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BGH Urteil vom 07.11.1996 - VII ZR 82/95 - Darlegungslast des Unternehmers hinsichtlich ersparter Aufwendungen bei Kündigung eines Pauschalpreisvertrags

BGH v. 07.11.1996: Darlegungslast des Unternehmers hinsichtlich ersparter Aufwendungen bei Kündigung eines Pauschalpreisvertrags


Der BGH (Urteil vom 07.11.1996 - VII ZR 82/95) hat entschieden:
Der Unternehmer hat im Falle der Kündigung eines Pauschalpreisvertrages durch den Besteller seinen Anspruch auf Vergütung für die nicht erbrachte Leistung ua unter Berücksichtigung der ersparten Aufwendungen vorzutragen. Dazu hat er die Grundlagen seiner Kalkulation offenzulegen. Gegebenenfalls hat er die maßgeblichen Preisermittlungsgrundlagen nachträglich zusammenzustellen und mit ihnen die ersparten Aufwendungen konkret vorzutragen (Fortführung BGH, 1996-07-04, VII ZR 227/93, ZfBR 1996, 310 mwN).




Siehe auch Internetdienstleistungen und Internet-Service-Provider-Verträge und Internet-Systemverträge


Tatbestand:

Die Klägerin begehrt restlichen Werklohn für nicht erbrachte Leistungen.

Der Beklagte beabsichtigte 1988 den Umbau eines sanierungsbedürftigen Hotels. Er beauftragte nach den von der Revision nicht in Zweifel gezogenen Feststellungen des Berufungsgerichts die Klägerin mündlich mit den erforderlichen Arbeiten zum Pauschalpreis von 684.000 DM brutto. Der verstorbene Ehemann der Inhaberin der Klägerin hatte diesen Preis anhand der Pläne des Beklagten und einer eigenen handschriftlichen Leistungsaufstellung ermittelt. Nach Beginn der Arbeiten entwarf der Beklagte einen Generalunternehmervertrag mit einer Leistungsbeschreibung, den die Klägerin jedoch nicht unterzeichnete. Nachdem es zu Differenzen zwischen den Parteien gekommen war, kündigte der Beklagte im Februar 1989 den Vertrag.

Die Klägerin rechnete ihre erbrachten Leistungen detailliert in Höhe von 198.849,35 DM ab; dieser Betrag ist nicht mehr im Streit.

Die Klägerin hat für nicht erbrachte Leistungen 85.114,15 DM gefordert. Sie ist dabei von einer restlichen Vergütung in Höhe von 425.570,75 DM netto (gleich 485.150,65 DM brutto) ausgegangen. Davon hat sie sich als ersparte Aufwendungen ca. 25 % Lohnkosten sowie ca. 55 % Materialkosten einschließlich der Subunternehmerleistungen angerechnet. Die verbleibenden 20 % hat sie als "entgangenen Gewinn" geltend gemacht. Das Landgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit seiner Revision verfolgt er seinen Klageabweisungsantrag weiter.


Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht führt aus, der Wert der von der Klägerin bis zur Kündigung erbrachten Leistungen stehe aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung des Beklagten in dem Vorprozess sowie des in diesem Rechtsstreit geschlossenen Teilvergleiches fest. Auf ihre restliche Werklohnforderung (netto) müsse sie sich 80 % als Ersparnisse anrechnen lassen. Die Behauptung des Beklagten, im Bauhandwerk sei lediglich eine Gewinnspanne von 3 % üblich, sei unerheblich. Das Landgericht habe die Anforderungen an die Darlegungslast des Beklagten zu den ersparten Aufwendungen nicht überspannt. Die Klägerin trägt unwiderlegt vor, dass der verstorbene Ehemann der Inhaberin der Klägerin den vereinbarten Preis nicht aufgrund einer detaillierten Kalkulation ermittelt habe. Die Klägerin sei nicht verpflichtet, nachträglich eine fiktive Kalkulation aufzustellen. Der gerichtliche Sachverständige habe aufgrund der vorgelegten Unterlagen ersparte Aufwendungen nicht berechnen können.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht uneingeschränkt stand.

1. Hat ein Unternehmer bei einem durch Kündigung beendeten Pauschalpreisvertrag seine Leistung teilweise erbracht, so gilt nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 4. Juli 1996 - VII ZR 227/93 = ZfBR 1996, 310) für die Abrechnung seines Anspruches nach § 649 Satz 2 BGB folgendes:

a) Der Unternehmer hat zunächst die erbrachten Leistungen und die dafür anzusetzende Vergütung darzulegen und von dem nicht ausgeführten Teil abzugrenzen. Die Höhe dieser Vergütung ist nach dem Verhältnis des Wertes der erbrachten Teilleistung zum Wert der nach dem Pauschalpreisvertrag geschuldeten Gesamtleistung zu errechnen; der Unternehmer muss deshalb das Verhältnis der bewirkten Leistung zur vereinbarten Gesamtleistung und des Preisansatzes für die Teilleistung zum Pauschalpreis darlegen (vgl. Senatsurteil vom 29. Juni 1995 - VII ZR 184/94 = NJW 1995, 2712 = BauR 1995, 691 = ZfBR 1995, 297).

b) Bezüglich der nicht erbrachten Leistungen muss sich der Unternehmer auf seinen Anspruch auf vertragliche Vergütung u.a. anrechnen lassen, was er durch die Kündigung an Aufwendungen erspart (vgl. Senatsurteil vom 21. Dezember 1995 - VII ZR 198/94 = BGHZ 131, 362). Als erspart sind die Aufwendungen anzurechnen, die der Unternehmer bei Ausführung des Vertrages hätte machen müssen und die er wegen der Kündigung nicht mehr machen muss. Dabei ist auf die Aufwendungen abzustellen, die durch die Nichtausführung des konkreten Vertrages entfallen sind. Was er sich in diesem Sinne als Aufwendung anrechnen lässt, hat der Unternehmer vorzutragen und zu beziffern; denn in der Regel ist nur er dazu in der Lage (vgl. Senatsurteil aaO). Dazu muss er im Einzelfall die Grundlagen der Kalkulation des Preises für die vereinbarte Leistung offenlegen (Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Band 1 2. Aufl. § 649 Rdn. 1; Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl. B § 8 Rdn. 28). Hat er diesen Preis nur "im Kopf kalkuliert", so hat er die maßgeblichen Preisermittlungsgrundlagen nachträglich zusammenzustellen und dabei die ersparten Aufwendungen konkret vorzutragen. Andernfalls wäre es dem für höhere Ersparnisse darlegungsbelasteten, aber über die Einzelheiten des Betriebes des Unternehmers in der Regel nicht unterrichteten Besteller nicht möglich, hierzu sachgerecht Stellung zu nehmen (vgl. Senatsurteile vom 21. Dezember 1995 - VII ZR 198/94 = BGHZ 131, 362 und vom 8. Februar 1996 - VII ZR 219/94 = BauR 1996, 412 = ZfBR 1996, 200).

2. Diesen Anforderungen entspricht der Klagevortrag nur unvollständig.

a) Im Ansatz zutreffend hat das Berufungsgericht seiner Berechnung zunächst eine Vergütung für die erbrachten Leistungen in Höhe von 198.849,35 DM zugrunde gelegt.

Der ganz überwiegende Teil dieser Vergütung ist der Klägerin im Vorprozess rechtskräftig zuerkannt worden; über den danach noch offenen Rest haben sich die Parteien in diesem Rechtsstreit nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts mit dem Ergebnis verglichen, dass der Beklagte auch den restlichen Teil zu zahlen hat.

Zu Unrecht rügt die Revision, die Klägerin habe nicht dargelegt, dass die Höhe der Vergütung für die erbrachten Leistungen dem Verhältnis des Wertes der erbrachten Teilleistung zum Wert der nach dem Pauschalpreisvertrag geschuldeten Gesamtleistung entspricht. Die Klägerin hatte bereits im Vorprozess schlüssig vorgetragen, die insgesamt geforderte Vergütung für die erbrachten Leistungen entspreche dem Leistungsstand im Verhältnis der erbrachten Teilleistung zur vertraglich vereinbarten Leistung. Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht den in diesem Rechtsstreit geschlossenen Vergleich über den Rest ausgelegt. Die Revision zeigt weder Rechts- noch Verfahrensfehler auf, denen zu entnehmen ist, dass das Berufungsgericht den festgestellten Betrag von insgesamt 198.849,35 DM seiner weiteren Berechnung nicht hätte zugrunde legen dürfen.

b) Das Berufungsgericht hat jedoch zu Unrecht angenommen, die Klägerin habe zur Vergütung für nicht erbrachte Leistungen hinreichend dargelegt, was sie sich als ersparte Aufwendungen anrechnen lässt. Das ist nicht der Fall.

Die Klägerin hat zwar ihre ersparten Aufwendungen mit ca. 25 % als Lohnkosten sowie ca. 55 % als Kosten für Material und Subunternehmerleistungen benannt; sie hat deshalb insgesamt 80 % von der noch offenen Nettovergütung abgezogen. Sie hat aber nicht nachvollziehbar vorgetragen, wie sie diese ca.-​Prozentsätze in bezug auf den konkreten Vertrag errechnet hat. Nach der in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatrichter übereinstimmenden Auffassung der Parteien reichen die vorgelegten Unterlagen nicht aus, um die ersparten Aufwendungen berechnen zu können. Damit erlauben es die ungefähren Prozentangaben der Klägerin dem für höhere Ersparnisse darlegungsbelasteten Beklagten nicht, hierzu sachgerecht Stellung zu nehmen und gegebenenfalls höhere ersparte Aufwendungen vorzutragen und unter Beweis zu stellen.

Ein substantiierter Vortrag ist der Klägerin möglich. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, sie sei aus tatsächlichen Gründen nicht in der Lage, nachträglich Kalkulationsgrundlagen darzulegen und mit ihnen die ersparten Aufwendungen konkret vorzutragen.

Sollte das Berufungsgericht die Berechnung der Klägerin mit der Erwägung als substantiiert erachtet haben, ihr sei jedenfalls ein Gewinn von 20 % entgangen, so wäre dies rechtsfehlerhaft. Denn der Anspruch aus § 649 Satz 2 BGB knüpft nicht an den entgangenen Gewinn an, sondern soll dem Unternehmer auf der Grundlage der vereinbarten Vergütung einen Ausgleich für die negativen Folgen der Kündigung bieten (vgl. Senatsurteil vom 10. Oktober 1996 - VII ZR 250/94, zur Veröffentlichung bestimmt). Er soll weder einen geringeren noch einen größeren Erwerb haben, als er ohne die Kündigung gehabt hätte (Senatsurteil vom 21. Dezember 1995 - VII ZR 198/94 = BGHZ 131, 362).

III.

Nach alledem kann das Berufungsurteil nicht bestehenbleiben. Da weitere Feststellungen erforderlich sind, ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die Zurückverweisung gibt der Klägerin Gelegenheit, unter Beachtung der aufgezeigten Grundsätze zu den ersparten Aufwendungen konkret vorzutragen.



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