukommt und deshalb strenge Maßstäbe bei der Beurteilung einer Werbung anzulegen sind, die geeignet ist, Gesundheitsgefahren zu verharmlosen (so bereits - wenn auch in der Sache die Frage der Bewerbung mit "mild" offenlassend - BGH, 14.01.1993 - I ZR 301/90, LMRR 1993,3; s. auch Zipfel/Rathke/Sosnitza, in Zipfel/Rathke 162. EL. 2015, § 22 VTabakG Rn. 12). Hierin liegt sowohl eine Irreführung der Verbraucher als auch eine verbotene Aussage, welche die gesundheitliche Unbedenklichkeit suggeriert.

2. Anders ist die Aussage "LUCKIES MIT EXTRA MILDEM GESCHMACK" zu beurteilen. Die Verwendung des Begriffes "mildem" ist hier ausdrücklich und ausschließlich geschmacksbezogen zu verstehen. Insofern kann keine Irreführung i.S.d. § 17 Abs. 5 VTabakG angenommen werden, da rauchen - wie die Beklagte treffend ausführt - für viele Menschen durchaus ein Genusserlebnis ist. Ferner ist auch kein Verbot i.S.d. § 22 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG anzunehmen, da mit der Aussage "LUCKIES MIT EXTRA MILDEM GESCHMACK" keine gesundheitliche Unbedenklichkeit suggeriert wird.

Der Ordnungsmittelausspruch beruht auf § 890 ZPO.

Die prozessualen Nebenentscheidungen richten sich nach den §§ 92 Abs. 1 S. 1,709 ZPO.



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