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Landgericht Hamburg Urteil vom 08.12.2015 - 406 HKO 26/15 - Weiterempfehlungsfunktion von eBay ist wettbewerbswidrig
LG Hamburg v. 08.12.2015: Weiterempfehlungsfunktion von eBay ist wettbewerbswidrig
Das Landgericht Hamburg (Urteil vom 08.12.2015 - 406 HKO 26/15) hat entschieden:
Die Weiterempfehlungsfunktion von eBay verstößt gegen § 7 UWG und ist wettbewerbswidrig. Auch wenn die Weiterempfehlungsfunktion nicht von ihm, sondern von eBay zur Verfügung gestellt wird, haftet der eBay-Händler für den Wettbewerbsverstoß.
Siehe auch Einem Freund empfehlen - Tell-a-friend-Funktion und Auktionsplattformen, insbesondere eBay
Tatbestand:
Die Parteien konkurrieren beim Vertrieb von Mobilfunkprodukten.
Die Klägerin wendet sich gegen die Verwendung einer Weiterempfehlungsfunktion in dem aus Anlage K 1 ersichtlichen Angebot, mit dem der Nutzer dieses per E-Mail in der aus Anlage K 2 ersichtlichen Art und Weise weiterempfehlen kann.
Außerdem verlangt die Klägerin von der Beklagten Erstattung von Rechtsanwaltskosten für die aus Anlage K 3 ersichtliche wettbewerbsrechtliche Abmahnung, mit der die Klägerin zahlreiche weitere Beanstandungen des Leistungsangebotes der Beklagten erhoben hatte, woraufhin die Beklagte - ausgenommen die Weiterempfehlungsfunktion - vorprozessual eine den Streit erledigende Unterlassungserklärung abgegeben hat.
Die Klägerin macht geltend, die Verwendung der Weiterempfehlungsfunktion verstoße gegen § 7 UWG, weil die Beklagte durch Nutzung dieser Funktion E-Mail-Werbung ohne Einverständnis des Empfängers betreibe. Da die Abmahnung gemäß Anlage K 3 auch im Übrigen berechtigt gewesen sei, stehe ihr ein Anspruch auf Erstattung der hierfür entstandenen Rechtsanwaltskosten nach einem Streitwert von 110.000,- € zu.
Die Klägerin beantragt
wie erkannt.
- Der Beklagten wird bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten verboten, wie aus Anlage K 1 ersichtlich Angebote für Mobilfunkverträge mit einer Weiterempfehlungsfunktion, durch die der Nutzer eine vorbereitete elektronische Nachricht gemäß Anlage K 2 versenden kann, zu versehen.
- Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin 1.973,90 € (i, W,; eintausendneunhundertdreiundsiebzig 90/100 EURO) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten ab 10.12.2014 zu zahlen.
- Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, zu Ziff. 1. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,- € und zu Ziff. 2. und 3. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Die Beklagte beantragt
Klagabweisung.
Die Beklagte macht geltend, die streitige Weiterleitungsfunktion sei nicht von ihr angeboten worden, sondern von eBay als Betreiberin der Angebotsplattform, die die Beklagte genutzt habe. Auch sei nicht dargelegt, dass über diese Funktion überhaupt E-Mails ohne Einverständnis des Empfängers versandt worden seien. Im Übrigen sei die Abmahnung aus den im Schriftsatz vom 21.04.2015 genannten Gründen rechtsmissbräuchlich gewesen und der zugrunde gelegte Streitwert bei weitem übersetzt.
Zur Ergänzung des Vorbringens der Parteien wird auf ihre Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klägerin kann von der Beklagten nach §§ 3, 7, 8 UWG verlangen, dass diese es unterlässt, Angebote für Mobilfunkverträge mit der hier streitigen Weiterempfehlungsfunktion zu versehen. Denn das Angebot von Mobilfunkverträgen mit der hier streitigen Weiterempfehlungsfunktion beinhaltet jedenfalls eine Erstbegehungsgefahr für eine nach § 7 UWG unlautere Werbung per E-Mail gegenüber Verbrauchern ohne vorheriges Einverständnis des Empfängers mit dieser Werbung.
Die Weiterempfehlungsfunktion ermöglicht es dem Nutzer, das Angebot einem Bekannten per E-Mail weiterzuleiten, ohne dass sichergestellt ist, dass sich der betreffende Bekannte des Nutzers zuvor mit einer Übermittlung des Angebots per E-Mail einverstanden erklärt hat. Dabei ist es nach dem Wortlaut sowie nach dem Sinn und Zweck des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG ohne Bedeutung, dass die Weiterempfehlungsfunktion nicht von der Beklagten, sondern von der von Beklagtenseite genutzten Verkaufsplattform bereitgestellt wird, und dass die E-Mails, mit denen das Angebot der Beklagten weiterempfohlen wird, nicht von der Beklagten, sondern von Nutzern der Verkaufsplattform versandt werden. Eine E-Mail-Werbung ohne Einverständnis des Empfängers verstößt auch dann gegen § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG, wenn sie nicht eigenhändig vom Gewerbetreibenden, sondern unter Mithilfe von Dritten versandt wird. Entscheidend ist, dass die Versendung auf Veranlassung des Gewerbetreibenden erfolgt und eine Werbung für dessen Unternehmen bzw. dessen Angebote enthält. Daher entlastet es die Beklagte nicht, dass die Weiterempfehlungsfunktion von der von ihr genutzten Verkaufsplattform eingerichtet wurde und etwaige Weiterempfehlungsmails von (privaten) Nutzern der Verkaufsplattform versandt werden. Entscheidend ist, dass die Beklagte etwaige Weiterempfehlungen per E-Mail dadurch veranlasst hat, dass sie eine Verkaufsplattform genutzt hat, die eine derartige Weiterempfehlungsfunktion bereithält.
Der Anspruch auf Erstattung von Anwaltskosten für die aus Anlage K 3 ersichtliche wettbewerbsrechtliche Abmahnung ist nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG begründet, da die mit der Abmahnung gerügte Weiterempfehlung sowie die weiteren Beanstandungen der Abmahnung berechtigt waren, was die Beklagte mit Ausnahme der Weiterempfehlungsfunktion nicht in Abrede nimmt.
Die Beklagte hat auch nicht dargelegt, dass die Geltendmachung der mit der Abmahnung verfolgte Unterlassungsansprüche missbräuchlich im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG war. Nach § 8 Abs. 4 UWG ist die Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere, wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Die Voraussetzungen für einen Rechtsmissbrauch im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG sind vom Schuldner der wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüche, vorliegend also von der Beklagten, darzulegen und zu beweisen. Hier hat die Beklagte bereits nicht substantiiert dargelegt, dass die streitige Abmahnung missbräuchlich war. Es ist bereits nicht dargelegt, dass der Streitwert überhöht war. Angesichts der Vielzahl der geltend gemachten Rechtsverstöße wäre dies nur anzunehmen gewesen, wenn die Parteien nur im untergeordneten Umfang am Markt tätig wären. Hierzu ist nichts dargelegt. Das aus Anlage K 1 ersichtliche Angebot deutet im Gegenteil darauf hin, dass die Beklagte eine Vielzahl von Kunden hat, von denen 71.348 eine Bewertung der Beklagten allein auf der Verkaufsplattform eBay abgegeben haben. Berücksichtigt man, dass allenfalls ein Bruchteil der tatsächlichen Kunden eine Bewertung abgeben, spricht dies eher dafür, dass die Beklagte umfangreich am Markt tätig ist. Dass die Klägerin nach der Behauptung der Beklagten ihren Vertragspartnern zusichert, diese und deren Abnehmer nicht abzumahnen, begründet gleichfalls nicht den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs. Wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche unterliegen grundsätzlich der Parteidisposition, sodass es dem Gläubiger freisteht, ob und gegenüber welchen Schuldnern er diese Ansprüche geltend macht, wobei Abmahnungen gegenüber Vertragspartnern und deren Vertriebspartnern aus Gründen der guten Geschäftsbeziehung üblicherweise unterlassen werden. Entsprechende Vereinbarungen sind nicht als missbräuchlich anzusehen. Anderes ergibt sich auch nicht aus der aus Anlage B 2 ersichtlichen Entscheidung des Landgerichts Bochum, die dieses auf der Grundlage des dort zur Entscheidung stehenden Sachverhaltes getroffen hat. Dass dort eine Abmahnung der hiesigen Klägerin gegen einen anderweitigen Konkurrenten als missbräuchlich beurteilt wurde, führt nicht dazu, dass auch die vorliegende Abmahnung als missbräuchlich anzusehen wäre.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.