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Landgericht Gießen Beschluss vom 04.08.2014 - 7 Qs 26/14 - Strafbarkeit des Admin-C eines Erotik-Portals wegen Beihilfe

LG Gießen v. 04.08.2014: Strafbarkeit des Admin-C eines Erotik-Portals wegen Beihilfe


Das Landgericht Gießen (Beschluss vom 04.08.2014 - 7 Qs 26/14) hat entschieden:
Die Strafbarkeit des Admin-C eines Erotik-Portals, auf dem ohne ausreichendes Altersverifikationssystem pornographische Internetseiten verlinkt werden, setzt einen doppelten Gehilfenvorsatz voraus. Daran mangelt es, wenn der Admin-C Beanstandungen an den Domaininhaber weiterleitet und ihn zur Abhilfe auffordert. Eine Pflicht zur Überprüfung der Beseitigung der Rechtsverletzung besteht nicht.




Siehe auch Der Admin-C bei der Denic und Pornografie / Altersverifikation


Gründe:

Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere innerhalb der Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO beim Amtsgericht Gießen eingelegt worden. In der Sache hat das Rechtsmittel allerdings keinen Erfolg.

Das Amtsgericht hat die Eröffnung des Hauptverfahrens im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Es besteht – auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens – kein hinreichender Verdacht (§ 203 StPO), dass der Angeschuldigte die ihm zur Last gelegte Tat begangen hat. Eine Verurteilung wegen Beihilfe zur Verbreitung pornographischer Schriften (§§ 184 Abs. 1 Nr. 2, 184d, 27 StGB) ist nach dem gesamten Akteninhalt bei vorläufiger Tatbewertung nicht wahrscheinlich.

1.

Es liegen zwar die Voraussetzungen einer vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat vor. Die Domaininhaberin ist hinreichend verdächtig, sich der Verbreitung pornographischer Schriften (§§ 184 Abs. 1 Nr. 2, 184d, 13 StGB) strafbar gemacht zu haben.

Gemäß der von der Zeugin … am 12.04.2011 vorgenommenen Prüfung und der durch Screen-​Cam-​Verfahren gefertigten Dokumentation sind über die von der Domaininhaberin … betriebene Internetseite … die Seiten … und … verlinkt. Auf diesen Seiten ist es wiederum möglich, Bilder anzuschauen, bei denen sexuelle Handlungen wie Fellatio sowie vaginale und anale Penetration in aufdringlicher, vergröbernder Weise in den Vordergrund treten und die Darstellerinnen zum bloßen (auswechselbaren) Objekt geschlechtlicher Begierde oder Betätigung gemacht werden.

Hinzu kommt, dass die Angebote ohne effektive Barriere durch Minderjährige angesehen werden konnten. Der Zugangscode wurde über das Telefon vergeben. Die Bezahlung erfolgt unter anderem über die Telefonrechnung.

Die Domaininhaberin der Internetseite … hat sich die verlinkten Angebote auch zu Eigen gemacht. Im sogenannten …tag wird die Seite wie folgt beschrieben: "… das große Online Portal rund um das Thema Erotik. Anal Sex, Oral Sex. Porno, Gay, Titten, Amateure, Fetisch und vieles mehr mit Bildern, Videos und Downloads. Kostenlos und ohne Anmeldung!" Unter dem Link "…" findet sich zudem eine Werbeplatz-​und Preisübersicht. Es werden verschiedene Bannergrößen und -plätze gezeigt. Außerdem wird dem interessierten Kunden angeboten, die Werbemittelgestaltung zu übernehmen. Der Beschreibung zur Preisliste Online-​Werbung lässt sich ferner entnehmen, dass die Internetseite … permanent gepflegt und aufwendig redaktionell bearbeitet wird. Hinzu kommt, dass sich die Website nicht auf eine bloße Auflistung von Links beschränkt, sondern die zu erreichenden Inhalte durch große und bebilderte, teilweise den Bildschirm ausfüllende Werbebanner angepriesen und beschrieben hat. Unter Beachtung der Gesamtumstände ist somit das zu Eigenmachen der verlinkten Inhalte durch Empfehlung, redaktionelle Bearbeitung sowie bewusste Auswahl-​und Kontrollentscheidung anzunehmen (VG Karlsruhe, Urt. v. 25.07.2012 – 5 K 3496/10, Juris Rn. 36, Schönke/Schröder/Eisele, 29. Auflage, § 184 StGB Rn. 82).

Nach entsprechender Mitteilung durch den Angeschuldigten war die Domaininhaberin wegen ihrer Garantenstellung aus Gewährsübernahme zudem dazu verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass entsprechende Altersverifikationssysteme eingerichtet werden bzw. die Verlinkung zu den Seiten … und … aufgehoben wird. Ein solches Vorgehen war möglich und zumutbar.

Auf die beschriebene Haupttat (§§ 184 Abs. 1 Nr. 2, 184d, 13 StGB) ist gemäß § 3 i. V. m. § 9 Abs. 1 Alt. 2 StGB deutsches Strafrecht anwendbar. Die Internetseite … wird, wie auch die Seiten … und …, bei dem deutschen Provider … gehostet. Die Daten werden also in Deutschland gespeichert und zugänglich gemacht, so dass der Erfolgsort im Inland liegt (Fischer, 61. Auflage, § 9 StGB, Rn. 7 ff.).

2.

a) Nach Aktenlage ist der Angeschuldigte auch hinreichend verdächtig, die Domaininhaberin hinsichtlich des Verbreitens pornographischer Schriften unterstützt zu haben, indem er es nach Zugang der durch … verfassten Schreiben vom 07.12.2010 und 10.01.2011 unterließ, seine Stellung als Admin-​C aufzugeben oder den Domainvertrag zu kündigen.

Auch ist in diesem Zusammenhang von einer Garantenstellung und einer damit verbundenen Pflicht zum Tätigwerden des Angeschuldigten auszugehen. Diese ergibt sich zwar nicht automatisch aus der Funktion und Aufgabenstellung als Admin-​C. Nach den Regelungen der …, denen sich die Funktion des Admin-​C entnehmen lässt, ist allein die Domaininhaberin gehalten, Verletzungen von Rechten Dritter zu vermeiden, während sich der Aufgabenbereich des Admin-​C auf die Erleichterung der administrativen Durchführung des Domainvertrags gegenüber dem Domaininhaber beschränkt (BGH, Urt. v. 09.11.2011-​I ZR 150/09, Juris Rn. 54, zur zivilrechtlichen Störerhaftung). Die Garantenstellung folgt jedoch nach den Umständen des Falles daraus, dass es der Angeschuldigte übernommen hat, administrativer Ansprechpartner für ein Erotikportal zu sein, und für ihn der Rechtsverstoß aufgrund der Mitteilung durch … offenkundig und unschwer zu erkennen war (vgl. BGH, a.a.O., Juris Rn. 57 m. w. N. und BGH, Urt. v. 13.12.2012 – I ZR 150/11, Juris Rn. 20).

b)

Im Ergebnis fehlt es jedoch an dem für eine Strafbarkeit des Angeschuldigten notwendigen (doppelten) Gehilfenvorsatz. Der Gehilfe muss einerseits die Hilfeleistung mit mindestens bedingtem Vorsatz hinsichtlich ihrer Förderungswirkung für die Haupttat erbracht haben. Andererseits muss der Gehilfenvorsatz auch die Vollenddung der Haupttat umfassen, mag dem Gehilfen auch der Eintritt des Erfolges an sich unerwünscht sein (vgl. Schönke/Schröder – Heine/Weißer, 29. Auflage, § 27 Rn. 28). Der doppelte Gehilfenvorsatz ist danach anzunehmen, wenn der Gehilfe neben der deliktischen Verwendung seiner Unterstützungsleistung auch die wesentlichen Merkmale der Haupttat erkennt und den für die Verwirklichung der Haupttat erforderlichen Vorsatz des Haupttäters zumindest billigend in Kauf nimmt (Fischer, a.a.O., § 27 StGB, Rn. 22).

Von einem solchen Vorsatz des Angeschuldigten ist allerdings aufgrund der diesem nach Aktenlage vorliegenden Informationen nicht auszugehen. Der Angeschuldigte hat das Schreiben von … vom 10.01.2011 unverzüglich an die Domaininhaberin übersandt und darum gebeten, die Domain … zu überprüfen, das Schreiben an die Inhaber der verlinkten Seiten weiterzuleiten und diese gegebenenfalls zu Änderungen aufzufordern. Er hat damit deutlich gemacht, dass ihm an der Beendigung des von … festgestellten rechtswidrigen Zustandes gelegen war. Nach seiner Einlassung wurde ihm seitens des für die Inhalte verantwortlichen Domain-​Betreibers auch zugesichert, das gesamte Angebot von … auch im Hinblick auf die durch … aufgeworfenen Fragen zu überarbeiten.

Dass der Angeschuldigte im weiteren Verlauf mit einer Untätigkeit der Domaininhaberin gerechnet und den damit verbundenen fortdauernden Rechtsverstoß billigend in Kauf genommen hat, wird ihm indes nicht nachgewiesen werden können. Der Angeschuldigte ist nach dem 10.01.2011 (Schreiben von …) erstmals wieder im laufenden Ermittlungsverfahren (am 07.11.2011) mit den Tatvorwürfen konfrontiert worden. Nach Aktenlage gibt es auch keine Anhaltspunkte, die auf eine dem Angeschuldigten bekannte Unzuverlässigkeit der Domainverantwortlichen hinweisen. Dementsprechend bestand für ihn auch keine Verpflichtung, die Beseitigung der Rechtsverletzung aktiv zu überwachen. Es fehlt insoweit an den die Prüfpflicht des Admin-​C begründenden besonderen gefahrerhöhenden Umständen (vgl. BGH, Urt. v. 13.12.2012 – I ZR 150/11, Juris Rn. 20).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 2 Satz 1 StPO.



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