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Verwaltungsgericht München Urteil vom 14.03.2011 - M 16 K 11.875 - Begriff der gewerblichen Niederlassung
VG München v. 14.03.2011: Zum Begriff der gewerblichen Niederlassung gem. § 4 Abs. 3 Gewerbeordnung
Das Verwaltungsgericht München (Urteil vom 14.03.2011 - M 16 K 11.875) hat entschieden:
Der zum 28. Dezember 2009 in Kraft getretene § 4 Abs. 3 GewO dient der Umsetzung der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. v. 27.12.2006, L 376/36 (nachfolgend Dienstleistungsrichtlinie), vgl. BR-Drs. 249/09, S. 11 und 17ff. Konkret sollte damit das gemeinschaftsrechtliche Begriffsverständnis von „Niederlassung“ ins nationale Recht überführt werden. Gemäß Art. 4 Nr. 5 Dienstleistungsrichtlinie ist „Niederlassung“ die tatsächliche Ausübung einer von Artikel 43 des Vertrags erfassten wirtschaftlichen Tätigkeit durch den Dienstleistungserbringer auf unbestimmte Zeit und mittels einer festen Infrastruktur, von der aus die Geschäftstätigkeit der Dienstleistungserbringung tatsächlich ausgeübt wird.
Siehe auch Impressum und Unternehmereigenschaft - Gewerbe
Tatbestand:
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid, mit welchem der Beklagte der Klägerin die weitere Ausübung ihres Gewerbes „An- und Verkauf von Edelmetallen“ in den Betriebsräumen eines Sonnenstudios untersagte.
Die Klägerin hat am 11. Januar 2010 unter der Adresse eines Sonnenstudios eine unselbständige Zweigstelle für den An- und Verkauf von Edelmetallen angemeldet, wobei sie im vorliegenden Fall wie auch allgemein folgendes Geschäftsmodell verfolgt:
Die Klägerin mietet Teilflächen in anderweitig gewerblich genutzten Räumen an und betreibt ihr Gewerbe von diesen - ihrer Ansicht nach - unselbständigen Zweigstellen aus. Die jeweiligen Betriebsstätten hält sie dabei nicht dauerhaft geöffnet sondern nur an bestimmten Zeiträumen im Jahr.
Vorliegend hat die Klägerin mit dem Betreiber des ...-Sonnenstudios einen Untermietvertrag über eine Fläche von 10m² innerhalb des Sonnenstudios geschlossen. Der An- und Verkauf von Edelmetall findet dabei jedoch nicht durchgehend, sondern innerhalb von zwei Zeiträumen von je drei Monaten, jeweils von Donnerstag bis Samstag (nachfolgend Ankaufstage) statt. Die konkreten Ankaufstage werden jeweils kurz zuvor in der lokalen Presse durch Anzeigen bekannt gemacht und beworben.
Zu den Öffnungstagen reist ein Ankäufer der Klägerin mitsamt erforderlichen Utensilien (Werkzeug, Waage, Salpetersäure) an. Ein Tisch sowie zwei Stühle befinden sich nach Angabe der Klägerin dauerhaft im Sonnenstudio. An den jeweiligen Ankaufstagen wird ein Werbeaufsteller vor dem Sonnenstudio aufgestellt, der auf den Ankauf hinweist und auch die Adresse der Klägerin enthält (vgl. Blatt 13 Behördenakte ). Ein unabhängig von den Ankaufstagen dauerhaft am Sonnenstudio angebrachter Hinweis auf die Klägerin war zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses nicht vorhanden. Ein solcher Hinweis wurde erst nach dem 4. März dauerhaft angebracht, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist.
Aufgrund einer Anzeige der Klägerin im ... Tagblatt vom ... Januar 2011, in der die Ankaufstage vom ... bis zum ... Januar 2011 beworben wurden, führten Mitarbeiter des Landratsamts ... am ... Januar 2011 eine Nachschau in dem Sonnenstudio durch. Dabei trafen sie einen Mitarbeiter der Klägerin an, der als Ankäufer im Namen der Klägerin vor Ort tätig war. Nachdem der Mitarbeiter der Klägerin keine Reisegewerbekarte vorweisen konnte, forderten die Mitarbeiter des Landratsamts ... ihn auf, den Ankauf an den geplanten Ankaufstagen zu unterlassen.
Mit Schreiben vom ... Januar 2011 wandte sich der Bevollmächtigte der Klägerin an den Beklagten und erhob Widerspruch gegen die getroffene Maßnahme. Nach wechselseitiger, schriftlicher wie telefonischer Korrespondenz erließ der Beklagte schließlich am ... Februar 2011 den streitgegenständlichen Bescheid, mit dem er der Klägerin die Ausübung der Tätigkeit „An- und Verkauf von Edelmetallen“ in den Betriebsräumen des ...-Sonnenstudios in der ...straße ... in ... untersagte (Nummer 1 des Tenors des Bescheids) und diesbezüglich die sofortige Vollziehung anordnete (Nummer 2 des Tenors des Bescheids). Für den Fall der Zuwiderhandlung drohte der Beklagte der Klägerin außerdem ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,- € an (Nummer 3 des Tenors des Bescheids).
Den auf § 60d, 55 Abs. 2, 56 Abs. 1 Nr. 2a Gewerbeordnung gestützten Bescheid begründete der Beklagte unter Bezugnahme auf verschiedene Gerichtsentscheidungen wie folgt:
Die Klägerin betreibe entgegen der Vorschrift des § 56 Abs. 1 Nr. 2a GewO den An- und Verkauf von Edelmetallen im Reisegewerbe. Die Klägerin betreibe ihr Gewerbe ohne vorhergehende Bestellung außerhalb ihrer gewerblichen Niederlassung im Sinne des § 55 Abs. 2 GewO. In dem Sonnenstudio befänden sich insbesondere keine festen Einrichtungen für den An- und Verkauf von Edelmetallen.
Aufgrund der lediglich zeitweisen Anwesenheit eines Mitarbeiters an der Betriebsstätte bestünde nur eine eingeschränkte Möglichkeit für Kunden zur Kontaktaufnahme, was gerade eine der Gefahren im Reisegewerbe darstelle, der durch die Vorschriften der Gewerbeordnung vorgebeugt werden solle.
Hiergegen hat die Klägerin über ihren Bevollmächtigten am 17. Februar 2011 Klage erhoben und beantragt,
den am 16.02.2011 zugestellten Bescheid des Beklagten vom ....02.2011 zu Aktenzeichen ... aufzuheben.
Ihre Klage begründet die Klägerin wie folgt:
Es sei bei der Klägerin üblich und auch wirtschaftlich geboten, eine Zweigstelle nach einer über mehrere Wochen laufenden Ankaufsaktion eine gewisse Zeit ruhen zu lassen. Von einem kurzzeitigen Aufenthalt für eine sporadische Aktion könne gleichwohl beim besten Willen nicht die Rede, da die Klägerin eine Filiale immer für einen Zeitraum von mehreren Wochen offen halte. Insofern unterscheide sich das Geschäftsmodell der Klägerin auch von den im Bescheid des Beklagten zitierten (ober)gerichtlich entschiedenen Fällen.
Soweit die Beklagte auf die besonderen Gefahren des Reisegewerbes abstelle sei man von der Realsatire nicht mehr weit entfernt, da das Vermögen der Verbraucher durch die Schieflagen der öffentlichen Haushalte, Schieflagen zahlreicher Staaten und Banken, Versagen der Aufsichtsgremien und -Behörden in Hinblick auf die Banken, den Euro-„Rettungsschirm“ und weitere von der Politik und Banken zu vertretenden Dingen weitaus mehr gefährdet seien als durch Ankäufer von Altedelmetallen und durch die Klägerin schon zweimal nicht.
Der Beklagte schränke mit seiner Anordnung die Gewerbefreiheit der Klägerin übermäßig ein und verkenne, dass es nicht seiner Regelung oder Beurteilung obliege, wann und wie lange der Geschäftsinhaber sein Geschäft jeweils geöffnet halte.
Die mündliche Verhandlung hat am 14. März 2011 stattgefunden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig ergangen und verletzt die Klägerin demnach nicht in eigenen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO. Die Klage war daher abzuweisen.
Der Beklagte hat seinen Bescheid zu Recht auf § 60d GewO gestützt, da die Klägerin ein Reisegewerbe betreibt (dazu nachfolgend unter I.), innerhalb dessen Sie unter Verstoß gegen § 56 Abs. 1 Nr. 2a GewO Edelmetall ankauft (dazu nachfolgend unter II.).
I.
Die Klägerin betreibt ein Reisegewerbe im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 GewO, da sie ohne vorhergehende Bestellung (dazu nachfolgend unter 1.) außerhalb ihrer gewerblichen Niederlassung (dazu nachfolgend unter 2.) Waren ankauft. Dass sie dabei gewerbsmäßig handelt ist ohne weiteres zu bejahen und auch zwischen den Parteien unstreitig.
1. Das Handeln ohne vorherige Bestellung als erstes Merkmal der Bestimmungsnorm des § 55 Abs. 1 GewO liegt beim von der Klägerin betriebenen Gewerbe vor.
Das für das Reisegewerbe typische Merkmal drückt aus, dass die Initiative zum Ansprechen des Kunden von dem Reisegewerbetreibenden ausgeht. Wird er zuvor vom Kunden bestellt, so liegt kein Reisegewerbe vor, auch wenn die bestellten Tätigkeiten tatsächlich „reisend“ ausgeübt werden; in diesem Fall greifen insoweit als Auffangtatbestand die Bestimmungen über das stehende Gewerbe ein. Erforderlich für eine Bestellung durch den Kunden ist daher grundsätzlich eine von diesem ausgehende und an den Gewerbetreibenden gerichtete Aufforderung zu hinreichend bestimmten Vertragsverhandlungen (vgl. Schönleiter, in: Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, Stand 57. EL - 2010, § 55, Rn. 30; Korte, in: Friauf, Kommentar zur Gewerbeordnung, Stand Februar 2011, § 55, Rn. 96; OLG Frankfurt v. 26.11.2010, Az. 25 U 65/09 juris; VGH BW v. 29.4.1997, Az. 14 S 1280/96 juris). Die vorhergehende Bestellung ist nicht notwendigerweise eine Willenserklärung, sondern kann auch eine tatsächliche geschäftsähnliche Handlung sein, die vom Kunden schriftlich oder mündlich, insbesondere auch telefonisch, im Einzelfall sogar stillschweigend - wenn sich das aus den vorhergehenden Geschäftsbeziehungen ergibt - abgegeben werden kann (Schönleiter, a.a.O., § 55, Rn. 31). Insoweit typische Fälle der fehlenden vorherigen Bestellung sind der Straßenhändler oder der ungebeten an der Haustür erscheinende Verkäufer.
In einzelnen zivil- wie auch verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zu vergleichbaren Fällen wurde das Vorliegen einer vorherigen Bestellung bejaht.
So vertrat das LG Kassel in seiner Entscheidung die Ansicht, dass die eigentliche Initiative zum Ankauf von einzelnen Personen aus dem durch die Werbung angesprochenen Adressatenkreis, ausgehe. Begebe sich ein Kunde hierauf zum Unternehmer, so sei gegenüber einer (einfachen) Bestellung darin sogar ein „Mehr“ zu erblicken (LG Kassel v. 6.3.2009, Az. 12 O 4197/08). Mit ähnlichen Argumenten bezweifelt auch das Oberverwaltungsgericht des Landes Thüringen das Vorliegen des Merkmals „ohne vorherige Bestellung“. In seiner (Eil)Entscheidung kam das Gericht unter Heranziehung der zivilgerichtlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Haustürgeschäften zu dem Ergebnis, dass bei einer am Schutzzweck des § 55 Abs. 1 GewO und des darin enthaltenen Tatbestandsmerkmals „ohne vorhergehende Bestellung“ orientierten Würdigung der dort inmitten stehenden Umstände es durchaus nicht fernliegend erscheine, dass nach eingehender Prüfung in einem Hauptsacheverfahren das Vorliegen dieses Tatbestandmerkmals zu verneinen sein könnte. Der Edelmetallankauf unterscheide sich schon wegen des Handelsgegenstands erheblich von vielen anderen im Reisegewerbe getätigten Geschäften. Im Vergleich zu anderen Händlern mit einer temporären An- und Verkaufsstelle außerhalb ihrer gewerblichen Niederlassung dürfte es im Falle des Goldverkaufs durch den Kunden höchst selten vorkommen, dass dieser plötzlich und unvorbereitet mit der Verkaufssituation konfrontiert werde (OVG Thüringen v. 1.7.2010, Az. 3 EO 876/10 juris).
Das Geschäftsmodell zum Ankauf von Edelmetall wie es die Klägerin verfolgt, erfüllt das Merkmal „ohne vorherige Bestellung“. Die vorstehend dargestellten Bedenken gegen die Annahme dieses Merkmals in Fällen wie dem vorliegenden teilt das Gericht nicht.
Zunächst überzeugt schon nicht der Ansatz des LG Kassel, wonach es das Aufsuchen eines Unternehmers durch einen Kunden sogar als „Mehr“ gegenüber einer Bestellung zu werten sei. Das Merkmal der Bestellung ist nicht schon bei jedem Zugehen des (späteren) Kunden auf den Gewerbetreibenden erfüllt. Das LG Kassel verkennt, dass das Merkmal der fehlenden vorherigen Bestellung nicht erst dann gegeben ist, wenn der Gewerbetreibende gewissermaßen plötzlich und unerwartet an der Tür des Kunden klingelt oder ihn auf der Straße gewissermaßen überfallartig anspricht. Es reicht vielmehr aus, dass die - nicht notwendigerweise überfallartige - Initiative zur Geschäftsanbahnung vom Gewerbetreibenden ausgeht (Schönleiter, a.a.O., § 55, Rn. 30). Das Merkmal „ohne vorherige Bestellung“ dürfte denn auch auf die überwiegenden Zahl der in Deutschland getätigten Geschäftsabschlüsse zutreffen. Schließlich ist anerkannt, dass die Präsentation von Waren im Schaufenster eines Ladengeschäfts als sog. invitatio ad offerendum anzusehen ist, also als vom Gewerbetreibenden ausgesprochene Einladung an den Kunden, mit ihm in Vertragsverhandlungen zu treten (vgl. statt vieler Bork, in: Staudinger, BGB, § 145, Rn. 7 m.w.N. aus Rechtsprechung und Literatur). Dass diese Fälle regelmäßig gleichwohl kein Reisegewerbe darstellen, liegt daran, dass der Kunde mit dem Ladengeschäft regelmäßig eine gewerbliche Niederlassung im Sinne des §§ 55 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 3 GewO betritt. Demnach ist jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, in denen der (spätere) Kunde aufgrund entsprechender Werbeanzeigen oder Werbeaufstellern das Geschäftslokal des Gewerbetreibenden betritt, um sich nach den beworbenen Angeboten zu erkundigen, das Merkmal „ohne vorherige Bestellung“ ohne weiteres erfüllt (so auch OLG Frankfurt v. 26.11.2010, Az. 25 U 65/09;VG Meiningen v. 14.7.2009, Az. 5 K 196/09 Me; VG Hannover v. 1.7.2010, Az. 11 B 5107/09; VG Minden v. 25.3.2009, Az. 3 K 224/09 alle Entscheidungen in juris).
Die Frage, ob ein Reisegewerbe vorliegt, hängt daher im vorliegenden Falle maßgeblich davon ab, ob die Klägerin außerhalb ihrer gewerblichen Niederlassung oder ohne eine solche zu haben tätig wurde.
2. Es kann dahinstehen, ob der Sitz der Klägerin in ... als deren gewerbliche Niederlassung anzusehen ist. Jedenfalls stellt die von der Klägerin angemietete Fläche in den Räumen des ...-Sonnenstudios in ... keine gewerbliche Niederlassung im Sinne des § 55 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 3 GewO dar.
§ 55 Abs. 1 GewO enthält selbst keine Definition der gewerblichen Niederlassung, sondern verweist hierfür auf die Begriffsbestimmung des § 4 Abs. 3 GewO. Danach besteht eine Niederlassung, wenn eine selbständige gewerbsmäßige Tätigkeit auf unbestimmte Zeit und mittels einer festen Einrichtung von dieser aus tatsächlich ausgeübt wird.
Der zum 28. Dezember 2009 in Kraft getretene § 4 Abs. 3 GewO dient der Umsetzung der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. v. 27.12.2006, L 376/36 (nachfolgend Dienstleistungsrichtlinie), vgl. BR-Drs. 249/09, S. 11 und 17ff. Konkret sollte damit das gemeinschaftsrechtliche Begriffsverständnis von „Niederlassung“ ins nationale Recht überführt werden. Gemäß Art. 4 Nr. 5 Dienstleistungsrichtlinie ist „Niederlassung“ die tatsächliche Ausübung einer von Artikel 43 des Vertrags erfassten wirtschaftlichen Tätigkeit durch den Dienstleistungserbringer auf unbestimmte Zeit und mittels einer festen Infrastruktur, von der aus die Geschäftstätigkeit der Dienstleistungserbringung tatsächlich ausgeübt wird.
Bis zum 27. Dezember 2009 enthielt § 42 Abs. 2 GewO eine Definition des Niederlassungsbegriffs, welche voraussetzte, dass der Gewerbetreibende im Geltungsbereich dieses Gesetzes einen zum dauernden Gebrauch eingerichteten, ständig oder in regelmäßiger Wiederkehr von ihm benutzten Raum für den Betrieb seines Gewerbes besitzt.
Sowohl normtextlich wie auch systematisch fällt auf, dass die Definition des Niederlassungsbegriffs nicht mehr in erster Linie ordnungspolitisch motiviert ist - § 42 Abs. 2 GewO a.F. diente praktisch allein der Abgrenzung des stehenden vom Reisegewerbe -, sondern nunmehr dem gemeinschaftsrechtlichen Harmonisierungsgedanken folgend vorwiegend integrationspolitischen Erwägungen dient (Korte, a.a.O., § 4, Rn. 54).
Auch wenn aber nach neuem Recht kein „Raum“ mehr gefordert ist, ändert sich im Ergebnis nichts. Schon die zur früheren Rechtslage ergangene Rechtsprechung und Literatur ging nicht davon aus, dass „Raum“ das Vorhandensein eines von Wänden umschlossenen Ortes oder gar eine eigenständige bauliche Anlage erfordert (vgl. Korte, a.a.O., § 55, Rn. 75 f.). Der Begriff der „Einrichtung“ in § 4 Abs. 3 GewO - mit dem der deutsche Gesetzgeber offensichtlich lediglich das in der Dienstleistungsrichtlinie synonym gebrauchte Fremdwort „Infrastruktur“ vermeiden wollte - stellt insofern sogar klar, dass es mehr auf die - ganzheitlich zu verstehende - Einrichtung als auf den Raum als solchen ankommt. Ähnlich verhält es sich mit der zeitlich-frequentiellen Komponente. § 4 Abs. 3 GewO fordert eine Tätigkeit (von der Einrichtung aus) auf unbestimmte Zeit und nicht mehr wie früher § 42 Abs. 2 GewO a.F., dass der Raum zum dauernden Gebrauch eingerichtet sein und ständig oder in regelmäßiger Wiederkehr genutzt werden muss. Die aktuelle Formulierung bringt im Ergebnis das zum Ausdruck, was auch schon unter Geltung des § 42 Abs. 2 GewO a.F. Stand der Rechtsprechung und Literaturmeinung war. § 4 Abs. 3 GewO steht daher einer Tätigkeit regelmäßigen Öffnung nur an einzelnen Tagen dem Grunde nach nicht entgegen, eine von vornherein nur für wenige Tage geöffneten Betriebsstätte erfüllt dagegen auch weiterhin nicht den Niederlassungsbegriff. Die von Korte (a.a.O., § 55, Rn. 78 ff. und 86 ff.) zu § 42 Abs. 2 GewO a.F. aufgeführten Beispiele lassen sich ohne weiteres auch im Rahmen des § 4 Abs. 3 GewO zu gleichen Ergebnissen führen.
Auch wenn sich daher im Zusammenhang mit dem Begriff der Niederlassung eine gewisse - vorwiegend in grenzüberschreitenden Zusammenhängen ggf. relevant werdende - semantische Verschiebung feststellen lässt, sind für den vorliegenden Fall die schon bislang für den Niederlassungsbegriff entwickelten Grundsätze anwendbar (vgl. Schönleiter, GewArch 2009, 384 ff.).
Dies zugrunde gelegt übt die Klägerin ihre gewerbliche Tätigkeit nicht von einer Niederlassung im Sinne des § 4 Abs. 3 GewO aus, da es insofern an der festen Einrichtung auf unbestimmte Zeit fehlt.
Der Annahme einer festen Einrichtung steht jedoch nicht grundsätzlich entgegen, dass die Klägerin über kein eigenes Ladenlokal verfügt, sondern nur eine Teilfläche von 10m² in einem Sonnenstudio angemietet hat. Diese genügt der allgemein geforderten Voraussetzung eines fest mit einem bestimmten Grundstück verbundenen örtlichen Fixpunktes gleich ob in einem geschlossenen Raum oder unter freiem Himmel (Korte, a.a.O., § 55, Rn. 75). Damit ist der unbestimmte Rechtsbegriff der „Niederlassung“ jedoch noch nicht insgesamt erfüllt. Die Ausübung einer „Tätigkeit auf unbestimmte Zeit und mittels einer festen Einrichtung von dieser aus“ im Sinne des Gesetzes setzt nämlich insbesondere auch voraus, dass die Einrichtung am Ort der Niederlassung dauerhaft einen regelmäßigen Geschäftsbetrieb ermöglicht. Bei einem Handel mit Edelmetall müssen hierfür - auch außerhalb der Öffnungszeiten - insbesondere notwendige Gegenstände wie Waage, Prüfmaterialien und sonstige Werkzeuge vorgehalten werden (so auch VG Meiningen v. 14.7.2009, Az. 5 K 196/09 Me; OLG Celle v. 9.12.1987, Az. 13 U 70/87 beide juris; Korte, a.a.O., § 55 Rn. 81).
Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Die Klägerin hat ausweislich der Niederschrift in der mündlichen Verhandlung auf Frage des Gerichts angegeben, dass dauerhaft nur ein Tisch und zwei Stühle vorhanden sind und alles Übrige, insbesondere Waage, Werkzeug und Salpetersäure vom Ankäufer jeweils mitgebracht werden. Außerhalb der Ankaufstage bleiben daher nur ein Tisch und zwei Stühle zurück, jedoch keinerlei geschäftsspezifische Infrastruktur. Dies reicht für einen regelmäßigen Geschäftsbetrieb jedoch nicht aus (Korte, a.a.O., § 55, Rn. 82).
Hinzu kommt, dass somit auch für Kunden außerhalb der Ankaufstage nicht zu erkennen ist, ob an dem Standort überhaupt noch oder jemals wieder Geschäftstätigkeit entfaltet wird. Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses war am Sonnenstudio kein fester Hinweis auf die Klägerin, auf ihre Geschäftstätigkeit und ebenso wenig auf künftige Ankaufstage angebracht. Auch die jeweils zuvor von der Klägerin geschalteten Werbeanzeigen bewarben nur die jeweils unmittelbar bevorstehenden Ankaufstage und gaben nicht etwa sämtliche Termine im Jahr bekannt. Ein unbefangener Beobachter könnte den Tisch und die zwei Stühle ohne weiteres auch als Ausstattung des Sonnenstudios verstehen.
Bei dem konkret von der Klägerin betriebenen Geschäftsmodell fehlt es auch an einer Tätigkeit auf unbestimmte Zeit. Zwar gibt die Klägerin an, stets über mehrere Wochen am Stück eine Filiale geöffnet zu halten. Tatsächlich finden die Ankaufstage nur jeweils von Donnerstag bis Samstag statt, wobei sich erst bei der Rückschau über ein Jahr gegebenenfalls feststellen ließe, ob die Ankaufstage nach einem bestimmten System oder willkürlich stattfinden. Selbst wenn man aber annimmt, dass die Klägerin bei der Veranstaltung der Ankaufstage unternehmensintern ein festes System verfolgt, so tritt dies nicht nach außen hin in Erscheinung. Dies widerspricht dem gewerberechtlich verfolgten Schutz der Kunden, die - ebenso wie die Behörden - einer gewissen Kontinuität in der Erreichbarkeit versichert sein sollen. Die Möglichkeit eines Treffens allein aufgrund einer besonderen Vereinbarung oder die aus der Sicht des Kunden zeitlich willkürliche oder zufällige Benutzung von Geschäftsräumen mit unüblichen Unterbrechungen genügt jedoch nicht (Korte, a.a.O., § 55, Rn. 88; VG Minden v. 25.3.2009, Az. 3 K 224/09 juris). Hinzu kommt, dass für die Bejahung der zeitlichen Komponente in Fällen wie dem vorliegenden regelmäßig zu fordern ist, dass ein mittel- bis langfristiger Vertrag über die Nutzung der beanspruchten Grundfläche besteht (Korte, a.a.O., § 55, Rn. 78; Schönleiter, a.a.O., § 55, Rn. 46). Vorgelegt hat die Klägerin einen Untermietvertrag mit einer Laufzeit von (zunächst) nur einem Jahr, in dem im Übrigen festgeschrieben ist, dass der Ankauf mindestens 2 mal drei Monate im Jahr, jedenfalls aber in Absprache mit den betrieblichen Notwendigkeiten des Vermieters durchgeführt wird.
Im Ergebnis rechtfertigen es all diese Aspekte nach Überzeugung des Gerichts nicht, im vorliegenden Fall eine Tätigkeit auf unbestimmte Zeit anzunehmen.
Dieses Ergebnis entspricht auch den besonderen Schutzzwecken der Vorschriften des Reisegewerberechts. Neben dem - gerade auch den zivilrechtlichen Widerrufsrechten zu Grunde liegenden - Überrumplungsschutz verfolgt das (Reise)Gewerberecht auch das Ziel der präventiven und repressiven Überwachung der Reisegewerbetreibenden. Gerade beim Handel mit Edelmetallen ist der potentielle Kunde schutzbedürftig. Hat er etwa ein goldenes Schmuckstück an einen Gewerbetreibenden verkauft und möchte später den Kauf - aus welchem Grund auch immer - rückabwickeln, so wird eine Rückgabe des konkret verkauften Gegenstandes in einer Vielzahl von Fällen gar nicht mehr möglich sein, da dieser gegebenenfalls bereits weiterveräußert und womöglich eingeschmolzen wurde. Gerade deshalb hat der Gesetzgeber den Verbotstatbestand des § 56 Abs. 1 Nr. 2a GewO geschaffen. Der Kunde soll zum einen keinen besonderen „Verkaufsdruck“ verspüren, der entstehen würde, wenn - wie vorliegend - gerade damit geworben wird, dass der Ankäufer nur drei Tage vor Ort ist. Zum anderen soll der Gewerbetreibende für den Kunden ohne weiteres erreichbar sein für den Fall, dass der Kunde Ansprüche gleich welcher Art gegen diesen geltend machen möchte. Für die Behörden wiederum soll auf diese Weise sichergestellt werden, dass jederzeit Kontrollen stattfinden können, vgl. §§ 29, 38 GewO. Zudem wird damit - gerade bei den aufgrund der jederzeit bestehenden Möglichkeit des Einschmelzens gewissermaßen „flüchtigen“ Edelmetallen - der Gefahr des spurlosen Verschwindens zumindest einigermaßen begegnet, da selbst im Falle des Einschmelzens der Gewerbetreibende heranziehbar und das Edelmetall etwa durch Dokumentationen in Geschäftspapieren verfolgbar bleibt.
All dies ist bei dem konkreten Geschäftsmodell der Klägerin nicht gewährleistet. Die Klägerin mag zwar den Plan haben, Filialen dauerhaft geöffnet zu halten. Konkrete Anhaltspunkte, die dies belegen, sind jedoch wie vorstehend dargelegt nicht gegeben. Der Kunde, der an einem Tag in dem Sonnenstudio seinen Schmuck verkauft, hat keine Gewissheit darüber, ob und wann er dort wieder einen Vertreter der Klägerin antreffen wird. Zugleich sind damit auch die Möglichkeiten der Behörden, das unter § 38 GewO fallende Gewerbe dem Auftrag des Gesetzes gemäß zu überwachen, erheblich reduziert, da sich die Behörden für Kontrollen etwa an den Werbeanzeigen der Klägerin orientieren müssten, um dort zuverlässig jemanden anzutreffen. Dies ist mit den Schutzzwecken des Gesetzes offensichtlich unvereinbar.
II.
Die Klägerin hat daher im Ergebnis ein Reisegewerbe betrieben und dabei gegen das Verbot des § 56 Abs. 1 Nr. 2a GewO verstoßen, ohne dass eine Ausnahme nach § 56 Abs. 2 GewO vorläge.
III.
Der Bescheid des Beklagten ist auch weder ermessensfehlerhaft ergangen, noch greift er unverhältnismäßig in die Gewerbefreiheit der Klägerin ein. Insbesondere ist der Bescheid nicht schon deshalb fehlerhaft, weil Verbraucher und Kunden heute auf andere Weise viel stärker gefährdet wären. Selbst wenn der hierauf bezogene Vortrag der Klägerin zutreffen sollte, bedeutet dies nicht, dass auch andere Gefahren bestehen bleiben dürften.
Der Beklagte hat der Klägerin daher das Gewerbe nach § 60d GewO zu Recht untersagt.
Die Klage war daher insgesamt mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Beschluss
Der Streitwert wird auf EUR 15.000,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG- i.V.m. Ziff. 54.2.1 Streitwertkatalog).