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OLG Jena Urteil vom 17.08.2016 - 2 U 14/16 - Irreführung durch Angaben über den Wert des Gewinnes bei einem Apothekengewinnspiel
OLG Jena v. 17.08.2016: Irreführung durch Angaben über den Wert des Gewinnes bei einem Apothekengewinnspiel
Das OLG Jena (Urteil vom 17.08.2016 - 2 U 14/16) hat entschieden:
- Eine Verpflichtung, über den Wert des Gewinnes eines Gewinnspiels zu informieren, gibt es grundsätzlich nicht. Deshalb liegt eine Verletzung der Pflicht zur transparenten Angabe der Teilnahmebedingungen im Sinne von § 6 Nr. 4 TMG nicht vor, wenn der Wert des Gewinnes offen bleibt. Werden jedoch (hier: bei einem Apothekengewinnspiel) Angaben über den Wert des Preises gemacht, dann darf in der tatsächlich vorgenommenen Beschreibung keine Irreführung im Sinne von § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG liegen.
- Eine Irreführung liegt darin, dass der Durchschnittverbraucher bei der Inaussichtstellung eines Gutscheins als Gewinn mit der Beschreibung "20% Rabatt auf einen Artikel Ihrer Wahl" davon ausgeht, dass dieser Gutschein für alle in der Apotheke des Werbenden erhältlichen, von ihm gewählten Waren bzw. Artikel eingesetzt werden kann und nicht nur für das nicht-preisgebundene Warensegment.
Siehe auch Gewinnspiele -Preisausschreiben und Internet-Apotheke / grenzüberschreitende, insbesondere niederländische Versandapotheken
Gründe:
I.
Der Kläger nimmt den Beklagten, Inhaber einer Apotheke in M, auf Unterlassung wegen der angeblich unlauteren Gestaltung eines von ihm veranstalteten Gewinnspiels in Anspruch. Der Beklagte veranstaltete ein Gewinnspiel, bei dem neben Bargeld auch Gutscheine gewonnen werden konnten, die im Rahmen der Bewerbung in einer Zeitung abgebildet waren mit der Aufschrift "20 % Rabatt für einen Artikel Ihrer Wahl". Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass auf den Gutscheinen vermerkt sein müsse, dass dieser Rabatt nicht uneingeschränkt in Anspruch genommen werden könne und z.B. nicht beim Kauf von rezeptpflichtigen Medikamente gelten könne.
Der Kläger hat insoweit einen Verstoß gegen das Transparenzgebot bei Gewinnspielen und gegen das Irreführungsverbot geltend gemacht. Er hat beantragt,
den Beklagten bei Meidung der üblichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr als Gewinn einen Gutschein mit dem folgenden Text "Gutschein 20 % Rabatt für einen Artikel Ihrer Wahl" zu bewerben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen des weiteren Sach- und Streitstandes gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat der Klage stattgegeben.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten. Der Beklagte vertritt die Auffassung, dem Verbraucher seien alle Teilnahmebedingungen für das Gewinnspiel mitgeteilt worden. Die Werthaltigkeit der Preise zähle nicht zu den Teilnahmebedingungen. Außerdem beruft er sich darauf, dass § 4 Nr. 5 UWG a.F. mittlerweile ersatzlos gestrichen sei. Die Angaben seien auch nicht irreführend, insbesondere auch nicht für den Verbraucher relevant.
Der Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des landgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung.
II.
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht den Beklagten zur Unterlassung verurteilt. Der Unterlassungsanspruch folgt aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG.
1. Da der streitgegenständliche Unterlassungsanspruch auf Wiederholungsgefahr beruht und in die Zukunft gerichtet ist, muss die geschäftliche Handlung sowohl nach dem bis zum 10.12.2015 geltenden UWG als auch nach dem UWG in der seit dem 10.12.2015 geltenden Fassung unlauter sein (BGH GRUR 2016, 403 Rn. 9 - Fressnapf).
2. Allerdings folgt die Unlauterkeit nicht aus § 4 Nr. 5 UWG a.F. bzw. §§ 5a Abs.2, Abs. 4 UWG i.V.m. § 6 Nr. 4 TMG analog.
§ 4 Nr. 5 UWG ist durch die Novelle vom 10.12.2015 ersatzlos gestrichen worden. Eine unterschiedliche Rechtslage gibt es insoweit allerdings dann nicht, wenn anstelle von § 4 Nr. 5 UWG a.F. auch außerhalb des online-Bereichs § 6 Abs. 1 Nr. 4 TMG analog angewendet werden kann. Die Informationspflichten nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 TMG entsprechen denen nach § 4 Nr. 5 UWG a.F. und sind nach § 5a Abs. 4 UWG wesentlich im Sinne von § 5a Abs. 2 UWG. Insoweit bestimmen § 4 Nr. 5 UWG a.F. und § 6 Abs. 1 Nr. 4 TMG übereinstimmend, dass es sich um ein Preisausschreiben oder Gewinnspiel mit Werbecharakter handeln muss und es um die Ausgestaltung der Teilnahmebedingungen geht, die jedenfalls klar und eindeutig angegeben werden müssen.
Da kein Grund für eine Privilegierung des elektronischen Geschäftsverkehrs gegenüber anderen Vertriebsformen besteht, kann nach Auffassung des Senats das in § 6 Abs. 1 Nr. 4 TMG normierte besondere Transparenzgebot für Gewinnspiele mit Werbecharakter im Rahmen von § 5a Abs. 2 UWG herangezogen werden (BGH GRUR 2010, 158 Rn. 16 - FIFA-WM-Gewinnspiel; Köhler/Bornkamm § 5a UWG Rn. 5.29). Jedoch liegen die entsprechenden Voraussetzungen für eine Unlauterkeit nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 TMG analog vorliegend nicht vor.
a) Dass es sich bei der Printwerbung des Beklagten (vgl. Anlage K 1) um ein Gewinnspiel mit Werbecharakter handelt, ist allerdings nicht bestritten. Es handelt sich um ein Spiel, bei dem der Gewinner durch ein Zufallselement ermittelt wird. Für den Werbecharakter reicht es aus, wenn mit dem Gewinnspiel eine positive Selbstdarstellung des Veranstalters einhergeht (BGH GRUR 2005, 1061, 1064 - Telefonische Gewinnauskunft). Auch die Ankündigung eines solchen Gewinnspiels unterfällt bereits der Vorschrift des § 4 Nr. 5 UWG a.F. (BGH GRUR 2008, 724 Rn. 9 - Urlaubsgewinnspiel) bzw. der des § 6 Abs. 1 Nr. 4 TMG.
b) Bei der Bezeichnung des ausgelobten Gutscheins mit "20 % Rabatt für einen Artikel Ihrer Wahl" handelt es sich jedoch nicht um eine Teilnahmebedingung. Der Begriff der "Teilnahmebedingungen" ist gesetzlich nicht definiert. Unter Teilnahmebedingungen im Sinne der Vorschrift sind nicht lediglich die subjektiven Bedingungen des Spielenden für die Teilnahme als solche zu verstehen. Zu den Teilnahmebedingungen gehören auch die objektiven Bedingungen des Spieles (vgl. zu alledem OLG Köln GRUR-RR 2006, 196).
Insoweit ist der Begriff der Teilnahmebedingung im Zweifel also weit zu verstehen, insbesondere fallen unter den weiten Begriff der Teilnahmebedingungen auch Teilnahmemodalitäten. Zu den Modalitäten der Teilnahme zählen alle Angaben, die der Interessent benötigt, um eine "informierte geschäftliche Entscheidung" (Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2005/29/EG) über die Teilnahme am Gewinnspiel treffen zu können. Dementsprechend muss der Werbende auch darüber informieren, wie die Gewinner ermittelt und benachrichtigt (schriftlich, telefonisch, öffentlicher Aushang) werden (BGH WRP 2011, 863 Rn. 18 - Einwilligung für Werbeanrufe).
Entsprechende fehlende Angaben moniert der Kläger jedoch nicht, sondern vielmehr nur, dass der 20 %-Rabatt-Gutschein nicht für alle in der Apotheke des Beklagten erhältlichen Artikel, insbesondere nicht für preisgebundene Arzneimittel u.ä. eingesetzt werden könne. Der vorliegende Fall betrifft also den Wert eines Gewinns und den Umstand, ob der ausgelobte Gutschein uneingeschränkt in der Apotheke des Beklagten eingesetzt werden kann.
Eine Verpflichtung, über den Wert des Gewinnes zu informieren gibt es grundsätzlich jedoch nicht (MünchKommUWG/Leible § 4 Nr. 5 Rn. 50, 51). Der Veranstalter eines Gewinnspiels könnte sogar über den Preis gar keine detaillierten Informationen geben. Auch wenn die Art und der Wert der Gewinne die Teilnahmeentscheidung des Verbrauchers in Bezug auf das Gewinnspiel beeinflussen, so ist der Durchschnittsverbraucher selbst in der Lage zu entscheiden, ob er an einem Gewinnspiel teilnimmt, wenn die Art bzw. der Wert des Preises offen bleiben (MünchKommUWG/Leible aaO.).
Etwas anderes folgt nicht aus der "Urlaubsgewinnspiel"-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (aaO.). Zwar spricht der Bundesgerichtshof insoweit von Informationspflichten bezüglich "unerwarteter Beschränkungen": "Weist die Teilnahme am Gewinnspiel aus der Sicht des mündigen Verbrauchers keine unerwarteten Beschränkungen auf, so reicht es bei einer solchen Ankündigung grundsätzlich aus, wenn dem Verbraucher mitgeteilt wird, bis wann er wie teilnehmen kann und wie die Gewinner ermittelt werden." (BGH aaO). Unerwartete Beschränkungen beziehen sich insoweit aber nicht auf die Art bzw. den Wert des Preises, sondern nur auf die Teilnahmebedingungen in dem Sinne, wer auf welche Weise am Gewinnspiel teilnehmen darf.
c) Eine Verletzung der Pflicht zur transparenten Angabe der Teilnahmebedingungen im Sinne von § 6 Nr. 4 TMG liegt also nicht vor.
3. Werden jedoch - wie hier vom Beklagten - Angaben über den Wert des Preises gemacht, dann darf in der tatsächlich vorgenommenen Beschreibung keine Irreführung im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG liegen (so auch MünchKommUWG/Leible aaO. Rn. 52). Dies ist jedoch vorliegend der Fall.
Die Irreführung liegt darin, dass der Durchschnittverbraucher bei der Inaussichtstellung eines Gutscheins als Gewinn mit der Beschreibung "20% Rabatt auf einen Artikel Ihrer Wahl" davon ausgeht, dass dieser Gutschein für alle in der Apotheke des Beklagten erhältlichen, von ihm gewählten Waren bzw. Artikel eingesetzt werden kann und nicht nur für das nicht-preisgebundene Warensegment. In Anbetracht der klaren Auslobung "auf einen Artikel Ihrer Wahl" wird der Durchschnittsverbraucher davon ausgehen, dass es keine Beschränkungen seitens der Apotheke gibt und eine Rabattierung folglich auch auf Produkte aus dem preisgebundenen Segment, möglicherweise sogar auf den Zuzahlungsbetrag in Betracht kommt. Tatsächlich gibt es den Rabatt jedoch nur auf das nicht-preisgebundene Segment, so dass eine irreführende Angabe vorliegt.
Es reicht nicht aus, dass der Verbraucher - was zudem streitig ist - über den Umfang der Einlösemöglichkeiten des Gutscheins dann informiert wird, wenn er den Gutschein als "(Trost-)Preis" in der Apotheke ausgehändigt erhält. Denn dann erfolgt diese Information zu spät, weil der Verbraucher seine Entscheidung, am Gewinnspiel teilzunehmen, bereits getroffen hatte und sich überdies bereits in der Apotheke des Beklagten befindet. Damit hat der Beklagte sein Ziel erreicht, durch das Gewinnspiel Kunden in seine Apotheke zu locken, die in der Folge nach der Lebenserfahrung auch irgendetwas aus dem nichtpreisgebundenen Segment kaufen werden.
Die dargestellte Irreführung ist nach dem insoweit neu gefassten § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG auch geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Dieses Relevanzerfordernis entstammt der UGP-Richtlinie und findet sich wortgleich in § 5a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UWG. Das Relevanzerfordernis besagt, dass ein ursächlicher Zusammenhang bestehen muss zwischen Täuschung und geschäftlicher Entscheidung. Es ist zu fragen, ob der durchschnittliche Verbraucher voraussichtlich eine andere geschäftliche Entscheidung getroffen hätte, wenn die Irreführung nicht vorliegen würde (Köhler/Bornkamm § 5a UWG Rn. 3.44).
Die maßgebliche Entscheidung ist hier die Teilnahme am Gewinnspiel. Die in Aussicht gestellten Preise und deren Werthaltigkeit beeinflussen den Verbraucher bei seiner Entscheidung, am Gewinnspiel teilzunehmen. Daran ändert auch nichts, dass es sich bei den Gutscheinen nur um "Trostpreise" handelt. Denn auch dieser Trostpreis in Form eines 20 %igen Rabatts kann bei entsprechend teuren Produkten einen erheblichen Wert darstellen und deshalb einen erheblichen Anreiz darstellen, am Gewinnspiel teilzunehmen. Auch auf Rezept verschriebene Artikel sind Artikel nach Wahl des Verbrauchers, wenn er sich entschließt, das Rezept gerade in der Apotheke des Beklagten einzulösen. Darüber hinaus entfaltet die Auslobung eines Gutscheins mit 20 %igem Rabatt aus den genannten Gründen eine Anreizwirkung, die über einen irrelevanten Trostpreis hinausgeht. Es ist auch nicht unzumutbar, den Gutschein dahingehend zu beschreiben, dass es sich um einen Rabatt auf alle Waren aus dem nichtpreisgebundenen Segment handelt. Der Aufwand in der drucktechnischen Darstellung würde den ansonsten in der Anzeige getätigten Aufwand nicht überschreiten.
4. Da der Unterlassungsanspruch besteht, ist die Berufung mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen. Die Entscheidung betrifft einen Einzelfall der Irreführung auf der Grundlage von anerkannten Rechtsgrundsätzen. Auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht geboten (§ 543 Abs. 2 ZPO).