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OLG Hamburg Beschluss vom 02.06.2010 - 5 W 59/10 - Hinweis auf Rückgabe von Motorenöl im Online-Angebot
OLG Hamburg v. 02.06.2010: Pflicht des Internet-Versandhändlers zum Hinweis an private Endverbraucher auf kostenlose Rückgabemöglichkeit bei gebrauchtem Motorenöl
Das OLG Hamburg (Beschluss vom 02.06.2010 - 5 W 59/10) hat entschieden:
Auch ein Internethändler, der Motorenöle im Versandhandel vertreibt, muss private Endverbraucher gemäß § 8 Abs. 1 S. 2 AltölVO darauf hinweisen, dass das Altöl bei einer von ihm zu bezeichnenden Annahmestelle kostenlos zurückgegeben werden kann.
Siehe auch Autohandel - Handel mit Fahrzeugen im Internet und Der Handel mit bestimmten Waren und Produkten
Gründe:
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Der Antragsteller besitzt einen Verfügungsanspruch nach den §§ 8 Abs. 1, 3 Nr. 1, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 8 Abs. 1 S. 2 Altölverordnung ( AltölVO ). Auch der Verfügungsgrund ist gegeben.
1.Nach § 8 Abs. 1 S. 1 AltölVO hat derjenige, der gewerbsmäßig Verbrennungsmotoren- oder Getriebeöl an Endverbraucher abgibt, vor der Abgabe eine Annahmestelle nach Abs.1a für solche gebrauchten Öle einzurichten oder eine solche durch entsprechende vertragliche Vereinbarung nachzuweisen. Gemäß § 8 Abs. 1 S. 2 AltölVO ist bei der Abgabe an private Endverbraucher durch leicht erkennbare und lesbare Schrifttafeln am Ort des Verkaufs auf die Annahmestelle nach Abs. 1a hinzuweisen. Nach § 8 Abs. 1a S. 1 AltölVO muss die Annahmestelle gebrauchte Verbrennungsmotoren- oder Getriebeöle bis zur Menge der im Einzelfall abgegebenen Verbrennungsmotoren- oder Getriebeöle kostenlos annehmen.
Der Antragsgegner bietet auf seinem unstreitig gewerblich betriebenen Internetshop unter der Adresse www.....de Motorenöle auch privaten Endverbrauchern zum Erwerb im Versandhandel an. Hierbei weist er nicht gemäß § 8 Abs. 1 S. 2 AltölVO darauf hin, dass das Öl kostenlos an eine Annahmestelle zurückgegeben werden kann. Der Senat vermag sich der Auffassung des Landgerichts nicht anzuschließen, dass die Hinweispflicht nach § 8 Abs. 1 S. 2 AltölVO nicht für den Vertrieb von Motorenöl über das Internet gilt.
a)Der Wortlaut der Bestimmung, insbesondere der Begriff der „Schrifttafel“, der zunächst an körperliche Schilder denken lässt, ist allerdings auf den stationären Handel mit Motorenöl in Ladengeschäften oder an Tankstellen zugeschnitten. Das liegt ersichtlich daran, dass zum Zeitpunkt des Erlasses der Altölverordnung im Jahr 1987 die Entwicklung des Internets noch in den Anfängen steckte; erst recht gab es noch keinen Versandhandel über das Internet . Auch ein sonstiger Versandhandel mit Motorenöl – etwa über Katalog – existierte zu dieser Zeit nach Kenntnis des Senats nicht oder war jedenfalls unüblich, zumindest im Verhältnis zu privaten Endverbrauchern. Nur um diesen Markt geht es im vorliegenden Fall.
Zwar ist die AltölVO im Jahre 2002 geändert worden ( BGBL I 1360 ). U.a. wurde auch § 8 Abs.1 neugefasst, ohne dass dies mit einer inhaltlichen Änderung verbunden war ( die frühere Fassung lautete : „ Wer gewerbsmäßig Verbrennungsmotoren- oder Getriebeöle an private Endverbraucher abgibt, hat dort, wo die Ware angeboten wird, durch leicht erkennbare und lesbare Schrifttafeln auf die Annahmestelle nach § 5 b Satz 1 des Abfallgesetzes für gebrauchte Verbrennungsmotoren- oder Getriebeöle hinzuweisen“ ). Im Jahre 2002 wurden schon viele Produkte im Versandhandel über das Internet angeboten, etwa Bücher, CDs und Unterhaltungselektronik. Dennoch hat sich nach Einschätzung des Senats erst in den letzten Jahren der Internetversandhandel in einer Weise ausgedehnt, dass praktisch jede Ware über das Internet bestellt werden kann, auch solche Produkte, die – wie Motorenöl – vor der Entstehung des Internets in der Regel nicht Gegenstand von Versandhandelsgeschäften waren. Daher kann aus der Neufassung der AltölVO im Jahre 2002 ohne inhaltliche Änderung, insbesondere ohne besondere Nennung des Internethandels, nicht darauf geschlossen werden, dass die Hinweispflicht auf die kostenlose Rückgabe des Altöls nur für den stationären Handel Gültigkeit haben sollte.
Nach Ansicht des Senats wird der Anwendungsbereich der § 8 Abs. 1 S. 1 AltölVO nicht über seinen Wortlaut hinaus ausgedehnt, wenn er auf den Internethandel mit Motorenöl erstreckt wird, denn der „Ort des Verkaufs“ kann im digitalen Zeitalter auch ein virtueller Shop im Internet sein und unter „Schrifttafeln“ lassen sich jedenfalls auch digitale Schriften subsumieren, insbesondere in entsprechendem Layout, z.B. mit Umrahmungen.
b) Die Anwendung von § 8 Abs. 1 S. 2 AltölVO auf Internethändler erscheint auch aus gesetzessystematischen Gründen geboten. Nach § 8 Abs. 1 S. 1 AltölVO ist jeder gewerbsmäßige Händler, der Motorenöl an Endverbraucher – also auch gewerbliche Endverbraucher – liefert, verpflichtet, eine Annahmestelle für Altöl einzurichten oder nachzuweisen. Eine Einschränkung auf stationäre Händler wird nicht gemacht. Wenn die im gleichen Absatz geregelte Hinweispflicht bei der Abgabe an private Endverbraucher nicht für Versandhändler gelten sollte, hätte es nahegelegen, eine entsprechende Ausnahme in das Gesetz zu schreiben. Im Übrigen wäre es auch sinnwidrig, einerseits alle Händler zur Einrichtung einer Annahmestelle zu verpflichten, andererseits die Internethändler von der Hinweispflicht zu befreien, die die tatsächliche Nutzung dieser Annahmestellen im Interesse des Umweltschutzes befördern soll.
c) Schließlich ist Anwendung von § 8 AltölVO auf den Internetversandhandel mit Motorenöl auch nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift geboten. Altöl muss fachgerecht entsorgt werden, gleichgültig, auf welchem Vertriebsweg das neue Öl erworben wird. Der Hinweis auf die kostenlose Entsorgungsmöglichkeit gegenüber privaten Endverbrauchern ist entgegen der Meinung des Landgerichts auch bei Internethändlern sinnvoll. Zum einen wird dem privaten Endverbraucher durch diesen Hinweis noch einmal bewusst gemacht, dass überhaupt eine besondere Entsorgung des Altöls erforderlich ist. Zum anderen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Versandhändler bzw. die von ihm zu bezeichnende Annahmestelle stets so weit von dem privaten Endverbraucher entfernt liegt, dass die kostenlose Entsorgung für ihn uninteressant wäre. Hier sind die unterschiedlichsten Konstellationen denkbar und es kann auch für den Käufer über das Internet je nach den örtlichen Gegebenheiten durchaus Sinn machen, von der Möglichkeit der kostenlosen Entsorgung in der Annahmestelle des Verkäufers Gebrauch zu machen, statt nicht nur die Transportkosten, sondern auch noch die Entsorgungskosten selbst tragen zu müssen.
2. Bei § 8 Abs. 1 S. 2 AltölVO handelt es sich um eine gesetzliche Vorschrift, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln ( § 4 Nr. 11 UWG ). „Gesetzliche Vorschrift“ ist jede Rechtsnorm, also auch – wie hier – eine Rechtsverordnung ( Hefermehl/ Köhler /Bornkamm, UWG, 26.Aufl., § 4 Rn. 11.24 ). Vorschriften, die Informationspflichten des Verkäufers beim Absatz von bestimmten Produkten vorsehen, also produktbezogene Informationspflichten , z.B. Hinweise auf Gesundheits- und Sicherheitsrisiken, sind Marktverhaltensregelungen im obigen Sinne ( Hefermehl/ Köhler /Bornkamm a.a.O. § 4 Rn. 11.117 ). Dies gilt auch für Hinweispflichten, die – wie vorliegend – aus Gründen des Umweltschutzes angeordnet werden. Zwar ist nicht jeder Verstoß gegen Umweltschutzbestimmungen auch ein Verstoß gegen eine Bestimmung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG ( BGH GRUR 2000, 1076 – Abgasemissionen ). Es gibt auch Umweltschutzbestimmungen, die keinen Wettbewerbsbezug haben, weil ein Verstoß gegen sie dem wettbewerblichen Handeln vorausgeht oder nachfolgt , z.B. wenn – wie im Fall „Abgasemissionen - Produkte unter Verstoß gegen Umweltschutzbestimmungen hergestellt werden ( BGH a.a.O. S. 1078 ). Vorliegend fällt jedoch die Hinweispflicht nach § 8 Abs. 1 S. 2 AltölVO mit dem Wettbewerbsverhalten zusammen , denn der Hinweis ist am „Ort des Verkaufs“, d.h. zum Zeitpunkt der Umwerbung des Käufers und damit „am Markt“ zu erteilen.
3. Der Senat hat im Rahmen seiner Befugnis nach § 938 ZPO das tenorierte Verbot auf die konkrete Verletzungsform, also den Handel im Internet zugeschnitten. Eine teilweise Zurückweisung des Antrags ist damit nicht verbunden. Der Senat versteht die Antragsschrift nicht so, dass ein über die konkrete Verletzungsform des Handelns im Internet hinausgehendes Verbot begehrt wird.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO.