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Amtsgericht Offenbach Urteil vom 09.10.2013 - 380 C 45/13 - Anwendung der Regeln über den Fernabsatz auf einen Anwaltsvertrag
AG Offenbach v. 09.10.2013: Anwendung der Regeln über den Fernabsatz auf einen Anwaltsvertrag
Das Amtsgericht Offenbach (Urteil vom 09.10.2013 - 380 C 45/13) hat entschieden:
Anwaltsverträge können den Regeln für den Fernabsatz unterfallen und als solche widerrufen werden.
Siehe auch Fernabsatzgeschäfte - Vertragsabschluss durch Einsatz von Fernkommunikationsmitteln und Stichwörter zum Thema Widerrufsrecht
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Vergütung außergerichtlicher anwaltlicher Tätigkeit in Anspruch.
Unter dem 24.04.2006 erklärte die Beklagte über die TVP Treuhand- und Verwaltungsgesellschaft für Publikumsfonds mbH als Treuhänderin den Beitritt zu der Beteiligungsgesellschaft MS „Santa-B Schiffe“ mbH & Co. KG mit einem Zeichnungsbetrag in Höhe von 70.000,-- €. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 98 f. d. A. verwiesen.
Unter dem 03.05.2006 nahm die Treuhänderin die Beitrittserklärung namens der Beteiligungsgesellschaft an. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 55 d. A. verwiesen.
In der Folgezeit erbrachte die Beklagte Einlagen in Höhe von insgesamt 70.000,-- € an die Beteiligungsgesellschaft.
Anfang März 2012 richtete die Treuhänderin ein Schreiben an sämtliche Anleger der Beteiligungsgesellschaft. Diesem Schreiben war ein Schreiben der Klägerin vom 05.03.2012 beigefügt, das ebenfalls an sämtliche Anleger de Beteiligungsgesellschaft gerichtet war. Darin legitimierte sich die Klägerin für eine Anlegerin und bat um Unterstützung bei der Einberufung einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung. Deren Zweck sollte darin bestehen, die Ursachen der damaligen wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Beteiligungsgesellschaft zu klären und die Möglichkeit zum Regress zu besprechen. Gleichzeitig wies die Klägerin in dem Schreiben auf bereits von ihr erzielte Erfolge bei der Durchsetzung von Ansprüchen geschädigter Anleger hin. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 73 f. d. A. verwiesen.
Mit Fax vom 27.03.2012 erklärte die Beklagte gegenüber der Klägerin ihre Einwilligung zur Einberufung einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung. Außerdem teilte sie mit, dass sie ihre Einlage in Höhe von 70.000,-- € zurückerstattet haben wolle. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 32 .d. A. verwiesen.
Mit Schreiben vom 29.03.2012 bestätigte die Klägerin der Beklagten den Erhalt des Schreibens und klärte sie über die nach ihrer Auffassung bestehenden Möglichkeiten zum Regress und dessen Finanzierung auf. Gleichzeitig bat sie für die weitere Prüfung der möglicherweise bestehenden Ansprüche um Übersendung verschiedener Unterlagen. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 33 ff. d. A. verwiesen.
Unter dem 03.04.2012 schickte die Beklagte der Klägerin das Schreiben vom 27.03.2012 noch einmal per Fax, diesmal unter Beifügung verschiedener Unterlagen bezüglich ihrer Beteiligung. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 53 ff. d. A. verwiesen.
Mit Schreiben vom 25.04.2012 bezeichnete die Klägerin gegenüber der Beklagten die Erfolgsaussichten für einen Regress gegenüber der TARGOBANK AG & Co. KGaA als überdurchschnittlich gut und schlug vor, zunächst einmal außergerichtlich tätig zu werden. Gleichzeitig gab sie die hierdurch entstehenden Kosten bekannt. Als Alternativen wies sie auf die Möglichkeiten einer Erfolgsbeteiligung oder einer Beteiligung eines Prozessfinanzierers hin. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 11 f. d. A. verwiesen.
Das ihr von der Klägerin überlassene Vollmachtsformular und die Mandatsbedingungen sandte die Beklagte mit Schreiben vom 29.04.2013 unterzeichnet zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 13 f. d. A. verwiesen.
Mit Schreiben vom 13.05.2012 übersandte die Klägerin der Beklagten den Entwurf eines Schreibens an die TARGOBANK mit der Bitte um Kenntnis- und Stellungnahme. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 15 d. A. verwiesen.
Unter dem 16.05.2012 teilte die Beklagte der Klägerin telefonisch mit, dass sie mit dem Schreiben, so wie es ist, einverstanden sei.
Unter dem 18.05.2012 forderte die Klägerin die TARGOBANK namens der Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 88.200,57 € bis spätestens 04.06.2012 auf. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 90 ff. d. A. verwiesen.
Mit Schreiben vom 30.08.2012 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass bisher keine Reaktion seitens der TARGOBANK erfolgt sei. Sie müsse daher nunmehr das Klageverfahren einleiten. Gleichzeitig rechnete die Klägerin gegenüber der Beklagten über ihre vorgerichtliche Tätigkeit ab. Die Rechnung endete mit einem Betrag von 2.987,08 € inkl. MwSt. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 17 ff. d. A. verwiesen.
Mit Schreiben vom 16.10.2012 lehnte die TARGOBANK jegliche Schadensersatzleistung ab. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 95 f. d. A. verwiesen.
Mit Schreiben vom 07.11.2012 forderte die Klägerin die Beklagte zum Ausgleich der Rechnung in Höhe von 2.987,08 € bis spätestens 22.11.2012 auf. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 20 d. A. verwiesen.
Mit Schreiben vom 14.11.2012 wies die Klägerin die Beklagte darauf hin, dass ihre Schadensersatzansprüche gegen die TARGOBANK zum Jahresende zu verjähren drohten und dass ohne ausdrückliche Mandatierung keine verjährungshemmenden Maßnahmen ergriffen würden, insbesondere keine Klage eingereicht werde. Sofern sie von der Beklagten bis zum 30.11.2012 nichts mehr hören sollten, würde die Akte abgelegt werden. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 58 d. A. verwiesen.
Zahlung erfolgt nicht, eine Mandatierung gemäß Schreiben vom 14.11.2012 auch nicht.
Mit Schriftsatz vom 15.04.2013 erklärte die Beklagte vorsorglich für den Fall, dass ein Vertrag über die außergerichtliche anwaltliche Tätigkeit zwischen den Parteien wirksam zustande gekommen ist, dessen Widerruf gemäß §§ 312 d, 355 BGB.
Die Klägerin meint, dass zwischen den Parteien ein Vertrag über die außergerichtliche anwaltliche Tätigkeit zustande gekommen sei. Der Vertrag sei nicht wegen Verstoßes gegen § 43 b BRAO nichtig. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift lägen nicht vor, zudem enthalte sie kein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB. Selbst wenn, stünde der Klägerin ein Anspruch aus § 812 BGB zu, der nicht durch § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen sei. Der Klägerin sei nicht bewusst gewesen, unzulässige Werbung betrieben zu haben. Es handele sich hier auch nicht um einen Fernabsatzvertrag, sodass der von der Beklagten erklärte Widerruf ins Leere gehe. Bei der Klägerin liege nämlich kein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- und Dienstleistungssystem vor. Vielmehr werde sie in aller Regel von Mandanten kontaktiert, die aufgrund eines gewissen Bekanntheitsgrades und des Rufes der Klägerin Hilfe in komplexen Kapitalmarktstreitigkeiten erhofften und auch bekämen. Dabei werde die konkret zu erbringende Leistung in der Regel erst im späteren Verlauf der Mandatsverhandlungen bestimmt. Hilfsweise beruft sich die Klägerin auf § 312 d Abs. 3 BGB. Die für die vorgerichtliche Tätigkeit abgerechnete Gebühr sei der Höhe nach angemessen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 2.987,08 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins des BGB seit 22.11.2012 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass das Zustandekommen eines Vertrags über die außergerichtliche anwaltliche Tätigkeit schon nicht schlüssig dargelegt sei. Selbst wenn, wäre der Vertrag wegen Verstoßes gegen § 43 b BRAO nichtig, da die Klägerin um ein Mandat im Einzelfall geworden habe. Zumindest handele es sich um einen Fernabsatzvertrag, der von der Beklagten wirksam gemäß §§ 312 d, 355 BGB widerrufen worden sei. Wertersatz müsse sie nach § 312 e Abs. 2 BGB nicht leisten. Die von der Klägerin berechneten Gebühren seien zudem überhöht.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat keinen Erfolg.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Vergütung ihrer anwaltlichen Tätigkeit.
Zwischen den Parteien ist zwar spätestens am 16.05.2012 durch Unterzeichnung der Vollmacht und der Mandatsbedingungen sowie die telefonische Freigabe des Entwurfs eines außergerichtlichen Schreibens an die TARGOBANK ein Vertrag über die außergerichtliche anwaltliche Tätigkeit der Klägerin zustande gekommen. Denn zu diesem Zeitpunkt standen alle wesentlichen Punkte des Vertrags fest, nämlich Gegenstand und Vergütung der anwaltlichen Tätigkeit. Mangels anderweitiger Abrede galt gemäß Nr. 2 der Mandatsbedingungen eine Abrechnung auf Basis des Gegenstandswerts nach RVG vereinbart.
Der Vertrag ist auch nicht wegen Verstoßes der Klägerin gegen § 134 BGB i. V. m. § 43 b BRAO nichtig.
Insoweit kann dahinstehen, ob die Klägerin mit ihrem an alle Anleger gerichteten Schreiben vom 05.03.2012 überhaupt eine nach § 43 b BGB unerlaubte Werbung betrieben hat.
Denn selbst wenn ein solcher Verstoß hier gegeben wäre, würde er nicht gemäß § 134 BGB die Nichtigkeit des Vertrags nach sich ziehen (a. A. ohne Begründung AG Weilheim, NJW 2013, 243; AG Neuss, BeckRS 2009, 28080). Dagegen spricht, dass bei einem Verstoß gegen §§ 3 ff. UWG auch keine Nichtigkeit angenommen wird, da der Verstoß nur die Art des Zustandekommens, aber nicht den Inhalt des Rechtsgeschäfts betrifft (vgl. BGH, NJW-RR 1990, 1514, 1518; Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, § 134 Rn. 24) und dass es berufsrechtliche, wettbewerbsrechtliche und datenschutzrechtliche Möglichkeiten gibt, um gegen ein missbräuchliches Verhalten eines Anwalts vorzugehen (vgl. BGH, NJW 2013, 2190, 2195 Rn. 44 m. w. N.).
Die Beklagte hat den mit der Klägerin geschlossenen Vertrag jedoch wirksam gemäß §§ 312 d, 355 BGB widerrufen.
Nach § 312 d Abs. 1 S. 1 BGB steht dem Verbraucher bei einem Fernabsatzvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB zu.
Die Beklagte ist Verbraucherin im Sinne des § 13 BGB, da sie den Vertrag mit der Klägerin zur Verwaltung eigenen Vermögens und damit zu einem Zweck abgeschlossen hat, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann.
Der Vertrag zwischen den Parteien ist auch ein Fernabsatzbetrag. § 312 b Abs. 1 S. 1 BGB definiert Fernabsatzverträge als Verträge über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Finanzdienstleistungen, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt.
Die Klägerin ist Unternehmerin im Sinne des § 14 BGB, da sie bei Abschluss des Vertrags in Ausübung der selbständigen beruflichen Tätigkeit gehandelt hat, zu der sich ihre als Rechtsanwälte zugelassenen Gesellschafter zusammengeschlossen haben.
Der Vertrag ist auch ausschließlich unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zustande gekommen. Diese definiert § 312 b Abs. 2 BGB als Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt werden können, insbesondere Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telekopien, E-Mails sowie Rundfunk, Tele- und Mediendienste. Bei Vertragsschluss haben die Parteien ausschließlich per Brief, Fax, E-Mail und Telefon kommuniziert.
Es ist schließlich auch davon auszugehen, dass der Vertragsschluss im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt ist.
Eine Definition dessen, was unter einem für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystem zu verstehen ist, enthalten weder das Gesetz noch die Fernabsatzrichtlinie. Nach den Gesetzesmaterialien soll es nicht ausreichen, wenn Fernkommunikationsmittel nur zufällig und gelegentlich eingesetzt werden. Es müsse vielmehr verlangt werden, dass der Unternehmer in personeller und sachlicher Hinsicht innerhalb seines Betriebes organisatorisch die Voraussetzungen dafür geschaffen habe, die notwendig seien, um regelmäßig im Fernabsatz Geschäfte zu tätigen. Nicht notwendig sei dagegen, dass der Unternehmer sein ganzes Vertriebsgeschäft im Fernabsatz tätige. Es könne daher auch Unternehmen geben, die ihre Produkte und Dienstleistungen sowohl in traditioneller Form als auch im Fernabsatz vertreiben. Solche Unternehmen würden vom Fernabsatzgesetz nur erfasst, soweit die den Vertriebsweg Fernabsatz organisiert nutzten (BT-Drucks. 14/2658, S. 30).
Ausgehend hiervon wird ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem in Rechtsprechung und Literatur jedenfalls dann angenommen, wenn der Unternehmer sich Techniken der Fernkommunikation systematisch zunutze macht und die intendierten Geschäfte sich dem Gesamtbild nach als typische Distanzgeschäfte darstellen (vgl. OLG Hamm, BeckRS 2011, 19564; MünchKomm, BGB, 6. Aufl. 2012, § 312 b Rn. 57 jew. m. w. N.).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die anwaltliche Tätigkeit im Rahmen der Vertretung geschädigter Kapitalanleger unterscheidet sich grundlegend von der klassischen anwaltlichen Tätigkeit, die auf den persönlichen Kontakt mit dem Mandanten zugeschnitten ist. Die erfolgreiche Bearbeitung des Mandates in diesem Bereich setzt eine umfangreiche Informationsbeschaffung und die intensive Auseinandersetzung mit der in diesem Bereich ergangenen differenzierten Rechtsprechung voraus. Der hiermit verbundene organisatorische und personelle Aufwand zahlt sich für den Anwalt erst aus, wenn es ihm gelingt, eine Vielzahl geschädigter Anleger zu gewinnen. Dann stellen sich Synergieeffekte ein, die den immensen mit der Bearbeitung verbundenen Aufwand lohnend machen. Das Erfordernis eines persönlichen Kontakts mit dem Mandanten tritt damit in den Hintergrund. Die von dem Anwalt zu erstellenden Schriftsätze zeichnen sich dadurch aus, dass sie das gleiche Grundgerüst haben und nur individuelle Anpassungen erforderlich sind. Dementsprechend müssen von dem jeweiligen Anleger auch nur punktuell individuelle Informationen erfragt werden. Die anwaltliche Tätigkeit ist damit nicht in gleicher Weise individuell wie dies im klassischen Geschäft der Fall ist. Zudem unterscheidet sich die Vertretung geschädigter Kapitalanleger vom klassischen Bereich anwaltlicher Tätigkeit dadurch, dass die Mandanten typischerweise nicht am Kanzleisitz wohnen, sondern in ganz Deutschland verteilt. Dies erschwert eine persönliche Kontaktaufnahme des geschädigten Anlegers mit dem Anwalt. Er wird dementsprechend versucht sein, den Vertrag möglichst mit Hilfe von Fernkommunikationsmitteln abzuschließen und auch im Rahmen der Abwicklung möglichst ohne einen persönlichen Kontakt mit dem Anwalt auszukommen. Dies wird er auch deshalb tun, weil die Werbung um geschädigte Anleger üblicherweise unter Hinweis auf die Spezialisierung der Kanzlei, die bereits für andere Anleger erzielten Erfolge und die Beurteilung der Kanzlei in den Medien erfolgt. Dies wird den geschädigten Anleger davon abhalten, persönlichen Kontakt zu dem Anwalt zu suchen, da die Qualität seiner Tätigkeit bereits dokumentiert ist und es daher weniger auf den persönlichen Eindruck und die Auswahl des jeweiligen Sachbearbeiters ankommt. Damit liegt bei der anwaltlichen Tätigkeit im Rahmen der Vertretung geschädigter Kapitalanleger eine Organisation und Struktur vor, die sich deutlich von der klassischen anwaltlichen Tätigkeit unterscheidet und bei denen es der Schutzzweck der Fernabsatzvorschriften gebietet, von einem Fernabsatzgeschäft im Sinne des § 312 b BGB auszugehen. Dieser Zweck besteht darin, zwei für Distanzgeschäfte typische Defizite ausgleichen: Der Verbraucher kann vor Abschluss des Vertrags die Ware oder die Dienstleistung nicht prüfen und er kann sich an keine natürliche Person wenden, um weitere Informationen zu erlangen (vgl. BGH, NJW 2004, 3699, 3700 m. w. N.). Dies ist hier ebenso. Der geschädigte Anleger wird sich typischerweise auf die Werbung der Kanzlei mit ihrem Renommee und den bereits erzielten Erfolgen verlassen und aufgrund der Entfernung seines Wohnortes von dem Kanzleisitz sowie dem erweckten Eindruck vergleichbarer Fälle von einer persönlichen Kontaktaufnahme absehen. Damit ist er ebenso schutzwürdig wie derjenige, der sich an eines der Onlineportale wendet, die Verbraucher bei der Durchsetzung von Ansprüchen wegen Flugverspätungen vertreten und deren Konzept ebenfalls darauf beruht, möglichst viele Geschädigte zu sammeln, damit sich Synergieeffekte bilden. Auch stellt es hier wie dort keinen unzumutbaren Aufwand für den Unternehmer dar, die von dem Gesetz aufgestellten Anforderungen an Fernabsatzgeschäfte zu bewältigen.
Das Schreiben vom 05.03.2012 an die Anleger der MS „Santa-B Schiffe“ mbH & Co. KG und dessen Inhalt sowie die Art und Weise, wie es dann zum Vertragsabschluss mit der Beklagten gekommen ist, zeigen, dass die Klägerin bei der Bearbeitung der Mandate geschädigter Anleger wie oben dargestellt vorgeht. Dafür spricht auch, dass die Klägerin zwischenzeitlich auf ihrer Homepage einen Quick-Check anbietet, wie es auch bei den Onlineportalen der Fall ist, die Verbraucher bei der Durchsetzung von Ansprüchen wegen Flugverspätung vertreten, und dass man dort nunmehr auch einen Erstberatungsbogen herunterladen kann, d. h. online bereits anwaltliche Tätigkeit angeboten wird. Dies und die zahlreichen Hinweise auf der Homepage auf bereits erzielte Erfolge unter Benennung zahlreicher Beteiligungsgesellschaften belegen, dass es bei der anwaltlichen Tätigkeit der Klägerin nicht um die Bearbeitung individueller Einzelfälle, sondern um die Bewältigung von Sammelverfahren geht. Dass die Homepage nach Angaben der Klägerin erst am 01.09.2012 freigeschaltet worden ist, steht der Annahme, dass auch schon zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit der Beklagten ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem vorhanden gewesen ist, nicht entgegen. Denn die Homepage stellt nur eine Verbesserung des schon vorher bei der Klägerin vorhandenen und verwendeten Systems dar.
Der pauschale Vortrag der Klägerin, der sich nicht mit den Besonderheiten der anwaltlichen Tätigkeit im Rahmen der Vertretung geschädigter Anleger und den konkreten Verhältnissen in der klägerischen Kanzlei auseinandersetzt, genügt nicht, um die obigen Annahmen zu widerlegen. Dies geht zu Lasten der Klägerin, da sie nach der gesetzlichen Formulierung „es sei denn“ die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass der Vertrag nicht im Rahmen eines den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystems zustande gekommen ist.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 15.04.2013 ihre auf Abschluss des Vertrags mit der Klägerin gerichtete Willenserklärung widerrufen. Eine Frist für den Widerruf war von ihr nicht einzuhalten, da sie von der Klägerin zu keinem Zeitpunkt über ihr Widerrufsrecht aufgeklärt worden war. Das Widerrufsrecht war auch nicht vorher gemäß § 312 b Abs. 2 BGB erloschen, da der Vertrag noch nicht von beiden Seiten erfüllt worden war. Der somit wirksame Widerruf hat gemäß § 355 Abs. 1 BGB zur Folge, dass die Klägerin nicht mehr an ihre auf Abschluss des Vertrags gerichtete Willenserklärung gebunden ist und dass ein Anspruch auf Vergütung der anwaltlichen Tätigkeit nicht besteht. Abweichend von § 357 Abs. 1 BGB hat die Beklagte der Klägerin gemäß § 312 e Abs. 2 BGB auch keinen Wertersatz für die erbrachte anwaltliche Tätigkeit zu leisten, da sie von der Klägerin vorher nicht entsprechend belehrt worden ist.
Da der Klägerin kein Anspruch auf Vergütung gegen die Beklagte zusteht, kann sie von ihr auch nicht die Zahlung von Verzugszinsen verlangen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.