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OLG Hamm Urteil vom 19.11.2009 - 4 U 136/09 - Wartefrist für das Abschlussschreiben ab Zustellung der einstweiligen Verfügung

OLG Hamm v. 19.11.2009: Zur Wartefrist für das Abschlussschreiben ab Zustellung der einstweiligen Verfügung


Das OLG Hamm (Urteil vom 19.11.2009 - 4 U 136/09) hat entschieden:
Als Wartefrist ab Zustellung einer einstweiligen Verfügung (hier: von Anwalt zu Anwalt) bis zur eventuell freiwilligen Abgabe einer Abschlusserklärung ist ein Zeitraum von Wochen als angemessen zu werten (Festhaltung OLG Hamm, 10. November 2009, 4 U 123/09) (Rn.21). Ist binnen zwei Wochen nach Zustellung des Verfügungsurteils keine Abschlusserklärung erfolgt, darf der Unterlassungsgläubiger ein Abschlussschreiben im Ergebnis als erforderlich ansehen und er kann die Anwaltskosten für dieses Abschlussschreiben erstattet verlangen.




Siehe auch Die Abgabe einer Abschlusserklärung und das Abschlussschreiben und Stichwörter zum Thema Abmahnung


Gründe:

A.

Die Klägerin hat wegen eines Abschlussschreibens vom 30.05.2008 nach erwirkter einstweiliger Beschlussverfügung vom 01.04.2008 in dem Verfahren 23 O 62/08 LG Münster gegen die Beklagte einen Kostenerstattungsanspruch von 651,80 € geltend gemacht. Die Beklagte hat sich hiergegen in der Sache verteidigt und hilfsweise ihrerseits demgegenüber mit einem Kostenerstattungsanspruch wegen eines Abschlussschreibens vom 12.11.2008 - nach erwirkter Urteilsverfügung vom 25.09.2008 in dem Verfahren 24 O 129/08 - in Höhe der Klageforderung aufgerechnet. Die Beklagte hat insoweit von der Klägerin die Zahlung von 859,80 € beansprucht. Die Differenzforderung von 208,- € hat sie widerklagend und 651,80 € hilfswiderklagend gegen die Klägerin geltend gemacht.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes in erster Instanz im Einzelnen wird gemäß § 540 II ZPO auf den ausführlichen Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage zur Zahlung von 208,- € nebst Zinsen verurteilt. Den Klageanspruch von 651,80 € hat es grundsätzlich bejaht. Das zugrunde liegende Abschlussschreiben vom 30.05.2008 hat es als erforderlich angesehen, wobei das Landgericht die Berechtigung des Verfügungsanspruchs wegen der vorbehaltslosen Abgabe einer Abschlusserklärung vom 20.06.2008 nicht mehr geprüft hat. Der dem Verfügungsverfahren zugrunde liegende Anspruch sei, so das Landgericht, für die Parteien durch die vorbehaltslose Abgabe einer Abschlusserklärung als endgültige Regelung wie im Falle eines rechtskräftigen Hauptsacheurteils präjudiziert. Der Klageanspruch sei aber durch Aufrechnung erloschen, da die Beklagte ihrerseits einen Erstattungsanspruch von 859,80 € aufgrund des anwaltlichen Abschlussschreibens vom 12.11.2008 habe. Das Abschlussschreiben habe ebenfalls eine notwendige Maßnahme der Rechtsverfolgung dargestellt. Die Dauer einer Wartefrist von 2 Wochen sei eingehalten worden. Eine Frist von einem Monat erscheine im Streitfall zu lang. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei die Beklagte auch nicht gehalten gewesen, das Abschlussschreiben bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens zurückzustellen. Die Beklagte habe - in Bezug auf die Widerklage - in Höhe des durch Aufrechnung nicht verbrauchten Teils des Erstattungsanspruchs einen Zahlungsanspruch von 208,- €.

Hinsichtlich der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

Die Klägerin hat hiergegen Berufung eingelegt, mit der sie sich gegen die Annahme eines Kostenerstattungsanspruchs der Beklagten in Bezug auf das Abschlussschreiben vom 12.11.2008 wehrt. Sie meint, die Beklagte hätte ihr Abschlussschreiben unter Berücksichtigung der bis zum 21.11.2008 laufenden Berufungsfrist und zuzüglich eines weiteren zeitlichen Aufschlags frühestens Anfang Dezember 2008 versenden dürfen. Vorher sei das Abschlussschreiben nicht erforderlich gewesen. Zum einen sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte durch den Erlass der Urteilsverfügung gesichert gewesen sei. Zum anderen berücksichtige das Landgericht fehlerhaft nicht, dass es sich vorliegend nicht um eine Beschluss-​, sondern um eine Urteilsverfügung gehandelt habe. In einer derartigen Situation müsse dem Schuldner Gelegenheit gegeben werden, innerhalb der vom Gesetz vorgegebenen, einmonatigen Berufungsfrist eine abschließende Entscheidung über die Frage, ob Rechtsmittel eingelegt werden sollen, reifen zu lassen. Sodann sei dem Schuldner zuzugestehen, innerhalb einer weiteren Frist Überlegungen dahingehend zu treffen, ob eine Abschlusserklärung abgegeben werden solle. Die Entscheidung des Landgerichts, die eine zweiwöchige Wartefrist für angemessen halte, laufe im Ergebnis auf eine unzulässige Verkürzung der Berufungsfrist für den Schuldner nach Erlass einer Urteilsverfügung hinaus. Nach Einlegung des Rechtsmittels der Berufung mit Schriftsatz vom 18.11.2008 sei das Abschlussschreiben dann nicht mehr notwendig gewesen, da zu erkennen gewesen sei, dass sie zur Abgabe der Abschlusserklärung nicht bereit sei. Schließlich werde vom Landgericht nicht berücksichtigt, dass es der Klägerin überhaupt nicht möglich gewesen sei, sich so zu verhalten, dass keine Kostenerstattungsansprüche ausgelöst würden. Die Abgabe einer Abschlusserklärung wäre zunächst wegen der laufenden Berufungsfrist und der noch nicht abgeschlossenen Prüfung, ob Rechtsmittel eingelegt werden sollten, ausgeschieden. Nach Einlegung der Berufung habe sie, die Klägerin, sich erkennbar dafür entschieden, die geltend gemachten Unterlassungsansprüche nicht abschließend zu akzeptieren.

Die Klägerin beantragt,
abändernd die Beklagte zu verurteilen, an sie 651,80 € nebst Zinsen in Höhe von 8%-​Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.06.2008 zu zahlen, und die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hilfsweise legt sie Hilfsanschlussberufung ein mit dem Antrag,
unter teilweiser Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klägerin auf die Widerklage hin zu verurteilen, an sie über den bereits zugesprochenen Betrag von 208,- € weitere 651,80 €, insgesamt also 859,80 €, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz seit dem 24.11.2008 zu zahlen.
Die Klägerin beantragt,
die Hilfsanschlussberufung zurückzuweisen.
Die Beklagte wehrt sich zunächst gegen das Zusprechen der Klageforderung. Sie meint, sie sei durch ihre Abschlusserklärung nicht gehindert, gegen den Kostenerstattungsanspruch einzuwenden, dass sie in der Sache nicht zur Abgabe der Abschlusserklärung verpflichtet gewesen sei. Die vorherige Abmahnung der Klägerin vom 17.09.2007 sei nicht berechtigt gewesen, weil der tenorierte Unterlassungsanspruch erheblich zu weit gewesen sei und nicht den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 II Nr. 2 ZPO genüge.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- uns Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.


B.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Sie kann von der Beklagten für ihr Abschlussschreiben vom 30.05.2008 wegen erfolgter Aufrechnung (aus einer berechtigen Gegenforderung von 859,80 €) nicht die Zahlung von 651,80 € verlangen. Umgekehrt ist die hilfswiderklagend geltend gemachte Forderung der Beklagten gegen die Klägerin in Höhe des Differenzbetrages von 208,- € berechtigt. Die prozessuale Bedingung für die Hilfsanschlussberufung ist insofern nicht eingetreten, hierüber war nicht mehr zu befinden.

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte - bezogen auf die Klageforderung - zunächst gemäß § 12 I 2 UWG analog grundsätzlich einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 651,80 €. Die Beklagte kann demgegenüber nicht mehr einwenden, der Unterlassungstenor sei in der Sache zu weit gewesen und sei von daher nicht hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 II Nr. 2 ZPO. Letzteres kann im Streifall dahinstehen. Die Beklagte nämlich ist an diesem Einwand durch die vorbehaltslose Abgabe der Abschlusserklärung vom 20.06.2008 gehindert. Hiermit hat die Beklagte die Verfügung des Landgerichts Münster vom 01.04.2008 in dem Verfahren 23 O 62/08 nicht nur als solche, sondern auch in der Sache verbindlich und endgültig anerkannt. Darin liegt zwar kein förmliches Anerkenntnis des Aufwendungsersatzanspruchs. Die Beklagte hat damit aber ausdrücklich zu erkennen gegeben, dass der Vorwurf des Wettbewerbsverstoßes zu Recht erfolgt sei. Auch wenn das Verfügungsverfahren zusammen mit der Abschlusserklärung wohl keine materielle Rechtskraft wie ein entsprechendes Hauptverfahren entfalten dürfte, erreicht der gesicherte Antragsteller hier doch eine Rechtsposition, die ihm nahezu gleiche Rechtssicherheit gibt (Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 6. Auflage 2009, Kap. 55 Rn. 9, 10; Kap. 58 Rn. 3, 4). Nach Sinn und Zweck der in Rede stehenden Abschlusserklärung haben die Parteien insofern auch den materiellrechtlichen Unterlassungsanspruch in die Erklärung einbezogen und - abweichend gegenüber einer Abmahnung und einer sich anschließenden Unterwerfung - wie bei einem rechtskräftigen Titel einer endgültigen Regelung zugeführt (vgl. Senat, Urt. v. 27.05.2008, Az. 4 U 14/08). Die Klägerin ist von daher daran gehindert, gegen den Kostenerstattungsanspruch nunmehr wieder einzuwenden, in der Sache nicht zur Abgabe der Abschlusserklärung verpflichtet gewesen zu sein, was sich in gleicher Weise auf den Einwand erstreckt, dass der Titel zu weit gefasst gewesen sei. Nichts anderes würde für die Beurteilung des Erstattungsanspruchs auf der Grundlage einer GoA gelten.

Die Höhe des Anspruchs steht nicht im Streit. Die Klageforderung war grundsätzlich berechtigt.

II.

Umgekehrt besteht ein Anspruch der Beklagten gegen die Klägerin aus § 12 I 2 UWG im Hinblick auf das Abschlussschreiben vom 12.11.2008 in Höhe von 859,80 €. Infolgedessen ist die Klageforderung durch Aufrechnung nach §§ 387, 389 BGB erloschen. In Höhe des Differenzbetrages zur Klageforderung = 208,- € ist die Hilfswiderklage begründet.

Die Berechtigung des Unterlassungsverlangens gemäß Urteil vom 25.09.2009 in dem Verfahren 24 O 129/08 ist unzweifelhaft, zumal die Klägerin insoweit gemäß Terminsprotokoll vom 05.03.2009 in dem Berufungsverfahren 4 U 21/08 vor dem Senat die Berufung zurückgenommen und auch die Abschlusserklärung abgegeben hat.

Das Abschlussschreiben war, anders als die Klägerin meint, auch (schon) erforderlich. Insoweit besteht zunächst Übereinstimmung darüber, dass dies nicht der Fall ist, wenn der Gläubiger dem Schuldner keine ausreichende Gelegenheit gegeben hat, von sich aus eine Abschlusserklärung abzugeben. Dabei ist man sich einig darüber, dass maßgeblich für den Beginn der Überlegungsfrist die Zustellung der einstweiligen Verfügung ist (vgl. Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl. 2009, § 3.73; Ahrens, a.a.O., Kap. 58 Rn. 52). Unklarheiten bestehen indes bei der Frage der Dauer der Frist. Diese beträgt nach der Senatsrechtsprechung und der wohl herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum abhängig von den Umständen des Einzelfalls regelmäßig 2 Wochen (vgl. Senatsurteil vom 10.11.2009, Az. 4 U 123/09; OLG Frankfurt GRUR-​RR 2003, 294; Ahrens, a.a.O., Kap. 58 Rn. 52; Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 2. Aufl. 2003, Rn. 404 m.w.N. unter Fn. 109; teilw. abw. Köhler, a.a.O., § 12 Rn. 3.73: ein Monat ab Zugang der einstweiligen Verfügung; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl. 2007, Kap. 43 Rn. 31: Frage des Einzelfalls). Der Senat hält in diesem Zusammenhang weiterhin eine Wartefrist von im Allgemeinen 2 Wochen für sachgerecht. In dieser Zeit kann sich der Schuldner regelmäßig ein ausreichendes Bild von der Berechtigung des Verfügungsanspruchs machen und eine Entscheidung über die Endgültigkeit treffen. Eine längere Wartefrist würde im Allgemeinen, auch wenn der Gläubiger im Falle der Urteilsverfügung derzeit gesichert ist, zu einer nicht sachgerechten Verzögerung des Verfahrens führen, zumal nach Fristsetzung (bei z.B. einem Monat) und einem weiteren Abwarten in Bezug auf die Abschlusserklärung (von etwa 2 Wochen) und der dann nötigen Zeit zur Erhebung der Klage mitunter 2 Monate "ins Land gehen" würden, bis alsdann das Hauptsacheverfahren eingeleitet werden könnte. Der Gläubiger, der auch einer potentiellen Schadensersatzpflicht des § 945 ZPO unterliegt, hat dabei ein berechtigtes Interesse daran, zur endgültigen Durchsetzung seiner Ansprüche unnötigen Zeitverlust zu vermeiden (OLG Frankfurt a.a.O.). Von daher ist die Frist richtigerweise auch bei Urteilsverfügungen nicht, wie die Klägerin meint, von dem Ablauf der noch nicht verstrichenen Berufungsfrist abhängig (vgl. Ahrens, a.a.O., Kap. 58 Rn. 52, wonach die Frist nicht mit dem Eintritt der formellen Rechtskraft der Urteilsverfügung zu verknüpfen ist; dahingestellt von BGH, IX. ZS., NJW-​RR 2006, 557, wonach aber für eine Anknüpfung an die Berufungsbegründungsfrist "gute Gründe" sprechen könnten, die indes dort auch näher nicht dargelegt sind; str.). Die Berufungsbegründungsfrist ist von der Wartefrist zu unterscheiden und wird als solche auch nicht verkürzt. Überdies könnte der Schuldner der Kostenlast eines gegnerischen Abschlussschreibens gegebenenfalls auch dadurch vorbeugen, dass er gegenüber dem Gläubiger rechtzeitig mitteilt, ob er die Verfügung als endgültig anerkennt oder nicht.

Vorliegend wurde der Klägerin das Verfügungsurteil am 23.10.2008 durch Zustellung von Anwalt zu Anwalt zugestellt. Binnen 2 Wochen bis zum 06.11.2008 war keine Abschlusserklärung erfolgt, so dass das Abschlussschreiben vom 12.11.2008 als im Ergebnis erforderlich anzusehen ist. Eine verlängerte Frist für den konkreten Streitfall ist nicht gerechtfertigt, zumal - anders als auch bei einer Beschlussverfügung - der Klägerin die Sache und die Verhandlung vom 25.09.2008 insoweit bereits bekannt waren. Es liegen keine Besonderheiten vor, die eine längere Bemessung der Wartefrist erforderlich machen könnten.

Die Höhe der Erstattungsforderung von 859,80 € steht nicht in Streit. Durch Aufrechnung ist die Klageforderung erloschen. Die Widerklage ist in Höhe des Differenzbetrages von 208,- € begründet.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 I, 708 Nr. 10 ZPO.

Eine Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, § 543 I ZPO.










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