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OLG München Urteil vom 14.04.2011 - 29 U 4761/10 - Zur Gültigkeitsdauer und Verjährung von Erlebnisgutscheinen
OLG München v. 14.04.2011: Zur Gültigkeitsdauer und Verjährung von Erlebnisgutscheinen
Das OLG München (Urteil vom 14.04.2011 - 29 U 4761/10) hat entschieden:
Das bürgerliche Recht kennt für Verpflichtungen aus schuldrechtlichen Verträgen im Allgemeinen nur das in den §§ 194 ff. BGB im Einzelnen geregelte Rechtsinstitut der Verjährung, nicht dagegen besondere, von der Frage der Verjährung unabhängige Ausschlussfristen. Auch für den mit einem Geschenkgutschein verknüpften Anspruch gegen die Beklagte ist – ohne dass es auf die Einzelheiten der rechtlichen Einordnung des zu Grunde liegenden Vertragsverhältnisses ankäme – keine gesetzlich vorgesehene Ausschlussfrist ersichtlich. Die Gültigkeitsbefristung der Gutscheine der Beklagten enthält daher eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Durch die Abkürzung der regelmäßigen Verjährungsfrist von dreißig Jahren auf drei Jahre (vgl. § 195 BGB) im Rahmen der Schuldrechtsreform hat der Gesetzgeber allerdings bereits den Interessen der Schuldner Rechnung getragen; damit haben sich die Anforderungen an die Rechtfertigung von AGB, die eine kürzere als die gesetzliche Verjährungsfrist zur Anspruchsdurchsetzung statuieren, erhöht.
Siehe auch Gutscheine und Prepaidguthaben
Gründe:
I.
Der Kläger ist ein – in der vom Bundesamt für Justiz geführten Liste qualifizierter Einrichtungen
nach § 4 UKlaG eingetragener – Verbraucherschutzverein; er beanstandet eine von der Beklagten
verwendete AGB-Klausel.
Die Beklagte (in ihren AGB abgekürzt als „JSG“ bezeichnet) verkauft über ihre Internetseite
www. .de Erlebnisgeschenkgutscheine für derzeit ca. 800 Erlebnisse, u.a. Fallschirmsprünge,
Hubschrauberflüge, Segeltouren, Tanzkurse, Heißluftballonfahrten und Bungeesprünge,
sowie Gutscheine für Hotelübernachtungen (u.a. Erlebnisgeschenkboxen „Romantikurlaub für
Zwei“, „Kurzurlaub für Zwei“ oder „Städteurlaub für Zwei“).
§ 3 Nr. 2 der von der Beklagten ursprünglich verwendeten AGB (vgl. Anlage K 2) lautete:
„Die Gültigkeitsdauer der Gutscheine beträgt 12 Monate ab Ausstellungsdatum (Erwerb). Sie
steht in Abhängigkeit zu den Laufzeitintervallen der Verträge mit den Erlebnispartnern und möglicher Leistungsänderungen. Die JSG trägt das Risiko von Preissteigerungen beim Veranstalter
im Laufe des Gültigkeitszeitraumes. Eine Verlängerung der Gültigkeitszeiträume ist deshalb nicht möglich."
§ 14 der von der Beklagten verwendeten AGB, der mit „Nichteinlösung von Gutscheinen, Stornierung“ überschrieben ist, lautete in Abs. 2 ursprünglich (vgl. Anlage K 2):
„Sollte ein Gutschein im Gültigkeitszeitraum von der bestimmten Person nicht eingelöst werden
können, obliegt es dem Käufer oder der bestimmten Person, den Gutschein anderweitig zu verwerten (z.B. Vergabe an andere geeignete Person). Eine Stornierung bzw. ein Rücktritt vom
Vertrag mit der JSG ist ausgeschlossen. Bei Nichtteilnahme an einem Erlebnis innerhalb des
Gültigkeitszeitraumes entfällt die gezahlte Vergütung.“
Der Kläger hält die Beschränkung der Gültigkeitsdauer auf zwölf Monate ab Ausstellungsdatum
(Erwerb) für unwirksam, weil sie die Vertragspartner der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige.
Nach erfolgloser Abmahnung hat die Klägerin vor dem Landgericht beantragt:
- Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollziehen an den Geschäftsführern, zu unterlassen,
gegenüber Verbrauchern gemäß § 13 BGB die nachfolgende oder eine inhaltsgleiche
Klausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit entgeltlich zu erwerbenden Geschenkgutscheinen zu verwenden oder sich auf diese Klausel zu berufen:
„Die Gültigkeitsdauer der Gutscheine beträgt 12 Monate ab Ausstellungsdatum (Erwerb)“.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 192,60 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.
Vor dem Landgericht hat die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, der Beklagten
eine angemessene Aufbrauchfrist für bei der Beklagten vorhandene ErlebnisGeschenkboxen, die ein aufgedrucktes Gültigkeitsdatum tragen, von mindestens sechs Monaten nach Rechtskraft des Urteils einzuräumen.
Die Beklagte hält die angegriffene AGB-Klausel für zulässig. Insbesondere sei zu berücksichtigen,
dass eine Gültigkeitsbeschränkung bei der Einlösung von Gutscheinen auf ein Jahr bei allen Anbietern von Erlebnisgutscheinen im Internet üblich sei. Entscheidend sei, dass die Beklagte keine Geschenkgutscheine für eigene Waren anbiete, sondern Erlebnisgutscheine für Dienstleistungen dritter Firmen, die die Beklagte lediglich vermittle. Die Beklagte garantiere als Verkäuferin der Gutscheine die darin genannten Erlebnisse für die Gültigkeitsdauer zu den angegebenen Preisen. Hierfür müsse die Beklagte selbst mit den Veranstaltern Verträge schließen, um das Preisniveau für die Garantiedauer festzulegen. Die Veranstalter, die wie auch die einzelnen Erlebnisse einer erheblichen Fluktuation unterlägen, könnten mit längeren Laufzeiten als einem Jahr nicht planen und kalkulieren und seien nicht bereit, ein längeres Preisrisiko zu tragen. Auch bei Verträgen mit Hotels sei eine längere Bindungsdauer als zwölf Monate nicht erreichbar.
Am 23. September 2010 hat das Landgericht München I folgendes Urteil verkündet:
- Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,--, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollziehen an den Geschäftsführern, zu unterlassen,
gegenüber Verbrauchern gemäß § 13 BGB die nachfolgende oder eine inhaltsgleiche Klausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit entgeltlich zu erwerbenden Geschenkgutscheinen zu verwenden oder sich auf diese Klausel zu berufen:
„Die Gültigkeitsdauer der Gutscheine beträgt 12 Monate ab Ausstellungsdatum (Erwerb)“.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 192,60 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.12.2009 zu bezahlen.
- Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
- Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,-- € vorläufig vollstreckbar.
Zur Begründung ist ausgeführt, dass die angegriffene Klausel unwirksam sei, weil sie gegen das
Benachteiligungsverbot des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB verstoße.
Auf die tatsächlichen Feststellungen dieses Urteils wird Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug.
Die Beklagte hat ihre AGB mittlerweile dahin geändert, dass darin die streitgegenständliche Klausel ebenso wie der bisherige § 14 Abs. 2 nicht mehr enthalten ist. Eine Unterlassungserklärung
hat die Beklagte nicht abgegeben.
Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze und auf das Protokoll des Termins vom 14. April 2011 Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
Die von dem Kläger angegriffene, von der Beklagten verwendete AGB-Klausel ist unwirksam, weil sie gegen das Benachteiligungsverbot des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB verstößt.
1) Nach dieser Vorschrift sind Bestimmungen in AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen; die Unangemessenheit ist zu verneinen, wenn die Benachteiligung des Vertragspartners durch höherrangige oder zumindest
gleichwertige Interessen des Verwenders gerechtfertigt ist (vgl. BGH NJW 2005, 1774 [1775] m.w.N.; Senat NJW-RR 2008, 1233). Eine solche unangemessene Benachteiligung ist nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung in AGB mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.
Das bürgerliche Recht kennt für Verpflichtungen aus schuldrechtlichen Verträgen im Allgemeinen nur das in den §§ 194 ff. BGB im Einzelnen geregelte Rechtsinstitut der Verjährung, nicht dagegen besondere, von der Frage der Verjährung unabhängige Ausschlussfristen. Auch für den mit einem Geschenkgutschein verknüpften Anspruch gegen die Beklagte ist – ohne dass es auf die Einzelheiten der rechtlichen Einordnung des zu Grunde liegenden Vertragsverhältnisses ankäme – keine gesetzlich vorgesehene Ausschlussfrist ersichtlich. Die Gültigkeitsbefristung der Gutscheine der Beklagten enthält daher eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften des bürgerlichen Rechts.
Zu den wesentlichen Grundgedanken der für schuldrechtliche gegenseitige Verträge geltenden Regeln des bürgerlichen Rechts gehört das Prinzip der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung
(vgl. BGH NJW-RR 2007, 1124 RdNr. 28 m.w.N.), das durch die Verjährungsvorschriften in zeitlicher Hinsicht näher ausgestaltet wird (Senat NJW-RR 2008, 1233 [1234]). In dieses Äquivalenzverhältnis wird auch durch eine vertragliche Regelung eingegriffen, die die Werthaltigkeit einer Gegenleistung, die ein Vertragspartner auf Grund eigener Vorleistung verlangen kann, zeitlich über die Verjährungsregelungen hinaus beschränkt (vgl. BGHZ 148, 74 = NJW 2001, 2635 [2637]; Senat NJW-RR 2008, 1233 [1234]).
2) In ihrer konkreten Ausgestaltung enthält die streitgegenständliche Gültigkeitsbefristung der
Gutscheine einen so weitgehenden Eingriff in das vertragliche Äquivalenzverhältnis, dass sie als unangemessene Benachteiligung der Gutscheininhaber angesehen werden muss.
a) Es ist ohne Belang, dass die von der Beklagten ausgegebenen Gutscheine von ihren Vertragspartnern regelmäßig als Geschenke an Dritte weitergegeben werden, die ihrerseits nicht
Vertragspartner der Beklagten sind. Denn in den Schutz des § 307 Abs. 1 BGB sind auch die Interessen solcher Dritter einbezogen, die Rechte aus dem Vertrag herleiten können oder durch diesen unmittelbar berechtigt sind (vgl. BGH NJW-RR 2006, 1258 RdNr. 12; BGHZ 142, 103 = NJW 1999, 3558 [3559]; Senat NJW-RR 2008, 1233 [1234]). Im Streitfall ist die Weitergabe der Gutscheine, die die Beklagte selbst unter der Bezeichnung Erlebnis-Geschenkgutscheine anbietet, eine vertragsgemäße Verwendung, nach der dem Gutscheininhaber gegen die Beklagte ein Anspruch auf Vermittlung der betreffenden Leistung (Erlebnis) zusteht. Da der Gutscheininhaber
unmittelbare Rechte aus dem durch die angegriffene Klausel geregelten Vertrag herleiten kann, sind seine Interessen in die Angemessenheitsprüfung des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB einzubeziehen.
b) Bei Berechtigungskarten und Gutscheinen, die dem Inhaber die Möglichkeit verschaffen, eine bestimmte Ware oder Leistung zu verlangen, kann zwar nicht jede zeitliche Begrenzung der Gültigkeitsdauer als nicht hinnehmbare Verletzung des Äquivalenzprinzips und unangemessene
Benachteiligung des Kunden angesehen werden. Solche Ausschlussfristen sind, obwohl im Gesetz in aller Regel nicht vorgesehen, in weiten Bereichen üblich und werden unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der beiderseits Beteiligten häufig als nicht unangemessen anzusehen sein (vgl. BGHZ 148, 74 = NJW 2001, 2635 [2637]; OLG München NJW 2007, 227 [228] jeweils zu einer Abkürzung der damals noch dreißig Jahre betragenden Regelverjährungsfrist). Durch die Abkürzung der regelmäßigen Verjährungsfrist von dreißig Jahren auf drei Jahre (vgl. § 195 BGB) im Rahmen der Schuldrechtsreform hat der Gesetzgeber allerdings bereits den Interessen der Schuldner Rechnung getragen; damit haben sich die Anforderungen an die Rechtfertigung von AGB, die eine kürzere als die gesetzliche Verjährungsfrist zur Anspruchsdurchsetzung statuieren, erhöht (Senat NJW-RR 2008, 1233 [1234]).
c) Die Umstände des vorliegenden Falls führen jedenfalls dazu, dass die von der Beklagten gewählte Ausgestaltung der Gültigkeitsbefristung ihrer Gutscheine bei einer Abwägung ihrer Interessen und derjenigen der Gutscheininhaber als eine die Gutscheininhaber unangemessen benachteiligende, nicht hinnehmbare Abweichung vom Äquivalenzprinzip angesehen werden muss.
Die angegriffene Klausel zielt auf eine doppelte Benachteiligung des Gutscheininhabers im Vergleich zu der gesetzlichen Regelung der §§ 195, 199 BGB ab, nach der entsprechende Ansprüche mit dem Ablauf einer Frist von drei Jahren – beginnend mit dem Schluss des Jahres, in
dem der Anspruch entsteht – verjähren. So wird der Zeitraum, in dem die unmittelbare Geltendmachung des Anspruchs möglich ist, auf höchstens ein Drittel des vom gesetzlichen Leitbild Vorgesehenen herabgesetzt; der dadurch bewirkte ersatzlose Verlust der Möglichkeit, einen nicht verjährten Anspruch geltend zu machen, stellt eine erhebliche Beeinträchtigung der Interessen der Gutscheininhaber dar (Senat NJW-RR 2008, 1233 [1234]). Daneben wurde die auch nach Eintritt der Verjährung mögliche Entgegenhaltung des Anspruchs im Wege der Aufrechnung oder der Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts (vgl. § 215 BGB) – durch § 14 Abs. 2 der von der Beklagten ursprünglich verwendeten AGB dadurch ausgeschlossen, dass der Anspruch erlöschen („entfallen”) und damit gänzlich untergehen soll (vgl. Senat NJWRR 2008, 1233 [1234]).
Auch ohne die ursprünglich in § 14 Abs. 2 der AGB der Beklagten enthaltenen Regelung ergibt
sich nichts anderes:
Die streitgegenständliche Klausel, wonach die Gültigkeitsdauer der Gutscheine zwölf Monate ab Ausstellungsdatum (Erwerb) beträgt, ist mehrdeutig, so dass ihr Inhalt im Weg der Auslegung zu ermitteln ist. Die Auslegung hat dabei nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so zu erfolgen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen sind (vgl. BGH NJW 2009, 2051 RdNr. 11 m.w.N.). Zweifel bei der Auslegung gehen nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt diese Auslegungsregel dazu, dass bei einer mehrdeutigen Klausel von den möglichen Auslegungen diejenige zugrunde zu legen ist, die zur Unwirksamkeit der Klausel führt (vgl. z.B. BGH NJW 2009, 2051 RdNr. 11 m.w.N.). Denn damit ist die scheinbar „kundenfeindlichste” Auslegung im Ergebnis regelmäßig die dem Kunden günstigste (BGH NJW 2009, 2051 RdNr. 11 m.w.N.). Außer Betracht zu bleiben haben insoweit nur solche Verständnismöglichkeiten, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend und nicht ernstlich in Betracht zu ziehen sind (BGH NJW 2009, 2051 RdNr. 11 m.w.N.).
Bei „kundenfeindlichster“ Auslegung ergibt sich vor diesem Hintergrund, dass nach Ablauf der
zwölfmonatigen Gültigkeitsdauer der bei der Beklagten erworbenen Gutscheine alle diesbezüglichen Ansprüche der Kunden gegen die Beklagte erlöschen. Diese erständnismöglichkeit
liegt mehr als nahe, weil die AGB der Beklagten in der hier zu beurteilenden Fassung keine ausdrückliche Regelung dazu enthalten, ob und ggf. inwieweit die Kunden nach Ablauf der Gültigkeitsdauer eines Gutscheins eine Rückzahlung des Kaufpreises verlangen können. Das Landgericht hat zu Recht festgestellt, dass sich Kunden der Beklagten aufgrund der streitgegenständlichen Klausel nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des von der Beklagten erworbenen Gutscheins von der Geltendmachung etwaiger Rechte abhalten lassen. Dies kann die Beklagte nicht entkräften, die in der Berufungsbegründungsschrift vom 17. Januar 2011 (Bl. 98, 102 d.A.) lediglich erklärt, dass dem Kunde, wenn er die Vermittlungsleistung der Beklagten nicht in Anspruch nehme, zwar kein Anspruch auf Vermittlung, „wohl aber ein Anspruch auf Rückzahlung des darüber hinausgehenden Kaufpreisanteils zustehen“ werde. Eine Anspruchsgrundlage für
diesen – von ihr angenommenen – Anspruch benennt die Beklagte nicht.
d) Diese doppelte Abweichung vom gesetzlichen Leitbild betreffend die Rechtsfrage, wie sich der Zeitablauf auf einen bestehenden Anspruch auswirkt, begründet die Unangemessenheit der Benachteiligung des Gutscheininhabers, weil keine anerkennenswerten höherrangigen oder zumindest gleichwertigen Interessen der Beklagten für eine derartige Regelung sprechen.
aa) Die Berufung der Beklagten auf tatsächliche, rechtliche und wirtschaftliche Schwierigkeiten, die nach ihrer Behauptung bei einer Erweiterung der Gültigkeitsdauer der von ihr vertriebenen Gutscheine über ein Jahr hinaus entstünden, ist nicht geeignet, die durch die angegriffene Klausel bewirkte Beschneidung der Rechte der Gutscheininhaber zu rechtfertigen.
Zum einen hat es die Beklagte trotz des landgerichtlichen Hinweises in der Sitzung am 21. Januar
2010 (vgl. Bl. 19 d.A.) unterlassen, hinreichend konkret zu den von ihr behaupteten Schwierigkeiten vorzutragen. Hierzu wird auf die zutreffenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen. Zum anderen ist die von der Beklagten bemühte Rechtfertigung schon deshalb nicht tragfähig, weil es die Beklagte selbst in der Hand hat, in ihren AGB die Rückerstattung des Kaufpreises und deren Umfang für den Fall der Nichteinlösung von Gutscheinen bis zum Ablauf ihrer Gültigkeitsdauer in einer Weise zu regeln, die im Zusammenwirken mit einer gegenüber der regelmäßigen Verjährungsfrist weitergehend zeitlich beschränkten Gültigkeitsdauer der Gutscheine nicht zu einer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessenen Benachteiligung ihrer Kunden führt.
bb) Soweit sich die Beklagte auf angeblich vergleichbare Gültigkeitsbeschränkungen in den
Geschäftsbedingungen anderer Anbieter von Erlebnisgeschenkgutscheinen im Internet beruft, ist dies in Ermangelung eines Gebots der Gleichbehandlung im Unrecht von vornherein unbehelflich.
e) Hinsichtlich der streitgegenständlichen Klausel besteht ein einschränkungsloser Unterlassungsanspruch des Klägers (§ 1 UKlaG). Es kann offen bleiben, ob die streitgegenständliche Klausel – durch Erstattungsregelungen – von der Beklagten so ergänzt werden könnte, dass eine ergänzte Klausel als wirksam anzusehen sein könnte. Denn es ist nicht Aufgabe der Gerichte im Unterlassungsverfahren, ggf. denkbare Ergänzungsvarianten zu ermitteln.
3) Eine Aufbrauchfrist war der Beklagten aus den zutreffenden Gründen des erstinstanzlichen Urteils nicht einzuräumen (BGH NJW 1980, 2518 [2519]; Palandt/Bassenge, Bürgerliches Gesetzbuch, 70. Aufl. 2011, § 1 UKlaG RdNr. 9).
4) Die Änderung der streitgegenständlichen AGB durch die Beklagte – der Prozessbevollmächtigte
der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung am 14. April 2011 erklärt, dass auch die streitgegenständliche Klausel, die die Gültigkeitsdauer der Gutscheine auf 12 Monate ab Ausstellungsdatum (Erwerb) beschränkte, in den AGB der Beklagten jetzt nicht mehr enthalten ist – führt für sich genommen nicht zu einem Erfolg der Berufung. Für einen Wegfall der Wiederholungsgefahr reicht es nicht aus, wenn der Verwender die beanstandete Klausel ändert; vielmehr ist grundsätzlich die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung erforderlich (vgl. Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl. 2011, § 1 UKlaG RdNr. 10 m.w.N.). Hierauf ist die Beklagte mit gerichtlicher Verfügung vom 21. Januar 2011 ausdrücklich hingewiesen worden. Die Beklagte hat sich entschieden, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht abzugeben. Damit ist die Wiederholungsgefahr im Streitfall nicht entfallen.
5) Der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten folgt aus § 5 UKlaG i.V. mit § 12 Abs. 1 UWG.
III.
1) Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
2) Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
3) Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat
(§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO nicht vorliegen.