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OLG Düsseldorf v. 10.09.1998: Zur Frage der Rechts- und Parteifähigkeit einer niederländischen Kapitalgesellschaft
Das OLG Düsseldorf (Urteil vom 10.09.1998 - 5 U 1/98) hat entschieden:
Für die Frage der Rechtsfähigkeit einer juristischen Person ist deren Personalstatut entscheidend, d.h. die Rechtsordnung, die für ihre Rechtsverhältnisse maßgeblich ist. Die Sitztheorie gilt auch in den Fällen, in welchen eine nach dem Recht des sogenannten Wegzugsstaats gegründete und zunächst dort ansässige juristische Person ihren Verwaltungssitz auf das Gebiet der Bundesrepublik als Zuzugsstaat verlegt. Die juristische Person besteht nur dann unter Wahrung ihrer Identität fort, wenn dies sowohl nach dem Recht des Wegzugs – als auch des Zuzugstaates statthaft ist; ansonsten ist nur eine Neugründung nach inländischem Recht möglich.
Tatbestand:
Die Klägerin ist eine im Handelsregister der Kammer von Koophandel en Fabrieken voor A/H eingetragene Gesellschaft niederländischen Rechts. Durch Generalübernehmervertrag vom 27.11./09.12.1992 verpflichtete sich die Beklagte zur vollständigen Sanierung des im Eigentum der Klägerin stehenden Garagengebäudes "H G" und des dazugehörigen Motels auf der G Allee ... in D. Die Klägerin macht nunmehr wegen streitiger Mängel des Gewerks Kosten für deren Beseitigung geltend.
Die Beklagte hat der Firma S H GmbH als ihrer Subunternehmerin den Streit verkündet. Auf die entsprechende Aufforderung seitens der Beklagten ist diese dem Rechtsstreit auf deren Seite beigetreten.
Beide Geschäftsführer und alleinigen Gesellschafter der Klägerin sind deutsche Staatsangehörige, welche ihre Gesellschaftsanteile an der Klägerin im Jahre 1994 von der NCC P D B.V. und der NCC N C P H B.V. mit Sitz in A erworben haben und ihren Wohnsitz stets in der Bundesrepublik Deutschland hatten. Als ladungsfähige Anschrift gibt die Klägerin den Sitz der Firma S GmbH & Co. KG in D an, deren Gesellschafter und Geschäftsführer die Geschäftsführer der Klägerin sind. Bei der in den Niederlanden angegebenen Anschrift, die aus dem vorgelegten Auszug aus dem niederländischen Handelsregister ersichtlich ist, handelt es sich gleichzeitig um die Anschrift der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft P W, die sich auch unter der für die Klägerin beim niederländischen Handelsregister hinterlegten Telefonnummer meldet. Die Steuerberaterin der Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin ist die zum P W-Verbund gehörende Dr. K und Partner GmbH.
Die Klägerin hat vorgetragen, die Arbeiten der Beklagten wiesen die im außergerichtlichen Gutachten des Sachverständigen K vom 11.12.1995 aufgeführten Mängel auf. Im Hinblick auf Bedenken des Landgerichts gegen ihre Parteifähigkeit hat die Klägerin in erster Instanz ihre Klage dahin umgestellt, dass an ihrer Stelle der Mehrheitsgesellschafter der Klägerin, Herr F H, Kläger sein solle.
Die Klägerin hat beantragt,
- das Aktivrubrum entsprechend zu ändern
sowie
- die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.163.657,77 DM zzgl. 5 % Zinsen hieraus seit dem 19.10.1995 zu zahlen.
Die Beklagte und die Streithelferin haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen, bei der von der Klägerin in den Niederlanden angegebenen Adresse handele es sich lediglich um eine Briefkastenanschrift. Für die Feststellung des tatsächlichen Verwaltungssitzes – der in D liege – komme es auf die Frage, ob die Klägerin im Handelsregister von A/H eingetragen sei, ebenso wenig an wie auf die steuerliche Führung der Gesellschaft. Die Beklagte hat einen Parteiwechsel auf der Klägerseite nicht zugestimmt.
Die Klägerin hat erwidert, sie mache Ansprüche "quasi aus abgetretenem Recht" geltend, so dass ihre Parteifähigkeit keinen Bedenken begegne. Der Mehrheitsgesellschafter F H habe die Anteile an der Klägerin bei Abschluss des Generalunternehmervertrages mit der Beklagten noch nicht erworben gehabt.
Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Klägerin sei als Gesellschaft niederländischen Rechts mit Sitz in der Bundesrepublik nicht parteifähig. Nach der in der Bundesrepublik herrschend vertretenen Sitztheorie müsse die Gesellschaft dem Recht des Staates entsprechen, in dessen Bereich sich der Gesellschaftssitz befinde. Dabei komme es nicht auf den satzungsmäßigen, sondern den tatsächlichen Verwaltungssitz an. Die Gesamtumstände zeigten, dass die Klägerin von D aus gelenkt werde und nicht von der in den Niederlanden angegebenen Anschrift aus. Dass die Klägerin ursprünglich ihren Sitz in den Niederlanden gehabt habe, ändere nichts daran, dass sie nunmehr in Deutschland ansässig sei und hier als niederländische Gesellschaft nicht bestehen könne. Die Klägerin könne sich auch nicht darauf berufen, lediglich Ansprüche aus abgetretenem Recht geltend zu machen. Dies scheitere bereits an der zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung jedenfalls nicht gegebenen Parteifähigkeit. Die Klageänderung, der die Beklagte nicht zugestimmt habe, sei nicht sachdienlich, da mangels Rechtsfähigkeit der Klägerin eine wirksame Forderungsabtretung an den Gesellschafter Hagen nicht möglich gewesen sei.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerechte Berufung der Klägerin. Diese wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie macht geltend, aufgrund der in den Niederlanden geltenden Gründungstheorie bestehe die Klägerin auch im Falle einer Sitzverlegung nach Deutschland nach niederländischem Recht fort, was auch gemäß Artikel 4 EGBGB in der Bundesrepublik zu beachten sei. Im übrigen stehe der Klägerin in den Räumen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft P W ein Raum mit Kommunikationsmitteln zur Verfügung, in dem die regelmäßigen Tagungen und Besprechungen der Geschäftsleitung und Gesellschafter stattfänden, die Geschäftsunterlagen aufbewahrt und Beschlüsse über neue Projekte gefasst würden. Richtig sei allerdings auch, dass beide Geschäftsführer in D ansässig seien und Gesellschafts- und Vertragsangelegenheiten dort besprochen und festgelegt würden. Die D Anschrift sei jedoch nur zur Vereinfachung des Postablaufs angegeben worden; auszugehen sei von einem Verwaltungssitz in den Niederlanden. Hilfsweise werde die Forderung von dem Mehrheitsgesellschafter F H, der 97,5 % der Gesellschaftsanteile halte, geltend gemacht. Ein entsprechender Parteiwechsel sei sachdienlich.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 05.11.1997 (5 O 132/96) die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.163.657,77 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 19.10.1995 zu zahlen.
Sowie hilfsweise,
- festzustellen, dass in gewillkürter Prozessstandschaft anstelle der bisherigen Klägerin Herr F H, V weg ..., ... R, in den Rechtsstreit eingetreten ist,
- die Beklagte zu verurteilen, an Herrn F H 1.163.657,77 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 19.10.1995 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte macht sich die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zu eigen und hält die Klage einschließlich der beiden Hilfsanträge für unzulässig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
I.
Das Landgericht hat die Klage mit zutreffender Begründung, auf die gemäß § 543 Abs. 1 ZPO in vollem Umfang Bezug genommen wird, als unzulässig abgewiesen.
Die Klage ist unzulässig, weil die Klägerin nicht rechtsfähig und damit auch nicht parteifähig im Sinne des § 50 Abs. 1 ZPO ist.
Für die Frage der Rechtsfähigkeit einer juristischen Person ist deren Personalstatut entscheidend, d.h. die Rechtsordnung, die für ihre Rechtsverhältnisse maßgeblich ist (vgl. Palandt/Heldrich, 57. Aufl., Anhang zu Artikel 12 EGBGB, Rdr. 1). Nach völlig herrschender Meinung, die auch der Senat vertritt, knüpft das Personalstatut juristischer Personen an den tatsächlichen Sitz (sogenannte Sitztheorie) der Hauptverwaltung an (BGHZ 53, 181, 183, BGHZ 97, 269, 272, OLG Düsseldorf in OLGR 10/97, 148, 149, Palandt/Heldrich, a.a.O., OLG Oldenburg in NJW 1990, 1422, Mü-Ko/Ebenroth, 2. Aufl., Rdnr. 177 nach Artikel 10 EGBGB, Palandt/Heldrich, a.a.O., Rdnr. 2 m.w.N.). Dies ist der Schwerpunkt des körperschaftlichen Lebens, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden (BGHZ 97, a.a.O.). Die Sitztheorie gilt auch in den Fällen, in welchen eine nach dem Recht des sogenannten Wegzugsstaats gegründete und zunächst dort ansässige juristische Person ihren Verwaltungssitz auf das Gebiet der Bundesrepublik als Zuzugsstaat verlegt. Die juristische Person besteht nur dann unter Wahrung ihrer Identität fort, wenn dies sowohl nach dem Recht des Wegzugs – als auch des Zuzugstaates statthaft ist; ansonsten ist nur eine Neugründung nach inländischem Recht möglich (BGHZ 97, a.a.O., m.w.N.).
Der Geltung der Sitztheorie steht – anders, als die Klägerin im Hinblick auf Artikel 4 EGBGB meint – auch nicht entgegen, dass die Klägerin in den Niederlanden, die der Gründungstheorie folgen (Mü-Ko/Ebenroth, a.a.O., Rdnr. 204), weiterhin als Gesellschaft existent ist. Denn die kollisionsrechtliche Anknüpfungsregel der Sitztheorie des deutschen Internationalen Privatrechts wird durch Artikel 58 EWGV, der in Verbindung mit Artikel 52 EWGV die Beseitigung nationaler Niederlassungsbeschränkungen für Angehörige anderer EG-Staaten anstrebt, nicht verdrängt (vgl. Mü-Ko/Ebenroth, a.a.O. Rdnr. 196 m.w.N.). Dies wird auch durch die bislang aktuelle Entscheidung des EuGH vom 27.09.1988 (DB 1989, 269, 270 = NJW 1989, 2186) bestätigt, der zwischen der Niederlassungsfreiheit natürlicher und juristischer Personen unterscheidet und ausführt:
"Im Gegensatz zu natürlichen Personen sind Gesellschaften Einheiten, die aufgrund einer Rechtsordnung, und zwar, beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts, einer nationalen Rechtsordnung geschaffen werden. Ihre einzigen Existenzgrundlagen sind die verschiedenen nationalen Rechtsordnungen, die für ihre Errichtung und ihre Funktionsweise maßgeblich sind".
Aufgrund dessen gebietet das Recht der Europäischen Gemeinschaft nicht die restriktive Anwendung der Sitztheorie (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.).
Da nach der Sitztheorie eine rechtsfähige juristische Person mit Verwaltungssitz in der Bundesrepublik nur existiert, wenn sie nach Maßgabe deutschen Rechts organisiert ist, wäre eine Rechtsfähigkeit der Klägerin als Gesellschaft niederländischen Rechts nur dann gegeben, wenn sich der Sitz ihrer Hauptverwaltung nach wie vor auf niederländischem Staatsgebiet befände. Dies ist jedoch nicht der Fall, wie die Klägerin letztlich auch selbst einräumt. In ihrem Schriftsatz vom 11.10.1997 (Bl. 79 GA) und in der Abtretungserklärung vom 13.10.1997 (Bl. 183 GA) hat sie nämlich ausgeführt, faktisch werde sowohl die Verwaltung, als auch die Geschäftsführung in der Bundesrepublik vorgenommen. Soweit sie mit der Berufung vorbringt, in den Räumen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft P W in A würden die Gesellschaftertagungen abgehalten, Beschlüsse gefasst und Geschäftsunterlagen aufbewahrt, ist dies nicht nur – was die Beklagte in der Berufungserwiderung bereits beanstandet hat – mangels konkreter und detaillierter Angaben zu den behaupteten Tagungen, Versammlungen und dort aufbewahrten Unterlagen substanzlos, was auch die Beklagte bereits gerügt hat (Bl. 250 GA), sondern entbehrt auch jeglicher Lebensnähe und Wahrscheinlichkeit. Denn wie die Klägerin selbst im folgenden Abschnitt zugesteht, finden die Besprechungen und Entscheidungen vor den Gesellschaftsversammlungen ebenso wie die Gespräche mit den Vertragspartnern und Anwälten wegen des Wohnsitzes der Geschäftsführer in D statt. Dass der Mehrheitsgesellschafter F H (97,5 %) und der Minderheitsgesellschafter K H (2,5 %) zur Abhaltung von Gesellschaftsversammlungen die Räume der Firma P W in A aufsuchen, ist auf diesem Hintergrund unglaubhaft. Das gleiche gilt für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen, die schließlich in D benötigt werden, wo die getroffenen Entscheidungen in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden. Der ohnehin nur im Grundbuchverfahren anerkannte Erfahrungssatz, dass die Gesellschaft ihren Verwaltungssitz in dem Land besitzt, nach dessen Recht sie organisiert ist (OLG Hamm, NJW-RR 95, 469, 470), ist damit entkräftet. Ohne Bedeutung sind für den Rechtsstreit auch – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – die steuerliche Behandlung der Klägerin durch das Finanzamt und die dessen Entscheidung zugrundeliegenden Erwägungen.
Ebenso wenig ergibt sich eine Rechtsfähigkeit der Klägerin sowie eine Parteifähigkeit für einen Aktivprozess daraus, dass sie im Grundbuch als Eigentümerin des Garagen- und Motelgrundstücks eingetragen ist und dass die Rechtsprechung in denjenigen Fällen von einer Parteifähigkeit ausgeht, in welchen eine nicht rechtsfähige Gesellschaft im Grundbuch eingetragen ist und wegen des eingetragenen Eigentums verklagt wird. Denn diese Ausnahme ist nur deswegen geboten, weil andernfalls eine Inanspruchnahme wegen eigentumsbezogener Ansprüche nicht möglich wäre. Die nicht rechtsfähige Gesellschaft wird mithin lediglich als parteifähig behandelt (BGH NJW 1986, 2194, 2195), ihre Parteifähigkeit nur für derartige Fallkonstellationen fingiert.
II.
Auch die Hilfsanträge haben keinen Erfolg.
Sie sind unabhängig von weiteren Fragen bereits deswegen abzuweisen, weil der Prozessstandschafter nur für eine rechts- und parteifähige natürliche oder juristische Person auftreten kann. Daran fehlt es hier jedoch schon aus den oben dargelegten Gründen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 1.163.657,77 DM.
Dem entspricht die Beschwer der Klägerin.
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