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OLG Frankfurt am Main Urteil vom 19.09.2013 - 6 U 105/12 - Zum Schadensersatz bei rechtswidriger herabsetzender Kritik

OLG Frankfurt am Main v. 19.09.2013: Zum Schadensersatz bei rechtswidriger herabsetzender Kritik


Das OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 19.09.2013 - 6 U 105/12) hat entschieden:
  1. Hat die wettbewerbswidrige Herabsetzung eines Mitbewerbers dazu geführt, dass Kunden dieses Unternehmens bestehende Vertragsverhältnisse gekündigt haben, hat der Verletzer grundsätzlich den dadurch verursachten entgangenen Gewinn des Mitbewerbers zu ersetzen. Bei der Berechnung des Schadens ist von der mit den Kunden vereinbarten Vergütung auszugehen. Jedoch sind im Wege der Vorteilsausgleichung nicht nur ersparte Aufwendungen des Geschädigten, sondern auch solche Einnahmen zu berücksichtigen, die der Geschädigte an Stelle der vereinbarten Vergütung erzielt hat (im Streitfall: Vergabe von Anzeigenraum an andere Kunden).

  2. Die Tätigkeit eines Anwalts im Zusammenhang mit einem Abschlussschreiben löst jedenfalls dann eine Geschäftsgebühr von 1,3 aus, wenn auf dieses Schreiben hin eine modifizierte Abschlusserklärung abgegeben wird, die eine (weitere) Prüfung der Frage erforderlich macht, ob mit dieser Abschlusserklärung das Rechtsschutzbedürfnis für eine Unterlassungsklage entfallen ist.



Siehe auch Bewertungsseiten im Internet - Beurteilung und Schmähkritik und Siehe auch Die Abgabe einer Abschlusserklärung und das Abschlussschreiben


Gründe:

A.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz für behauptete Wettbewerbsverstöße.

Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich der Anzeigenwerbung. Die Klägerin schließt mit ihren Kunden Verträge, in denen sie sich zu einem bestimmten Nettojahrespreis verpflichtet, Stadtpläne bzw. Faltpläne mit der Werbeanzeige des Auftraggebers zu erstellen und zu verteilen. Auf dem Vertragsformular können verschiedene Laufzeiten zwischen einem und fünf Jahren angekreuzt werden. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlagen K13-​16 Bezug genommen. Die Beklagte nahm die Klägerin wiederholt und erfolgreich wegen verschiedener Wettbewerbsverstöße gerichtlich auf Unterlassung in Anspruch. Die Beklagte veröffentlichte auf ihrer Internetseite in der Rubrik „Vorsicht Falle" unter der Überschrift „Anzeigenwerbung" eine Auflistung von Verlagen, mit denen sie wettbewerbsrechtliche Verfahren geführt hat oder noch führt. Zur Klägerin schaltete sie einen Eintrag mit deren Adresse, Name der Geschäftsführerin und Titel der Publikation „Kinder in Gefahr im Straßenverkehr“. Ferner heißt es unter „Maßnahmen" wie folgt (Anlage K1):
„Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 09.04.2008 / wiederholte Verstöße Einstweilige Verfügung LG Darmstadt vom 18.05.2009 (14 O 133/09)“
Die Klägerin mahnte die Beklagte am 1.6.2010 erfolglos ab und erwirkte eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Frankfurt (Anlagen K2). Unter dem 10.8.2010 ließ sie der Beklagten ein Abschlussschreiben zusenden (Anlage K3). Die einstweilige Verfügung wurde mit Urteil vom 10.12.2010 bestätigt (Anlage K4). In der Folge änderte die Beklagte den Eintrag über die Klägerin ab. Sie ergänzte weitere gegenüber der Klägerin ergangene Gerichtsentscheidungen und benannte nunmehr stichwortartig das wettbewerbswidrige Verhalten wie folgt:
„Vorgehen gegen Verstöße gegen das Verbot der Telefonwerbung, wegen irreführender Angaben in Telefongesprächen und wegen herabsetzender Äußerungen."
Die Klägerin ließ die Beklagte mit Schreiben vom 15.2.2011 erneut abmahnen (Anlage K10), woraufhin die Beklagte am 17.2.2011 ihre Seiten erneut änderte (Anlage K11).

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von € 55.103,60 zu verurteilen. Sie hat behauptet, in Reaktion auf die Veröffentlichungen der Beklagten hätten mehrere Kunden ihre Anzeigenverträge mit der Klägerin gekündigt. Dadurch sei ihr die vereinbarte Vergütung entgangen.

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere auch wegen der Zusammensetzung des geltend gemachten Schadensbetrages, wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen ( § 540 Abs. 1 S. 1 ZPO).

Das Landgericht hat der Klage in Höhe von € 49.567,80 stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Die Veröffentlichungen auf der Internetseite der Beklagten über die Klägerin stellten eine unzulässige Herabsetzung nach § 4 Nr. 7 UWG dar. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei das Gericht überzeugt, dass die Kunden der Klägerin „A“, „B“, „C“ und „D“ ihre Anzeigenverträge aufgrund der Veröffentlichungen der Beklagten kündigten. Dadurch seien der Klägerin die Einnahmen aus den für drei bzw. fünf Jahre geschlossenen Verträgen als Gewinn entgangen. Die Anzeigenverträge seien rechtswirksam gewesen. Die Kunden seien aufgrund der Veröffentlichungen der Beklagten berechtigt gewesen, die Verträge aus wichtigem Grund gem. § 314 BGB zu kündigen. Der entgangene Gewinn entspreche der vertraglich vereinbarten Vergütung. Für ersparte Kosten gebe es keine Anhaltspunkte. Die Beklagte schulde der Klägerin außerdem Erstattung der RA-​Kosten für das Abmahnschreiben vom 15.2.2011 (Anlage K10). Die Kosten für das Abschlussschreiben vom 10.8.2010 (Anlage K3) seien hingegen nicht in voller Höhe, sondern nur nach Maßgabe einer 0,3-​Gebühr erstattungsfähig. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, soweit Schadensersatz für eine Vertragskündigung des E in Rede stand. Insoweit sei nicht erwiesen, dass die Kündigung kausal auf der Veröffentlichung der Beklagten beruhe.

Im Berufungsrechtszug verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Lediglich die Verurteilung zur Erstattung von Abmahnkosten greift sie nicht an. Mit der Anschlussberufung wendet sich die Klägerin gegen die Teilabweisung hinsichtlich der Kosten des Abschlussschreibens. Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des am 20.4.2005 verkündeten Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main - 2–06 O 223/11 - die Klage abzuweisen, soweit die Beklagte zur Zahlung von mehr als 651,80 € verurteilt worden ist.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Im Wege der Anschlussberufung beantragt sie,
in teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Frankfurt vom 20.4.2012 die Beklagte zu verurteilen, über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag hinaus weitere 485,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 4.6.2011 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.


B.

I.

Die zulässige Berufung ist zum überwiegenden Teil begründet. Die Klägerin kann nur Schadensersatz in Höhe von € 13.850,00 beanspruchen. Im Übrigen war das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.

1. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass der Klägerin gegen die Beklagte dem Grunde nach ein Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 3, 4 Nr. 7, 9 UWG zusteht. Die Klägerin verlangt Schadensersatz für die Einträge über die Klägerin auf den Internetseiten der Beklagten, die zu Vertragskündigungen ihrer Kunden in der Zeit vom Juni 2010 bis Februar 2011 geführt haben. Der fragliche Eintrag wurde mehrfach geändert.

a) Die erste Fassung des Eintrags auf der Internetseite der Beklagten war bereits Gegenstand des Hinweisbeschlusses des Senats vom 8.2.2011 in dem Verfahren 6 U 11/11 (Anlage K5). Auf die dortigen Ausführungen, an denen der Senat festhält, wird Bezug genommen. Der Eintrag beinhaltet eine Herabsetzung im Sinne des § 4 Nr. 7 UWG. Die Verbreitung von Gerichtsentscheidungen mit Namen und Anschrift des wegen wettbewerbswidriger Handlungen verurteilten Mitbewerbers setzt diesen in der Regel herab, es sei denn die Maßnahme erscheint zum Schutz der Verbraucher dringend geboten (Köhler in Köhler/Bornkamm, 31. Aufl. § 4 Rn. 7.16 m.w.N.). Ein überwiegendes Informationsinteresse des Verkehrs kann hier nicht angenommen werden, da nicht einmal ersichtlich ist, um welche Art von Wettbewerbsverstößen es sich handelt.

b) Die zweite, nach dem 10.12.2010 geänderte Version des Eintrags (Anlage K9) führt zu keiner abweichenden rechtlichen Bewertung. Der Eintrag wurde um weitere Verurteilungen ergänzt. Außerdem wurden die Verstöße grob umrissen (z.B. „wegen irreführender Angaben in Telefongesprächen“). Diese Informationen sind für den Verbraucher ohne Wert, da für ihn nicht verständlich wird, um welche konkreten Handlungen es geht. Sie sind daher nicht durch ein Informationsinteresse der Verbraucher gerechtfertigt.

c) Es kann dahingestellt bleiben, ob auch in der dritten, am 17.2.2011 abgeänderten Version des Internetauftritts ein Wettbewerbsverstoß nach §§ 3, 4 Nr. 7 UWG liegt. Bei diesem Eintrag werden nicht nur die Verurteilungen aufgelistet, sondern es wird jeweils der Unterlassungstenor der gegenüber der Klägerin ergangenen Entscheidungen eingeblendet (Anhang zur Anlage K11). Sämtliche Vertragskündigungen, für die das Landgericht Schadensersatz zugesprochen hat und die somit noch Gegenstand des Berufungsverfahrens sind, erfolgten vor dem 17.2.2011. Der geänderte Eintrag war damit jedenfalls nicht schadensursächlich.

2. Durch die Kündigungen der Kunden A, B, C und D ist der Klägerin ein kausal auf den Veröffentlichungen der Beklagten beruhender Schaden entstanden. Ihr ist die vertraglich vereinbarte Vergütung entgangen.

a) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass die Verträge aufgrund der Veröffentlichungen der Beklagten außerordentlich gekündigt wurden. Die Zeugen A, Z1 (B), Z2 (C) und Z3 (D) bekundeten übereinstimmend, dass sie aufgrund des aus der Anlage K9 ersichtlichen Interneteintrags bzw. aufgrund von Internetveröffentlichungen des Verlags für Polizeiliteratur zur Kündigung veranlasst wurden. Die Beweiswürdigung des Landgerichts, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, ist nicht zu beanstanden. Es kommt nicht darauf an, dass sich die Zeugen teilweise nicht mehr an die konkrete Gestaltung der Internetseiten erinnern konnten. Sie wussten jedenfalls noch, dass die Veröffentlichung, auf die sie sich bezogen, vom Verlag der Beklagten stammte. Dieser Bewertung steht auch nicht entgegen, dass die Zeugen teilweise meinten, der Klägerin sei in den Veröffentlichungen ein „betrügerisches Verhalten“ vorgeworfen worden. Dieser Eindruck erschließt sich zwanglos aus dem Umstand, dass die Beklagte den Eintrag über die Klägerin in ihre Rubrik „Vorsicht Falle“ einstellte. Es kommt nicht darauf an, dass der Zeuge Z1 in seinem Kündigungsschreiben von mehreren Internetberichten sprach (Anlage K14). Er bekundete in seiner Vernehmung eindeutig, dass allein die Veröffentlichung der Beklagten Anlass der Kündigung war. Schließlich spielt es auch keine Rolle, dass der Zeuge Z2 erst aufgrund eines Hinweises eines Dritten auf die Internetseite der Beklagten gestoßen ist. Nach seiner Aussage war es erst die Veröffentlichung der Beklagten, die ihn zur Kündigung veranlasste.

b) Entgegen der Ansicht der Berufung steht der Kausalität der außerordentlichen Kündigungen für den entgangenen Gewinn nicht entgegen, dass die Werkverträge mit den Kunden der Klägerin ohnehin jederzeit nach § 649 BGB kündbar waren.

aa) Dies ist allerdings entgegen der Ansicht der Klägerin der Fall. Auf die Anzeigenverträge ist Werkvertragsrecht anzuwenden. Der geschuldete Erfolg liegt in dem Abdruck der Werbeanzeige (OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.6.2007 – I-​21 U 198/06 Rn. 27 bei juris m.w.N.). Nach § 649 S. 1 BGB ist es dem Besteller gestattet, den Werkvertrag jederzeit zu kündigen. Das Kündigungsrecht wurde im Streitfall nicht vertraglich abbedungen. Zwar sehen alle Verträge eine feste Laufzeit von drei bzw. fünf Jahren vor (Anlagen K13 - K16). Durch eine solche Mindestvertragsdauer wird jedoch das Recht zur freien Kündigung nicht ausgeschlossen (vgl. BGH NJW 2011, 915 Rn. 14, 16).

bb) Die jederzeitige Kündbarkeit steht nicht der Annahme entgegen, die Verträge wären ordnungsgemäß erfüllt worden, wenn es nicht zu der wettbewerbswidrigen Herabsetzung durch die Beklagte gekommen wäre. Die Klägerin beansprucht Schadensersatz nach der Berechnungsmethode des entgangenen Gewinns. Als „entgangen“ gilt nach § 252 S. 2 BGB der Gewinn, der nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge zu erwarten gewesen wäre. Im Handelsverkehr entspricht es dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge, dass für eine bestimmte Laufzeit eingegangene Verträge eingehalten werden. Der Gegenbeweis, dass der Verlauf im Einzelfall nicht dem gewöhnlichen entsprochen hätte, obliegt dem Schädiger (Palandt/Grüneberg, 72. Aufl., § 252 Rn. 6). Die Beklagte hat insoweit keine konkreten Umstände vorgetragen. Es ist somit davon auszugehen, dass die Kunden A, B, C und D ihre Verträge bis zum Ende der individualvertraglich vereinbarten Laufzeit erfüllt hätten. Auf die Laufzeitregelung in den AGB der Anzeigenverträge, wonach der Vertrag zunächst nur für ein Jahr geschlossen wird, kommt es nicht an. Wie das Landgericht zu Recht angenommen hat, geht die individualvertragliche Regelung vor.

c) Entgegen der Ansicht der Berufung kommt es grundsätzlich auch nicht darauf an, ob die Anzeigenverträge wirksam waren. Entscheidend ist, dass die Kunden der Klägerin bereit waren, die Verträge zu erfüllen und damit der Klägerin die vereinbarte Vergütung entgangen ist. Der Gewinn ist nur dann nicht zu ersetzen, wenn er auf einer verbotenen Tätigkeit im Sinne des § 134 BGB oder auf einer sittenwidrigen Tätigkeit beruht (Palandt/Grüneberg, 72. Aufl., § 252 Rn. 2). Für einen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder für ein sittenwidriges Verhalten gibt es im Streitfall keinerlei Anhaltspunkte.

d) Entgegen der Ansicht der Berufung kommt es nicht darauf an, ob die außerordentlichen Kündigungen wirksam waren, ob also durch die Veröffentlichungen der Beklagten unter der Rubrik „Vorsicht Falle“ die Vertrauensgrundlage der Anzeigenverträge derart gestört wurde, dass daraus ein wichtiger Grund zur Kündigung erwuchs und die Kunden von ihrer Leistungspflicht frei wurden. Entscheidend ist, dass die Kunden nicht mehr bereit waren, die Verträge zu erfüllen und tatsächlich keine Zahlungen mehr leisteten, was sie sonst getan hätten. Die Klägerin kann nicht darauf verwiesen werden, sie hätte zunächst versuchen müssen, die Vergütungen gegenüber den Kunden einzuklagen. Insoweit kann auch kein Mitverschulden der Klägerin angenommen werden. Der Ausgang einer gerichtlichen Klärung der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigungen wäre unsicher und mit entsprechenden Prozessrisiken verbunden gewesen. Die Nichtgeltendmachung von Ansprüchen gegenüber Dritten begründet kein Mitverschulden, wenn es dem Geschädigten nicht zugemutet werden kann, das Prozessrisiko zu übernehmen (vgl. BGH NJW 1984, 1527, Rn. 13 bei juris).

3. Als Schaden kann die Klägerin die vertraglich vereinbarte Vergütung aus den Anzeigenverträgen für das Jahr der Kündigung beanspruchen. Ihr stehen hingegen nicht - wie das Landgericht angenommen hat - die zusammengerechneten Nettojahresvergütungen der kompletten Vertragslaufzeit von drei bzw. fünf Jahren als entgangener Gewinn zu.

a) Auf die Berechnungsgrundsätze zu § 649 S. 2 BGB kommt es nicht an. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten richtet sich nach §§ 9 UWG, 252 BGB, nicht nach § 649 BGB, wie die Beklagte offenbar meint.

b) Auf die entgangene Vergütung sind im Wege der Vorteilsausgleichung Ersparnisse anzurechnen, die der Geschädigte durch das schädigende Ereignis hatte. Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin im jeweiligen Kündigungsjahr Kosten erspart hat, die sich den Verträgen konkret zuordnen lassen. Die Werbemedien, in denen die Anzeigen veröffentlicht werden sollten, wurden unabhängig von den Anzeigen der gekündigten Verträge gedruckt und verteilt. Ohne Erfolg macht die Berufung geltend, von der Vergütung für die gekündigten Verträge hätten Provisionsansprüche für Außendienstmitarbeiter in Abzug gebracht werden müssen. Die Klägerin hat behauptet, ihre auf Provisionsbasis arbeitenden Außendienstmitarbeiter hätten ihre Provisionsansprüche durch die Kündigungen nicht verloren. Die Beklagte hat bestritten, dass überhaupt Provisionen an Außendienstmitarbeiter gezahlt wurden. Dies ist nicht ausreichend. Die Beklagte ist für anrechenbare Vorteile darlegungs- und beweispflichtig. Sie hätte konkret vortragen müssen, dass Provisionen als Kostenposition in die Vergütungen für die Anzeigenaufträge einkalkuliert waren und durch die Kündigungen nicht ausgezahlt werden mussten oder zurückgeflossen sind. Der Hinweis auf § 87a HGB genügt nicht, zumal nicht ersichtlich ist, wieso die Beklagte die Mitarbeiter der Klägerin für Handelsvertreter hält. Der Klägerin obliegt für ihre betriebsinternen Vorgänge zwar eine sekundäre Darlegungslast. Dieser Verpflichtung ist sie jedoch nachgekommen, indem sie klargestellt hat, dass keine Provisionen erspart wurden und auch der fragliche Außendienstmitarbeiter M1 für alle streitgegenständlichen Verträge benannt wurde (Bl. 81 d.A.). Die Beklagte war damit in der Lage, eigene Nachforschungen anzustellen und Beweis anzubieten.

c) Für die Folgejahre kann hingegen nicht davon ausgegangen werden, dass die Vergütung ersatzlos weggefallen ist. Bei den Druckwerken, in denen die Anzeigen erscheinen sollten, handelt es sich ausweislich der Anzeigenverträge um Stadtpläne und Faltpläne. Bei den Kunden C und D waren zusätzlich Broschüren geschuldet. Jedenfalls bei Stadt- und Faltplänen ist der für Werbung zur Verfügung stehende Platz begrenzt. Es können also nicht beliebig viele Anzeigen verkauft werden. Der durch die Vertragskündigungen frei werdende Platz konnte in den Folgejahren erneut vergeben werden. Hierzu war die Klägerin im Rahmen ihrer Schadensminderungspflicht auch gehalten. Es ist nicht ersichtlich, dass es in den Folgejahren nicht möglich war, neue Anzeigenkunden zu finden. Dies hätte die Klägerin im einzelnen darlegen müssen. Ihr Vortrag, nicht verkaufte Anzeigefläche werde mit sog. Platzhaltern versehen, ist nicht ausreichend.

d) Die Beklagte schuldet folglich nur die einmalige Jahresvergütung aus den gekündigten Anzeigenverträgen A, B, C und D:

A: 3.800,00
B: 3.600,00
C: 2.950,00
D: 3.500,00
insgesamt: € 13.850,00



II.

Die zulässige Anschlussberufung ist begründet.

Die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung einer 1,3-​Geschäftsgebühr zzgl. Postpauschale für die Tätigkeit ihres Anwalts im Zusammenhang mit dem Abschlussschreiben in Höhe von insgesamt € 651,80. Entgegen der Ansicht des Landgerichts handelt es sich nicht nur um ein Schreiben einfacher Art, das nur eine 0,3-​Gebühr (€ 166,00) auslöst.

1. Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, das Abschlussschreiben sei zu früh erfolgt und deshalb nicht erforderlich gewesen. Die einstweilige Verfügung vom 2.7.2010 ist der Beklagten am 9.7.2010 zugestellt worden. Unter dem 10.8.2010 verfasste die Klägerin das Abschlussschreiben. Sie hat damit eine ausreichende Überlegungsfrist eingehalten. Dass die Beklagte bereits unter dem 4.8.2010 Widerspruch eingelegt hat, ist ohne Belang. Zwar hat sie damit zum Ausdruck gebracht, die einstweilige Verfügung nicht anerkennen und keine Abschlusserklärung abgeben zu wollen. Das Abschlussschreiben war aus Sicht der Gläubigerin gleichwohl nicht entbehrlich. Denn der Widerspruch ist der Klägerin erst am 14.8.2010 zugestellt worden. Allein die Beklagte hatte es in der Hand die Kosten des Abschlussschreibens zu vermeiden, wenn sie sich rechtzeitig vor Ablauf der Überlegungsfrist unmittelbar gegenüber der Klägerin erklärt hätte.

2. Das Landgericht hat angenommen, das Abschlussschreiben sei im Streitfall entsprechend den Grundsätzen der BGH-​Entscheidung „Kosten für das Abschlussschreiben“ (GRUR 2010, 1038) nur ein Schreiben einfacher Art, das nur eine 0,3-​Gebühr auslöse. Es enthalte nur Standardformulierungen und habe keine neue rechtliche Prüfung erfordert. Dies allein steht der Entstehung einer vollen Geschäftsgebühr jedoch nicht entgegen. Denn einer erneuten rechtlichen Prüfung bedurfte es jedenfalls zu dem Zeitpunkt, als nach Bestätigung der einstweiligen Verfügung und Berufungsrücknahme schließlich doch noch die Abschlusserklärung abgegeben wurde. Bei der Bemessung der Gebührenhöhe für die Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Abschlussschreiben ist zu berücksichtigen, ob es nach Zugang der Abschlusserklärung einer Prüfung bedurfte, ob diese zur Erreichung des Sicherungsziels inhaltlich ausreicht. Daran fehlt es nur dann, wenn sich die abgegebene Erklärung inhaltlich im Wesentlichen mit dem im Abschlussschreiben Verlangten deckt (BGH a.a.O. Rn. 31, 32 jeweils a.E.). Die Beklagte hat in ihrer Abschlusserklärung vom 14.2.2011 auf die Rechte aus §§ 924, 926 und 927 ZPO „mit Ausnahme solcher Umstände“ verzichtet, „die nach Zustellung der einstweiligen Verfügung am 12.7.2010 eingetreten sind“ (Anlage K6). Diese Formulierung entspricht nicht dem Abschlussschreiben und erforderte eine weitere Prüfung.


III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 I, 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision ( § 543 Abs. 2 ZPO) sind nicht erfüllt.



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