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OLG Karlsruhe Urteil vom 27.03.2008 - 4 U 74/07 - Umsatzsteuer in der Preisangabe beim Verkauf an Pfarreien
OLG Karlsruhe v. 27.03.2008: Umsatzsteuer in der Preisangabe beim Verkauf von liturgischen Gegenständen durch eine Kirchengemeinde an Pfarreien
Das OLG Karlsruhe (Urteil vom 27.03.2008 - 4 U 74/07) hat entschieden:
Eine kirchliche Pfarrei übt eine „behördliche oder dienstliche Tätigkeit“ i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 1 PAngV aus. Wer der Pfarrei Waren (z.B. Kerzen zum liturgischen Gebrauch) zum Kauf anbietet, ist daher an § 1 Abs. 1 PAngV (Werbung nur mit Endpreisen einschließlich Mehrwertsteuer) nicht gebunden.
Siehe auch Preisangaben im Business-to-Business-Handel - B2B und Preisangaben im Internethandel
Gründe:
I.
Der Kläger ist ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen, der unlautere Wettbewerbshandlungen verfolgt. U.a. sind sämtliche Industrie- und Handelskammern Deutschlands Mitglieder des Klägers.
Der Beklagte betreibt einen Handel für Kerzen, die zum liturgischen Gebrauch bestimmt sind, z.B. Altarkerzen, Ewiglicht-Ölkerzen, Ewigbrenner, Opferlichte und Opferkerzen. Diese bietet er gegenüber Pfarreien mit einer bestimmten Preisliste an. Die darin angegebenen Preise sind jeweils ohne Umsatzsteuer ausgezeichnet. Wörtlich heißt es:
"Alle Preise zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer ..."
Der Kläger ist der Auffassung, der Beklagte verstoße mit dieser Werbung gegen die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Preisangabenverordnung (PAngV). Denn der Beklagte sei verpflichtet, bei seinen Angeboten Endpreise anzugeben, welche die gesetzliche Umsatzsteuer enthalten. Eine Werbung mit Preisen, welche nicht die gesetzliche Mehrwertsteuer enthalten, sei unlauter gemäß § 4 Nr. 11 UWG.
Der Kläger hat den Beklagten zunächst - erfolglos - außergerichtlich abgemahnt und sodann Klage zum Landgericht Freiburg erhoben. Er hat gegenüber dem Beklagten Unterlassung begehrt, gegenüber Pfarreien für Kerzen unter Angabe von Preisen zu werben, die nicht die Umsatzsteuer enthalten. Außerdem hat der Kläger Zahlung der Abmahnkosten verlangt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Werbung des Beklagten sei nicht unlauter. Im Verhältnis zu Kirchengemeinden gelte die Ausnahmevorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 1 PAngV, so dass in diesem Bereich eine Werbung mit Preisen ohne Umsatzsteuer zulässig sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers. Er hält an seiner Rechtsauffassung fest, wonach der Beklagte die Kerzen auch gegenüber Kirchengemeinden bzw. Pfarreien nur mit Endpreisen, d.h. mit Preisen, in welchen die Umsatzsteuer bereits enthalten ist, anbieten dürfe. Auf die Ausnahmevorschrift in § 9 Abs. 1 Nr. 1 PAngV könne sich der Beklagte nicht berufen. Denn die Ausnahme hinsichtlich der Preisangaben gelte nur bei Werbung gegenüber Letztverbrauchern, welche die Ware oder Leistung in ihrer selbständigen beruflichen oder gewerblichen oder in ihrer behördlichen oder dienstlichen Tätigkeit verwenden. Kirchliche Pfarreien seien von diesem Wortlaut nicht erfasst. Als Ausnahmevorschrift sei § 9 Abs. 1 Nr. 1 PAngV eng auszulegen, so dass eine analoge Anwendung auf eine Pfarrei nicht in Betracht komme. Es bestehe auch keine vergleichbare Interessenlage zwischen einer Pfarrei und den in § 9 Abs. 1 Nr. 1 PAngV genannten Verbrauchern. Das Beschaffungswesen spiele in der Regel nur eine sehr untergeordnete Rolle in einer Pfarrei, wobei nicht selten Mitarbeiter auf ehrenamtlicher Basis tätig seien. Dementsprechend könne eine Pfarrgemeinde einem gewerblichen Verbraucher nicht gleichgestellt werden. Auch für eine Kirchengemeinde müsse der Schutz gemäß § 1 Abs. 1 PAngV gelten.
Der Kläger beantragt,
- den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr gegenüber Pfarreien für Kerzen, die zum liturgischen Gebrauch bestimmt sind, unter Angabe von Preisen zu werben, die nicht die Umsatzsteuer enthalten;
- dem Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung gemäß Ziff. 1 Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten anzudrohen;
-
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 189,00 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.03.2004 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das Urteil des Landgerichts. Er ist der Auffassung, Kirchengemeinden bzw. Pfarreien würden von § 9 Abs. 1 Nr. 1 PAngV erfasst, so dass er diesen gegenüber nicht an die Regel in § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV (Werbung nur mit Endpreisen) gebunden sei.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten nicht zu. Er kann daher auch nicht Ersatz der vorgerichtlichen Abmahnkosten verlangen.
1. Der Kläger ist als rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher Interessen prozessführungsbefugt. Die Prozessführungsbefugnis ergibt sich aus § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG.
2. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch steht dem Kläger nicht zu; denn die beanstandete Werbung des Beklagten ist nicht unlauter. Die Werbung des Beklagten verstößt nicht gegen eine gesetzliche Marktverhaltensregelung (§ 8 Abs. 1 UWG i.V.m. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, 1 Abs. 1 S. 1, 9 Abs. 1 Nr. 1 PAngV).
a) § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV (Angebote mit Endpreisen gegenüber Letztverbrauchern) ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG (vgl. Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 26. Aufl. 2008, § 4 UWG Rdn. 11.142). Ein Verstoß des Beklagten würde daher grundsätzlich den Tatbestand des § 4 Nr. 11 UWG erfüllen.
b) Zutreffend hat das Landgericht festgestellt, dass Kirchengemeinden bzw. Pfarreien "Letztverbraucher" im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV sind. Entscheidend ist hierbei, dass Kirchengemeinden die erworbenen Kerzen - zumindest zum erheblichen Teil - für den eigenen liturgischen Gebrauch benötigen und nicht weiter veräußern oder weiter verarbeiten (vgl. zum Begriff des Letztverbrauchers Köhler, a.a.O., Vorbem. zur Preisangabenverordnung, Rdn. 11).
c) Für die Werbung gegenüber Kirchengemeinden gilt jedoch die Ausnahmeregelung in § 9 Abs. 1 Nr. 1 PAngV, so dass der Beklagte nicht verpflichtet ist, nur mit Endpreisen im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV zu werben. Kirchliche Pfarreien verwenden die erworbenen Kerzen für ihre "behördliche oder dienstliche Tätigkeit" im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 1 PAngV. Dies ergibt sich aus einer Auslegung der gesetzlichen Vorschrift.
aa) Der Wortlaut ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht eindeutig. Die Begriffe "Behörde" und "dienstliche Tätigkeit" werden nicht nur umgangssprachlich, sondern auch im juristischen Bereich unterschiedlich gebraucht. Beispielsweise werden gelegentlich auch Gerichte als "Behörden" bezeichnet, obwohl dies nicht dem Behörden-Begriff in Art. 84 Abs. 1 S. 1 GG entspricht. (vgl. zum Begriff der "Behörde" in Art. 84 Abs. 1 S. 1 GG BverfGE 10, 20, 48). "Behördliche Tätigkeit" und "dienstliche Tätigkeit" in § 9 Abs. 1 Nr. 1 PAngV sind weit zu verstehen, so dass auch eine Kirchengemeinde unter diese Begriffe fallen kann.
bb) Die Kirchen haben in Deutschland nach dem Grundgesetz den Status von Körperschaften des öffentlichen Rechts (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 WRV). Die Organisationsstruktur der Kirchen ist in rechtlicher Hinsicht mithin in gewissem Umfang der Struktur staatlicher Einrichtungen angenähert. Bei einem eher weiten Behördenbegriff in § 9 Abs. 1 Nr. 1 PANGV liegt es daher von vornherein nicht fern, kirchliche Verwaltungsstellen (beispielsweise Pfarreien) genauso zu behandeln wie staatliche Behörden.
cc) Entscheidend für die Auslegung ist nach Auffassung des Senats, dass § 9 Abs. 1 Nr. 1 PAngV eine Abgrenzung zu einem lediglich privaten Verbrauch bezweckt (vgl. Köhler, a.a.O., § 9 PAngV Rdn. 2). Die von einer Kirchengemeinde erworbenen Kerzen dienen nicht privaten Zwecken des Pfarrers oder von Mitarbeitern der Kirchengemeinde, sondern ausschließlich der Aufgabenerfüllung im Rahmen des kirchlichen Auftrags. Dies legt eine Verwendung der Kerzen im Rahmen einer "dienstlichen Tätigkeit" im Sinne von 9 Abs. 1 Nr. 1 PAngV nahe.
dd) Kirchengemeinden sind im übrigen - unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks - auch in sonstiger Hinsicht mit den in § 9 Abs. 1 Nr. 1 genannten anderen Letztverbrauchern vergleichbar: Nicht nur bei kirchlichen Pfarreien, sondern auch bei Gerichten, vielen Behörden und manchen Freiberuflern die unzweifelhaft von § 9 Abs. 1 Nr. 1 PAngV erfasst werden - spielt das Beschaffungswesen eine untergeordnete Rolle. Dennoch hat der Gesetzgeber diesen Kreis von Letztverbrauchern vom Schutzbereich des § 1 Abs. 1 PAngV ausgenommen, weil - bei Kirchengemeinden genauso wie bei Behörden oder Gerichten - normalerweise ein gewisses Mindestmaß an Professionalität bei der Beschaffung von Waren oder Dienstleistungen anzunehmen ist. So ist - unabhängig von den im Einzelfall für die Pfarreien handelnden Personen - davon auszugehen, dass die Beschaffung von Kerzen jeweils im Rahmen eines Haushaltsplanes erfolgt und dass für das Beschaffungswesen bestimmte formelle Regeln und Kontrollen gelten, beispielsweise auch durch den Anschluss von Kirchengemeinden an regionale Verrechnungsstellen. Auch diese Gesichtspunkte sprechen für eine Anwendung von § 9 Abs. 1 Nr. 1 PAngV auf Kirchengemeinden.
ee) Die Entscheidung des Senats entspricht den vorhandenen Stellungnahmen in der rechtswissenschaftlichen Literatur (vgl. Piper/Ohly UWG, 4. Aufl. 2006, Einführung zur Preisangabenverordnung Rdn. 16 und Wenglorz in Fezer, UWG 2005, § 4- S14, Rdn. 57; beide Autoren wenden § 9 Abs. 1 Nr. 1 PAngV auf "kirchliche Einrichtungen" an). Auch der Bundesgerichtshof ist in einer Entscheidung vom 11.11.1977 (BGH NJW 1978, 267, 268, 271 METRO I -) davon ausgegangen, dass Angebote gegenüber "Kirchengemeinden" nicht unter den Schutzbereich der Preisangabepflicht fallen.
d) Da ein Verstoß der Beklagten gegen die Vorschriften der Preisangabenverordnung bereits tatbestandlich nicht vorliegt, kann dahinstehen, ob und inwieweit ein solcher Verstoß im Sinne von § 3 UWG geeignet wäre, Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen (vgl. hierzu beispielsweise OLG Jena, GRUR-RR 2006, 283, 284; Köhler, a.a.O., § 3 UWG Rdn. 79).
3. Da dem Kläger ein Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten nicht zusteht, ist auch der Zahlungsantrag (Kosten der vorgerichtlichen Abmahnung) nicht begründet (vgl. § 12 Abs. 1 S. 2 UWG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff. 10, 713 ZPO.
5. Für eine Zulassung der Revision bestand kein Anlass (§ 543 Abs. 2 ZPO).