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OLG Stuttgart Urteil vom 06.12.2012 - 2 U 94/12 - Pflicht zur Gesamtpreisangabe beim Abschluss von Werbeverträgen
OLG Stuttgart v. 06.12.2012: Pflicht zur Gesamtpreisangabe beim Abschluss von Werbeverträgen über Plakate für Einkaufswagen in Verbrauchermärkten
Das OLG Stuttgart (Urteil vom 06.12.2012 - 2 U 94/12) hat entschieden:
- § 4 Abs. 2 DL-InfoV ist richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass die Vorschrift nur auf Waren- oder Dienstleistungsempfänger Anwendung findet, die nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 PAngV nicht in den Anwendungsbereich der Preisangabenverordnung fallen, somit auf Letztverbraucher, die die Ware oder Dienstleistung im Rahmen ihrer selbstständigen gewerblichen Tätigkeit verwenden.
- Beim Abschluss eines Werbevertrages (hier: Werbeplakate für Einkaufswagen von Verbrauchermärkten) mit einer Laufzeit von 72 Monaten reicht die Angabe des Monatspreises für alle bestellten Werbeträger nicht aus. Vielmehr ist der Bruttogesamtpreis aller Werbeträger bezogen auf die gesamte Vertragslaufzeit anzugeben, und zwar auch dann, wenn im Einzelfall Rabatte, Skonti oder sonstige Nachlässe vereinbart werden können.
Siehe auch Angebote und/oder Erbringung von Dienstleistungen über das Internet und Preisangaben im Internethandel
Gründe:
I.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, sie hat der Sache nach jedoch keinen Erfolg.
A.
Zum einen wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil, das in WRP 2012, 1158 veröffentlicht ist, Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Kurz zusammenfassend und ergänzend:
Die Beklagte vertreibt über freie Handelsvertreter bundesweit auf der Grundlage einer Preisliste (Bl. 45) und eines von ihr gestellten Formulars (K 1 = Bl. 9) Werbeplakate (CartBoards), die in Einkaufswagen von Verbrauchermärkten angebrachten Wechselrahmen eingeschoben werden. Der Preis richtet sich nach der Anzahl der Märkte und der Einkaufswagen sowie nach den Laufzeiten des Vertrages.
Am 18.05.2011 - Landgericht irrtümlich: 15.08.2011 - hatte die Zeugin F., freie Handelsvertreterin der Beklagten, den Zeugen A. nach vorheriger telefonischer Absprache in dessen kleinem Friseurgeschäft aufgesucht und mit ihm - der Hergang des Gesprächs ist streitig und war Gegenstand einer Beweisaufnahme - im Ergebnis den „Auftrag“ abgeschlossen, der einen Monatspreis von 319,-- €, eine Laufzeit von 72 Monaten sowie bei Einmalzahlung des Betrages einen 8%igen Nachlass vorsah (K 1 = Bl. 9). Die Beklagte erstellte eine Rechnung vom 02.08.2011 über 25.145,37 € als innerhalb von 8 Tagen zu bezahlenden Betrag.
Der Zeuge A. wandte sich an die Handwerkskammer, welche letztlich die Klägerin einschaltete. Diese mahnte entsprechend der Firmierung im Auftrag (untere Datenleiste, im Kopfbogen beigefügt „GmbH in Gründung“), die a. Werbeagentur R. e.K. am 19.10.2011 ab (K 7 = Bl. 25). Sie sah einen Verstoß gegen §§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 2 und § 5a Abs. 3 Nr. 3 UWG, darüber hinaus einen solchen gegen § 4 DL-InfoV, da der Gesamtpreis nicht angegeben war. Daneben beanstandete sie weitere, nicht zum Gegenstand der Klage erhobene Belehrungsdefizite und die Wirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
Am 15.12.2010 war die Beklagte gegründet und am 25.01.2011 ins Handelsregister eingetragen worden.
Das Landgericht, welches neben der Handelsvertreterin, der Zeugin F., und den vertragsschließenden A. sowie eine Angestellte der Beklagten, die Zeugin R., vernommen hatte, erkannte antragsgemäß:
- Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für den Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu 2 Jahren zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr den Abschluss von entgeltlichen Werbeverträgen mit mehrmonatiger Laufzeit schriftlich anzubieten, ohne in klarer und verständlicher Form den Gesamtpreis für die Laufzeit des Vertrages anzugeben, wenn dies wie in dem als Anlage K 1 beiliegenden Auftrag geschieht.
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 219,35 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.03.2012 zu bezahlen.
Es hielt, der Klägerin folgend, im Kern dafür, dass ein Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 DL-InfoV vorliege. Zwar schließe § 9 Abs. 1 Nr. 1 PAngV Letztverbraucher, welche die Dienstleistung in ihrer selbstständigen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit verwendeten, von ihrem Anwendungsbereich aus, worauf sich § 4 Abs. 2 DL-InfoV zur Bestimmung des Schutzbereichs von Nr. 1 der Vorschrift wiederum beziehe. Damit ergebe sich aber eine Schutzlücke für gewerbliche Abnehmer, was nicht gewollt sei, da die Verordnung die Dienstleistungsrichtlinie umfassend habe umsetzen wollen, welche eine solche Schutzlücke nicht eröffne. Da der Preis angesichts der Preisliste, auch wenn es einen Rabatt für die Einmalzahlung gegeben habe, im Vorhinein festgelegt sei, habe der Gesamtendpreis mitgeteilt werden müssen. Dies unstreitig nicht getan zu haben, verletze die Marktverhaltensregel des § 4 Abs. 1 Nr. 1 DL-InfoV, was eine spürbare Beeinträchtigung der Interessen der Nachfrager bedeute. Danach seien auch die Abmahnkosten zu erstatten, welche der Höhe nach keinen Bedenken begegneten, und denen auch nicht entgegenstehe, wer zum Adressaten der Abmahnung gemacht worden sei. Denn der Beklagten sei bewusst gewesen, welcher Vorgang betroffen gewesen sei und habe sich deshalb auch auf die Abmahnung, wenngleich diese zurückweisend, eingelassen.
Dagegen wendet sich die Berufung der Beklagten, welche sich zu den Abmahnkosten nicht verhält. Sie behauptet unter vertiefender Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens, dass der klare Wortlaut des § 4 Abs. 2 DL-InfoV für ein einschränkendes Verständnis stehe und damit eine erweiternde Anwendung der DL-InfoV hindere. Im Übrigen sei § 4 Abs. 1 Nr. 1 DL-InfoV nicht erfüllt, da der Preis für die Dienstleistungen angesichts der Vielzahl der buchbaren Varianten und der Freiheit des jeweiligen Handelsvertreters in den Verhandlungen offen und keineswegs im Vorhinein festgelegt sei. Auch § 4 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung sei nicht verletzt, da dem Besteller vor seiner Unterschriftsleistung der monatliche Endpreis klar und unmissverständlich vor Augen geführt worden sei; den Gesamtpreis habe jeder, der auch nur die Grundrechenarten beherrsche, unschwer ermitteln können. §§ 5, 5a, UWG kämen nicht in Betracht; die von der Klägerin hierzu angeführte Entscheidung des LG Düsseldorf betreffe keinen vergleichbaren Sachverhalt.
Die Beklagte beantragt:
Das Urteil des Landgerichts Ulm, AZ: 10 O 23/12 KfH vom 27.04.2012 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin beantragt:
Das Rechtsmittel ist zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung als richtig.
Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze sowie die Verhandlungsniederschriften verwiesen (§ 313 Abs. 2 S. 2 ZPO).
B.
1. a) § 4 DL-InfoV stellt eine Marktverhaltensregel im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG dar (Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl. [2012], DL-InfoV Vorb, 8), so wie auch Vorschriften der PAngV als von § 4 Nr. 11 UWG erfasste Marktverhaltensregeln aufgefasst werden (vgl. hierzu etwa BGH GRUR 2010, 1110 [Tz. 19] - Versandkosten bei Froogle II; 2011, 742 [Tz. 23] - Leistungspakete im Preisvergleich) oder auch andere Vorschriften des Preisangaberechts (vgl. Götting in Fezer, UWG, 2. Aufl. [2010], § 4-11, 147; v. Jagow in Harte/Henning, UWG, 2. Aufl. [2009], § 4 Nr. 11, 119; Ohly in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl. [2010], § 4, 11/72).
b) Zwar hat die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken in ihrem Anwendungsbereich (Art. 3) zu einer vollständigen Harmonisierung geführt (Art. 4; BGH GRUR 2001, 638 [Tz. 18] - Werbung mit Garantie), weshalb ein Verstoß gegen eine Informationspflicht im Rahmen des § 4 Nr. 11 UWG nur beachtlich ist, wenn die Bestimmung eine Grundlage im Unionsrecht hat (BGH GRUR 2012, 1159 [Tz. 9] - Preisverzeichnis für Mietwagenangebot). Vorliegend ist dies - ungeachtet des Umstandes, dass die Richtlinie nur Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern solchermaßen bindend erfasst (BGH a.a.O. [Tz. 9] - Preisverzeichnis für Mietwagenangebot) - allemal durch die Dienstleistungs-Richtlinie 2006/123/EG der Fall (vgl. auch zum Vorrang der Dienstleistungs-Richtlinie außerhalb des Anwendungsbereichs der UGP-Richtlinie: Köhler in Köhler/Bornkamm a.a.O. § 4, 11.6c).
2. Die PAngV greift vorliegend - wie die Parteien übereinstimmend und zutreffend zugrundelegen - nicht ein, da nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 PAngV der Anwendungsbereich dieser Verordnung nicht erfüllt ist bei Angeboten oder Werbung gegenüber Letztverbrauchern, die die Ware oder Leistung in ihren selbstständigen beruflichen oder gewerblichen oder in ihrer behördlichen oder dienstlichen Tätigkeit verwenden (vgl. hierzu BGH GRUR 2011, 82 [Tz. 23] - Preiswerbung ohne Umsatzsteuer; Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza a.a.O. § 9 PAngV 3, § 1 PAngV, 10, PAngV Einf 18; Wenglorz in Fezer a.a.O. § 4-S14, 264; Mehler in Büsche/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz / Urheberrecht / Medienrecht, 2. Aufl. [2011], § 9 PAngV, 3, Helm in Gloy/Loschelder/Erdmann, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 4. Aufl. [2010], § 75, 3). Die Freistellung trägt der Überlegung Rechnung, dass die genannten Letztverbraucher weniger schutzbedürftig sind (Mehler a.a.O. 3; Sosnitza a.a.O. PAngV Einf 18; Völker in Harte/Henning a.a.O. § 9 PAngV, 4). Da Letztverbraucher im Sinne der PAngV nur solche Endverbraucher sind, die Waren erwerben, ohne sie weiter umzusetzen oder sonst gewerblich verwenden zu wollen (BGH GRUR 2011, 82 [Tz. 23] - Preiswerbung ohne Umsatzsteuer; Köhler in Köhler/Bornkamm a.a.O. PAngV Vorb 19; Sosnitza a.a.O. § 1 PAngV 10; vgl. auch Mehler a.a.O. § 1 PAngV 4), greift die PAngV nicht zugunsten des Bestellers A. ein.
3. Dem Landgericht ist im Ergebnis auch darin zu folgen, dass § 4 Abs. 2 DL-InfoV eine gebotene und richtlinienkonforme Auslegung dahin erfordert, dass Letztverbraucher nicht solche nach dem Verständnis des § 9 Abs. 1 Nr. 1 PAngV sind.
a) Nach § 4 Abs. 2 DL-InfoV findet Abs. 1 keine Anwendung auf Dienstleistungsempfänger, die Letztverbraucher im Sinne der PAngV sind.
b) Da der Begriff der Letztverbraucher im Rahmen der PAngV nicht gleichbedeutend ist mit dem Begriff des Verbrauchers nach § 13 BGB (Mehler a.a.O., § 1 PAngV, 4; Köhler a.a.O. PAngV, Vorb 19), sondern sich allein an der Frage orientiert, ob die Ware oder Leistung für sich selbst und nicht zu dem Zweck, sie weiter zu veräußern, erworben wird (BGH a.a.O. [Tz. 23] - Preiswerbung ohne Umsatzsteuer; Köhler a.a.O. 19, Mehler a.a.O. 4; Völker a.a.O. § 1 PAngV, 3; Sosnitza a.a.O. § 1 PAngV, 10 und Einf 18), also daran, wer Letzter in der Waren- oder Dienstleistungsverteilerkette ist (Wenglorz in Fezer a.a.O. § 4-S14, 96), wäre die Folge, würde man die Ausschlussvorschrift des § 4 Abs. 2 DL-InfoV auf gewerbliche Endverbraucher erstrecken, dass (gewerbliche) Unternehmer weder den Schutz der PAngV noch den der DL-InfoV genössen, sie also im Preisangaberecht ohne jeglichen Schutz wären.
c) Dies aber widerspricht sowohl dem Ziel und Zweck der PAngV wie auch den Vorgaben der Dienstleistungsrichtlinie, welche die DL-InfoV nur umsetzen wollte.
aa) Die PAngV will, wie § 9 Abs. 1 Nr. 1 zeigt, letztlich nur gegenüber dem privaten Letztverbraucher zur Anwendung kommen (Völker in § 1 PAngV, 3). Die PAngV findet damit nur auf Angebote gegenüber dem „privaten“ Letztverbraucher Anwendung (Völker a.a.O. § 9, 3). Sie beschränkt sich nur auf dieses Verhältnis (Mehler a.a.O. § 1 PAngV, 4). Gewerbliche Letztverbraucher nach der Ausnahme im Ausgangspunkt einem Regime mit zu unterwerfen, das gerade gewerbliche Letztverbraucher nicht betreffen will, ist im Ansatz schon widersprüchlich und gibt Anlass, über das richtige Verständnis der in Bezug genommenen zweigeteilten PAngV nachzudenken.
bb) Die DL-InfoV hat das erklärte Ziel, die Vorgaben der Richtlinie zu den Informationspflichten des Erbringers von Dienstleistungen gegenüber dem Dienstleistungsempfänger zentral für alle Dienstleistungen umzusetzen, auf welche die Dienstleistungs-Richtlinie anzuwenden ist (BR-Drs. 888/09 v. 17.12.2009 [S. 2]). Sie setzt die in Artt. 22 und 27 Abs. 1 und Abs. 4 umfangreich bestimmten Informationspflichten der Richtlinie 2003/123/EG um (BR-Drs. a.a.O. S. 6). Darin wird anerkannt, dass die PAngV Preisangaben nur gegenüber „schutzwürdigen“ Letztverbrauchern abschließend regelt, und: „Die Preisangabenverordnung gilt jedoch nicht im Verhältnis zu Dienstleistungsempfängern, die nicht in den Anwendungsbereich der Preisangabenverordnung fallen, so dass eine Umsetzung der Richtlinienbestimmung für diesen Bereich erforderlich ist. ... Da die Informationspflichten nach §§ 2 und 3 gegenüber allen Dienstleistungsempfängern gelten, ist es aus Gründen der Verständlichkeit sinnvoll, in einem gesonderten § 4 die Preisangaben zu regeln, die nur gegenüber Dienstleistungsempfängern gelten, die nicht in den Anwendungsbereich der Preisangabenverordnung fallen“ (BR-Drs. a.a.O. S. 18). „Zu § 4 Absatz 1 Nummer 1: Absatz 1 Nummer 1 setzt Artikel 22 Absatz 1 Buchstabe i der Dienstleistungsrichtlinie um. Anders als die §§ 1 bis 9 der Preisangabenverordnung enthält Nummer 1 eine Regelung zur Angabe von Preisen gegenüber Dienstleistungsempfängern, die nicht in den Anwendungsbereich der Preisangabenverordnung fallen. Die Regelung wird auch nicht durch § 1 Absatz 1 Nummer 7 der BGB-Informationspflichten-Verordnung entbehrlich, da diese Vorschrift nur die Preisangaben bei Fernabsatzverträgen gegenüber Verbrauchern regelt. ... Absatz 2 stellt klar, dass die Bestimmungen des § 4 keine Anwendung auf Letztverbraucher im Sinne der Preisangabenverordnung finden. Die Preisangabenverordnung enthält im Verhältnis zum Letztverbraucher bereits abschließende und über § 4 Absatz 1 hinausgehende Informationspflichten über Preisangaben“. Schon dies macht deutlich, dass der Verordnungsgeber, soweit er insoweit die PAngV im Auge hatte und ansprach, nur die Regeln gegenüber „schutzbedürftigen“ Verbrauchern meinte, die bereits abschließend geregelt seien. Für die anderen, die nicht „privaten“ Letztverbraucher, sollte diese Verordnung dienen. Dies ist danach der erklärte Zweck von § 4 Abs. 2 DL-InfoV. Auch dies steht entgegen, § 4 DL-InfoV gegenüber gerade gewerblichen Endverbrauchern leerlaufen zu lassen.
cc) Nichts anderes ergibt sich aus der Richtlinie, welche die DL-InfoV umsetzen will und umzusetzen hat (Art. 44 Abs. 1 RL 2006/123/EG). Schon nach Erwägungsgrund 33 umfassen die von dieser Richtlinie erfassten Dienstleistungen einen weiten Bereich von Tätigkeiten, wie etwa Dienstleistungen für Unternehmen wie Werbung. Die von dieser Richtlinie erfassten Dienstleistungen umfassen ferner Dienstleistungen, die sowohl für Unternehmen als auch für Verbraucher angeboten werden. Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie verpflichtet die Mitgliedsstaaten sicherzustellen, dass die Dienstleistungserbringer den Dienstleistungsempfängern bestimmte Informationen zur Verfügung stellen: Die in Abs. 2 i) bzw. Abs. 3 a) genannten, zu erteilenden (Zusatz-)Informationen finden ihre Entsprechung denn auch in § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 2 DL-InfoV.
dd) Dem Gebot der richtlinienkonformen Auslegung (vgl. hierzu etwa EuGH NJW 2005, 3695 [Tz. 77] - Mangold/Helm; BGH GRUR 2011, 1142 [Tz. 38] - PROTI) folgend hat das nationale Gericht, jedenfalls bei der Auslegung bedürftigen und einer solchen zugänglichen nationalen Vorschriften (vgl. auch Köhler a.a.O. PAngV Vorb 12), der Richtlinie vollumfänglich Geltung zu verschaffen.
ee) Dies führt mit dem Landgericht dazu, dass § 4 Abs. 2 DL-InfoV dahin auszulegen ist, dass mit Letztverbrauchern jene „privaten“ Letztverbraucher gemeint sind, deren Zielgruppe das PAngV ist, oder anders herum: die DL-InfoV gilt für jene Zielgruppe, die nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 PAngV vom Anwendungsbereich der PAngV ausgenommen sind. So ergibt sich auch ein stimmiges Zusammenspiel der Regelungsbereiche; nur so wird dem Schutzanspruch der Richtlinie 2006/123/EG ausreichend Rechnung getragen, die auch für Unternehmen als Dienstleistungsempfänger ein höheres nationales Schutzniveau erlaubt (Art. 22 Abs. 5 RL), aber eben kein geringeres.
ff) Danach ist das Angebot der Beklagten an § 4 Abs. 1 DL-InfoV zu messen.
4. a) Nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 DL-InfoV hat der Dienstleistungsempfänger vor Abschluss eines schriftlichen Vertrages in klarer und verständlicher Form näher bezeichnete Informationen zur Verfügung zu stellen, sofern er den Preis für die Dienstleistung im Vorhinein festgelegt hat, insbesondere den Preis in der in § 2 Abs. 2 festgelegten Form. Diese Vorschrift ist von Bedeutung für standardisierte Dienstleistungen, die zu genau bestimmten Preisen angeboten werden (z.B. Friseurdienstleistungen, Dienstleistungen im Reinigungsgewerbe; Köhler a.a.O., § 5 DL-InfoV, 3).
b) Im Gegensatz zu Nr. 2, der eine Preisgestaltung insbesondere nach Tages-, Stunden- oder Verrechnungssätzen betrifft, wonach das Entgeltergebnis erst nach dem konkreten Verlauf der Leistungserbringung (also zeit- oder materialabhängig) feststeht, muss sich nach Nr. 1 das Entgelt im Vorhinein bei Festlegung des Leistungsprogramms genau bestimmen lassen. Dies ist vorliegend der Fall, wie insbesondere die Preisliste der Beklagten (Bl. 45) ausweist. Der Preis bestimmt sich ausschließlich nach der Zahl der Werbeträger und den vereinbarten Laufzeitmonaten. Die Beklagte führt es selbst aus: Die Handelsvertreterin „verfügt und verfügte über eine Preisliste, in welcher gestaffelt nach Anzahl der Werbeträger und Laufzeit gestufte Monatspreise für die Leistungen der Beklagten enthalten sind, gestuft u.a. nach Laufzeiten zwischen 24 und 72 Monaten“ (Bl. 38). So konnte die Beklagte denn auch vor Anlaufen der Werbeaktion bereits die Endrechnung endgültig erstellen und den Endbetrag ausweisen (K 2 = Bl. 10).
c) Dass im Einzelfall ein Rabatt/Skonto eingeräumt wird, ändert nichts daran, dass Nr. 1 vorliegend aufgrund des Parametersystems, welches den Endpreis vorab ermittelbar macht, anwendbar ist. Denn der Preis für die Dienstleistung selbst steht fest. Auf Verhandlungsgeschick oder vom Dienstleistungserbringer gewährte Vergünstigung kann es nicht ankommen, da auf das abstrakte Preisermittlungssystem abzustellen ist. Andernfalls könnte die Anwendbarkeit der Norm durch einen kleinen Bonus, eine Zugabe oder einen Ausgleich wie hier für den Vorteil einer vorfristigen Zahlung des Kunden unschwer unterlaufen werden. Wie starr und im Ausgangspunkt bindend der Entgelttarif der Beklagten im Übrigen tatsächlich ist, zeigt sich auch darin, dass die Handelsvertreterin in ihrer Preisgestaltung gar nicht frei war. Sie konnte Nachlässe geben, „dies naturgemäß abhängig vom Umfang in Abstimmung mit der Beklagten“ (Bl. 38). So hat denn auch die Zeugin F. bekundet, vor Gewährung des Nachlasses für die gesamte Einmalzahlung „habe ich zuvor [Geschäftsführer der Beklagten] angerufen und ihn gefragt, ob das in Ordnung gehe“ (Bl. 60).
d) Preis im Sinne des § 4 Abs. 1 DL-InfoV ist der Endpreis und zwar der Bruttoendpreis (Köhler a.a.O. § 5 DL-InfoV, 5; Glückert GewArch 2010, 195, 196 [dieser aber für Nettogesamtendpreis]). Die Richtigkeit dieses Verständnisses wird auch darin deutlich, dass auch dort, wo der Preis im Vorhinein nicht festgelegt zu werden vermag, ein Kostenvoranschlag verlangt werden kann, der seinerseits aber mit einem Gesamtpreis endet.
e) Diesen Gesamtendpreis hat die Beklagte nicht angegeben. Dass dieser leicht ermittelbar wäre, ist schon ohne Belang (vgl. insoweit auch zum Endpreisgebot nach § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV: BGH GRUR 2001, 1166 [juris Tz. 29] - Fernflugpreise; Sosnitza a.a.O. § 1 PAngV, 24; Mehler a.a.O. § 1 PAngV, 9). Tatsächlich war es aber entgegen der Beklagtenbehauptung ohnehin nicht ein Leichtes, den Endpreis aufgrund der von der Handelsvertreterin nur angezeigten Entgeltparameter festzustellen, wie deren eigene Aussage belegt: „Ich habe immer einen Taschenrechner dabei. Wenn Herr A. mich gefragt hätte, hätte ich den Gesamtpreis ausrechnen können“ (Bl. 60).
5. a) Danach liegt ein Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 DL-InfoV vor, der auch spürbar im Sinne des § 3 UWG ist. Informationspflichten, die unionsrechtlich für die kommerzielle Kommunikation vorgegeben sind, dürfen nicht vorenthalten werden. Sie sind stets wesentlich, womit zugleich geklärt ist, dass im Falle ihrer Verletzung das Erfordernis der Spürbarkeit nach § 3 Abs. 2 S. 1 UWG erfüllt ist (BGH GRUR 2012, 842 [Tz. 25] - Neue Personenkraftwagen; 2010, 852 [Tz. 21] - Gallardo Spyder).
b) Ob daneben auch § 5 oder § 5a UWG erfüllt ist, bedarf keiner weiteren Entscheidung. Dass der vorgetragene Lebenssachverhalt zugleich die Voraussetzungen mehrerer Verbotsnormen erfüllt, ist für die Frage, ob nur ein Streitgegenstand vorliegt oder mehrere Streitgegenstände gegeben sind, nicht maßgeblich, da die rechtliche Würdigung der beanstandeten konkreten Verletzungshandlung Sache des Gerichts ist (BGH GRUR 2012, 184 [Tz. 15] - Branchenbuch Berg). Wird der Anspruch von einer Norm getragen, besteht in der Regel keine Pflicht des Gerichts zu prüfen, ob ihn auch weitere Vorschriften in gleicher Weise zu stützen vermöchten.
6. Abmahnkosten:
Die Berufungsbegründung muss sich zu jedem quantitativ abgegrenzten Teil des Streitgegenstandes oder zu jedem von mehreren Gegenständen, soll die Berufung insoweit zulässig sein, verhalten (BGH GRUR 2010, 946 [Tz. 11]). Zu den Abmahnkosten verhält sich die Berufung schon nicht. Zwar stehen und fallen diese mit der Berechtigung des Unterlassungsanspruchs (vgl. BGH GRUR 2011, 163 [Tz. 25] - Flappe), weshalb ein Angriff gegen diesen die Abmahnkosten dem Grunde nach mit umfassen wird (BGH NJW 2012, 2796 [Tz. 17]), so dass diese in diesem Umfang Prüfungsgegenstand sein mögen. Diese Prüfung schlägt - wie ausgeführt - zu Ungunsten der Beklagten aus. Die Höhe selbst ist nicht angegriffen und damit schon nicht zur Kontrolle im Rechtsmittel angefallen.
II.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 542, 543 i.V.m. § 3 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Zwar ist die Entscheidung darüber dem Berufungsgericht übertragen, weshalb die Beklagte die Revisionszulassung nur anzuregen vermochte. Sie hat sich jedoch nur auf eine Anregung beschränkt und auch nicht aufgezeigt, dass ein und welcher Zulassungsgrund für sie streiten würde.
Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens folgt der landgerichtlichen Wertfestsetzung, welche auf einer Wertvorgabe der Klägerin beruht, welche das Landgericht übernommen und welcher die Beklagte ausdrücklich zugestimmt hat (Bl. 54). Die Abmahnkosten selbst wirken nicht streitwerterhöhend (§ 4 ZPO).