OLG Frankfurt am Main Urteil vom 30.06.2005 - 6 U 53/05 - Barrabatt beim Kauf eines Hörgeräts
OLG Frankfurt am Main v. 30.06.2005: Barrabatt beim Kauf eines Hörgeräts
Das OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 30.06.2005 - 6 U 53/05) hat entschieden:
Wird für den Fall des Kaufs eines Medizinprodukts ein Barrabatt angekündigt und gewährt (hier: 15% Jubiläumsrabatt auf alle digitalen Hörgeräte), ist dies eine produktbezogene Werbeform, die gegen das Zuwendungsverbot des § 7 Abs. 1 HWG verstößt.
Beide Parteien vertreiben u.a. Hörgeräte an Endverbraucher. Im Dezember 2004 warb die Antragsgegnerin in einer von ihr zum 25-jährigen Geschäftsjubiläum herausgegebenen Broschüre mit einem 15%igen Jubiläums-Rabatt auf alle bei ihr erhältlichen digitalen Hörsysteme bis zum 31.12.2004. Durch Beschluss – einstweilige Verfügung – vom 21.12.2004 hat das Landgericht der Antragsgegnerin untersagt, gegenüber Endverbrauchern mit einem Rabatt in Höhe von 15% auf digitale Hörgeräte zu werben und/oder werben zu lassen und/oder einen solchen anzukündigen und/oder ankündigen zu lassen und/oder zu gewähren, insbesondere wenn dies wie in der konkret beanstandeten Werbebroschüre geschieht. Nach Widerspruch durch die Antragsgegnerin hat das Landgericht die einstweilige Verfügung mit Urteil vom 22.02.2005 bestätigt. Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der Berufung.
Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 Abs. 2 in Verbindung mit 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Wie das Landgericht mit Recht angenommen hat, steht der Antragstellerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 HWG zu.
Auf die beanstandete werbliche Ankündigung eines vorübergehend gewährten Barrabatts für Hörgeräte sind die Vorschriften des Heilmittelwerbegesetzes anwendbar, da es sich bei dieser Werbemaßnahme um „Werbung für Medizinprodukte“ im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1a HWG und nicht nur um rein unternehmensbezogene Imagewerbung handelt. Das gilt nach Auffassung des erkennenden Senats (insoweit a.A. OLG Düsseldorf WRP 05, 135) unabhängig davon, dass die Antragsgegnerin den beworbenen Barrabatt nicht nur für bestimmte, sondern für alle bei ihr erhältlichen digitalen Hörsysteme und damit praktisch für ihr gesamtes Angebot angekündigt hat. Es geht insoweit nicht um die Frage, ob generell auch im Bereich der in § 7 HWG geregelten Werbeformen zwischen produktbezogener und unternehmensbezogener – und damit nicht unter § 1 Abs. 1 HWG fallender – Werbung unterschieden werden muss (vgl. hierzu OLG Düsseldorf a.a.O., Seite 136). Es mag durchaus Fälle von „Zuwendungen“ im Sinne des Gesetzes geben, die keine direkte Koppelung mit dem Warenabsatz aufweisen und daher nur Imagewerbung darstellen. Dagegen sind die hier in Rede stehenden Barrabatte immer produktbezogene Werbung, weil sie notwendigerweise unmittelbar mit dem Absatz der Ware in Zusammenhang stehen. Die abweichende Auffassung, wonach nur Rabatte auf bestimmte oder abgegrenzte Teile des Sortiments produktbezogene Werbung darstellten, während Rabatte auf das Gesamtsortiment als unternehmensbezogene Werbung einzustufen seien, ist auch mit Sinn und Zweck der Regelung nicht zu vereinbaren. Denn es gibt keinen überzeugenden Grund, den vom Gesetzgeber im Bereich der Heilmittelwerbung als grundsätzlich unerwünscht angesehenen Anreiz einer Wertreklame gerade dann hinzunehmen, wenn diese Wertreklame besonders großflächig ausgeübt wird.
Mit zutreffenden Gründen ist das Landgericht weiter davon ausgegangen, dass zu den „Zuwendungen“ im Sinne von § 7 Abs. 1 HWG auch Barrabatte gehören (ebenso OLG Hamburg WRP 04, 790; OLG Düsseldorf a.a.O.; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.02.2005 – 2 U 143/04). Für diese Auslegung spricht bereits, dass von Barrabatten unter dem Gesichtspunkt der – vom Gesetzgeber im Heilmittelbereich als grundsätzlich unerwünscht angesehenen – Wertreklame die gleiche Wirkung ausgeht wie von sonstigen Werbegaben; unter § 7 Abs. 1 HWG fallen daher unentgeltliche Vergünstigungen aller Art (vgl. allgemein hierzu BGH WRP 03, 886 – Kleidersack). Zum anderen ergibt sich aus der ausdrücklichen Erwähnung des „auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrages“ in der Ausnahmevorschrift des § 7 Abs. 1 Ziffer 2b HWG, dass auch Preisnachlässe zum Begriff der „Zuwendung“ gehören, da ansonsten die Ausnahmevorschrift ins Leere ginge.
Aus der dargestellten Auslegung von § 7 Abs. 1 HWG folgt zwar, dass die Gewährung von Barrabatten im Heilmittelbereich nunmehr stärkeren Beschränkungen unterliegt, als es vor der Aufhebung des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung der Fall war. Diese Konsequenz entspricht jedoch – wie das Landgericht unter Hinweis auf die überzeugenden Ausführungen in der Entscheidung des OLG Düsseldorf (a.a.O.) zu dieser Frage ausgeführt hat – der im Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck gebrachten Intention des Gesetzgebers.
Ohne Erfolg beruft sich die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang darauf, dass die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für Hörgeräte nur in Höhe bundeseinheitlicher Festbeträge erstatten. Die Vorschrift des § 7 HWG gilt nach ihrem insoweit eindeutigen Wortlaut unabhängig davon, welche Erstattungsmodalitäten für die betroffenen Heilmittel gelten.
Es ist auch keiner der Ausnahmetatbestände des § 7 Abs.1 HWG erfüllt; insbesondere liegt kein Fall der Belieferung eines anderen als eines Endverbrauchers mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln – sondern ein Fall der Belieferung eines Endverbrauchers mit einem Medizinprodukt – vor, weshalb die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 2 HWG nicht erfüllt sind.
Die Voraussetzungen eines Wettbewerbsverstoßes nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG sind ebenfalls erfüllt. Die Vorschriften des HWG stellen grundsätzlich Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG dar, da sie typischerweise auch dem Schutz der Verbraucher dienen; dies gilt auch für § 7 HWG (vgl. Baumbach/Hefermehl-Köhler, Rdz. 11.135 zu § 4). Im Hinblick auf den mit dem Heilmittelwerbegesetz verfolgten Schutz der Gesundheit der Verbraucher ist auch die Bagatellgrenze des § 3 UWG überschritten.
Die durch den Wettbewerbsverstoß begründete Wiederholungsgefahr ist nicht allein dadurch entfallen, dass die konkret beworbene Rabattaktion beendet ist. Es besteht die Möglichkeit, dass die Antragsgegnerin künftig vergleichbare Werbemaßnahmen aus anderen Anlässen erneut durchführt. Da sich die Wiederholungsgefahr auf solche im Kern mit der konkreten Verletzungshandlung vergleichbare Verhaltensweisen erstreckt, ist die von der Antragsgegnerin aus Anlass des 25-jährigen Geschäftsjubiläums verwendete Werbebroschüre im Unterlassungstenor nur beispielhaft erwähnt.