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BGH Urteil vom 09.04.1992 - I ZR 173/90 -Gutscheinübersendung anstelle eines Reparaturkostenvoranschlags

BGH v. 09.04.1992: Wettbewerbsverstoß durch Gutscheinübersendung anstelle eines Reparaturkostenvoranschlags


Der BGH (Urteil vom 09.04.1992 - I ZR 173/90) hat entschieden:
Erbittet ein Kunde unter Einsendung einer reparaturbedürftigen Kamera vom technischen Kundendienst eines Versand- und Warenhausunternehmens einen Reparaturkostenvoranschlag, so liegt in der - mit Hinweisen auf die Unmöglichkeit einer Reparatur und mit Kamera-Angeboten des Unternehmens verbundenen - Übersendung eines Gutscheins über 30 DM ohne Rückgabe der Kamera eine dem Fall der Zusendung unbestellter Ware vergleichbare wettbewerbswidrige Belästigung und eine unzulässige Wertreklame.




Siehe auch Unbestellte Warenlieferung - eine unzummutbare Belästigung und Stichwörter zum Thema Werbung


Tatbestand:

Die Beklagte, die neben einem Versandhaus auch Warenhäuser betreibt, vertreibt dort u.a. Fotoapparate. Sie unterhält einen technischen Kundendienst, bei dem Kunden bei der Beklagten erworbene Geräte reparieren lassen können. Übergibt ein Kunde dem technischen Kundendienst einen instandsetzungsbedürftigen Fotoapparat mit der Bitte um einen Kostenvoranschlag für die Reparatur, so erhält er, falls die Beklagte meint, dass eine solche nicht mehr möglich sei, von dieser ein Schreiben folgenden Inhalts:
"Unsere Techniker haben alles daran gesetzt, um Ihr Gerät zu reparieren - bei Ihrem Modell war das leider nicht mehr möglich.

Natürlich lassen wir Sie nicht im Stich: Das retournierte Gerät nehmen wir zurück. Allerdings können wir den Kaufpreis nicht mehr in voller Höhe vergüten, die bisherige Nutzung muss berücksichtigt werden. Insgesamt erstatten wir 30,00 DM mit dem beiliegenden Gutschein.

Dürfen wir Sie mit einem neuen Gerät bedienen? Prüfen Sie bitte unser reichhaltiges Angebot oder besuchen Sie eines unserer Fotofachgeschäfte. Unsere Mitarbeiter werden sich große Mühe geben, Sie gut zu beraten und zu bedienen"
Der Kläger, ein Verbraucherschutzverein, hat in diesem Vorgehen der Beklagten einen Verstoß gegen die §§ 1 und 3 UWG erblickt und die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen. Diese, so hat er geltend gemacht, erwecke den Eindruck, sie habe bezüglich des eingesandten Geräts eine endgültige Regelung getroffen. Ein nicht unerheblicher Teil der Verbraucher verstehe das Schreiben so, dass nur noch die Möglichkeit bestehe, bei der Beklagten unter Einlösung des Gutscheins ein neues Gerät zu erwerben, die Rückgabe des alten Apparates jedoch nicht mehr möglich sei.

Die Beklagte hat vorgetragen, mit ihrem in dem angegriffenen Schreiben enthaltenen Vorschlag wolle sie den Kunden helfen und diese vor der Enttäuschung bewahren, dass die Kamera nicht mehr zu reparieren sei. Sie habe auch vermeiden wollen, dass sich die Kunden enttäuscht von ihr abwenden. Selbstverständlich gebe sie auf Verlangen die Kamera zurück.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Mit der - zugelassenen - Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.


Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat eine Irreführung nicht unerheblicher Teile des Verkehrs (§ 3 UWG) darin gesehen, dass die Beklagte durch das angegriffene Schreiben den Eindruck erwecke, es seien praktisch vollendete Tatsachen geschaffen und es bestehe lediglich noch die Möglichkeit, den übersandten Gutschein einzulösen und bei der Beklagten eine neue Kamera zu kaufen. Daneben hat das Berufungsgericht einen Verstoß gegen § 1 UWG darin erblickt, dass die Beklagte ohne weitere Rückfrage dem Kunden einen Gutschriftbeleg (Gutschein) übersende, den sie mit ihren Kamera-​Angeboten koppele.

Diese Beurteilung hält im Ergebnis den Revisionsangriffen stand.

II.

1. Ohne Erfolg bleibt die Revision mit der Rüge, das Berufungsgericht habe nicht geprüft, ob in der Übersendung des angegriffenen Schreibens - was zu verneinen sei - ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs liege. Wie der Inhalt des Schreibens erkennen lässt - hierüber haben die Parteien in den Vorinstanzen auch nicht gestritten - geht es der Beklagten damit auch um die Tätigung weiterer Geschäfte und die Bewahrung des Kundenkreises. Das genügt den Anforderungen, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs in objektiver und subjektiver Hinsicht zu stellen sind (BGH, Urt. v. 13.2.1992 - I ZR 79/90, WRP 1992, 380, 382 - Beitragsrechnung m.w.N.).

2. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht in dem Schreiben der Beklagten einen Verstoß gegen § 1 UWG gesehen. Das Verhalten der Beklagten stellt sich als unzulässige Belästigung von Kunden und als wettbewerbswidrige Wertreklame dar. Diese Beurteilung kann das Revisionsgericht auf der Grundlage des zwischen den Parteien unstreitigen Sachverhalts und der vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen selber treffen.

a) Entsprechend seiner Bitte um einen Kostenvoranschlag für die Reparatur seiner Kamera erwartet der Kunde von der Beklagten die Angabe der Höhe der voraussichtlichen Reparaturkosten. Dieser Erwartung des Kunden entspricht das Schreiben der Beklagten nicht, es enthält statt dessen - ohne Rücksendung der eingesandten Kamera - einen Gutschein über 30,00 DM und den Hinweis auf Angebote neuer Kameras. In diesem Vorgehen der Beklagten liegt eine wettbewerbsrechtlich zu missbilligende Belästigung des Kunden, die im Ergebnis nicht anders zu beurteilen ist als die Zusendung unbestellter Waren.

Will ein Kunde von dem Angebot der Beklagten keinen Gebrauch machen, weil er seine Kamera anderswo reparieren lassen möchte oder ihn andere Gründe dazu bestimmen, muss er an die Beklagte schreiben und seine Kamera zurückfordern; darüber hinaus muss er den auf seinen Namen ausgestellten Gutschein zurücksenden. Schon diese Umstände belasten den Betroffenen. Weiterhin muss er nicht unbeträchtliche Kosten aufwenden, da es nicht fern liegt, dass er den Gutschein aus Sicherheitsgründen per Einschreiben an die Beklagte übersendet, zumal auf dem Gutschein der Hinweis enthalten ist, dieser solle (im Falle der Einlösung mit einer Bestellung) per Einschreiben übersandt werden. Auch dies wird ein Teil der angesprochenen Kunden erfahrungsgemäß als Belästigung empfinden, die ihm nicht zugemutet werden kann. Hinzu kommt, dass die Kunden teilweise auch die Rücksendung der eingesandten Kamera durch die Beklagte nicht für gewährleistet halten können und sich deshalb in der Zwangslage sehen, entweder die erwähnten Mühen und Kosten auf sich zu nehmen oder von dem Angebot der Beklagten Gebrauch zu machen und bei dieser eine neue Kamera zu erwerben (vgl. BGH, Urt. v. 11.11.1958 - I ZR 179/57, GRUR 1959, 277, 279 - Künstlerpostkarten). Eine derartige, die Entschließung des Kunden unsachlich, weil nicht die Ware selbst betreffend, beeinflussende Wettbewerbshandlung ist mit dem Leistungswettbewerb nicht vereinbar.

b) In dem angegriffenen Schreiben liegt aber auch eine wettbewerbsrechtlich unzulässige Wertreklame. Mit ihrem Schreiben klärt die Beklagte ihre Kunden über die Gründe ihres Vorgehens nicht im einzelnen auf. Die Kunden können aus dem Inhalt des Schreibens nicht entnehmen, aus welchen Gründen die von ihnen ursprünglich beabsichtigte Reparatur der Kamera undurchführbar ist, ob sie technisch nicht möglich ist, ob sie daran scheitert, dass erforderliche Ersatzteile nicht beschafft werden können, oder ob sie im Verhältnis zum Wert der Kamera zu teuer ist und deshalb wirtschaftlich nicht sinnvoll erscheint. Der Kunde gewinnt aus dem Schreiben auch keinen Anhalt dafür, warum ihm für seine Kamera eine Vergütung angeboten wird und warum sie gerade 30,00 DM beträgt. Er wird auch nicht darüber informiert, ob das Gerät überhaupt noch einen Wert hat. In dieser für ihn unklaren Situation bietet ihm die Beklagte einen Gutschein, also eine im Fall des Kaufs einer neuen Kamera sich realisierende Geldleistung an, deren Betrag so hoch ist, dass er geeignet erscheint, den Kunden dazu zu bestimmen, auf die Rücksendung des Gutscheins und die Rückforderung seiner Kamera zu verzichten und bei der Beklagten einen Ersatzkauf zu tätigen, den er anderenfalls möglicherweise bei einem anderen Anbieter getätigt hätte. Auch deshalb liegt in dem angegriffenen Schreiben der Beklagten ein Wettbewerbsverhalten, das mit den Grundsätzen des Leistungswettbewerbs nicht vereinbar ist, weil die Beklagte nicht durch Güte und Preiswürdigkeit ihrer Ware den Kunden zum Kauf einer Kamera zu veranlassen sucht, sondern durch die Gewährung einer besonderen Vergünstigung in Gestalt eines durch den Gutschein verkörperten Geldbetrages von 30,00 DM, der den Kunden aus sachfremden, nicht Güte und Preiswürdigkeit der Waren betreffenden Gründen, zum Kauf von Kameras bei der Beklagten veranlassen soll.

3. War danach der Verbotsausspruch des Berufungsgerichts bereits aus diesen Gründen zu bestätigen, bedurfte es keiner Entscheidung mehr, ob das angegriffene Verhalten auch als irreführend beanstandet werden kann.

III.

Die Revision war danach mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.










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