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Finanzgericht München Urteil vom 24.11.2011 - 14 K 1167/10 - Steuerfreiheit innergemeinschaftliche Lieferung beim Kfz-Handel

FG München v. 24.11.2011: Steuerfreiheit innergemeinschaftliche Lieferung beim Kfz-Handel


Das Finanzgericht München (Urteil vom 24.11.2011 - 14 K 1167/10) hat entschieden:
Die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung eines gebrauchten Kfz scheidet aus, wenn der Unternehmer keine Lieferung erbracht haben kann, da er nicht Eigentümer des Fahrzeugs war und auch ein guter Glaube an den Erwerb des Eigentums an dem Kfz nicht geschützt ist, wenn er keinen Kraftfahrzeugbrief erhalten hat.




Siehe auch Autohandel - Handel mit Fahrzeugen im Internet und Der Handel mit bestimmten Waren und Produkten


Tatbestand:

I.

Streitig ist, ob das Finanzamt (FA) die Steuerfreiheit für die Lieferung eines Ferraris ins EU- Ausland zu Recht versagt hat.

Der Kläger betreibt einen Handel mit Kraftfahrzeugen und Ersatzteilen. Für das Streitjahr 2005 wurde die Umsatzsteuer zunächst entsprechend der eingereichten Erklärung auf einen Negativbetrag von 94.661,04 € festgesetzt.

Im Rahmen von Ermittlungen der Steuerfahndung und der Staatsanwaltschaft Stuttgart wurde dem FA im Jahr 2009 bekannt, dass der Kläger am 14. Juni 2005 an die Firma X Handels GmbH mit Sitz in Österreich für 163.000 € ein Fahrzeug des Typs Ferrari 430 F1 Coupe verkauft und diesen Umsatz als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung behandelt hat. Nach der Auffassung der Steuerfahndung handelte es sich bei der Firma X Handels GmbH um ein Scheinunternehmen. Die Tätigkeit der Firma sei ausschließlich von O im Inland betrieben worden, der wirkliche Abnehmer des Fahrzeugs habe seinen Sitz dort und nicht in Österreich. Tatsächlich sei das Fahrzeug nach Ungarn verbracht worden. Die vorliegenden Buch- und Belegnachweise seien unrichtig, da sie sowohl den falschen Abnehmer, den falschen Bestimmungsort als auch den falschen Transportweg dokumentierten. Nach den vorhandenen Unterlagen sei allen Beteiligten klar gewesen, dass die Firma X Handels GmbH von Deutschland aus tätig würde.

Das FA versagte daraufhin die Steuerfreiheit der Lieferung und erhöhte die steuerpflichtigen Umsätze. Mit Bescheid vom 16. April 2009 wurde die Umsatzsteuer 2005 auf einen Negativbetrag von 72.178,32 € festgesetzt.

Das dagegen gerichtete Einspruchsverfahren hatte keinen Erfolg. Mit Entscheidung vom 9. März 2010 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.

Mit der hiergegen eingelegten Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass ihm das FA zu Unrecht die Steuerfreiheit der Lieferung versage. Die Ausführungen des FA, bei der Firma X Handels GmbH habe es sich um eine Scheinfirma gehandelt, seien nicht belegt worden. Anfang Juni 2005 sei bei ihm durch die Firma Z GmbH in G, die ihm aus früheren Geschäftsverbindungen bekannt gewesen sei, angefragt worden, ob er für einen Interessenten einen Ferrari F 430 F1 Coupe besorgen könne. Unter Einschaltung des Autohauses R habe er mit dem Autohaus L GmbH Kontakt aufgenommen, das ihm am 10. Juni 2005 ein Fahrzeug der gewünschten Bauart verkauft habe. Die vermittelnde Firma Z GmbH habe daraufhin von der Firma X Handels GmbH einen Firmenbuchauszug, die Umsatzsteuer-​Identifikationsnummer sowie eine Passkopie des Geschäftsführers der Firma X Handels GmbH, V, angefordert und anschließend an den Kläger weitergeleitet. Der Kläger habe anschließend mit V telefonisch die weiteren Einzelheiten des Kaufs geklärt. Vor dem vereinbarten Übergabetermin habe er noch die erforderliche Anfrage zum Bestätigungsverfahren beim Bundesamt für Finanzen durchgeführt.

Am 17. Juni 2005 sei der Kaufvertrag auf dem Firmengelände der Firma L GmbH abgewickelt worden. Der Kaufpreis sei in bar von U bezahlt worden, dieser habe seinen Ausweis sowie eine Vollmacht der Firma X Handels GmbH vorgelegt. Nachdem der Geschäftsführer der Firma L GmbH die Richtigkeit der Summe kontrolliert sowie die der Firma zustehende Restzahlung einbehalten und quittiert habe, sei U vom Kläger eine ordnungsgemäße Rechnung sowie eine Quittung über den Erhalt des Kaufpreises ausgehändigt worden. U habe den Erhalt des Fahrzeuges mit allen Papieren und Schlüsseln bestätigt und das Formular „Verbringungsnachweis zu einer innergemeinschaftlichen Lieferung“ unterzeichnet. Anschließend habe U den Pkw auf seinen LKW verladen und das Firmengelände verlassen.

Er habe nicht gewusst, dass es sich bei der Firma X Handels GmbH von Beginn an um ein Scheinunternehmen gehandelt habe und das Fahrzeug tatsächlich nicht nach Österreich, sondern nach Ungarn verbracht worden sei. Aus seiner Sicht habe er alle Nachweise für eine steuerfreie gemeinschaftliche Lieferung erbracht.

Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheids vom 16. April 2009 und der Einspruchsentscheidung vom 9. März 2010 die Umsatzsteuer 2005 auf einen Negativbetrag von 94.661,04 € festzusetzen.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung. Ergänzend weist es darauf hin, dass der Ferrari am 8. Juni 2005 von der Firma Z GmbH in einer Gebrauchtwagenbörse im Internet zum Verkauf angeboten und am 10. Juni 2005 durch V reserviert worden sei. Am 13. Juni 2005 sei der Kaufvertrag zwischen der Firma Z GmbH und V geschlossen worden. Anschließend sei eine Kopie des Fahrzeugbriefs von der Firma Z GmbH an V gefaxt worden. Die Übergabe des Fahrzeugs sei laut Angaben auf einem Telefax von der Firma Z GmbH, nicht jedoch vom Kläger vorgenommen worden. Nach Ansicht des FA sei der Kläger somit zu keinem Zeitpunkt Eigentümer des Fahrzeugs gewesen und habe es daher auch nicht an die Firma X Handels GmbH übertragen können. Die Behauptungen des Klägers seien daher anhand objektiver Beweise unzutreffend.

Da der Ferrari von einer Spedition aus Ungarn abgeholt worden sei, hätte es sich dem Kläger aufdrängen müssen, dass das Fahrzeug eher nach Ungarn als nach Österreich verbracht werden würde. Darüber hinaus erfolgte die telefonische Kommunikation mit einer deutschen Handy- und Telefaxnummer. Der Kläger sei seinen Obliegenheitsverpflichtungen nicht nachgekommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-​Akten sowie auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 90 Absatz 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO -).


Entscheidungsgründe:

I.

Die Klage ist unbegründet, das FA hat die Steuerfreiheit für die Lieferung des Ferraris zu Recht versagt.

Eine innergemeinschaftliche Lieferung ist gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b und § 6a Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes in der für die Streitjahre maßgebenden Fassung (UStG) steuerfrei, wenn der Unternehmer oder sein Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat (§ 6a Abs. 1 Nr. 1 UStG), wenn der Abnehmer ein Unternehmer ist, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat (§ 6a Abs. 1 Nr. 2 Buchst a UStG) und wenn der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung bei dem Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzsteuer unterliegt (§ 6a Abs. 1 Nr. 3 UStG). Diese Voraussetzungen müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein (§ 6a Abs. 3 Satz 1 UStG).

Im Streitfall scheidet eine Berufung auf die Steuerfreiheit bereits deswegen aus, weil der Kläger nicht Eigentümer des Fahrzeugs war und deshalb der Firma X Handels GmbH gegenüber keine Lieferung erbracht hat. Wie sich aus den unwidersprochenen Feststellungen der Steuerfahndung ergibt, wurde das Fahrzeug bereits am 13. Juni 2005 von der Firma Z GmbH an die Firma X Handels GmbH verkauft, wobei der Geschäftsführer der Firma X Handels GmbH ein entsprechendes Kaufangebot der Firma Z GmbH angenommen hatte. Ebenfalls am 13. Juni 2005 wurde auch eine Kopie des Fahrzeugbriefes an den Geschäftsführer des Käufers, V, gefaxt. Anschließend wurde das Fahrzeug – wie mit Telefax vom 15. Juni 2005 vereinbart – auf dem Firmengelände der Firma L GmbH von der Firma Z GmbH an einen Beauftragten der Firma X Handels GmbH übergeben. Aufgrund dieses Sachverhalts ist der Kläger zu keinem Zeitpunkt Eigentümer des Ferraris geworden und konnte der Firma X Handels GmbH auch nicht die Verfügungsmacht daran verschaffen. Ein Leistungsaustausch des Klägers mit der Firma X Handels GmbH hat nicht stattgefunden.

Der Kläger kann nicht mit Erfolg einwenden, dass er das Fahrzeug seinerseits mit Kaufvertrag vom 10. Juni 2005 von der Firma L GmbH erworben habe. Wegen des Verkaufs von der Firma Z GmbH an die Firma X Handels GmbH war auch die Firma L GmbH niemals Eigentümerin des Ferraris. Ein gutgläubiger Erwerb des Fahrzeugs von der Firma L GmbH scheidet aus, da der Kläger von dieser keinen Fahrzeugbrief des Ferraris erhalten hat. Der Kraftfahrzeugbrief ist nach § 25 Abs. 4 Satz 2 der Straßenverkehrs-​Zulassungs-​Ordnung in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung (StVZO) zur Sicherung des Eigentums oder anderer Rechte am Fahrzeug bei jeder Befassung der Zulassungsbehörde mit dem Fahrzeug, besonders bei Meldungen über den Eigentumswechsel gemäß § 27 Abs. 3 StVZO, vorzulegen und soll dadurch - auch wenn er kein Traditionspapier ist - den Eigentümer oder sonst dinglich am Kraftfahrzeug Berechtigten vor Verfügungen Nichtberechtigter schützen (Urteil des Bundesgerichtshofs – BGH – vom 13. September 2006 VIII ZR 184/05, NJW 2006, 3488).

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gilt auch unter Kraftfahrzeughändlern der Grundsatz, dass der gute Glaube des Erwerbers an das Eigentum bzw. die Verfügungsbefugnis des Veräußerers nur geschützt ist, wenn er sich zumindest den Kraftfahrzeugbrief vorlegen lässt (BGH-​Urteil vom 9. Februar 2005 VIII ZR 82/03, NJW 2005, 1365, vom 13. Mai 1996 II ZR 222/95,  NJW 1996, 2226). Verzichtet der Erwerber hierauf, trägt er das Risiko, dass der Veräußerer - wie im Streitfall - nicht einmal verfügungsbefugt ist.

Der Kläger kann sich auch nicht auf § 6a Abs. 4 UStG berufen. Gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ist eine Lieferung, die der Unternehmer trotz Fehlens der Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG als steuerfrei behandelt hat, gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. Da im Streitfall jedoch keine Lieferung vorliegt, scheidet eine Berufung auf den Gutglaubensschutz aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.










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