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OLG Hamm Urteil vom 04.05.2010 - 4 U 12/10 - Dauer der Wartefrist für ein Abschlussschreiben
OLG Hamm v. 04.05.2010: Zur Dauer der Wartefrist für ein Abschlussschreiben
Das OLG Hamm (Urteil vom 04.05.2010 - 4 U 12/10) hat entschieden:
Ein Erstattungsanspruch ist nur dann nicht gegeben, wenn der Gläubiger das Abschlussschreiben an den Schuldner absendet, ohne ihm zuvor Gelegenheit gegeben zu haben, innerhalb angemessener Frist von sich aus eine Abschlusserklärung abzugeben. Die Wartefrist beträgt regelmäßig zwei Wochen. Dabei handelt es sich um eine Durchschnittsfrist, die nach den Umständen des Einzelfalls auch länger sein kann.
Siehe auch Die Abgabe einer Abschlusserklärung und das Abschlussschreiben und Stichwörter zum Thema Abmahnung
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Freistellung von Rechtsanwaltskosten für ein Abschlussschreiben. Er meint, den Beklagten nicht verfrüht aufgefordert zu haben. Die Zeit zwischen der Zustellung des Verfügungsurteils am 24. Februar 2009 und dem Abschlussschreiben vom 19. März 2009 sei ausreichend gewesen.
Das Landgericht hat durch Urteil vom 10. November 2009 entsprechend dem Antrag des Beklagten die Klage als unbegründet abgewiesen.
Das Abschlussschreiben sei verfrüht gewesen. Dazu hat das Landgericht auf die einmonatige Berufungsfrist verwiesen und ausgeführt, dass der Kläger durch die einstweilige Verfügung hinreichend gesichert gewesen sei. Zudem hätten die dem Beklagten zur Last gelegten Verstöße den Geschäftsbetrieb des Klägers nicht unmittelbar gefährdet. Hinsichtlich der gerügten Verstöße habe es kaum einschlägige Rechtsprechung gegeben. Eine andere Kammer des Landgerichts Bochum habe abweichend entschieden, so dass der Beklagte Veranlassung gehabt habe, solange wie möglich abzuwarten, ob sich eine Klärung durch eine obergerichtliche Entscheidung abzeichnete.
Wegen des Inhalts des Urteils im Einzelnen wird auf Bl. 116 ff d.A. verwiesen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der er sein Freistellungsbegehren aus erster Instanz weiterverfolgt.
Unter Ergänzung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages ist der Kläger der Ansicht, eine regelmäßig ausreichende Überlegungsfrist betrage nicht einen Monat, sondern zwei Wochen. Das gelte auch für den Fall einer Urteilsverfügung. Eine längere Frist würde zu einer nicht sachgerechten Verzögerung führen. Da dem Antragsgegner noch eine Frist gesetzt werden müsse bis zur Abgabe der Abschlusserklärung, könnten bis zur Einleitung des Hauptsacheverfahrens mitunter zwei Monate ins Land gehen. Schon die mögliche Schadensersatzpflicht aus § 945 ZPO begründe ein berechtigtes Interesse des Antragstellers, unnötigen Zeitverlust zu vermeiden. Hier sei das Abschlussschreiben nicht verfrüht gewesen, weil es dem Beklagten sogar später als zwei Wochen nach Zustellung des Urteils zugegangen sei. Zudem habe der Beklagte schon im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 27. Januar 2009 gewusst, dass gegen ihn die einstweilige Verfügung erlassen wurde. Zumindest hätte sich der Beklagte einen Tag später bei Gericht erkundigen können. Kenntnis von der Urteilsverfügung habe der Beklagte durch die Übersendung des Protokolls am 3. Februar 2009 erhalten. Es sei nicht einzusehen, dass bei einer Beschlussverfügung, die in der Regel keine Begründung enthalte, zwei Wochen ausreichten, diese Frist aber bei einer Urteilsverfügung zu kurz sein solle, obwohl hier Entscheidungsgründe vorlägen.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten und Berufungsbeklagten unter Aufhebung des am 10.11.2009 verkündeten Urteils des Landgerichts Bochum, Az. I-12 O 106/09 zu verurteilen, den Kläger und Berufungsläger von der Forderung der Rechtsanwälte M in Höhe von 626,40 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit durch Zahlung an die Rechtsanwälte M freizustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Unter Ergänzung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages hebt der Beklagte hervor, dass die mit der Urteilsverkündung verbundenen Rechtsfragen von zwei Kammern des Landgerichts Bochum unterschiedlich entschieden worden seien. Diese Rechtsunsicherheit müsse zu einer längeren Überlegungsfrist führen. Es sei auch keineswegs so gewesen, dass schon im Kammertermin festgestanden habe, dass eine Urteilsverfügung erlassen werden würde. Zu Unrecht behandele der Kläger die Zweiwochenfrist als generelle Frist. Auch der Senat habe betont, dass es auf die Umstände des Einzelfalls ankomme. Dies habe das Landgericht zutreffend in diesem Einzelfall beachtet. Vorliegend wäre dem Kläger auch kein Schaden entstanden, wenn er die Monatsfrist abgewartet hätte.
Zudem habe der Kläger rechtsmissbräuchlich gehandelt, da es ihm nur darum gegangen sei, Kosten zu generieren.
Wegen des Inhaltes der Parteivorträge im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die Berufung des Klägers ist begründet. Das Landgericht hat ihm zu Unrecht die Erstattung der Anwaltskosten für das Abschlussschreiben aberkannt.
Die Kosten des Abschlussschreibens sind grundsätzlich erstattungsfähig, entweder unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes oder als Anspruch aus GOA nach §§ 677, 683 Satz 1, 670 BGB (Piper/Ohly/Sosnitza, UWG § 12 Rz. 186 mit weiteren Nachweisen). Ein Erstattungsanspruch besteht aber nur für solche Kosten, deren Aufwendung notwendig war. Das ist dann zu verneinen, wenn der Gläubiger das Abschlussschreiben an den Schuldner absendet, ohne ihm zuvor Gelegenheit gegeben zu haben, innerhalb angemessener Frist von sich aus eine Abschlusserklärung abzugeben.
Entgegen der Ansicht des Landgerichts hat der Kläger hier dem Beklagten eine ausreichende Frist gelassen, von sich aus die Abschlusserklärung abzugeben. Denn das Landgericht hat diese Frist mit einem Monat zu lang bemessen. Es hat sich dabei zu Unrecht an der Berufungsfrist orientiert. Im Ansatz ist dabei richtig, dass dem Schuldner durch den Zwang zur Abschlusserklärung nicht die Überlegungsfrist verkürzt werden darf, ob er gegen das Verfügungsurteil Berufung einlegen will (OLG Frankfurt GRUR-RR 2003, 274, 278). Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass das Abschlussschreiben seinerseits eine Frist zur Abgabe der Abschlusserklärung setzen muss. Erst die Summe dieser beiden Fristen darf die Berufungsfrist nicht unterschreiten.
Nähme man mit dem Landgericht eine Monatsfrist für das Abschlussschreiben an, könnte der Gläubiger unter Berücksichtigung der Frist für die Abschlusserklärung nicht vor dem Ablauf von sechs Wochen Hauptsacheklage erheben. Eine solch lange Wartezeit ist dem Gläubiger im Regelfall nicht zuzumuten.
Dementsprechend hat der Senat bereits in seinen Entscheidungen vom 10. November 2009 (4 U 123/09) und 19. November 2009 (4 U 136/09) eine Wartefrist von regelmäßig zwei Wochen angenommen, die im vorliegenden Fall eingehalten worden ist. Denn die Urteilszustellung ist bereits am 26. Februar 2009 erfolgt, während das Abschlussschreiben dann erst am 19. März 2009 erfolgt ist. Auch die ganz überwiegende Meinung geht von einer solchen regelmäßig gebotenen Wartefrist von zwei Wochen aus (vgl. zu den in den Senatsurteilen angegebenen Fundstellen noch: Piper/Ohly/Sossnitza § 12 Rz. 186; Hartel/Henning vor § 12 UWG Rz. 257; Fezer UWG § 12 Rz. 182; Köhler/Bornkamm UWG § 12 Rz. 3.73; BGH WRP 2008, 805 - Abschlussschreiben eines Rechtsanwalts, OLG Frankfurt GRUR-RR 2003, 294).
Der Schuldner muss es hinnehmen, dass damit auch schon während des Laufs der Berufungsfrist ein weiterer Gebührentatbestand gesetzt wird, den er durch eine unaufgeforderte Abschlusserklärung hätte vermeiden können. Wenn der Schuldner also diesen Kostentatbestand nicht entstehen lassen will, steht ihm die volle Ausnutzung der Berufungsfrist nicht zur Verfügung. Diese Folge seines Wettbewerbsverstoßes muss der Schuldner aber hinnehmen. Dafür braucht er eben nicht zu befürchten, aus heiterem Himmel mit einer Hauptsacheklage überzogen zu werden. Wenn diese Vergünstigung mit einem Kostentatbestand verbunden ist, werden dadurch die Interessen des Schuldners nicht über Gebühr hintangesetzt.
Es ist in diesem Zusammenhang mit der regelmäßigen Wartefrist von zwei Wochen allerdings zu betonen, dass es sich dabei nur um eine Durchschnittsfrist handelt, die nach den Umständen des Einzelfalls auch länger sein kann. Solche Umstände sind hier aber nicht ersichtlich. Es handelt sich zwar um eine Fülle von Verboten. Der Sach- und Streitstand war aber so einfach gelagert, dass sich der Beklagte ohne besondere Schwierigkeiten anhand des Urteils klar machen konnte, wie seine Chancen standen. Es ging um Internetangebote mit dabei erforderlichen üblichen Informationen. Es mag sein, dass zum damaligen Zeitpunkt noch keine höchstrichterlichen Entscheidungen zu den anstehenden Fragen vorlagen. Die Wartefrist für das Abschlussschreiben ist aber nicht dazu da, solche Entscheidungen dritter Gerichte abwarten zu können. Sie soll dem Schuldner nur eine zweckgerechte Auseinandersetzung mit dem anzufechtenden Urteil ermöglichen.
Auch der Missbrauchseinwand greift vorliegend nicht durch.
Das Schreiben vom 24. März 2009 (Bl. 89 d.A.) ist zwar in der Form recht scharf gehalten, wenn der Kläger dort droht, nach 90.000,00 Euro abrechnen zu wollen, wenn der Beklagte die geforderte Gebühr für das Abschlussschreiben nicht zahlen will. § 8 Abs. 4 UWG regelt aber den Missbrauchseinwand nicht für jeden einzelnen Akt der Rechtsverfolgung, sondern knüpft an die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs an. Diese Geltendmachung muss missbräuchlich sein, um auch alle weiteren Gebührentatbestände entfallen zu lassen.
Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass aus dem Schreiben vom 24. März 2009 rückgeschlossen werden muss, dass schon die Abmahnung nur ausgesprochen worden ist, um Gebühren zu provozieren. Das lässt sich hier nicht feststellen. Denn bis zu dem Schreiben vom 24. März 2009 lassen sich keine Unregelmäßigkeiten feststellen, die auf ein missbräuchliches Verhalten schließen ließen.
Dass der Kläger das Abschlussschreiben ausnutzen will, um möglichst hohe Gebühren zu bekommen, mag zwar mit dem Sinn und Zweck des Abschlussschreibens nicht zu vereinbaren sein. Dies kann aber nicht dazu führen, dass der Kläger für sein Abschlussschreiben gewissermaßen zur Strafe nun überhaupt nichts an Gebühren bekommen soll.
Die Höhe der Gebühren ist nicht im Streit.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziffer 10 ZPO.