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Landgericht Bochum Urteil vom 31.08.2015 - I-12 O 190/14 - Gleichnamigkeit und Catch-all-Funktion im Domainrecht
LG Bochum v. 31.08.2015: Zurücktreten des Prioritätsprinzips bei Gleichnamigkeit und Catch-all-Funktion im Domainrecht
Das Landgericht Bochum (Urteil vom 31.08.2015 - I-12 O 190/14) hat entschieden:
- Bei zwei Unternehmen, die unter demselben Familiennamen firmieren und im selben Ort ansässig und derselben Branche tätig sind, erzeugt die Hinzufügung eines kaum gebräuchlichen Vornamens bei der prioritätsjüngeren Firma einen ausreichende Unterscheidung der Unternehmen; ein nur mit einem Buchstaben abgekürzter Vorname als Zusatz ist nicht ausreichend.
- Durch die Einrichtung einer sog. Catch-all-Funktion im eMail-Bereich einer Domain wird kein wettbewerbwidriges Abfangen von an einen Konkurrenten gerichteten eMails bewirkt.
Siehe auch Gleichnamigkeit von Familien- und Unternehmensnamen im Domainrecht und Domainrecht
Tatbestand:
Die Klägerin wurde im Jahre 2009 gegründet. Sie hat den Geschäftsbetrieb der ... ABC OHG, die seit 1966 Hebezeuge verkaufte, übernommen und fortgeführt. Die Klägerin verwendet im Internet die Adresse abc.de.
Die im Jahr 1990 gegründete Beklagte führte Schwerlasttransporten durch und vermietete unter anderem Gabelstapler, Hebezeuge und Kräne. Beide Parteien sind in ... ansässig.
Seit einem zwischen den Parteien streitigen Zeitpunkt vertreibt auch die Beklagte Hebezeuge. Am Telefon meldete sich die Beklagte mit „Firma ABC” oder „Firma ABC aus ...”.
Im Jahr 2014 richtete die Beklagte unter der Adresse www.ABC.com eine Internet-Seite ein, auf der sie ihr Leistungsspektrum, Verkaufs- und Sortimentsübersichten darstellte und ihren Katalog zum Download anbot. Mit Schreiben vom 04.09.2014 ließ die Klägerin die Beklagte abmahnen.
Die Klägerin behauptet, erst seit dem Jahr 2014 trete die Beklagte auch als Händlerin von Hebezeugen auf. Dadurch sei es zu Verwechselungen der Parteien bei Kunden, Lieferanten der Sachverständigen ... gekommen. Wegen der Einzelheiten der vorgetragenen Beispielfälle wird neben den anderen Schriftsätzen insbesondere auf die Darstellung in der Klageschrift verwiesen. Die Klägerin ist mit eingehendem weiteren Vortrag, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, der Auffassung, aufgrund ihr, der Klägerin, zustehender älterer Rechte an der Bezeichnung ABC sei die Beklagte gehindert, ebenfalls diesen Namen für den Vertrieb von Hebezeugen zu benutzen. Die Beklagte habe ihren Geschäftsbereich unzulässig ausgedehnt. Eine hinreichende Abgrenzung sei nicht erfolgt. Die Beklagte verletze auch durch die Benutzung der Internetdomain ABC.com die Rechte der Klägerin. Da sich die Beklagte am Telefon mit ihrer abgekürzten Firmenbezeichnung melde, täusche sie bewusst über die Identität ihres Unternehmens.
Die Klägerin beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen,
- a) die Bezeichnung „ABC” für den Handel mit Hebezeugen zu verwenden,
b) die Bezeichnung „... ABC” für den Handel mit Hebezeugen zu verwenden,
c) die Bezeichnung „... ABC” für den Handel mit Hebezeugen zu verwenden,
d) andere Bezeichnungen, die den Namen „ABC” enthalten, für den Handel mit Hebezeugen zu verwenden,
- geschehen wie
- aus den Ausdrucken der Website der Beklagten vom 4. September 2014 (Anlagen K4-8) und vom 27. Januar 2015 (Anlagen K76-78) ersichtlich,
- aus der E-Mail der S GmbH vom 27. Februar 2014 nebst Angebot (Anlage K9) ersichtlich,
- aus der E-Mail der Beklagten vom 23. April 2014 (Anlage K10) und der Auftragsbestätigung der ... GmbH & Co. KG vom 23. April 2014 (Anlage KU) ersichtlich,
- aus der Rechnung der ... GmbH vom 17. Juli 2014 (Anlage K12) ersichtlich,
- a) die Internetdomain „ABC.com” für den Handel mit Hebezeugen zu verwenden, insbesondere unter einer solchen Domain einen Online-Katalog für Hebezeuge anzubieten oder E-Mail-Adressen mit einer solchen Domain für den Handel mit Hebezeugen zu verwenden,
b) die Internetdomain „...-ABC.de” für den Handel mit Hebezeugen zu verwenden, insbesondere unter einer solchen Domain einen Online-Katalog für Hebezeuge anzubieten oder E-Mail-Adressen mit einer solchen Domain für den Handel mit Hebezeugen zu verwenden,
c) andere Internetdomains, die den Namen „ABC” enthalten, für den Handel mit Hebezeugen zu verwenden, insbesondere unter einer solchen Domain einen Online-Katalog für Hebezeuge anzubieten oder E-Mail-Adressen mit einer solchen Domain für den Handel mit Hebezeugen zu verwenden,
- Kunden, Lieferanten und Sachverständige über die Identität des Unternehmens durch Verwendung des Namens „ABC” zu täuschen, indem bei den Kunden, Lieferanten und Sachverständigen der Eindruck hervorgerufen wird, dass es sich bei dem Betrieb der Beklagten um den Betrieb der Klägerin handelt, indem sich die Beklagte am Telefon mit „Firma ABC” oder „Firma ABC aus ...” meldet, wenn dies im Zusammenhang mit dem Handel von Hebezeugen erfolgt,
- geschehen wie in dem Anruf gegenüber dem Sachverständigen ... im Februar 2015, erfolgt.
- der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten anzudrohen, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf.
- die Beklagte zu verurteilen, außergerichtliche Kosten in Höhe von 996,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte vertritt mit eingehendem weiteren Vorbringen, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, die Auffassung, die Klägerin berühme sich zu Unrecht ihr gegenüber auf ein Kennzeichenschutzrecht. Die Beklagte behauptet, seit 2007 vertreibe sie auch Hebezeuge. Die Beklagte verweist darauf, dass die Anwendung von Hebetechnik zwangsläufig zum Geschäft der Beklagten, nämlich der Durchführung von Schwertransporten, gehört habe. Etwaige Ansprüche der Klägerin seien zudem verwirkt.
Im Hinblick auf die Einreichung einer Schutzschrift, deren Kosten die Beklagte ersetzt verlangt, und im Hinblick darauf, dass eine irrtümlich an die Adresse ...@ABC.de gerichtete, aber für die Beklagte bestimmte E-Mail an die Klägerin gelangt, beantragt die Beklagte widerklagend,
die Klägerin zu verurteilen,
an die Beklagte außergerichtliche Kosten in Höhe von € 1.973,90 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Widerklage zu zahlen; es zu unterlassen, auf Namen von Mitarbeitern der Beklagten lautende Emailkonten unter der Domain „ABC.de” einzurichten oder zu unterhalten;
Auskunft darüber zu erteilen, ob und ggf. weiche weiteren auf Namen von Mitarbeitern der Beklagten lautende Emailkonten sie neben dem von ihr für den Mitarbeiter der Beklagten, Herrn E F, eingerichteten Email-Konto „...@ABC.de” sie unter der Domain „ABC.de” eingerichtet hat und die Richtigkeit dieser Auskunft an Eides statt zu versichern;
soweit die Klägerin Emailkonten auf Namen von Mitarbeitern der Beklagten eingerichtet hat, der Beklagten Auskunft zu erteilen über die gesamte über diese Emailkonten „gelaufene” Korrespondenz durch lückenlose Vorlage aller über diese Emailkonten ein- und ausgegangenen Emails einschließlich deren Anhänge und die Richtigkeit dieser Auskunft an Eides statt zu versichern;
nach erteilter Auskunft gemäß vorstehendem Antrag auf Namen von Mitarbeitern der Beklagten eingerichtete Emailkonten unter der Domain „ABC.de” zu löschen und die erfolgte Löschung eidesstattlich zu versichern.
Die Klägerin beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten beiderseitigen Parteivorbringens wird Bezug genommen auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze einschließlich der dortigen Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist nur zum Teil begründet, die Widerklage ist unbegründet.
1. a) Die Klägerin hat mit ihrem Antrag zu 1 nur insoweit Erfolg, als sie sich gegen die Firmierung der Beklagten als ... ABC (GmbH) wendet. Gemäß §§ 5, 15 Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 MarkenG steht der Klägerin ein diesbezüglicher Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu. Die Klägerin verfügt über die älteren Rechte, da ihr aufgrund der Übernahme des Geschäftsbetriebs von der ... OHG entsprechend § 27 MarkenG deren Geschäftstätigkeit und Firmierung zugutekommt. Zwischen der Firmierung der Klägerin und der Bezeichnung ... ABC GmbH besteht eine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 15 Abs. 2 Markengesetz. Beide Parteien handeln mit Waren vergleichbarer Art. In beiden Firmierungen nimmt der Namensbestandteil ABC eine hervorgehobene Stellung ein. Die Hinzufügung des nur mit einem Buchstaben abgekürzten Vornamens aus der Firma der Beklagten, reicht nicht aus, sie in Anbetracht der Warennähe ausreichend von der Klägerin abzugrenzen, soweit es um Vertrieb von Hebetechnik geht.
Die Kammer verkennt allerdings nicht, dass die Beklagte sich möglicherweise auf das so genannte Gleichnamigenrecht berufen kann. Danach hat grundsätzlich jeder das Recht, sich im geschäftlichen Verkehr zur Bezeichnung des Unternehmens seines Familiennamens zu bedienen (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Auflage, § 23 Rn. 27 mit weiteren Nachweisen). Dieses Recht ist aber nicht unbegrenzt. Vielmehr ist der Prioritätsjüngere zur Rücksichtnahme verpflichtet und muss durch geeignete Zusätze zu seinem Namen eine Verwechselungsgefahr vermeiden oder im Rahmen des Zumutbaren wenigstens möglichst weit reduzieren (Ströbele/Hacker aaO. Rn. 36). Der danach mögliche und zumutbare Abstand wird durch die bloße Hinzufügung des abgekürzten Vornamens nicht erreicht. Dass der Beklagten mehr zuzumuten ist, zeigt sich schon daran, dass ihre Firma den vollständigen Vornamen enthält. Bei dieser Sachlage besteht kein rechtfertigender Grund, warum die Beklagte im Geschäftsverkehr - wie sich aus den in Bezug genommenen Anlagen ergibt - nur einen abgekürzten Vornamen verwendet.
Mit ihrer vollständigen Firmierung hat die Beklagte hingegen bereits den ihr zumutbaren und erforderlichen Abstand gewahrt. Die Kammer ist sich bewusst, dass die bloße Hinzufügung eines Vornamens häufig nicht ausreichend wird, um die Verwechselungsgefahr angemessen zu reduzieren. Es ist aber zu berücksichtigen, dass es sich bei ... um einen heute kaum noch gebräuchlichen Vornamen handelt. Dieser fällt deswegen im Verkehr besonders auf und trägt die Gesamtbezeichnung wesentlich mit. Das Unternehmen der Beklagten wird damit unverkennbar von einem Vor- und einem Nachnamen gekennzeichnet. Die Firmierung der Klägerin enthält hingegen auch einen deutlichen Sachbezug. Unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen, auch des Bekanntheitsgrades der Klägerin sowie des Umstandes, dass beide Firmen ihren Sitz in M haben, andererseits aber auch im Hinblick auf die Nähe des Vertriebs von Hebezeugen zur bisherigen, diese anwendenden Geschäftstätigkeit der Beklagten ergibt die Abwägung, dass die vollständige Firma der Beklagten schon den gebotenen Abstand zwischen den beiderseitigen Kennzeichen einhält. Die Klage konnte insoweit daher keinen Erfolg haben. Erst recht hatte sie keinen Erfolg, soweit die Beklagte die Verwendung ihres Namens in jedweder Form, also schlechthin, für den Handel mit Hebezeugen unterlassen soll. Soweit die Klägerin auch die Verwendung des Namens „ABC” in Alleinstellung beanstandet, ergeben die zur Konkretisierung in den Klageantrag eingefügten Anlagen ein solches Verhalten der Beklagten nicht.
b) Entsprechend den vorstehenden Ausführungen besteht auch der tenorierte Unterlassungsanspruchs der Klägerin hinsichtlich der Internetdomain „ABC.com”, die nur noch den Nachnamen verwendet. Die darüber hinausgehenden Anträge hinsichtlich anderer Internetdomains waren aus den vorstehend geschilderten Gründen abzuweisen.
Die Unterlassungsansprüche der Klägerin sind auch nicht verwirkt. Insoweit fehlt bereits hinreichend substantiierter Vortrag der Beklagten dazu, dass die Klägerin den Vertrieb von Hebezeug durch die Beklagte bereits seit vielen Jahren bemerkt haben könnte.
c) Gemäß §§ 8, 5 UWG steht der Klägerin auch ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Meldung der Beklagten am Telefon zu. Dem Gesamtvortrag der Klägerin einschließlich der Antragstellung ist die Behauptung zu entnehmen, dass der Mitarbeiter der Beklagten, dessen Verhalten die Beklagte sich gemäß § 8 Abs. 2 UWG zuzurechnen hat, auch gegenüber dem Sachverständigen ... nur in verkürzter Form am Telefon gemeldet hat. Dies hat die Beklagte nicht bestritten. Im Übrigen hatte sie derartiges Verhalten in anderen Fällen ausdrücklich zugestanden (vergleiche Seite 12 des Schriftsatzes vom 12.11.2014). Eine Änderung des Verhaltens soll erst nach dem Schriftsatz vom 11.03.2015 vorgenommen worden sein. Angesichts des bestehenden Wettbewerbsverhältnisses der Beklagten in derselben Stadt und der kennzeichenrechtlichen Lage war die Meldung mit dem Firmenschlagwort geeignet, den Gesprächspartner über die Identität des anderen Teilnehmers in die Irre zu führen.
d) Die Kosten der Abmahnung kann die Klägerin aus GoA bzw. nach § 12 UWG nur in dem Umfang ersetzt verlangen, wie die Abmahnung berechtigt war.
2. Die Widerklage hat keinen Erfolg.
a) Die Kosten der Schutzschrift hätte die Beklagte nur ersetzt verlangen können, wenn ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eingegangen wäre (vergleiche BGH NJW 2003, 1257). Dies ist jedoch nicht der Fall.
b) Auch im übrigen hat die Widerklage keinen Erfolg. Die Beklagte geht dabei ersichtlich von einer unzutreffenden Sachverhaltsgestaltung aus. Denn sie stützt sich allein darauf, dass die an ...@ABC.de gerichtete E-Mail bei der Klägerin eingegangen und von dieser ausgedruckt worden ist. Daraus folgt aber entgegen der Auffassung der Beklagten keineswegs, dass die Klägerin bewusst eine entsprechende Email-Adresse eingerichtet hatte, um an die Beklagte gerichtete elektronische Post abzufangen. Vielmehr ist es bei der üblichen Gestaltung der Verhältnisse so, wie auch die Klägerin vorgetragen hat, dass alle an eine bestimmte Domain gerichtete elektronische Post bei dem Inhaber der Domain aufläuft, unabhängig davon, welcher Begriff vor dem Zeichen @ steht. Der Beklagten ist zwar zuzugestehen, dass diese Funktion abschaltbar ist, eine Verpflichtung hierzu traf die Klägerin jedoch nicht. Eine solche Maßnahme war ihr schon deswegen nicht zumutbar, weil dann auch nur geringfügig abweichende Bezeichnungen ihrer Mitarbeiter vor dem Zeichen @ die Klägerin nicht mehr erreicht hätten.
Die Widerklage war daher insgesamt abzuweisen.
3. Bei der Entscheidung über die Kosten hat die Kammer gemäß § 92 ZPO den Umfang des beiderseitigen Obsiegens und Verlierens berücksichtigt. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.