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Amtsgericht Bremen Urteil vom 05.12.2012 - 23 C 317/12 - Schadensersatzpflicht des Händlers bei Abbruch einer eBay-Auktion

AG Bremen v. 05.12.2012: Schadensersatzpflicht des Händlers bei Abbruch einer eBay-Auktion


Das Amtsgericht Bremen (Urteil vom 05.12.2012 - 23 C 317/12) hat entschieden:
Eine Abbruchmöglichkeit einer Auktion im Sinne der Allgemeinen ebay-Bedingungen ist nur gegeben, wenn der Artikel ohne Verschulden des Anbieters verloren gegangen, beschädigt worden oder anderweitig nicht mehr zum Verkauf verfügbar ist. Behauptet der Anbieter in diesem Zusammenhang, dass er erst nach dem Einstellen eines Angebots bemerkt hat kein Mindestgebot eingegeben zu haben, so kann er sich nicht nach § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB auf einen Erklärungsirrtum berufen, wenn er nicht hinreichend vorträgt, inwieweit er bei der Einstellung einem nach den §§ 119 ff. BGB relevanten Irrtum unterlegen ist.




Siehe auch Abbruch einer Auktion durch den Anbieter und Auktionsplattformen - Handelsplattformen - Marktplätze


Tatbestand:

(entfällt gemäß § 313a Abs. 1 ZPO)


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das angerufene Amtsgericht Bremen auch zuständig. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus §§ 12, 13 ZPO, die sachliche Zuständigkeit aus §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG.


II.

Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 215,10 € aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB.

Zwischen den Parteien ist ein Kaufvertrag über das iPhone 3 GS unter der Artikelnummer: 221065928216 zu einem Preis von 1,- € zu Stande gekommen. Mit der Einstellung des Mobiltelefons setzte der Beklagte ein rechtlich verbindliches Kaufangebot gem. § 145 BGB. Dabei lag jedenfalls ein potentielles Erklärungsbewusstsein des Beklagten vor. Angesichts dessen wäre es unerheblich, ob sich der Beklagte bei Abgabe seiner Willenserklärung und Freischaltung der Angebotsseite des verbindlichen Charakters seiner Erklärung bewusst war oder nicht (dazu BGH NJW 2002, 363, 365 („ricardo.de“). Dieses Angebot enthielt darüber hinaus die Erklärung, dass der Beklagte bereits zu diesem Zeitpunkt das höchste wirksam abgegebene Gebot annehmen wird. Der Kläger nahm dieses Angebot durch sein Gebot vom 07.07.2012 an. Unter Zugrundelegung der Allgemeinen ebay-Bedingungen und einer daraus resultierenden Auslegung der vom Kläger und Beklagten abgegebenen Willenserklärungen (vgl. BGH NJW 2002, 363; OLG Oldenburg NJW 2005, 2556) wird deutlich, dass sich die Parteien darüber einig waren, dass auch bei vorzeitiger Beendigung des Angebots zwischen Anbieter und Höchstbietendem ein Vertrag über den Erwerb des Mobiltelefons wirksam wird.

Der Beklagte nahm sein Angebot am 07.07.2012 zurück. Zu einer derartigen Auktionsbeendigung war der Beklagte nicht berechtigt. Eine solche Berechtigung ergibt sich nur für den Fall, dass eine von ebay selbst vorgesehene Abbruchmöglichkeit greift oder aber der Kaufvertrag wirksam gem. §§ 119 ff. BGB angefochten werden kann. Beide Möglichkeiten der Vertragslösung scheiden hier aus.

Eine Abbruchmöglichkeit im Sinne der Allgemeinen ebay-Bedingungen wäre nur gegeben, wenn der Artikel ohne Verschulden des Anbieters verloren gegangen, beschädigt worden oder anderweitig nicht mehr zum Verkauf verfügbar wäre. Solche Gründe hat der Beklagte nicht vorgetragen. Vielmehr war der Gegenstand noch immer verfügbar, was sich aus der Tatsache ergibt, dass der Beklagte das Gerät in einer Folgeauktion veräußerte.

Entgegen der Rechtsansicht des Beklagten ist der Kaufvertrag auch nicht durch eine Anfechtung in Folge eines Erklärungsirrtums gem. § 119 Abs. 1, 2. Alt. BGB von Anfang an nichtig, § 142 Abs. 1 BGB.

Soweit der Beklagte erklärte, er habe nach zwanzig Minuten bemerkt, dass er kein Mindestgebot eingegeben habe, hat er hiermit nicht hinreichend vorgetragen, inwieweit er bei der Einstellung des Mobiltelefons einem nach den §§ 119 ff. BGB relevanten Irrtum unterlegen ist. So wurde nicht vorgetragen, dass sich der Beklagte während des Einstellvorgangs vertippt hat oder aber sich andere Gedanken über sein erstelltes Angebot gemacht hat. Die Tatsache, dass der Beklagte dann zu einem späteren Zeitpunkt die Angabe eines Mindestgebotes im eigenen Angebot vermisste, rechtfertigt für sich allein keine Anfechtung infolge eines Erklärungsirrtums. Ein relevanter Irrtum liegt nur vor, wenn dieser in der ursprünglichen Erklärungshandlung verankert ist; derartiges ist jedoch nicht vorgetragen worden. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn bereits der äußere Erklärungstatbestand offensichtlich nicht dem Willen des Erklärenden entspricht (Palandt/Heinrichs, 71. Auflage, § 119 BGB, Rn. 10). Dies kann angenommen werden in Fällen, in denen der Anbieter versehentlich die „Sofort-Kaufen-Option“ zu einem Preis von 1,- € aktiviert. In derartigen Konstellationen ist für den Bieter regelmäßig erkennbar, dass der Verkäufer einem Irrtum unterlegen sein muss, weil keine Aussicht darauf besteht, dass der Verkaufspreis durch die weitere Auktionsdauer hochgetrieben wird.

Da der Beklagte das streitgegenständliche iPhone durch Auktion vom 14.07.2012 anderweitig verkauft hat, ist diesem die Übergabe und Übereignung an den Kläger nachträglich unmöglich geworden, § 283 BGB.

Der Beklagte hat diese Unmöglichkeit zu vertreten, da er vorsätzlich das Gerät weiterveräußerte, §§ 280 Abs. 1, S. 2; 276 BGB.

Der Schadensersatzanspruch ist auch der Höhe nach begründet. Der Kläger ist im Wege des Schadensersatzes statt der Leistung grundsätzlich so zu stellen, wie er stünde, wenn der Beklagte den Vertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte. Dann hätte der Kläger in seiner Person das Mobiltelefon weiterveräußern können. Abzüglich eigener Ausgaben beläuft sich daher der Schaden auf Klägerseite auf insgesamt 215,10 €, da das Mobiltelefon tatsächlich zu einem Preis von 220 € verkauft worden ist.

Entgegen der Ansicht des Beklagten steht der Durchsetzbarkeit des Schadensersatzanspruches auch nicht der Einwand unzulässiger Rechtsausübung gem. § 242 BGB entgegen.

§ 242 BGB verpflichtet sowohl Schuldner als auch Gläubiger dazu, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Damit hat der Vertragspartner jeweils auf die berechtigten Interessen des anderen Rücksicht zu nehmen. Eine Rechtsausübung ist regelmäßig dann unzulässig, wenn das ihm zugrundeliegende Interesse im Einzelfall aus besonderen Gründen nicht schutzwürdig erscheint. Eine solche Aberkennung der Schutzwürdigkeit kann nur ausnahmsweise und nur nach umfassender Würdigung und Wertung der maßgeblichen Umstände erfolgen. Dafür genügt nicht jedes Ungleichgewicht, wodurch eine Partei übermäßig wirtschaftlich benachteiligt wird. Der Einwand eines Rechtsmissbrauchs greift allein in Ausnahmefällen, in denen die Durchsetzung des eigenen Rechts zu einer grob unbilligen Benachteiligung der einen Partei führt (BGH WM 1967, 988, 989).

Derartige Umstände sind hier nicht ersichtlich.

Die erforderliche Abwägung ergibt nicht, dass das klägerische Interesse nicht schutzwürdig ist.

Das Risiko einer fehlerhaften Einstellung eines Verkaufsangebotes auf einer Auktionsseite obliegt dem Verkäufer. Insbesondere bei Internetauktionen soll der Käufer durch die Unwiderruflichkeit des Angebots vor einer etwaigen Willkür des Verkäufers geschützt werden. Dem Verkäufer ist diese Sachlage in aller Regel bewusst, d.h. er hat mit äußerster Sorgfalt entsprechende Angebote auf ebay einzustellen. Für den Fall, dass sich der Verkäufer bei Abgabe seiner Erklärung irrt, ist dieser hinreichend durch die §§ 119 ff. BGB geschützt. In allen anderen Fällen ist er grundsätzlich nicht schutzwürdig.

Insbesondere leuchtet im vorliegenden Fall nicht ein, weshalb dem Käufer seine Rechtsverwirklichung versagt werden soll. Ungeachtet der Tatsache, dass der Beklagte kein Mindestgebot abgegeben hat, wäre die Auktion noch einige Tage gelaufen. Es bestand damit zwar das Risiko, dass das Mobiltelefon unter einem Preis verkauft wird, welcher dem Verkäufer vorschwebte. Dennoch war davon auszugehen, dass der Preis durch diverse weitere Gebote erheblich ansteigen wird. Bei derartigen Auktionen ist es üblich, dass der Preis unmittelbar vor Ende der Auktion noch einmal erheblich „hochgeboten“ wird. Dieses Risiko hat der Verkäufer zu tragen, wenn er nicht bei Erstellung des Angebots ein Mindestgebot festlegt. Dies bringt für den Verkäufer letztlich auch nicht nur Risiken mit sich; potenzielle Bieter werden insbesondere bei derartigen Angeboten aufmerksam, weil sie glauben, ein vermeintliches „Schnäppchen“ entdeckt zu haben. Dennoch wird im Ergebnis zumeist durch das individuelle Bieterverhalten ein angemessener Verkaufspreis erzielt. Vorstehend genannte Risiken stehen allerdings grundsätzlich allein der Schutzwürdigkeit des Beklagten entgegen, nicht aber der des Klägers.

Der Einwand unzulässiger Rechtsausübung ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass der Kaufvertrag zu einem Preis von 1,- € einem besonders groben Missverhältnis unterliegt.

Zwar lag der Verkaufspreis von 1,- € um das 220-fache unter dem später erzielten Verkaufserlös. Bei Internetauktionen kann jedoch nicht allein auf das Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung abgestellt werden, da sich die Bieter bewusst darüber sind, dass die Höhe der Gegenleistung von weiteren Faktoren als nur dem üblichen Marktwert des Artikels abhängt. So wirkt sich insbesondere auch aus, wie geschickt der Verkäufer das Gerät einstellt, wie gut er bewertet ist, aber auch wie viele Mitbieter existent sind. Dass sich diese Faktoren auf den Endpreis auswirken, ist auch dem Bieter - und hier dem Kläger - bekannt. Es entspricht geradezu dem Wesen einer derartigen Vertragsanbahnung, dass der Bieter in der Absicht an einer Auktion teilnimmt, im richtigen Moment zu einem besonders günstigen „Schnäppchen“ zu kommen. Diese Gegebenheit kann dem Kläger letztlich aber nicht zum Nachteil gereichen, da auch der Verkäufer sich über diesen typischen Charakter einer Auktion im Klaren ist. Dies gilt jedenfalls solange kein evident krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung gegeben ist.

Die vom Beklagten zitierte Entscheidung des Landgerichts Koblenz vom 18.03.2009 zu Az.: 10 O 250/08 steht diesen Ausführungen nicht entgegen. In diesem Fall entschied das Landgericht Koblenz, dass eine Rechtsmissbräuchlichkeit infolge evident krassem Missverhältnis in einem Fall gegeben ist, in dem ein Käufer Ansprüche aus einem Kaufvertrag geltend macht, nach welchem er einen Porsche 911/997 Carrera 2S (Marktwert von mindestens 75.005,50 €) zu einem Preis von 5,50 € erworben hat. Derartige Größenordnungen sind vorliegend jedoch nicht erreicht.

Der Zinsanspruch sowie die Ersatzfähigkeit außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren ergeben sich aus dem Gesichtspunkt des Verzugs, §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1, 2 Nr. 3 BGB, wobei der Klägervertreter jedenfalls (auch) nach der telefonischen Erfüllungsverweigerung des Beklagten und nach Eintritt der Unmöglichkeit tätig gewesen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Die Berufung war nicht gemäß § 511 Abs. 4 ZPO zuzulassen, insbesondere hat die Sache weder grundsätzliche Bedeutung noch dient sie der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.










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